Die Reise in den Westen. Ein klassischer chinesischer Roman -  - E-Book
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Die Reise in den Westen. Ein klassischer chinesischer Roman E-Book

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Beschreibung

Der populärste Roman Chinas zum ersten Mal vollständig auf Deutsch Jedes Kind kennt den tolldreisten Affenkönig, Superheld Sun Wukong. Die erste vollständige Übersetzung ins Deutsche, 2016 bei Reclam, war ein großer Erfolg. Arno Widmann bezeichnete sie im ›Perlentaucher‹ als »das wichtigste Buch, das dieses Jahr in Deutschland erschien« und urteilte: »Macht süchtig.« Eva Lüdi Kong erhielt für ihre Übersetzung in ein »hinreißend frisches Deutsch« (SWR2) 2017 den Preis der Leipziger Buchmesse. Diese Übersetzung erscheint nun in einer zweibändigen und handlichen Paperback-Ausgabe. Sie enthält den vollständigen Romantext wie auch den ausführlichen Kommentar, der den Kosmos der chinesischen Kultur erschließt.

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EPUB

Seitenzahl: 2277

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Die Reise in den Westen

Ein klassischer chinesischer Roman

Mit 100 Holzschnitten nach alten AusgabenÜbersetzt und kommentiert von Eva Lüdi Kong

