Die Reformierte Kirche im Wil, Dübendorf - Michael D. Schmid - E-Book

Die Reformierte Kirche im Wil, Dübendorf E-Book

Michael D. Schmid

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Beschreibung

Die Kirche im Wil ist vieles in einem: Weg und Ort, Bau und Raum, «feste Burg» und «leichtes Zelt», wie der Architekt Hans von Meyenburg festhielt. An der Stelle einer römischen Siedlung und mehrerer Vorgängerkirchen wurde nach seinen Plänen 1969–1971 ein origineller reformierter Predigtraum der Moderne realisiert. Die Bauingenieure Ernst und Walter Bosshard waren wesentlich an der Gestaltung des spektakulären Flächentragwerks und des grossen Fachwerkfensters beteiligt. Mustergültig spielen bei dieser Kirche in Prozess und Resultat theologische, bauästhetische und technische Aspekte zusammen.

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Michael D. Schmid · Hugo Bachmann

Die Reformierte Kirche im Wil, Dübendorf

Kanton Zürich

Geschichte der Siedlung im Wil

Kirchengeschichte Dübendorfs

Die Vorgängerbauten

Baugeschichte

Spätere Veränderungen

Der Aussenbau

Der Freiraum

Der Kirchenbau von aussen

Das Geläut

Der Eingangsbereich

Symbolik der Kirche

Die beiden Foyers

Die Nebenräume

Der Innenraum

Die Liturgiezone

Fenster und Beleuchtung

Die Orgel

Aussergewöhnliche Tragwerke formen das Bauwerk

Kreative Bauingenieure

Eigenwillige Formen

Überall Dreiecke

Stahlbeton – eine «gerissene» Bauweise

Das grosse Zeltdach

Spannbeton rettet die Kirche

Das einmalige Fachwerkfenster

Die Kirche im Wil im Spiegel ihrer Zeit

Grundrisse

Einheitsraum vs. Kompartimentierung

Skulpturalität

Materialgerechtigkeit und Materialinszenierung

Kirchgemeindezentrum

Würdigung

Weitere kirchliche Bauten in Dübendorf-Schwerzenbach

Anhang

Geschichte der Siedlung im Wil

ABB. 1 Luftbild von Dübendorf des Flugpioniers Walter Mittelholzer, 1935. Links unten ist der eher am Ortsrand gelegene Kirchhügel im Wil mit dem Vorgängerbau sichtbar.

Die ausgedehnte Mittelstadt Dübendorf liegt an der Glatt vor den Toren Zürichs. Einzelne Stellen des heutigen Stadtgebiets waren bereits im Neolithikum und zur Römerzeit besiedelt. Erstmals erwähnt wurde die Ortschaft im Jahr 946 als «Tuobilindorf».

Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit bestand Dübendorf aus mehreren einzelnen Weilern, die erst im 19. und 20. Jh. (ABB. 1, 2) allmählich zu einer einheitlichen Stadtsiedlung zusammenwuchsen. 2021 hatte die Stadt rund 30’000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Der Dübendorfer Ortsteil Wil befindet sich im Süden des heutigen Hauptsiedlungsgebiets der Stadt. Bereits zur Römerzeit war das Gebiet im Wil besiedelt, worauf der Ortsname (von lat. «villa»), archäologische Mauerreste und Ziegelfunde vom Kirchhügel sowie dem westlich davon gelegenen Gebiet Högler hindeuten. Seit dem frühen 7. Jh. ist der Hügel Standort einer Kirche.

ABB. 2 Ausschnitt aus der Siegfriedkarte, 1881.

Kirchengeschichte Dübendorfs

Die Anfänge der Pfarrei im 7. Jh. liegen im Dunkeln. Im 8. Jh. war sie eine Eigenkirche der 724 gegründeten Benediktinerabtei Reichenau, die in Dübendorf auch die Vogteirechte ausübte. 1272 wurde die Kirche direkt urkundlich erwähnt. Im 14. Jh. verlieh das Kloster Kollaturrechte und Kirchengut an die Freiherren von Tengen D. 1407 gelangten sie an die Johanniterkomturei Küsnacht und 1478 an das Kloster St. Martin auf dem Zürichberg. 1487 konnte der Zürcher Bürgermeister Hans Waldmann Gut und Rechte der Kirche als Privateigentum erwerben, zusammen mit der Burg und Herrschaft Dübendorf. Nach der Hinrichtung des schillernden Bürgermeisters 1489 fielen Kirche und Landesherrschaft an den Zürcher Rat.

Da die Herrschafts- und Kollaturrechte nun bei der Stadt lagen, stand der Einführung der Reformation in den 1520er-Jahren wenig im Wege. Der Pfarrer Johannes Schlegel war den ersten Glaubensreformen Huldrych Zwinglis wohlgesonnen. Als Ordenskleriker des Augustiner-Chorherren-Klosters St. Martin auf dem Zürichberg unterstand er jedoch dem dortigen Prior, der ihm sein frühreformatorisches Wirken verbot. Schlegel verliess daraufhin Kloster und Pfarrstelle. Sein Nachfolger, der 1524 initiierte Weltkleriker Hans Schröter, konnte die Reformation jedoch ungehindert einführen.

1831 konnte die Kirchgemeinde im Zuge der liberalen Reformen im Zürcher Stadtstaat formell und faktisch die Pfarrwahlrechte erlangen – zunächst noch auf der Basis eines Dreiervorschlags des Kirchenrats. 2016 schlossen sich die Reformierten der politischen Gemeinden Dübendorf und Schwerzenbach, wie schon 1937–1969, zu einer Kirchgemeinde zusammen.

ABB. 3 Eine der ältesten Darstellungen der Dübendorfer Kirche, anonymes Aquarell, 18. Jh.

