Die Rache der Rosalie Salino - Gloria Murphy - E-Book

Die Rache der Rosalie Salino E-Book

Gloria Murphy

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Beschreibung

Spannend bis zur letzten Seite - raffinierter Nervenkitzel von einer Meisterin des Psychothrillers! Eine kleine Universitätsstadt in der Nähe von Boston. Das Haus der Familie Salino ist verkauft worden, und die neue Besitzerin, Victoria Louise, zieht ein. Doch dies ist nicht ihr richtiger Name: In Wahrheit steckt hinter der neuen Bewohnerin die einst von allen verspottete und gequälte Rosalie Salino. Und sie ist nach Hause gekommen, um furchtbare Rache zu üben...

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Seitenzahl: 370

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Sammlungen



Gloria Murphy

Die Rache der Rosalie Salino

Psychothriller

Ins Deutsche übertragen von Gabriela Schönberger-Klar

Edel eBooks

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Impressum

KAPITEL 1

Victoria grub die Zähne in ihre Unterlippe und hinterließ leichte Abdrücke... Es war eine der Angewohnheiten die sie als Kind angenommen hatte, und obwohl sie bemerkenswerte Willensstärke bewiesen hatte, andere schlechte Angewohnheiten ihrer Kindheit abzulegen, so kaute sie manchmal doch noch so heftig auf ihren Lippen, daß sie zu bluten anfingen.

Wäre da nicht die weißhaarige Dame gewesen, die sie über den schmalen Gang im Bus hinweg anstarrte, hätte sie nicht bemerkt, was sie tat. Sollte sie sich bei der Frau dafür bedanken oder einfach nur zurückstarren? Sie tat keines von beidem, sondern fuhr sich glättend mit der Zunge über die Lippe und wandte sich ab, um durch das dreckverschmierte Fenster in die Dunkelheit zu starren. Sie waren in Boston – der Charles River tauchte zu ihrer Linken auf. Sie schaute auf die Uhr. Die Busfahrt von Manhattan hatte fast fünf Stunden gedauert.

Obwohl sie versucht hatte, sich zu beruhigen, spürte sie dennoch eine leichte Nervosität. Sechs Jahre war sie fortgewesen, und nun fuhr sie nach Hause. Zu sich nach Hause... zu Rosalie nach Hause. Da war es wieder, sie dachte an Rosalie wie an einen anderen Menschen, als wären sie nicht ein und dieselbe Person. Der Arzt hatte gute Arbeit geleistet – sie hatte sich für einen der besten Schönheitschirurgen Manhattans entschieden –, doch manchmal fragte sie sich, ob er bei einem der vielen Male, die er sie operierte, nicht auch Teile ihres Gehirns entfernt hatte.

Victoria wühlte in ihrer grauen Schultertasche, zog einen Taschenspiegel heraus und betrachtete ihr Gesicht; dann drehte sie den Kopf zur Seite und musterte im Profil Nase und Kinn. Die ganze Zeit über war sie sich der Blicke bewußt, die von der anderen Gangseite her auf sie gerichtet waren.

»Das Kinn ist in Ordnung«, hatte der Arzt versucht, sie zu überzeugen, doch sie war hartnäckig geblieben. »Es ist nicht gut genug«, hatte sie gesagt. »Es ist klein und zu wenig ausgeprägt. Es muß etwas verstärkt werden, um zu meinem übrigen Gesicht zu passen.«

Sie hatte sich Hunderte von Fotos angesehen. »Als ob man sich in einem Versandkatalog ein neues Gesicht aussuchen würde«, hatte sie zu den Mädchen im Sekretariat gemeint. »Oder... als bastelte man eine Puppe.« Doch diese hatten ihren trockenen Humor nie zu würdigen gewußt.

»Wenn Sie mich fragen«, hatte eine der freimütigeren Angestellten geantwortet – die anderen zogen es immer vor, ihre Meinung über sie für sich zu behalten –, »ich begreife nicht ganz, wie Sie mit so einer Veränderung zurechtkommen. Ich meine, in den Spiegel zu sehen und von einer vollkommen fremden Person angestarrt zu werden. Es tut mir leid, aber für mich ist das irgendwie makaber.«

Doch so hatte Rosalie es nie empfunden. Sie hatte sich einfach den Operationen unterzogen und voilà: Rosalie Salino war tot, und Victoria Louise war geboren. Ein neues Gesicht, eine dunklere Haarfarbe, Kontaktlinsen und sogar Sprechunterricht, um ihrer Stimme mehr Tiefe, mehr Reife zu verleihen. Und als Krönung des Ganzen – ein neuer Körper. Sie hatte in weniger als einem Jahr fast dreißig Kilo abgenommen. Wenn Mutter sie jetzt doch nur sehen könnte.

Mutter... Sie war nie wirklich einverstanden gewesen, daß ihre Tochter nach dem Highschool-Abschluß nach New York ging, aber sie hatte auch nicht viel dagegen eingewandt. Victoria war fest entschlossen gewesen, das ganze Drama ihrer Kindheit hinter sich zu lassen, was ihr allerdings nie ganz gelungen war. Sie begriff schnell, daß häßlich und fett immer häßlich und fett bleibt, wohin man auch gehen mag.

Sie hatte stundenlang vor dem Fernsehapparat damit zugebracht, sich Werbesendungen anzusehen. »Selbst wenn Sie sich nicht mögen, wir mögen Sie. Wir zeigen Ihnen, wie sehr.« Doch erst als ihre Mutter vor weniger als einem Jahr an einem schweren Herzanfall gestorben war und Victoria das viele Geld erbte, hatte die Idee von ihr Besitz ergriffen, einen neuen Menschen aus sich zu machen. Nachdem sie sich einmal dazu entschlossen hatte, war es für sie selbstverständlich gewesen, daß sie nach Hause zurückkehren würde. Das Seltsame daran war, daß Victoria vielleicht niemals mehr zurückgekommen wäre, hätte ihre Mutter ihr nicht das Geld hinterlassen.

Das Haus und mehr als zweihunderttausend Dollar... Sie hatte keine Ahnung gehabt und war vor Überraschung sprachlos gewesen, als der Anwalt ihrer Mutter ihr am Telefon die endgültige Summe nannte. Offensichtlich hatte Vaters Lebensversicherung sie nach seinem Tod gut versorgt hinterlassen, aber Mutter hatte keinen Penny angerührt. Statt dessen hatte sie weiterhin eine Untermieterin, Mrs. Mills, im Haus und lebte von der bescheidenen Miete.