Reclam

2016, 2019 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2019

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961168-6

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-011224-3 

www.reclam.de

Inhalt

1. Kapitel – Die beseelte Wurzel keimt, der Quell nimmt seinen Lauf / Mit innerer Vervollkommnung beginnt der Große Weg2. Kapitel – Der wunderbare Sinn der Weisheit wird erkannt / Dämonisches ist abgelegt, dem Urgeist nun vereint3. Kapitel – Es fügen sich die Weltenmeere und Gebirge / In der Hölle werden Namen durchgestrichen4. Kapitel – Es kann ein Amt als Pferdeknecht dem Herzen nicht genügen / Sogar als Himmelsebenbürtiger gelangt er nicht zur Ruhe5. Kapitel – Der Rebell vom Pfirsichfest entwendet Lebenselixier / Die Götter fangen auf der Rückkehr den Banditen ein6. Kapitel – Am Pfirsichfest fragt Guanyin nach den Gründen / Ein Kleiner Heiliger besiegt den Großen Heiligen7. Kapitel – Der Große Heilige entspringt dem Ofen der Trigramme / Der Herzensaffe festigt sich im Berg der Wandlungsphasen8. Kapitel – Buddha kündet die Glückseligkeit in Schriften / Guanyin wird nach Chang’an aufgeboten9. Kapitel – Beim Amtsantritt kommt Chen Guangrui in Not / Der Mönch vom Flusslauf rächt das alte Unrecht10. Kapitel – Ein Drachenkönig widersetzt sich dem Gesetz des Himmels / Per Totenbrief beordert Wei Zheng einen Höllendiener11. Kapitel – Durch die Hölle reisend findet Taizong seine Seele wieder / Bote Liu Quan wird beim Kürbisliefern neu vermählt12. Kapitel – Der Kaiser kürt die Geistlichen für eine große Feier / Guanyin offenbart sich und weiht Goldzikade ein13. Kapitel – In der Tigergruft erscheint der Abendstern zu Rettung / Am Doppelgabelberg sorgt Boqin für den Priester14. Kapitel – Der Herzensaffe wendet sich zum Guten / Sechs Räuber sind spurlos verschwunden15. Kapitel – Beim Schlangenberg stehen die Götter schützend bei / In der Adlergramschlucht wird das Denkpferd zahm16. Kapitel – Mönche aus dem Guanyin-Kloster trachten nach dem Schatz / Der Dämon vom Schwarzwindberg entreißt das Priesterkleid17. Kapitel – Pilger Sun erstürmt den Schwarzwindberg / Guanyin nimmt den Bärendämon auf18. Kapitel – Im Guanyin-Kloster nimmt des Priesters Leid ein Ende / Im Dorf der Sippe Gao überwindet Pilger einen Dämon19. Kapitel – Beim Wolkensteg nimmt Wukong Eber Bajie auf / Am Stupa-Berg erlangt Xuanzang das Herz-Sutra20. Kapitel – Tripitaka kommt am Gelbwindhügel in Gefahr / Eber Bajie ringt am Berghang um den Sieg21. Kapitel – Schutzgottheiten beherbergen den Großen Heiligen / Lingji vom Sumeru-Berg bezwingt den Winddämon22. Kapitel – Bajie führt am Treibsandfluss den Kampf / Auf Geheiß nimmt Moksa Wujing auf23. Kapitel – Tripitaka bleibt seinen Wurzeln treu / Vier Heilige führen das Herz in Versuchung24. Kapitel – Der Heilige vom Wanshou-Berg beherbergt alte Freunde / Pilger stiehlt im Kloster der Fünf Weiler Ginsengfrüchte25. Kapitel – Meister Zhenyuan jagt den Schriftenholern nach / Pilger Sun macht großen Aufruhr in dem Kloster26. Kapitel – Wukong sucht drei Inseln nach Rezepten ab / Guanyin heilt mit süßem Tau den Ginsengbaum27. Kapitel – Ein Leichendämon täuscht den Priester drei Mal / Der heilige Mönch verstößt den Affenkönig28. Kapitel – Auf dem Blumen-Früchte-Berg versammeln sich die Affen / Im Schwarzen Kiefernwald trifft Tripitaka einen Dämon an29. Kapitel – Gerettet kommt der Flusslauf-Mönch ins Königreich / In hoher Gunst geht Bajie abermals zum Bergwald30. Kapitel – Ein schlimmer Dämon greift die Rechte Lehre an / Das Denkpferd sehnt sich nach dem Herzensaffen31. Kapitel – Eber Bajie reizt den Affenkönig mit Rechtschaffenheit / Pilger Sun bezwingt den Dämon mit gewitztem Sinn32. Kapitel – Beim Flachdachberg erteilt der Tagesgott Auskunft / In der Lotosgrotte kommt Holzmutter in Gefahr33. Kapitel – Ein falscher Weg verführt das Wahre Wesen / Der Urgeist unterstützt den Herzensgrund34. Kapitel – Ein Dämon bringt den Affen hinterrücks in Not / Der Große Heilige entwendet Zauberschätze35. Kapitel – Ein Irrweg täuscht mit Macht das Rechte Wesen / Der Herzensaffe tilgt mit Schätzen die Dämonen36. Kapitel – Der Herzensaffe ist im Recht, alles fügt sich ihm / Irrlehren sind abgetrennt, der klare Mond erscheint37. Kapitel – Nachts besucht ein Geisterkönig Tripitaka / Wukong lockt das Kind mit Zauberkraft38. Kapitel – Dank der Mutter weiß das Kind um Schlecht und Recht / Metall und Holz ergründen im Dunkeln Falsch und Echt39. Kapitel – Der Himmel schenkt ein Körnchen Goldelixier / Nach drei Jahren tritt der König neu ins Leben40. Kapitel – Ein Kindlein bringt den Geist der Sammlung aus dem Lot / Affe, Pferd, Arzneistab und Holzmutter sind im Leeren41. Kapitel – Der Herzensaffe ist vom Feuer angegriffen / Holzmutter wird von dem Dämon gefangen42. Kapitel – Selbstlos reist der Große Heilige zum Südmeer / Barmherzig bindet Guanyin das Rotkindchen43. Kapitel – Ein Ungeheuer vom Schwarzwasser raubt den Priester / Der Drachenprinz vom Westmeer fängt den Alligator44. Kapitel – Der Dharma-Körper trifft im Kreislauf auf die Wagenkräfte / Mit rechtem Herzen und Dämonen wird der Grat überwunden45. Kapitel – Im Tempel der Drei Reinen gibt der Große Heilige Namen an / Im Land der Trägen Wagen zeigt der Affenkönig Zauberkraft46. Kapitel – Ein Irrweg greift mit Macht die Rechte Lehre an / Der Herzensaffe tilgt mit heiliger Kraft das Böse47. Kapitel – Die heiligen Mönche halten nachts am Fluss zum Himmel / Metall und Holz befreien mit Barmherzigkeit die Kinder48. Kapitel – Ein Dämon entfacht Sturm und großen Schnee / An Buddha denkend geht der Mönch auf Eis49. Kapitel – Tripitaka kommt auf tiefem Grund in Not / Guanyin bringt Erlösung mit dem Fischkorb50. Kapitel – Das Wesen folgt den wirren Sinnen wegen Gier und Lust / Der trübe Geist bewegt das Herz und trifft auf einen Dämon51. Kapitel – Umsonst gebraucht der Herzensaffe tausend Strategien / Wasser und Feuer