Die Vorgängerbauten

Bei einer archäologischen Flächengrabung beim Abbruch der alten Kirche 1968 wurden Mauerreste eines römischen Gebäudes und von drei Vorgängerkirchen sowie insgesamt 18 Gräber aus dem Zeitraum vom frühen 7. Jh. bis 1704 freigelegt. Nach neusten Befunden ist die älteste archäologisch fassbare Kirche bereits in der Merowingerzeit, in der ersten Hälfte des 7. Jh., errichtetworden (ABB. 6, Phase I). Es handelte sich um eine bereits in Stein ausgeführte Saalkirche. Dieser ersten Kirche sind die zahlreichen Tuffsteingräber zuzuordnen, die bei der Grabung freigelegt wurden. Als zweite Kirche folgte ein karolingischer Neubau des 8./9. Jh. mit eingezogener halbrunder Apsis (ABB. 6, Phase II). Die dritte Kirche, eine romanische Saalkirche mit eingezogenem Rechteckchor, dürfte auf das 10./11. Jh. datieren (ABB. 6, Phase III). Dieser Bau musste nach einer teilweisen Zerstörung durch Schwyzer Truppen im Alten Zürichkrieg 1444 wieder aufgerichtet werden. Vermutlich erfolgte kurz darauf eine spätgotische Ausmalung des Chors. Die romanische Bausubstanz blieb zu grossen Teilen bis zum Komplettabbruch der Kirche 1969 bestehen.

In der Neuzeit erfolgten mehrere bedeutende Erweiterungen der Kirche. 1682 war die Kirche für die auf rund 1000 Personen angewachsene Bevölkerung zu klein geworden. Für den Erweiterungsbau (ABB. 6, Phase IV) wurden 700 Gulden gesammelt, weitere Kosten übernahm der Zürcher Rat. Die Westerweiterung um 6 m erfolgte unter der Ägide von Pfarrer Conrad Pelikan, Maurermeister Heinrich Bleuler und Zimmermeister Jacob Gut. Mit dem Anbau erhielt die Kirche eine Empore und eine neue barocke Kanzel, zeitgleich wurden die Fenster erneuert und mit fünf repräsentativen Wappenscheiben versehen. 1743 wurde das Gestühl dichter zusammengerückt und die Emporentreppe nach aussen verlagert, um den Raum effizienter nutzen zu können (ABB. 3).

ABB. 4 Bleistiftzeichnung der Kirche, Heinrich Keller, um 1820.

ABB. 5 Aquarellierte Bleistiftzeichnung von Kirche und Pfarrhaus, D. Kölliker, 1858.

ABB. 6 Bauetappen der Vorgängerkirchen:

Phase I – merowingisch, 7. Jh.

Phase II – karolingisch, 8./9. Jh.

Phase III – romanisch, 10./11. Jh.

Phase IV – barocke Erweiterung, 1682.

Phase V – klassizistische Erweiterung, 1833.

Neubau, 1971.

Um 1832 war die Kirche erneut zu klein (ABB.4). Nachdem der Turm durch einen Blitzschlag erheblich beschädigt worden war, und die Regierung untätig blieb, beschloss die Kirchgemeinde 1833 eine Renovation und erneute Erweiterung. Diese wurde 1833–1834 nach Plänen von Baumeister Heinrich Bräm (1792–1869) umgesetzt und führte zu einer bemerkenswerten Umdisponierung des Grundrisses (ABB. 6, Phase V, und ABB. 5, 10). Der Haupteingang wurde in den neuen, breiten südseitigen Anbau der Kirche verlegt, der ebenfalls eine Empore erhielt. Der Hauptgang und damit die Mittelachse führten zum neuen kelchförmigen Taufstein und zur Kanzel hin, die wegen eines Fensters leicht nach rechts versetzt war. Es erfolgte also eine Achsendrehung, durch die das Gotteshaus zu einer Querkirche mit T-förmigem Grundriss wurde. Der romanische Chor und der barocke Westanbau von 1682 wurden durch die Achsendrehung zu lateralen Raumelementen.

ABB. 7 Das Chorfenster der alten Kirche von Karl Wehrli mit Christus als der gute Hirt.

ABB. 8 Innenraum der alten Kirche vor dem Abbruch.

ABB. 9 Die alte Kirche vor dem Abbruch.

Nicht schöpferische Einheit oder stilistische Reinheit machten den Wert des so gewachsenen Baudenkmals aus, sondern gerade die jahrhundertelange komplexe Baugeschichte, die in der Umgestaltung zur Querkirche gipfelte. Dieser Kirchenbautypus entspricht den liturgischen Bedürfnissen des reformierten Predigtgottesdiensts im besonderen Masse und erlebte in der Zürcher Landschaft zwischen 1764 und 1832 seine Hochblüte.

Bis zum Abbruch 1968–1969 (ABB. 7, 8, 9) folgten nur noch kleinere Veränderungen an Bau und Ausstattung. 1870–1871 musste der Turm der Kirche erneuert werden. Die erste Orgel konnte 1892 auf der Westempore installiert werden. Das Instrument von Orgelbauer Heinrich Spaich aus Rapperswil hatte 13 Register auf zwei Manualen und Pedal. 1896 schuf der Zürcher Glasmaler Karl Wehrli drei Farbglasfenster: Jesus Christus als Prediger, Jesus Christus als guter Hirt, der Evangelist Johannes, der Apostel Paulus. 1899 ergänzte er den Zyklus um eine Darstellung von Moses. 1898 erfolgte die letzte Gesamtrenovation, und 1939 und 1952 wurde der Kirchturm renoviert.

ABB. 10 Grundriss der Vorgängerkirche nach der Umgestaltung zur Querkirche 1833–1834.