Victoria steckte den Spiegel in ihre Tasche zurück, holte dann ein in schwarzes Leder gebundenes Buch aus ihrer Reisetasche und schlug es auf. Ihr Gesichtsausdruck wurde hart, als sie das Gruppenbild betrachtete, das sorgfältig ausgeschnitten und auf die erste Seite geklebt war. Elf Gesichter. Jedes gehörte zu einem ausgewählten Mitglied der Abschlußklasse der Bradley School von 1981. Der Captain des Footballteams, die Anführerin der Cheerleading Girls, die Ballkönigin des Abschlußballes – die ganze Hautevolee von Bradley war versammelt. Sie hatten sich um die massive Granitstatue, den Denker, gruppiert, die vor der Bradley-High-School stand. Unter dem Foto war in Druckbuchstaben zu lesen: »Eine Party... hat jemand was von einer Party gesagt?«

Victoria blickte auf, ihre Augen starrten ins Nichts. Ja, dachte sie, es wird eine Party stattfinden. Nur dieses Mal würde sie die Party geben, und die würde ganz anders sein als alle ihre bisherigen Parties. Dafür würde sie sorgen. Ihre Augen blieben an einem Gesicht in der Gruppe hängen, das rot umrandet war, und sofort wurde ihr Ausdruck sanfter. Für Rusty hatte sie andere Pläne...

Aus den Augenwinkeln sah Victoria, wie die alte Dame sich den Hals verrenkte – wobei alle Falten verschwanden – bei dem Versuch, einen Blick auf das zu erhaschen, was Victoria sich ansah. Victoria wandte sich um und schaute ihr ins Gesicht. »Wollen Sie einen Blick darauf werfen?« fragte sie und reichte ihr das Buch.

Die Frau schreckte zurück, und ihr Hals rutschte wieder zwischen ihre Schultern.

Es war neun Uhr, als der Greyhound-Bus in die St. James Street fuhr und in den Busbahnhof einbog. Victorias neugierige und jetzt ziemlich nervöse Reisegefährtin verließ hastig den Bus und eilte in die kühle Oktobernacht hinaus, sobald die Türen auseinanderglitten. Es war einfach gewesen, die Frau zurechtzuweisen; sie mußte sich nur ruhig, entschlossen und unmißverständlich verhalten, etwas, für das Victoria Jahre benötigt hatte, um es zu erlernen. Als Kind war sie immer zaghaft, war immer diejenige gewesen, die bei der geringsten Provokation sofort rot anlief oder plötzlich einen Kloß im Hals spürte. Bei Mrs. Mills natürlich, ihrer immer präsenten Untermieterin, war das Gegenteil der Fall: bereits die geringste Einmischung von Mrs. Mills versetzte Rosalie in Wut, und fast immer gab sie der Frau schnippische Antworten. Es erstaunte sie noch heute, daß Mrs. Mills nie beleidigt gewesen war.

Victoria hängte sich die Tasche über die eine Schulter und die Reisetasche über die andere. Sie ging schnell in die überfüllte Wartehalle und mußte kurz die Augen zusammenkneifen, als sich ihre neuen Kontaktlinsen auf das helle, reflektierende Licht einstellten.

In der Halle standen lange Reihen hölzerner Bänke, von denen die meisten besetzt waren: da saßen Betrunkene, Obdachlose, verschlampte junge Mütter mit sabbernden, triefnasigen Babys, Schwarze, Puertorikaner. Sehr viele Puertorikaner. Ein Busbahnhof war wie der andere – sie hätte besser fliegen sollen. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie sich daran gewöhnt hatte, soviel Geld zu besitzen.

Ein Mann mit einem schmutzigen T-Shirt, Hosenträgern und bloßen Füßen klopfte ihr auf die Schulter und deutete auf einen leeren Sitzplatz auf einer der Bänke. »Wollen Sie sich setzen?«

Sie war immer noch nicht daran gewöhnt, daß Männer ihr einen Platz anboten – selbst so zwielichtige Typen wie dieser –, aber sie lehnte höflich ab, trat einen Schritt zurück und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Glastür zu. Ein Mann mit einer roten Kappe holte gerade die letzten Gepäckstücke aus dem Bauch des Busses und stellte sie in einer Reihe auf den Gehsteig. Sie öffnete die Tür und entdeckte sofort ihren Koffer und die braune Pappschachtel, griff in ihre Tasche und holte die Gepäckabschnitte hervor. Der Mann mit der roten Kappe nahm sie in Empfang und half ihr, das Gepäck zum nächsten Taxistand zu bringen. Bradley lag ganze vierzig Minuten nördlich von Boston, doch sie würde ein Taxi nehmen.

Valley Road Nummer siebzehn. Victoria stellte ihr Gepäck auf den Boden und beobachtete, wie das gelbe Taxi die Straße hinunterfuhr und verschwand. Nicht einmal zu Mutters Beerdigung konnte sie sich überwinden, hierher zurückzukommen. Langsam wandte sie sich um und zwang sich, das düstere, dreistöckige Haus zu betrachten, und für den Bruchteil einer Sekunde sah und spürte sie nichts mehr außer dem elektrisierenden Kribbeln, als sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Dann erschien ihr plötzlich alles wieder sehr vertraut: das Dach mit den vielen Giebeln, der schiefhängende Balkon im zweiten Stock, das geschnitzte Geländer der Veranda, das sich wie ein paar ausgemergelter Arme die Vordertreppe hinunterzog. Und die Fenster. Zweiundsiebzig Fenster insgesamt – Rosalie hatte sie einmal gezählt.

Victoria hob ihre Sachen auf und kletterte erst die angeschlagenen Stufen, die zum Haus führten, und dann die Verandastufen hinauf. Schließlich steckte sie den Schlüssel ins Schloß, stieß die Tür auf, schlüpfte hinein und schaltete das Licht in der Eingangshalle an. Nichts. Verdammt – der Strom! Sie hatte vergessen, ihn wieder anschließen zu lassen.

Nur von dem Schein unzähliger Streichhölzer geleitet, suchte Victoria sich ihren Weg zu dem Geschirrschrank im Eßzimmer. Sie ließ ihre Hände über die Regale wandern.

Kerzen… Mutter hatte hier doch immer Kerzen aufbewahrt. Sie mußten doch – sie hielt inne. Vom Treppenabsatz ertönte ein knarrendes Geräusch. Sie wirbelte herum und starrte in die Dunkelheit. »Wer ist da?« rief sie laut.

Stille.

Victoria drückte sich lauschend gegen die Wand... Immer noch nichts. Sie mußte sich das eingebildet haben, dachte sie. Alte Häuser, seltsame Geräusche – noch etwas, was sie vergessen hatte. Sie hatte sich wieder zum Geschirrschrank getastet, als sie den Lichtschein sah, der durch die Eßzimmertür fiel. Ihre Hand berührte einen Gegenstand – eine Weinkaraffe –, sie schloß ihre Finger darum, hob ihn hoch... und wartete. Der Lichtschein kam näher und warf formlose Schatten an die Wände... Dann tauchte eine dunkle Gestalt im Türrahmen auf.