vermögen den Dämon nicht zu läutern52. Kapitel – Wukong wütet in der Goldbeutel-Grotte / Buddha deutet den Herrn und Meister an53. Kapitel – Der Herr der Sammlung wird durch Speise spukhaft schwanger / Das Gelbe Weib bringt Wasser und entfernt die schlechte Frucht54. Kapitel – Im Westen kommt das Wahre Wesen ins Frauenland / Der Herzaffe weiß dem Liebreiz zu entkommen55. Kapitel – Die Fleischeslust sucht Tripitaka zu verführen / Mit innerer Beständigkeit bleibt der Körper heil56. Kapitel – Der Geist wird wild und tötet die Banditen / Der Weg wird trüb, der Herzaffe verstoßen57. Kapitel – Der echte Pilger klagt sein Leid beim Potalaka-Berg / Hinterm Wasservorhang sitzt ein falscher Affenkönig58. Kapitel – Zwei Herzen versetzen die Welt in Verwirrung / Der eine Körper findet schwer zur Wahren Leerheit59. Kapitel – Tripitaka wird vom Flammengebirge aufgehalten / Pilger ersucht zum ersten Mal den Palmenfächer60. Kapitel – Der Rinderdämon unterbricht den Kampf / Pilger sucht zum zweiten Mal den Fächer61. Kapitel – Eber Bajie hilft den Dämon überwinden / Pilger sucht zum dritten Mal den Fächer62. Kapitel – Zur innerlichen Reinigung wird die Pagode ausgekehrt / Vervollkommnung bedeutet Überwinden von Dämonen63. Kapitel – Zwei Mönche bekämpfen im Drachenpalast Dämonen / Die Heiligen tilgen das Übel und erlangen den Schatz64. Kapitel – Auf dem Dornenkamm setzt Wuneng seine Kräfte ein / Im Hause der Baumgeister reimt Tripitaka Gedichte65. Kapitel – Ein Dämon zaubert einen Kleinen Donnertempel / Die vier Schriftenholer geraten in große Not66. Kapitel – Alle Götter fallen der Gewalt anheim / Buddha Maitreya bändigt den Dämon67. Kapitel – Die Rettung von Dhara macht die innere Sammlung fest / Frei von Unreinheiten wird das Dao-Herz rein und klar68. Kapitel – In Purpurien spricht Tripitaka über die Vergangenheit / Pilger Sun setzt seine Kräfte als begabter Heiler ein69. Kapitel – Es braut der Herr des Herzens über Nacht Arznei / Beim Festmahl spricht der König über Ungeheuer70. Kapitel – Ein Dämon zaubert Feuer, Rauch und Sand / Wukong stiehlt mit List die goldenen Schellen71. Kapitel – Unter falschem Namen bekämpft Pilger den Dämon / Guanyin offenbart sich und bezwingt das Ungeheuer72. Kapitel – Sieben Gefühle der Zwirnspinngrotte betören das Wesen / Im Badhaus der Reinigungsquelle wird Bajie bloßgestellt73. Kapitel – Alte Feindschaft weckt in den Gefühlen übles Gift / Der Herr des Herzens bricht des Dämons Licht74. Kapitel – Der Abendstern bringt Kunde von bösen Dämonen / Pilger zeigt sein Können im Verwandlungszauber75. Kapitel – Der Herzensaffe dringt tief ein in Yin und Yang / Es fügt sich der Dämonenherr dem Großen Weg76. Kapitel – Der Herzensgeist verweilt daheim, ein Dämon kehrt ins Wesen ein / Auch Holzmutter wird bezähmt, Unholde erfahren Wahrhaftigkeit77. Kapitel – Die Dämonen hintergehen das innere Wesen / Der eine Körper kommt zu Buddha Tathagata78. Kapitel – In Bhiksu sorgen Schutzgottheiten heimlich für die Kinder / Bei Hofe kennt man den Dämon und spricht über die Ethik79. Kapitel – Bei der Bändigung des Dämons kommt der Lebensstern / Im Palast befreit der wahre Herrscher die kleinen Kinder80. Kapitel – Die Jungfrau nährt ihr Yang und sucht sich einen Gatten / Der Herzensaffe schützt den Herrn und kennt den Dämon81. Kapitel – Der Herzensaffe weiß im Kloster um den Dämon / Im Kiefernwalde suchen drei nach ihrem Meister82. Kapitel – Die Jungfrau trachtet nach Yang / Der Urgeist beschützt den Weg83. Kapitel – Der Herzensaffe kennt den Punkt des Elixiers / Die Jungfrau kehrt zurück ins Innere Wesen84. Kapitel – Unzerstörbar ist der Segen, der zum Großen Erwachen führt / Aufrecht wird der Dharmakönig, der des Himmels Kraft erfährt85. Kapitel – Der Herzensaffe bringt Holzmutter Neid entgegen / Ein Dämon will die innere Sammlung verschlingen86. Kapitel – Holzmutter hilft den Unhold überwinden / Metallherr tilgt die Ungeheuer mit Magie87. Kapitel – Die Stadt der Phönixgötter wird mit Dürrezeit bestraft / Der Große Heilige gemahnt zur Güte und bringt Regen88. Kapitel – Bei Jadeblüte gibt die innere Sammlung eine Feier / Herzensaffe, Holz und Erde nehmen Schüler auf89. Kapitel – Vergebens plant der Löwengeist ein Rechenfest / Holz, Metall und Erde ringen am Berg mit List90. Kapitel – Meister und Löwen lehren und lernen, alles findet zur Einheit heim / Geraubtes Dao umrankt die Sammlung, der Neunbeseelte wird still91. Kapitel – In Jinping schaut man Lampions bei Vollmond an / In einer Grotte legt der Priester ein Geständnis ab92. Kapitel – Drei Mönche kämpfen am Berg des Grünen Drachen / Vier Sterngottheiten fangen Nashorn-Ungeheuer93. Kapitel – Beim Jetavana-Hain ergründet man die alten Zeiten / Im Königreich von Indien wird eine Braut gefunden94. Kapitel – Vier Mönche vergnügen sich im Königsgarten / Ein Dämon hofft vergebens auf Sinnesfreuden95. Kapitel – Was in falschem Leib erschien, wird als Jadehase gefasst / Wahres Yin kehrt ein in den beseelten Ursprung96. Kapitel – Junker Kou beherbergt freudig hohe Priester / Tripitaka trachtet nicht nach Wohlstand97. Kapitel – Der fromme Spender wird von Unheil heimgesucht / Als dunkle Seele setzt der Heilige den Urgrund frei98. Kapitel – Affe und Pferd sind reif und zahm, die Hülle endlich abgelegt / Vollendet ist das Große Werk, das wahre So-Sein tritt hervor99. Kapitel – Neunmal Neun vollbringt die Zahl, Dämonisches ist abgetan / Dreimal Drei erfüllt das Werk, der Weg kehrt sich zur Wurzel100. Kapitel – Der Weg führt in den Osten / Fünf Heilige werden wahrAnhangDas Pantheon der »Reise in den Westen«Verzeichnis der GottheitenNachwortGesamtkompositionEin »Buch des Herzens«Ebenen der SymbolikGeistige AusrichtungDaoistische MetaphernTrigramme und HexagrammeZahlensymbolikZur Entwicklung der Westreise-ErzählungIm Spiegel der ZeitAutorschaftRezeptionZur Textgrundlage und zu den IllustrationenDer AusgangstextDie Illustrationen

1. Kapitel

Die beseelte Wurzel keimt, der Quell nimmt seinen LaufMit innerer Vervollkommnung beginnt der Große Weg1

Ein Gedicht besagt:

 

Einst war das Chaos ungetrennt,

Himmel und Erde dämmrig vermengt;

Verschwommen war alles und endlos weit,

Nie sah ein Mensch jene Zeit.

Doch als der Urriese Pan Gu erwachte

Und die Zerstörung des Chaos vollbrachte,

Erschloss sich die mächtige Nebelwelt,

Reines und Trübes ward zweigeteilt.

Alle Geschöpfe auf dieser Erde

Streben empor zur höchsten Güte;

Den daraus erwachsenden Dingen

Kann letztlich das Gute gelingen.

Und wollt ihr nun jene Kräfte erkennen,

Welche des Daseins Kreislauf bestimmen,

So schätzt dieses Buch hier als eines der besten:

Die »Erlösung vom Leid auf der Reise gen Westen«2.

 

Über die Zahlen von Himmel und Erde wissen wir, dass ein Weltenzyklus 129 600 Jahre dauert.3 Aufgeteilt in zwölf Epochen, entspricht dies den Zwölf Erdzweigen Zi, Chou, Yin, Mao, Chen, Si, Wu, Wei, Shen, You, Xu und Hai.4 Jede Epoche währt demnach 10 800 Jahre. Erläutern wir es vorerst am Beispiel der Tageszeiten: Die Mitternachtszeit Zi empfängt die lichte Yang-Kraft, zu Chou krähen die Hähne, während Yin ist das Licht noch verdeckt, zu Mao aber geht die Sonne auf. Chen folgt auf das Frühstück, und Si gilt der täglichen Arbeit. Zu Wu steht die Sonne in des Himmels Mitte, wandert während Wei gegen Westen, und nach der Vesperzeit Shen geht sie unter um You. Xu gehört der Dämmerung an, und um Hai ruhen die Menschen.

Die Zwölf Erdzweige in Verbindung mit den zwölf zyklischen Hexagrammen. Durchbrochene Linien () stehen für die dunkle, kalte, sinkende Yin-Kraft; durchgezogene Linien () stehen für die helle, warme, aufsteigende Yang-Kraft. So verdeutlicht dieses Schema sowohl den Tages- wie auch den Jahreszyklus und steht gleichzeitig modellhaft für das Werden und Vergehen aller Dinge.

Übertragen auf die großen Zahlen, ist es so, dass die Welt sich zu Ende von Xu noch im ungeteilten Urzustand befindet und kein Wesen existiert. Auch 5400 Jahre später, im Zeitalter Hai, herrscht Finsternis; es gibt weder Himmel noch Erde, weder Menschen noch andere Kreaturen. Darum wird dies das Urchaos genannt. Nach weiteren 5400 Jahren, nach dem Ende von Hai, beginnt mit Zi ein neuer Weltenzyklus, indem er sich allmählich aufhellt. So beschreibt es der Philosoph Shao Kangjie: »Zur Wintersonnenwende, in der Mitte der Zeit Zi, steht das Zentrum des Himmels still. Da die lichte Yang-Kraft sich erstmals regt, sind alle Dinge noch ungeboren.«5 Nun verwurzelt sich das Firmament. 5400 Jahre danach, mitten in der Epoche Zi, steigt das Leichte und Reine empor, daraus formen sich Sonne, Mond, Sterne und Sternbilder, die vier Gestirne genannt. Darum heißt es, der Himmel öffnet sich während Zi. Nach weiteren 5400 Jahren, wenn Zi vergeht und Chou beginnt, tritt allmählich eine Festigung ein. So heißt es im Buch der Wandlungen: »Groß ist das Himmelsprinzip! Vollkommen ist das Erdprinzip! Alle Wesen entstehen daraus, den Gesetzen des Himmels folgend.«6 Nun beginnt sich die Erde zu härten. 5400 Jahre später, zur Mitte von Chou, sinkt das Schwere und Trübe nach unten, und es entstehen Wasser, Feuer, Berge, Steine und Erdreich, was wir die fünf Formen nennen. Darum heißt es, die Erde sei während Chou entstanden. Nach weiteren 5400 Jahren, wenn Chou sich neigt und Yin beginnt, entstehen alle Dinge. So heißt es im Kalenderbuch7: »Der Atem des Himmels sinkt hernieder und der Atem der Erde steigt empor; so vereinen sich Himmel und Erde und erzeugen die Zehntausend Dinge.« Nun ist der Himmel rein und die Erde frisch, Yin und Yang stehen im Einklang. Nach weiteren 5400 Jahren, zur Mitte der Zeit Yin, entstehen die Menschen, die Tiere und die Vögel. Wir nennen dies die Festlegung der drei Sphären Himmel, Erde und Mensch. Darum heißt es, der Mensch sei im Zeitalter Yin entstanden.

Dankbar über den Schöpfungsakt des Pan Gu, ordneten die Drei Urkaiser die Welt, und die Fünf legendären Könige regelten das Zusammenleben. Auf der Erde wurden vier große Kontinente unterschieden: der östliche Kontinent Purvavideha, der westliche Kontinent Aparagodaniya, der südliche Kontinent Jambudvipa und der nördliche Kontinent Uttarakuru.8 Unser Buch spielt nun in einem Land mit Namen Aolai, das sich an der Küste des östlichen Kontinents Purvavideha befand. Dort nämlich ragte ein berühmter Berg aus dem Meer, und der hieß Blumen-Früchte-Berg. Er bildete die Hauptader der zehn göttlichen Eilande und war der Ausgangspunkt der drei sagenhaften Inseln der Unsterblichen.

Zuoberst auf seinem Gipfel aber lag ein himmlischer Stein. Dieser Stein hatte eine Höhe von 36,5 Fuß, entsprechend dem Umfang des Himmels von 365 Grad, und einen Umfang von 24 Fuß, entsprechend den vierundzwanzig Jahreseinteilungen des Kalenders. Er wies außerdem neun Öffnungen und acht Löcher auf, übereinstimmend mit den Neun Palästen und Acht Trigrammen.9 Von Anbeginn der Schöpfung hatte dieser Stein nun die Wahrheit des Himmels und die Schönheit der Erde empfangen, und die Kraft der Sonne und der Glanz des Mondes hatten ihn so sehr durchdrungen, dass er nach langer Zeit magische Kräfte entwickelte und in seinem Innern eine himmlische Frucht heranwuchs. Bis er eines Tages zerbarst und ein steinernes Ei von der Größe eines Spielballs zum Vorschein kam. Unter dem Einfluss der Winde bildete sich daraus ein steinerner Affe, der mit allen fünf Sinnesorganen und vier Gliedern versehen war.