Sie schluckte und fragte wieder: »Wer ist da?«

»Die Hausherrin, wer sonst.«

Kam ihr die Stimme bekannt vor? Victoria trat ihr entgegen. Als sie nur noch einen knappen Meter entfernt war, konnte sie das Gesicht erkennen: große, dunkelblaue Augen, die ein schmales, glattes Gesicht beherrschten. Hellbraunes Haar, vom Haaransatz aus mit grauen Strähnen durchzogen... Dieses Mal kannte Victoria bereits die Antwort, als sie fragte: »Wie heißen Sie?«

»Agnes Mills. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«

»Victoria Louise.« Victoria nahm der Frau die Laterne aus der Hand und beleuchtete damit, den Atem anhaltend, ihr eigenes Gesicht. Doch die Frau zeigte keine Anzeichen des Wiedererkennens. »Was tun Sie hier?« fragte Victoria schließlich.

»Ich lebe hier... allein... jetzt, da Mrs. Salino nicht mehr da ist.«

»Aber Mrs. Salinos Tochter hat mir das Haus verkauft.«

Die Augen der Frau wurden schmal. »Rosalie? Sie kennen Rosalie?«

»Nicht direkt. Ich habe sie einmal getroffen.«

»Wo ist sie?«

»In New York, aber –«

»Erzählen Sie mir von ihr«, bat die Frau. »Geht es ihr gut?«

»Ich fürchte, ich kann Ihnen nichts erzählen. Wie ich schon sagte, ich habe sie nur einmal gesehen, und auch das nur, um die Verträge zu unterschreiben.«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht glauben. Rosalie würde mich nie auf die Straße setzen. Sie würde dieses Haus nie verkaufen.«

Victoria öffnete ihre Tasche, faltete eine Übertragungsurkunde, die Victoria Louise als Eigentümerin auswies (und die sie selbst angefertigt hatte), auseinander und hielt sie Mrs. Mills hin. »Das Original ist natürlich bereits bei den Akten.«

Mrs. Mills studierte das Papier, seufzte dann tief und sah Victoria an. »Und ich... was soll ich denn anfangen?«

Victoria zuckte mit den Schultern. »Nun, ich hatte nicht erwartet... das heißt, ich werde Ihnen etwas Zeit geben, etwas Passendes zu finden. Vielleicht eine Woche...«

Die Frau reckte das Kinn vor, und ihre Stimme klang erstickt, als sie sagte: »Selbstverständlich... das wird genügen. Ich bin sicher, daß ich bis dahin etwas gefunden habe.«

Sie wandte sich um und ging, mit unsicheren Schritten und hochgezogenen Schultern, nach oben, plötzlich zwanzig Jahre älter als die fünfzig Jahre, die sie bereits war. Einen Moment lang fragte sich Victoria, ob die schwerfälligen Bewegungen der Frau nicht ein Versuch waren, ihr Mitgefühl zu erregen. Nun, wenn dem so war, bei ihr würde das nicht wirken.

Victoria biß sich auf die Lippe und fuhr mit den Zähnen darüber... Was hatte Mrs. Mills gesagt... Rosalie würde sie nie auf die Straße setzen? Warum sollte sie so etwas sagen... wieso dachte sie so etwas überhaupt? Sie hatte doch sicher nicht vergessen, wie schlecht Rosalie sie behandelt hatte...

Victoria zündete drei Kerzen an, befestigte sie mit einem Tropfen geschmolzenen Wachses an drei Untertassen und verteilte sie im Zimmer. Dann hängte sie ihre Reisetasche über die Schulter und ging nach unten. In das Spielzimmer.

Die Kerzen in der Hand wanderte sie durch den dumpfen Keller. Einige alte Stühle und ein Sofa standen herum... vergilbtes Polstermaterial quoll an den Rändern der Möbel heraus. Nein, das war nicht gerade ein Spielzimmer, wenigstens jetzt noch nicht. Doch bald würde es genau das Zimmer sein, das ihr Vater für sie geplant hatte. Sie erinnerte sich, wie er sie seine »kleine Prinzessin« genannt und ihr immer und immer wieder erzählt hatte, wie wunderschön das Spielzimmer werden würde, sobald es fertig wäre. Sie betrachtete eine schmale, holzverkleidete Wand am Ende des Kellers. Er war nur bis hierher gekommen, bevor er gestorben war...

Sie bückte sich, öffnete den Reißverschluß ihrer Reisetasche, holte das schwarze Buch heraus und musterte die elf lachenden Gesichter auf der ersten Seite. Sie schaute sich in dem Zimmer um und wußte noch genau, wo jeder einzelne der Jungen und Mädchen vor acht Jahren gestanden hatte, als Mutter sie mit einer Party zu ihrem sechzehnten Geburtstag überrascht hatte.

Victoria konnte sich sogar noch an ihre Mienen erinnern, als sie sich mit ihren grausamen Geschenken immer wieder über sie lustig gemacht hatten. Selbst Mutter wußte nicht, was wirklich geschehen war... nur sie wußte es. Und die anderen natürlich. Victoria holte tief Luft und atmete langsam aus. Nein, die geplante Party würde entschieden anders werden. Wieder sah sie sich das rotumrandete Gesicht an, das ausgeprägte Kinn und das lockige blonde Haar, und wieder preßten sich ihre Lippen auf die glänzende Oberfläche des Fotos.

Victoria griff erneut in die Tasche und zog eine zerschlissene Stoffpuppe hervor, die alle Geheimnisse ihrer Kindheit mit ihr geteilt hatte. Sie berührte die blauen Augen, deren Glas an einigen Stellen abgesplittert war, das schwarze Haar aus Garn und das winzige Loch in der Brust der Puppe und dachte daran, wie schön sie gewesen war, als sie noch Victoria Louise hieß. Doch das war schon sehr lange her. Jetzt war sie Victoria Louise, und Rosalie... Rosalie existierte nicht mehr.

Oder vielleicht doch?

»Bist du noch da, Rosalie?« fragte Victoria die Puppe, doch die Puppe gab keine Antwort.

KAPITEL 2

Himmel, Rusty... bist du taub?« fragte Carol, als sie an der Schlafcouch vorbeirannte und den Hörer abnahm. Plötzlich klang ihre Stimme höflicher. »Hallo.« Sie wartete, sagte es noch einmal. Nichts. »Wer ist da?«

»Häng ein«, sagte Rusty, die tiefe Stimme durch das Kissen gedämpft.

»So sagen Sie doch etwas, bitte«, sagte Carol.

Immer noch nichts.

»Ich kann Sie nicht hören.«

Rusty drehte sich auf den Rücken. »Häng doch einfach ein!«

Carol seufzte, hängte ein und sah ihren Bruder an, der noch nicht fähig war, etwas wahrzunehmen. »Da war jemand am Telefon, doch die Verbindung scheint gestört zu sein.«

Schweigen.

»Vielleicht war es etwas Wichtiges. Ich hätte länger warten sollen.«

»Warum?«

»Um zu wissen, wer dran ist, natürlich.«

Schweigen, dann: »Wie spät ist es, Carol?«

Carol sah durch die Tür auf die Küchenuhr. »Schon fast fünf vor neun.« Sie ging zum Wohnzimmerfenster und zog die Vorhänge beiseite. »Sonnig, klar und kalt. Ein wunderbarer Tag.«

»Woher willst du wissen, daß es kalt ist?«

Eine Strähne von Carols honigblondem Haar fiel ihr ins Gesicht, und sie schob sie zur Seite. »Nur so eine Vermutung.