Alsbald hatte dieser Affe das Kriechen und Gehen erlernt, und als er sich schließlich nach allen vier Himmelsrichtungen verneigte, schossen aus seinen Augen zwei goldene Lichtstrahlen, die bis zum Sternpalast des Siebengestirns blitzten und gar den Großen Heiligen Jadekaiser im Himmel aufschreckten.10 Dieser weilte gerade von unsterblichen Ministern umgeben in der Halle der Himmelshöhen im Wolkenpalast des Goldenen Tores, als ihn das gleißende Goldlicht blendete. Sogleich erteilte er seinen Generälen Tausend-Meilen-Auge und Wie-der-Wind-Ohr den Befehl, das Südliche Himmelstor zu öffnen und Ausschau zu halten. Wie geheißen, schritten die beiden zum Tor, schauten und horchten. Kurz danach kehrten sie zurück und berichteten:

»Der Ort, woher das goldene Licht strahlt, ist der Berg der Blumen und Früchte im Lande Aolai auf dem östlichen Kontinent Purvavideha. Auf diesem Berg lag einst ein himmlischer Stein, dem dann ein Ei entsprang, das sich durch die Winde in einen Steinaffen verwandelt hat. Eben hat sich dieser Affe nach allen vier Himmelsrichtungen verneigt, dabei sind goldene Lichtstrahlen aus seinen Augen geschossen und auf unseren Palast aufgetroffen. Sobald er aber anfangen wird zu essen und zu trinken, wird das Goldlicht sich abschwächen und schließlich erlöschen.«

Gütig sprach der Jadekaiser: »Alle irdischen Dinge entstehen aus den Kräften von Himmel und Erde. Das wird nichts Außergewöhnliches sein.«

Jener Affe aber konnte nun gehen und laufen, hüpfen und springen; er aß von Gräsern und Bäumen, trank aus Bächen und Quellen, pflückte Bergblumen und suchte nach Früchten. Schimpansen und Kraniche waren seine Gefährten, Rehe und Hirsche umgaben ihn. Nachts ruhte er unter Felshängen, tagsüber durchstreifte er Gipfel und Schluchten. Zu Recht sagt man:

 

»Der Kalender ist in der Gebirgswelt unbekannt,

Nach dem Winter wird kein Neues Jahr benannt.«

 

Eines Tages, es war heiß und schwül, spielte der Steinaffe mit anderen Affen zusammen im kühlenden Schatten der Kiefern. Nachdem sich die ganze Horde eine Weile vergnügt hatte, begannen alle im nahen Bergbach zu planschen. Das Wasser floss in schnellem Strome dahin, dass es nur so rauschte und spritzte.

»Wo mag wohl dieser Bach herkommen?« fragten sich die Affen. »Heute haben wir ja nichts Besonderes vor, machen wir uns doch auf die Suche nach der Quelle! Auf ins Vergnügen!«

Ein Jauchzen, und die ganze Schar stürzte los. Sie kletterten den Bach entlang bergauf bis hin zur Stelle, wo das Wasser herabstürzte. Es war ein Wasserfall, der da oben aus dem Fels hervorströmte.

»Schönes Wasser! Schönes Wasser!« freuten sich die Affen und klatschten in die Hände. »Wer von uns hat den Mut, hinter diesen Wasserfall zu dringen, um den Weg zur Quelle zu finden? Wer das schafft und unversehrt wieder zurückkommt, den wollen wir fortan als König verehren.«

Dreimal hatten sie dies gekreischt, als plötzlich mitten aus der turbulenten Schar der Steinaffe hervorsprang und mit lauter Stimme rief:

»Ich gehe! Ich gehe!«

Tapferer Affe! Seht, wie er die Augen zukneift und sich zum Sprunge duckt! Schon schnellte er hoch, mitten durch den Wasserfall hindurch. Dann riss er die Augen auf und schaute sich um. Drinnen aber gab es kein Wasser und keine Wellen mehr; stattdessen lag vor ihm klar und deutlich ein eiserner Brückensteg. Hinter ihm ergoss sich das Wasser in die Felsspalten unter der Brücke und verbarg so den Zugang. Er wagte ein paar Schritte auf den Brückensteg und schaute sich um. Was er da sah, glich ganz und gar einer Behausung. Wahrlich, es war ein schöner Ort! Nach langem Betrachten hüpfte er über die Brücke, spähte nach links und nach rechts, und schließlich erblickte er genau in der Mitte eine Steinstele mit der Inschrift: »Gelobtes Land im Blumen-Früchte-Berg, Höhlenhimmel der Wasservorhang-Grotte«.

Außer sich vor Freude riss sich der Steinaffe von dem Anblick los, eilte zum Ausgang, kniff abermals die Augen zusammen, duckte sich zum Sprung und schnellte ins Freie.

»Wundervoll! Wundervoll!« rief er der Affenschar zu, die sich rings um ihn drängte.

»Wie ist es dort drinnen? Wie tief ist das Wasser?«

»Dort ist gar kein Wasser! Es gibt dort eine eiserne Brücke. Und auf der anderen Seite der Brücke gibt es eine Behausung, wie von Himmel und Erde geschaffen!«

»Eine Behausung?«

Der Steinaffe lachte und erklärte: »Dieser Wasserfall fließt durch die Felsspalten vor einer Brücke; sein fallender Strom verdeckt den Eingang. Neben der Brücke wachsen Blumen und Bäume, und es gibt eine Felshöhle mit Steintöpfen, Steinöfen, steinernen Becken und Schüsseln, steinernen Betten und Bänken. In der Mitte steht auf einer Steintafel geschrieben: ›Blumen-Früchte-Berg, Wasservorhang-Grotte.‹ Dies ist der Ort, wo wir uns niederlassen können. Wenn wir da wohnen, brauchen wir selbst die Launen des Himmels nicht mehr zu fürchten.«

Alle Affen ringsum freuten sich und riefen: »Geh voran und nimm uns mit!«

»Dies ist der Ort, wo wir uns niederlassen können.«

Wieder kniff der Steinaffe die Augen zusammen, duckte sich und sprang, die Affen alle hinter ihm her. Sie hüpften über die Brücke, ergatterten Becken und Schüsseln, drängten sich um den Herd, rauften sich um die Lagerstätten; kurz, sie benahmen sich wie die Affen, an Ruhe war nicht mehr zu denken. Erst als sie vom Hin- und Herschieben ganz erschöpft waren, nahm das Getümmel ein Ende.

Nun setzte sich der Steinaffe aufrecht auf einen erhöhten Sitz und sprach: »Meine Herrschaften! ›Ein Mensch, der sein Wort nicht hält, was kann man mit dem anfangen?‹11 Heute habt ihr versprochen, wer hier herein- und unversehrt wieder hinauskomme, der solle euer König sein. Nun bin ich also herein- und wieder hinausgesprungen, habe euch hierher geführt und euch diese Höhlenwelt als ruhigen Unterschlupf vermacht. Ihr alle, die ihr das Glück habt, mit in unsere große Familie aufgenommen zu sein, wollt ihr euch nun nicht vor mir als König verneigen?«

Kaum war die Rede verklungen, verneigten sich alle vor ihm und riefen: »Tausend Jahre dem Großen König!« Von da an bezog der Steinaffe seinen Platz auf dem hohen Thron, verbot das Wort »Stein« in seinem Namen und nannte sich fortan »Prächtiger Affenkönig«.

Ein Gedicht lautet:

 

Mit drei Yang der Lenz begann,12

Der alle Wesen neu erschafft,

Und der Himmelsstein enthielt

Nun die Mond- und Sonnenkraft.

Wandeln wir ein Ei zum Affen,

Der den Großen Weg begehe;

Leihen wir ihm einen Namen,

Dass das Elixier entstehe.

Innenschau lässt nicht erkennen,

Denn es fehlt noch die Gestalt.

Fügen wir sie darum weise

In die äußere Formenwelt.

So war es seit allen Zeiten,

Jeder Mensch ist so gestaltet;

Wer sich »König«, »Heilig« nennt,

Frei im Universum waltet!13

 

Der Prächtige Affenkönig scharte eine Horde Schimpansen, Makaken und andere Affen um sich und wies allen Amtsränge zu, vom Fürsten bis zum Minister, vom Hofberater bis zum Abgesandten. Fortan schweiften sie tagsüber durch den Blumen-Früchte-Berg und ruhten nachts in der Wasservorhang-Grotte. Sie lebten in Eintracht und Harmonie, mischten sich weder unter die Vögel noch unter andere Tiere, erkannten einzig und allein ihren eigenen König an und lebten vollkommen glücklich.

Mehr als zwei-, dreihundert Jahre lang führte der Prächtige Affenkönig so ein genussreiches, unschuldiges Leben. Eines Tages aber, während eines fröhlichen Banketts mit dem ganzen Affenvolk, überkam ihn auf einmal tiefe Traurigkeit, und Tränen liefen über sein Gesicht.

Bestürzt scharten sich die Affen um ihn und fragten: »Großer König, was betrübt Euch denn so sehr? Nun sind wir doch tagtäglich fröhlich beisammen auf himmlischen Bergen gesegneter Lande, in uralten Grotten eines göttlichen Kontinents. Wir werden von keinem Menschenkönig beherrscht, sind frei und können tun, was uns beliebt. Dies ist ein unermessliches Glück, was macht Ihr Euch da Sorgen?«

»Es stimmt, heute brauchen wir uns nicht nach den Gesetzen eines Menschenkönigs zu richten und haben keine Autoritäten unter Vögeln und Tieren zu fürchten«, erwiderte der Affenkönig. »Doch die Zeit wird kommen, da wir alt und gebrechlich werden, und schon liegt uns der Höllenfürst Yama auf der Lauer. Wenn wir gestorben sind, haben wir unser Erdenleben ja umsonst verbracht, wenn wir kein ewiges Leben unter den Himmlischen erlangen!«

Als die Affen dies hörten, bedeckten alle ihre Gesichter und weinten bitterlich über die Vergänglichkeit.

Plötzlich aber sprang ein Gibbon aus der Schar hervor und kreischte: »Wenn Eure Majestät so weitblickend denken, bedeutet dies, dass sich der Keim der Erkenntnis regt. Unter allen Geschöpfen gibt es nur drei Arten, die Höllenfürst Yama entgehen, nämlich Buddhas, Unsterbliche und Heilige14. Diese haben den Kreislauf der Wiedergeburt verlassen; sie entstehen nicht und vergehen nicht, ihr Alter ist dem von Himmel und Erde gleich.«

»Und wo halten sich diese auf?« interessierte sich der Affenkönig.

»Sie verweilen ausschließlich auf dem Kontinent Jambudvipa, dort leben sie in alten Grotten und himmlischen Gebirgen.«

Der Affenkönig freute sich und verkündete: »Morgen will ich mich von euch verabschieden und diesen Berg verlassen. Auch wenn ich bis in die entlegensten Meereswinkel und bis an die Enden des Himmels vordringen muss; um jeden Preis will ich diese drei Wesen finden und von ihnen das Geheimnis des ewigen Lebens erlernen, um Yama zu entkommen.«

Oho! Diese Worte lehrten ihn mit einem Mal, das Rad der Wiedergeburt zu verlassen und ein Himmelsebenbürtiger Großer Heiliger zu werden.