Mr. Lymans Designer-Jeans hängen auf der Leine, und sie sehen aus, als steckte er noch drinnen.«

Rusty schwang seine Beine über die Bettkante, setzte sich gähnend hin, die Arme auf den Knien abgestützt. »Samstag... Da hab’ ich mal die Möglichkeit auszuschlafen, und da kommt so ein Trottel daher und macht Telefonterror.«

Carol hob Rustys leere Bierdose auf und warf sie in den Abfalleimer in der Küche. »Das ist doch seltsam, oder? Warum ruft jemand immer wieder an –«

Sie hielt inne, und Rusty sah sie an. »Das ist schon mal passiert? Warum hast du nichts gesagt?«

Carol zuckte mit den Schultern. »Es war nicht so wichtig. Und außerdem, ich kenne dich doch. Du bist wie Vater, liest irgend etwas Verrücktes in der Zeitung und denkst sofort, das bin ich, und dann drehst du durch und übertreibst alles.«

Rusty stand auf. »Was waren das für Anrufe?«

»So wie diese zwei. Man meint, es ist jemand dran, aber entweder sagt er nichts, oder was er sagt, ist nicht zu verstehen.«

»Und was machst du... hältst du einen Monolog?«

»Ja, ganz genau.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Was glaubst du wohl, was ich mache? Ich hänge natürlich ein.«

»Ja, natürlich. Hör mal, Carol, ich weiß, daß es dir schwerfällt, einfach einzuhängen, aber falls das noch einmal passiert, dann hängst du wirklich sofort ein. Man muß diesen Typen nicht noch ermutigen, wer immer das auch ist.«

Carol hatte ein schmutziges Handtuch aufgehoben und war auf dem Weg zum Wäschekorb im Badezimmer. Sie blieb stehen und drehte sich um. »Wie kommst du auf die Idee, daß es ein ›er‹ sein könnte?«

»Habe ich das gesagt?«

»Ja, das hast du.«

»Also von mir aus. Aber was soll das – wirfst du mir sexuelle Diskriminierung vor?«

»Nun, du hast manchmal chauvinistische Tendenzen.« Sie packte die Ecke des nassen Handtuchs, das sie in der Hand hielt, und schlug damit nach ihm.

Rusty hob die Hände, um einen weiteren Schlag abzuwehren. »Hör doch auf damit.«

Carol zog die fast farblosen Augenbrauen über den grünen Augen in die Höhe. »Was ist los? Verträgst du nichts mehr?«

Rusty schnellte nach vorne und entwand seiner Schwester das Handtuch. »Das ist nicht fair!« kreischte sie, sprang zur Seite und hob ein Kissen vom Boden auf. Sie warf es – das Kissen streifte seinen Kopf und landete dann auf der Küchentheke, wo es eine halbleere Pepsi-Dose umwarf. Die braune Flüssigkeit ergoß sich über das Linoleum.

Rusty griff nach der Dose. »Scheiße.«

»Aber, aber, Rusty, wer wird denn fluchen.« Sie rückte langsam von ihm weg... dann rannte sie los. Rusty hinter ihr her, der mit dem Handtuch nach ihr schlug. Sie erreichte das Badezimmer, rannte hinein und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Die Verriegelung rastete ein.

Rusty war bereits wieder in der Küche, als das Telefon klingelte. Er drehte sich danach um. Wieder klingelte es. Die Badezimmertür öffnete sich mit einem Knarren, und Carol schaute heraus. »Und... willst du nicht rangehen?«

»Doch, natürlich.« Er ging zum Telefon und nahm den Hörer ab. »Hallo.« Es war lauter als nötig.

»Mr. Erlich?«

»Ja, am Apparat.«

»Sind Sie der Mr. Erlich, der Schreinerarbeiten und Umbauten macht?«

»Genau. Mit wem spreche ich bitte?«

»Oh, Sie kennen mich nicht. Ich habe Ihren Namen aus dem Branchenbuch. Mein Name ist Victoria. Victoria Louise.«

Die Pfannkuchen, die Carol gemacht hatte, schmeckten hervorragend – so wie die von Mutter. Leider hatte Rusty zu viele davon gegessen, genauso wie bei Mutter. Er steckte den Schlüssel in die Zündung seines Chevy-Kleinlasters, drehte ihn herum, und der Wagen erwachte stotternd zum Leben... dank der vierhundert Dollar, die er eben erst für Reparaturen ausgegeben hatte. Er verschränkte die Finger und hoffte, der Wagen würde noch ein weiteres Jahr aushalten, Zeit genug, um in seinem Geschäft Fuß gefaßt zu haben.

Er legte den Rückwärtsgang ein, fuhr langsam an – es hatte keinen Sinn, das Getriebe schon in der Auffahrt zu Schrott zu fahren – und warf dann einen Blick zurück auf das dreistöckige Haus, wobei seine Augen auf das Küchenfenster seiner Wohnung im ersten Stock gerichtet waren. Carol stand dort in ihrem kurzen Flanellnachthemd – die langen Beine nackt – und stapelte das Frühstücksgeschirr im Spülbecken. Sie war groß und schlank und ähnelte immer weniger dem kleinen Wildfang, den er in ihrer Kindheit gnadenlos geärgert hatte. Ihre langen blonden Haare, die sie normalerweise zu einem dicken Zopf geflochten trug, fielen offen über ihren Rücken. Er schnaubte – er würde auf seinem Weg nach Hause ein paar billige Vorhänge für die Fenster kaufen. Über so etwas hatte er sich vor September keine Gedanken machen müssen, bis die Erkrankung seines Vaters seine Eltern gezwungen hatte, in ein trockeneres Klima umzuziehen, und er ganz allein auf eine Sechzehnjährige aufpassen mußte.

Er lächelte. Eigentlich war er froh, daß Carol darauf bestanden hatte, bei ihm zu bleiben und ihr letztes Schuljahr hier zu Ende zu bringen. Es hatte ihm nicht viel ausgemacht, daß seine Eltern beschlossen hatten wegzuziehen – mit Mutter war er ganz gut ausgekommen, aber zwischen ihm und seinem Vater hatte es immer Streitereien gegeben. Doch wenn seine kleine Schwester sich entschieden hätte, mit ihnen zu gehen, dann hätte er sie wirklich sehr vermißt.

Aber – und da war es, das große Aber – er machte sich über seine Verantwortung Gedanken, und das anfängliche Zögern seines Vaters, ihm Carols Wohlergehen anzuvertrauen, verbesserte die Sache nicht. Nicht, daß man Rusty extra an die Schwierigkeiten hätte erinnern müssen, in die High-School-Schüler geraten konnten. Es war noch nicht so lange her, daß er selbst auf der High-School gewesen war. Aber manchmal tauchten Probleme auf, selbst wenn man sehr gut aufpaßte.

Rusty dachte an seine eigenen Jahre auf der High-School zurück – keine Drogen, aber sehr viel Alkohol und viele Parties. Doch im Vergleich mit den meisten anderen hätten ihn seine Kumpane von damals wohl noch als harmlos bezeichnet, überlegte er. Alle hatten die Zeit gut überstanden. Nur einmal hatte es im Suff einen Unfall gegeben – sie hatten zu acht im Wagen gesessen, einer davon war er gewesen. Zum Glück hatte es keine schlimmeren Blessuren als Verstauchungen und blaue Flecken gegeben.

Er dachte wieder an die Telefonanrufe, als er seinen Lieferwagen auf den Parkplatz von Line Lumber, der Holzfachhandlung, fuhr. War es nur irgendein Freund von Carol, der ihr einen Streich spielen wollte oder war es... ja, was? Ganz offensichtlich nahm er die Sache zu ernst.

Rae Lemkin hatte bereits den ganzen Morgen im Laden mit Einkäufen verbracht und betrachtete nun prüfend ihren Einkaufswagen. Sie liebte die Dinge, die man selbst zusammenbasteln konnte, und sie verbrachte Stunden damit, sich in der Eisenwarenabteilung umzusehen. Aber heute hatte sie sich nicht nur umgesehen. Neben die sechs Regalträger, derentwegen sie eigentlich zu Line Lumber gekommen war, hatte sie drei fast eineinhalb Meter lange Kiefernholzbretter gestapelt – perfekte Bücherregale für ihre neue Wohnung –, dazu eine Dose mit Holzbeize, Winkeleisen, ein paar weiße Lichtschalter, die zu ihren frischgestrichenen Wänden passen würden, und einen Stereoschrank zum Selberbauen, der, der Abbildung auf der Verpackung nach zu schließen, für sechsundzwanzig Dollar ein wahrer Gelegenheitskauf sein mußte.

Nachdem sie sich entschlossen hatte, sich in Unkosten zu stürzen und alles zu kaufen, schob sie den Wagen den Mittelgang hinunter auf die Kasse zu. »Passen Sie doch auf!« rief Rusty genau in dem Moment, als sich die Winkeleisen in seine Beine bohrten.

Rae sprang an die Seite des Wagens. »Oh, es tut mir leid, ich hatte nicht die Absicht... Habe ich Sie verletzt?«

Rusty rieb sich die Beine und schüttelte den Kopf. »Mist. Haben Sie schon mal daran gedacht, die Bretter so zu stapeln, daß Sie noch sehen können, wohin Sie gehen?«

Rae lief rot an, und sofort traten die wenigen Sommersprossen auf ihrer Nase hervor. Sie schob die Kiefernholzbretter auf die eine Seite des Wagens. »Es tut mir leid... Habe ich Ihnen wirklich nicht weh getan?«

Rusty richtete sich auf, und seine Stimme klang schon weniger scharf. »Ich nehme an, ich werde es überleben.«

»Gut. Würden Sie mich dann bitte durchlassen?«

Rusty trat zögernd zur Seite. »He, warten Sie eine Minute. Es gibt keinen Grund, unfreundlich zu werden. Ich bin schließlich derjenige, der fast überrannt worden ist, stimmt’s?«

»Und ich habe mich entschuldigt.«

Rusty zuckte mit den Achseln. »Ja, das haben Sie.«

Schweigen.

Er beugte den Kopf zur Seite, blinzelte und musterte sie: kräftiges, rotes Haar war nach hinten gekämmt und achtlos mit einer dunkelroten Klammer auf dem Hinterkopf festgesteckt. Sie hatte die helle Haut der Rothaarigen, sogar einige wenige Sommersprossen auf dem rechten Fleck, aber es war die Farbe der Augen, die ihn überraschte... braun wie Haselnüsse. »Ich kenne dich doch«, sagte er.

»Das glaube ich nicht.«

»Nein, wirklich, ich bin sicher, daß ich dich schon einmal gesehen habe. Ich bin Rusty Erlich.«

Sie nickte. »Ich glaube, wir kennen uns tatsächlich.« Dann: »Ich bin Rae Lemkin, du warst auf der High-School mit meinem Cousin, Bobby Cole, befreundet.«

Rusty lächelte. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich habe dich nur ein- oder zweimal getroffen.«

Schweigen, dann: »Wo ist Bobby denn zur Zeit? Ich habe ihn schon länger nicht mehr gesehen. Normalerweise treffe ich ihn während der Woche... zum Abendessen oder so.«

Rae zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich selbst nicht. Seit ich umgezogen bin, versuche ich auch, ihn zu erreichen.«

»Also, wenn du ihn erreichst, sag ihm, daß er mich anrufen soll. Ich habe vielleicht einen Job für ihn. Ein paar Leute wollen Bilder von ihrem Haus. Nichts Besonderes natürlich, aber es bringt Geld.«

»Hast du die tolle Neuigkeit schon gehört? Ein Bild von Bobby ist bei Raneers angenommen worden. Es soll die beste Galerie in Boston sein.«

»Du meinst seinen Marathonläufer. Ja, ich habe davon gehört.« Dann: »Was machst du denn jetzt? Du hast doch mal bei Bobbys Familie gewohnt, bist hier sogar zur Schule gegangen, richtig?«

»Ich bin 1981 nach Bradley gekommen, im Abschlußjahr.«

»Warum habe ich dich dann nie gesehen?«

»Wahrscheinlich waren wir mit verschiedenen Leuten befreundet.«

Er sah sie einen Moment an und betrachtete dann den Wagen. »Renovierst du?«

»Ich richte mir gerade eine Wohnung ein. War ’ne Zeitlang weg.«

»Aha... wo warst du denn?«

»In der Schule, dann einige Zeit als Krankenschwester am Beth-Israel-Krankenhaus in Boston. Nach dem Ausbau des Valley-Krankenhauses und bei dem Mangel an Krankenschwestern beschloß ich, nach Bradley zurückzukommen. Außerdem habe ich meine Familie vermißt.«

Er strich mit der Hand über die Pappschachtel im Wagen.

»Wer wird dieses Schränkchen zusammenbauen?«

»Ich.«

»Das ist gar nicht so einfach, wie es aussieht, mußt du wissen.«

»Ich weiß schon, daß du nicht viel von meinen Fähigkeiten als Fahrerin eines Einkaufswagens hältst, aber ich kann ganz gut mit Schraubenzieher und Hammer umgehen.«

»Nun, wenn du nicht mehr weiter weißt –«

»Mach dir mal keine Sorgen«, unterbrach sie ihn, »das wird nicht passieren.«

Rae beobachtete Rusty, wie er die Abteilung mit den Nägeln ansteuerte. In Wahrheit hatte sie vom ersten Augenblick an gewußt, wer er war. Warum hatte sie es denn nicht einfach gesagt? Es sah ihr gar nicht ähnlich... Typisch dagegen für sie war ihr Unabhängigkeitsstreben, das ganz plötzlich und aus heiterem Himmel auflodern konnte. Er wollte ihr seine Hilfe anbieten, und sie wies ihn einfach zurück. Sie hatte nicht so abweisend sein wollen – schließlich war er ein Freund von Bobby. Aber sie wußte, wie man ein einfaches Schränkchen zusammenbaute. Sie mußte lächeln: sie war nicht umsonst durch die Hölle gegangen, die es bedeutete, das einzige Mädchen im Werkunterricht an der High-School gewesen zu sein.