Alle Affen klatschten in die Hände und spendeten Beifall: »Wunderbar! Wunderbar! Morgen werden wir die Berge durchstreifen und überall Früchte sammeln, dann bereiten wir Euch ein großes Abschiedsbankett!«

Am folgenden Tag machten sich die Affen also auf die Suche nach himmlischen Pfirsichen und erlesenen Früchten, gruben nach Yams und Weißwurz. Nachdem sie Steintische und Steinbänke zurechtgeschoben hatten, richteten sie ein himmlisches Festmahl her und ehrten den Prächtigen Affenkönig auf dem Thron, indem einer nach dem andern ihm Speisen und Wein darreichte. So schwelgten sie einen ganzen Tag lang.

Tags darauf erhob sich der Affenkönig in aller Frühe, fällte dürre Kiefern und band sie zu einem Floß zusammen. Mit einem langen Bambusstaken bestieg er alleine sein Floß und stieß mit aller Kraft vom Ufer ab. Auf Wellen schaukelnd und durch hohe Meereswogen schlingernd, trieb das Floß mit dem Wind dem Kontinent Jambudvipa zu. Der Zeitpunkt war günstig, denn seit er sein Floß bestiegen hatte, blies mehrere Tage lang ein starker Südostwind, der ihn bis ans nordwestliche Ufer führte. Nun war er auf dem Kontinent Jambudvipa. Er verließ sein Floß und sprang ans Ufer. Hier sah er die Menschen beim Fischfang, bei der Wildgansjagd, beim Muschelsammeln und Salzschürfen. Während er auf sie zuging, machte er sich das Vergnügen, wilde Grimassen zu schneiden, so dass alle entsetzt auseinanderstoben. Einen, der nicht schnell genug war, packte er sich, riss ihm das Gewand vom Leibe und kleidete sich selbst nach Art der Menschen. Dann ging er mit gewichtigen Schritten voran und wanderte durch viele Bezirke und Städte. Auf Marktplätzen lernte er Sitten und Sprachen der Menschen kennen, aß bei Tage und ruhte nachts, immerzu mit dem einen Ziel im Herzen, die Lehren der Buddhas, Unsterblichen und Heiligen zu finden, um das Rezept für ein ewiges Leben zu erlangen. Doch er sah, dass die Menschen alle nur nach Ruhm und Reichtum strebten; kein Einziger kümmerte sich um das Leben selbst. So war es in der Tat:

 

Kampf um Ruhm und Streit um Gunst,

Wann wird dies je enden?

Früh aufstehen, nachts erst ruhen,

Unfrei ist der Mensch!

Es träumt der Maultierreiter

Bereits vom edlen Ross,

Und wer schon Kanzler ist,

Der möchte König sein!

Allein für Kleid und Speise

Vertun sie ihre Müh’n;

Bedenken nicht, dass balde

Der Höllenfürst sie holt.

Für Söhne und für Enkel

Erstreben sie Vermögen,

Keiner aber blickt zurück,

Um sich zu besinnen!

 

Flugs waren acht, neun Jahre auf dem Kontinent Jambudvipa vergangen, als der Affenkönig schließlich an den Westlichen Ozean gelangte. Jenseits dieses Meeres, so dachte er sich, werde ich bestimmt einen Unsterblichen finden. Abermals zimmerte er ein Floß und trieb damit über den Ozean, dem westlichen Kontinent Aparagodaniya zu.15 Dort angekommen, machte er sich auf lange Erkundungsgänge, bis er eines Tages am Fuße eines majestätischen Berges stand, dessen Hänge mit dichten Waldungen bedeckt waren. Ohne sich vor Wölfen oder Panthern zu fürchten, stieg er unverzüglich zum Gipfel hoch. Wie er dort Ausschau hielt, drang vom Wald auf einmal eine menschliche Stimme an sein Ohr. Er eilte ins Gehölz und horchte. Da hörte er, dass die Stimme ein Lied sang, das lautete:

 

Beim Schach zusehn, bis der Axtstiel fault;16

Tscheng!, so klingt das Beil im Wald.

Gemächlich wandle ich den Wolken lang zu Tal.

Vom Holzverkauf ersteh’ ich Wein,

Lache wild und trunken, ganz allein.

Auf dunklem Pfad im frischen Herbst,

Den hehren Mond zu Angesicht,

Schlafe ich an Kieferwurzeln bis zum Tag.

Den alten Wald erkenn’ ich wohl,

Wandere weit über Berg und Tal

Und schlage mit der Axt die dürren Ranken.

Die geschnürte Traglast Holz

Bring ich singend auf den Markt

Und tausche sie zu drei Maß Reis.

Kein bisschen Zank entsteht,

Bescheiden ist der Preis!

Denn nach List und Rechnerei

Steht mir nicht der Sinn,

Lieber leb’ ich ehrgeizlos,

Frei von Schand’ und Ruhm.

Wo man sich gemeinsam trifft –

Mal sind’s Unsterbliche, mal ist’s ein Daoist,

Erörtert man in stiller Ruh das »Buch vom Gelben Palast«.17

 

Was der Prächtige Affenkönig da hörte, erfüllte ihn mit großer Freude. »Hier also stecken die Unsterblichen!« sagte er sich, sprang durch das Dickicht und erblickte einen Holzfäller bei der Arbeit.