Sie zog ihre Brieftasche hervor und hoffte, daß sie genügend Bargeld dabeihatte. Wenn nicht, konnte sie immer noch mit ihrer Kreditkarte bezahlen, aber sie haßte es, diese Dinger zu benutzen. Sie blätterte ein paar Fotos durch, die in Plastikfolie steckten, und hielt einen Augenblick lang bei einem neuen Bild ihres Cousins inne. Bobbys zurückweichender Haaransatz wurde immer auffallender. Ihr fiel wieder ein, daß sie ihn nicht erreichen konnte. Sie hatte vor dem Umzug mehrere Male mit ihm gesprochen – er hatte sogar die Wohnung für sie gefunden. Es war tatsächlich seltsam, daß er inzwischen noch nicht bei ihr vorbeigekommen war oder sie angerufen hatte.

Nun, sobald sie zu Hause sein würde, würde sie versuchen, Tante Sara zu erreichen, um herauszufinden, wo Bobby sich verkrochen hatte.

KAPITEL 3

Agnes Mills war auf sehr deutliche Weise klargemacht worden, daß ihre Zeit vorüber war. Nachdem sie fünfundzwanzig Jahre unter demselben Dach gelebt hatte, hatte man ihr ihr Zuhause, das einzige, was von ihrer Vergangenheit noch übrig war, weggenommen. Agnes Mills wollte nicht glauben, daß so etwas geschehen konnte – die Salinos hatten sie darauf nie vorbereitet; im Gegenteil, sie hatten sogar versprochen, daß Rosalie sie nie auf die Straße setzen würde. Und obwohl sie wußte, wie egoistisch... und ja, auch unverschämt das Mädchen manchmal sein konnte, hatte Agnes ihnen geglaubt.

In der vergangenen Woche hatte sie auf der Suche nach einer Wohnung alle Anzeigen durchgesehen... nach Wohnungen, die sie sich leisten konnte. Natürlich, wäre da nicht der Scheck gewesen, den sie monatlich aus dem Salino-Treuhandvermögen erhielt – und der oft nicht einmal ausreichte, Strom und Gas zu bezahlen –, dann wäre nicht einmal das möglich gewesen. Aber wie die Dinge lagen, hatte sie eine kleine Anzahlung auf ein Ein-Zimmer-Appartement mit Kochnische leisten können, das in derselben Straße lag. Das Wissen beruhigte sie, wenigstens noch in der Nähe zu wohnen.

Doch bis sie umziehen würde, mußte Agnes Mills mit Victoria zurechtkommen, und wenn sie ehrlich sein sollte, die junge Frau verwirrte sie. Zweifellos war sie sehr schön, auf besondere Weise sogar bezaubernd, doch es war etwas Seltsames an ihr. Was Agnes beunruhigend fand. Es war nicht das, was sie sagte; es war vielmehr der Klang ihrer Stimme oder der Ausdruck in ihren Augen. Zum Beispiel die Art, wie sie diesen Künstler angesehen hatte, den sie für ein Porträt von sich bestellt hatte. Victoria hatte Agnes Mills aus dem Zimmer geschickt, als er gekommen war, doch sie hatte genug gesehen... Manche hätten den Blick vielleicht einfach nur für verführerisch gehalten – aber nein, Agnes Mills erkannte eine verführerische Botschaft, wenn sie diese sah.

Was Agnes Mills am meisten verwirrte, war die Angewohnheit dieser Frau, sich so lange auf die Lippen zu beißen, bis diese manchmal sogar anschwollen und aufplatzten. Wenn Rosalie aufgeregt gewesen war, hatte sie dasselbe getan.

Mrs. Mills faltete ihren letzten Pullover zusammen und legte ihn über die Fotoalben in eine der Pappschachteln. Sie schaute sich im Zimmer um und betrachtete all die Fotos, die mit Reißzwecken an den Wänden befestigt waren. Die würde sie als nächstes einpacken, doch vorher würde sie nach unten gehen und sich eine Kanne Tee kochen. Zitronentee hatte immer eine beruhigende Wirkung auf sie. Sie warf noch einmal einen Blick auf das Zimmer und seufzte tief. Morgen würde es so sein, als hätte sie nie hier gelebt.

Victoria verriegelte die Tür des Schlafzimmers im zweiten Stock und öffnete dann den Schrank. Sie stieg über die Schachtel auf dem Boden, griff nach oben und holte die Puppe vom Regal... Es tat ihr leid, sie in einem dunklen, muffigen Schrank einzuschließen, aber sobald Mrs. Mills gegangen war, würde das nicht mehr nötig sein. Sie zog einen Stuhl zum Fenster, setzte sich und plazierte die Puppe so auf dem Fensterbrett, daß diese sie ansah...

Ihre Hände waren kalt... eiskalt. Nervosität, vermutete Victoria. Sie ergriff die fingerlose Hand der Puppe und setzte sich wieder in den Stuhl zurück. Sie konnte nicht glauben, daß es wirklich geschehen würde... Rusty kam hierher, um sie zu sehen – etwas, was zuvor nur in ihren Träumen geschehen war. Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als könnte sie ihn niemals erreichen, da dieses Mädchen immer abgenommen hatte, doch schließlich hatte sie es geschafft.

Die Tatsache, daß er mit jemandem zusammenlebte, bereitete ihr natürlich Kummer... Aber es war nicht Elaine – diese Stimme hätte sie sofort erkannt. Doch Victoria mußte vernünftig sein. Sie konnte kaum erwarten, daß jemand, der so gut aussah wie Rusty, ein Eremitendasein führte, während sie weg war. Sie hatte sich bis jetzt noch nicht überlegt, wie sie das Mädchen loswerden könnte, doch sie war zuversichtlich, daß ihr etwas einfallen würde. Sie beugte sich nach vorne, drückte die Hand der Puppe und stellte sich dabei vor, daß ihre kleinen Finger um die ihren geschlungen waren. »Vertrau mir, Rosalie«, sagte sie zu der Puppe. »Rusty wird jetzt nicht mehr von uns fortgehen. Jetzt nicht mehr, nie mehr.«

Bradley erstreckte sich über fünfzehn Quadratmeilen, hatte zwanzigtausend Einwohner und grenzte an New Hampshire. Der Merrimack River floß genau durch die Stadtmitte und trennte Bradley von West Bradley, eine Gegend, deren Anwohner in einem Anfall von Snobismus diesen Teil für den besseren der beiden Stadtteile hielten. Obwohl Rusty im Westen lebte, so fand er doch die Seite jenseits der Brücke wesentlich interessanter. Größtenteils wegen der Architektur: da gab es Häuser im georgianischen Stil, im Stil der Kolonialzeit und einfache Farmgebäude, von denen einige aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert stammten. Sicher, manche waren total heruntergekommen, aber es gab einen Trend, daß junge Paare aus der Stadt hierher zogen, für einen Spottpreis diese Bruchbuden aufkauften und sie dann selbst renovierten. Was hätte er nicht darum gegeben, auch in der Lage zu sein, zu kaufen, herzurichten und wieder verkaufen zu können.

Nach der High-School hatte Rusty ein paar Seminare bei den Geisteswissenschaftlern besucht, dazu ein gutes Dutzend Kurse in Architektur und Design an der Abenduniversität in Boston belegt, während er tagsüber eine Schreinerlehre absolvierte. Trotz des ständigen Drängens seines Vaters und trotz guter Zensuren hatte er sich dafür entschieden, keinen Collegeabschluß zu machen. Er brauchte keinen offiziellen »Wisch«, um bauen zu können, und obwohl diese Diskussion bei seinem Vater auf taube Ohren stieß, war Bauen genau das, was er bereits als Kind tun wollte. Letztes Jahr endlich war er sich seiner Fähigkeiten sicher genug gewesen, um sich selbständig zu machen. Und obwohl er noch keine größeren Aufträge an Land gezogen hatte, so konnte man auch nicht gerade sagen, daß er am Hungertuch nagte.

Er hielt den Transporter vor dem Haus Nummer siebzehn in der Valley Road an, stellte den Motor ab und betrachtete das baufällige Gebäude im Kolonialstil, das ungefähr fünfzehn Meter von der Straße zurückgesetzt in einem Garten lag. Er war sicher, hier schon einmal gewesen zu sein... aber er konnte sich nicht erinnern, wann. Er stieg aus dem Wagen und lehnte sich einen Moment dagegen, während sein Blick zu einem Fenster im zweiten Stock wanderte. Starrte ihn von dort oben jemand an? Er sah noch einmal hin und lächelte dann... Vielleicht sollte er sich mal die Augen untersuchen lassen... Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, daß es eine Stoffpuppe war, die auf dem Fensterbrett saß.

Eine Dame mit klaren blauen Augen in einem traurig wirkenden Gesicht öffnete ihm die Tür. Kam sie ihm auch bekannt vor?

»Bitte?« fragte die Dame laut, als wäre es nicht das erste Mal, daß sie das fragte.

»Entschuldigen Sie, Ma’am. Ich bin Rusty Erlich, ich bin mit Victoria Louise verabredet.«

Sie öffnete die Tür ganz. »Wollen Sie nicht hereinkommen?« Er trat in die Eingangshalle. In einem Alkoven an einer Wand gegenüber hing ein beeindruckender Spiegel mit verschnörkeltem Rahmen, und darunter verlief eine Bank über die gesamte Breite der Wand. Er betrachtete die kunstvolle Schnitzerei, die sich oben an den Wänden entlangzog. Die Zierleisten, die Türen... alles glänzte in weißem Lack. Zweifellos verbarg sich darunter solides Kiefernholz. Es wunderte ihn immer wieder: Warum ruinierte man die Schönheit natürlichen Holzes, indem man einen Kübel Farbe darüberkippte?

Er bemerkte kaum, daß sich die Frau abgewandt hatte, aber jetzt ging sie wieder die Treppe hinunter, und eine junge Frau kam auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Sie sah gut aus... glattes, schwarzes Haar, das gerade bis auf die Schultern fiel, schwang leicht um ihren Kopf. Ihre geheimnisvollen, wie in Stein gemeißelten Gesichtszüge, die fast zu perfekt waren, wurden von herrlichen, weit auseinanderstehenden Augen gemildert. Grau? Sie kam näher auf ihn zu. Nein, nicht grau... blau.

Sie streckte ihm die Hand entgegen und sah ihm in die Augen. »Mr. Erlich, ich bin Victoria Louise.« Lange dunkle Wimpern senkten sich und hoben sich wieder.

»Rusty genügt.« Er ließ seine Hand wieder sinken, sah sich in der Halle um und blickte sie wieder an. »Wissen Sie, es ist seltsam, ich kenne dieses Haus, aber ich weiß nicht mehr, wann ich hier gewesen bin.«

»Tatsächlich? Sind Sie in dieser Gegend aufgewachsen?«

»Auf der anderen Seite der Brücke... Ich schließe daraus, daß Sie nicht von hier sind. Sie wären mir sonst bestimmt aufgefallen.«

»O nein, ich bin aus New York.« Sie lächelte. »Das heißt, ich war aus New York.«

»Wie hat es Sie hierher verschlagen? Nicht, daß es mich etwas angehen würde.«

»Nein, das ist schon in Ordnung, es macht mir nichts aus, wenn Sie fragen. Es ist einfach so passiert. Ich war vor ein paar Jahren im Sommer in New England zu Besuch und habe mich in die Gegend verliebt. Und was Bradley betrifft... vermutlich hat mich das Haus hier angezogen. Ich entdeckte die Annonce im BOSTON GLOBE, und dann sah ich es selbst...« Sie zuckte mit den Achseln. »Alte Häuser haben so etwas an sich.«

»Ich habe selbst eine große Schwäche für sie.«

»Glauben Sie nicht auch, daß sie Charakter haben... Persönlichkeit? Ich weiß, das klingt etwas verrückt, aber –« Sie hielt inne.

»Sprechen Sie doch weiter, was wollten Sie sagen?«

»Nun, ich glaube eben, daß alte Häuser ihre eigenen Erinnerungen haben. Alles, was sie im Laufe der Jahre gesehen und gehört haben, wird registriert und irgendwo gespeichert, und das alles wird Teil der Persönlichkeit des Hauses. Und im Gegenzug nimmt jeder Mensch, der neu einzieht, etwas von dem Haus an und tritt so mit den Menschen in Verbindung, die vor ihm darin gelebt haben.«

Rusty verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust, beugte den Kopf zu ihr und nickte. »Ich weiß nicht so recht, das klingt mir etwas weit hergeholt. Aber vielleicht haben Sie recht.«

Victoria lächelte gewinnend. »Ich sehe schon, Sie sagen das nur so.«

»Nein, nein, überhaupt nicht.« Es herrschte kurzes Schweigen... »Aus Ihrem Telefonanruf schließe ich, daß Sie große Pläne mit dem Haus haben. Warum führen Sie mich nicht herum, ich werde mir Notizen von Ihren Wünschen machen und Ihnen dann Kostenvoranschläge ausarbeiten. Was halten Sie davon?« Er ließ die Arme wieder sinken und holte Block und Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Hemdes.

Victoria sah ihn immer noch an, und ihre Augen blitzten verführerisch. »Hervorragend. Das klingt hervorragend. Ich hatte wirklich eine glückliche Hand, als ich heute morgen das Branchenbuch aufschlug.«

Herr im Himmel... sein Gesicht fühlte sich ganz heiß an. Wurde er rot? Das war ihm nicht mehr passiert, seit er ganze zwölf Jahre alt gewesen war.

Mrs. Mills hielt sich diskret im Hintergrund, doch von ihrem Platz am Eßzimmertisch aus, wo sie ihren Tee trank, konnte sie hören, was Victoria und der junge Mann sprachen. Er sah gut aus, war groß und muskulös, hatte goldblonde Strähnen im Haar und dichte Augenbrauen. Er sah aus, als verbrachte er viel Zeit draußen an der frischen Luft. Und so freundliche grüne Augen... Die Art von Augen, denen man vom ersten Augenblick an vertraute.

»Mrs. Mills.«

Die Frau sah zu Victoria auf. Der junge Mann stand hinter ihr. »Ja?«

»Ich dachte, Sie hätten noch etwas einzupacken?«

»Oh, das meiste ist schon getan. Es fehlen nur noch die Fotos.«

»Dann sollten Sie sich vielleicht darum kümmern. Ich möchte nicht, daß Sie etwas vergessen.« Victoria beugte sich über den Tisch, legte ihre Hand auf die der Frau und übte einen kaum wahrnehmbaren Druck mit ihrem knochigen Handgelenk aus.

Mrs. Mills stand hastig auf und schlüpfte an den beiden vorbei, die Augen zu Boden gerichtet. Mit ihrer leicht schmerzenden Hand packte sie das Treppengeländer und begann den langen Aufstieg zu ihrem Schlafzimmer im dritten Stock.

Wenn Agnes Mills noch irgendwelche Zweifel gehabt haben sollte, jetzt gab es keine mehr: schöne Worte hin oder her... die Absichten des Mädchens waren alles andere als ehrenhaft. Und wieder tauchte die Frage auf, die so wenig Sinn zu ergeben schien, sie aber von dem Augenblick an, als das Mädchen zur Tür hereingekommen war, gequält hatte: wer war Victoria Louise, wo kam sie wirklich her und warum hatte sie das Haus an der Valley Street Nummer siebzehn gekauft?

Als sie endlich zur Fassade gekommen waren, hatte Rusty bereits zwei Seiten voller Reparaturmaßnahmen aufgeschrieben. Die Bausubstanz, entschied er, war in Ordnung, nur im Keller mußte ein Stützpfeiler eingezogen werden, um dem schiefen Wohnzimmerboden Halt zu geben. Es gab ein paar Dutzend Stellen, wo vom Holzschwamm befallene Bodenbretter auszuwechseln waren. Dann noch eine Handvoll Kleinigkeiten: Löcher mußten vergipst werden; ein paar Dutzend Fenster, Türen und Türknäufe mußten repariert oder ersetzt werden; drei Stufen im Treppenhaus mußten erneuert und Spindeln ausgetauscht werden. Zusätzlich würden alle Zierleisten im ersten und zweiten Stock wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden, ebenso der eingebaute Geschirrschrank im Eßzimmer.

»Nun... was halten Sie davon?« fragte sie, nachdem sie mit ihm im Hof herumgegangen war. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte sie sich selbst wärmen.

»Ich glaube, Sie sollten besser eine Jacke anziehen, bevor Sie sich noch erkälten.«

Sie lächelte. »Sie wissen schon, was ich meine, die Außenseite des Hauses.«

Er sah wieder zu den Schindeln hoch, »Also, von hier aus sieht es so aus, als brauchten Sie ein neues Dach. Ich würde vorschlagen, wir verschieben das, zusammen mit dem Außenanstrich, bis zum Frühjahr.«

Sie nickte.

»Da sind auch noch ein paar verrottete Bretter, die ersetzt werden müssen. Die Dachrinnen... die schmiedeeisernen Geländer... die angeschlagenen Zementstufen.« Er deutete mit seinem Block auf die Veranda vor dem Haus, von der aus zwei dicke, runde Säulen den Balkon darüber abstützten. »Die Säulen und Stufen müßte man reparieren, und das Geländer muß erneuert werden. Dann bekommt der Balkon mehr Stütze.«

»Ist das alles?«

Rusty schüttelte den Kopf und klemmte sich den Kugelschreiber hinters Ohr. »Ich muß schon sagen, Sie sind wirklich nicht leicht abzuschrecken.«

Victoria starrte ihn an. »O nein. Ich habe das alles hier seit langem geplant.«

Rusty riß sich von ihren Augen los und räusperte sich. »Nun, bevor Sie irgend etwas entscheiden, sollte ich Ihnen vielleicht besser das gesamte Material auflisten, die Preise berechnen und meine Arbeitszeit kalkulieren. Ich bringe Ihnen dann am Montag die exakten Zahlen. Ich werde mich auch mit einem Elektriker, den ich kenne, in Verbindung setzen, Sammy Regis, und er soll sich den Schaltkasten und die Leitungen ansehen.«

Er wollte gerade gehen, aber sie packte ihn am Arm und hielt ihn auf. »Nein, bleiben Sie, Sie können nicht gehen. Jetzt noch nicht. Sie haben unser wichtigstes Projekt noch nicht gesehen – das Spielzimmer.«

Auf dem Weg die Treppe hinunter bemerkte er einen Schlagstock, der an einem Nagel an der Wand hing. Unten angekommen, blieb er stehen. Auf der linken Seite, noch einige Stufen weiter unten, lag ein Kellergewölbe, das Rusty für einen Vorratsraum hielt.

»Das ist ein Weinkeller«, erklärte Victoria. »Offensichtlich hat einer der Vorbesitzer seinen eigenen Wein hergestellt und hier aufbewahrt.«

»Interessant. Hat man Ihnen ein paar Kostproben hinterlassen?«

»Nein, natürlich nicht... Ich werde meinen eigenen Vorrat anlegen müssen.«

Rusty trat durch eine Tür zu seiner Rechten, sah sich in dem dunklen, muffigen Keller um und bemerkte die eine Wand, die bereits mit Holz verkleidet war. Die Möbel sahen aus, als würden sie gleich zusammenbrechen. Plötzlich wandte er sich an Victoria. »Jetzt weiß ich es wieder. Natürlich war ich früher schon einmal in diesem Haus, und zwar genau hier unten. Ich kam als Teenager hierher zu einer Party.«

Ihre Augen nahmen wieder die rauchgraue Färbung an, die ihm beim ersten Mal aufgefallen war. »So... war es eine schöne Party?«

»Soweit ich mich erinnern kann, nicht besonders.«

»Aha, und warum nicht?«

Er dachte einen Moment lang darüber nach, dann preßten sich seine Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. »Oh, Sie wissen doch, wie so etwas ist, manche Parties laufen eben und manche nicht.« Dann: »Was haben Sie mit diesem Raum vor?«

Sie sah sich um. »Also, zum einen möchte ich die beiden kleinen Fenster zumauern lassen.«

»Wieso? Sie werden dadurch kein Tageslicht mehr haben.«

»Soviel Licht kommt da nun auch wieder nicht herein. Außerdem gefallen sie mir nicht.«