Der Affenkönig ging näher und rief: »Verehrter Unsterblicher! Euer Schüler erhebt seine Hände zu Euch.«

Dem Holzfäller glitt die Axt aus der Hand, eilends wandte er sich ihm zu, erwiderte die Begrüßung und sprach: »Weh mir! Ich armer Schlucker darbe an Kleid und Speise; wie könnte ich es wagen, mich Unsterblicher zu heißen?«

»Wie kommt es dann, dass Ihr Worte von Unsterblichen sprecht?«

»Was für Worte von Unsterblichen?«

»Eben habt Ihr doch gesagt, dass Ihr Unsterbliche und Daoisten trefft und den ›Gelben Palast‹ besprecht! Der ›Gelbe Palast‹ ist doch eine Wahre Schrift über das Dao und dessen Wirkkraft; zu wem soll es gehören, wenn nicht zu einem Unsterblichen?«

»Nun, ich will Euch nichts verheimlichen«, lachte der Holzfäller, »dieses Lied geht nach der Melodie Dufterfüllter Palast, tatsächlich hat ein Unsterblicher es mich gelehrt. Er wohnt hier in der Nähe und hat mir geraten, in Zeiten des Kummers dieses Liedchen zu singen, um die trüben Gedanken zu zerstreuen. Eben war mir nicht so wohl zumute, darum summte ich es vor mich hin. Ich hätte nicht gedacht, dass mich jemand hören würde.«

»Wenn ein Unsterblicher Euer Nachbar ist, warum werdet Ihr nicht dessen Schüler und erlernt von ihm das Geheimnis der Unsterblichkeit?« wunderte sich der Affenkönig.

»Mein Leben ist hart«, entgegnete der Holzfäller. »Mein Vater ist verstorben und meine Mutter lebt alleine, so bleibt mir nichts anderes übrig, als Holz zu hacken und es auf dem Markt zu verkaufen, damit ich meine Mutter durchbringen kann. Darum bleibt mir keine Zeit, mich jenen Lehren zu widmen.«18

»So wie Ihr das erzählt, seid Ihr ein Edler, der sich ganz der Pflicht der Kindesliebe widmet. Aber verratet mir doch bitte, wo der Unsterbliche wohnt, damit ich ihm meine Verehrung erbringen kann.«

»Es ist nicht weit, gar nicht weit! Der Berg heißt Seelen-Herz-Berg, hier gibt es eine Grotte mit dem Namen Schrägmond-Dreistern-Grotte.19 Dort wohnt der Unsterbliche, der Ahnherr Subhuti.20 Unzählige sind bereits seine Schüler gewesen. Zur Zeit sind es an die dreißig bis vierzig. Geht jenen Pfad entlang gegen Süden, dann findet Ihr unweit von hier sein Heim.«

Der Affenkönig dankte und verabschiedete sich. Nun trat er aus dem Wald, fand den Weg wieder und ging etwa sieben, acht Meilen den Hang entlang, bis er tatsächlich einen Grottentempel erblickte. Er reckte sich und musterte den Ort mit Gefallen. Das Tor aber war verschlossen, Stille herrschte, weit und breit war kein Mensch zu sehen. Als er den Blick umwandte, entdeckte er neben der Felswand eine hohe Stele, auf der in zehn großen Schriftzeichen geschrieben stand: »靈台方寸山 – Seelen-Herz-Berg, 斜月三星洞 – Schrägmond-Dreistern-Grotte«.

Der Prächtige Affenkönig war überglücklich. Lange sah er sich um, traute sich jedoch nicht anzuklopfen. Auf einmal ging mit einem Quietschen das Tor auf, ein unsterblicher Knabe trat heraus und rief laut: »Wer ist es, der da unsere Ruhe stört?«

Der Affenkönig machte eine Verbeugung und sagte: »Ich bin ein Jünger, der Daoisten aufsucht, um die Unsterblichkeit zu erlernen; euch zu stören liegt mir fern.«

»So, einer, der Daoisten aufsucht?« lachte der Knabe.

»So ist es.«

»Unser Meister hat sich soeben auf das Podest begeben, um uns zu unterweisen, da hieß er mich, noch bevor er uns die Ursache der heutigen Unterweisung genannt hatte, das Tor öffnen. Draußen stehe ein Pilger, sagte er, den man einlassen solle. Das bist wohl du?«

»Ja, ich bin es!«

»So folge mir denn.«

Der Affenkönig zupfte sein Kleid zurecht, warf sich in eine würdevolle Haltung und folgte dem Knaben in das Dunkel der Höhle. Es ging vorbei an zahllosen tiefen Kammern und jadenen Bauwerken, an Perlpalästen und Muscheltürmen; unsagbare Ruhe erfüllte das verborgene Gemach. Endlich gelangten sie vor ein Podest aus Jaspis, auf dem der Ahnherr Subhuti thronte. Zu beiden Seiten warteten ihm dreißig himmlische Diener auf. Wahrhaftig, so war er:

 

Goldne Gottheit der Erleuchtung,

Jeglicher Befleckung bar;

Hehres Bildnis aus dem Westen,

Ahnherr Bodhi, rein und wahr.21

Frei von Werden und Vergehen

Durch das Werk von dreimal Drei,22

Voll an Energie und Geist,

In tiefstem Mitgefühl dabei.

Unbefangen, still und leer

Geht er mit dem Lauf der Welt,

In dem So-Sein tiefsten Wesens

Weilt er, wie es ihm gefällt.

Ewig wie das Himmelreich

Ist seine Erhabenheit;

Klar erkennt der hohe Priester

Unser Herz in Ewigkeit!

 

Der Affenkönig fiel vor ihm nieder, berührte wieder und wieder mit der Stirn den Boden und rief: »Meister, Meister! Euer Jünger bringt Euch von ganzem Herzen seine Verehrung entgegen!«

»Woher kommst du?« fragte der Meister, »nenne mir deinen Heimatort und deinen Namen.«

»Euer Schüler kommt aus der Wasservorhang-Grotte vom Blumen-Früchte-Berg im Lande Aolai auf dem östlichen Kontinent Purvavideha.«

»Fort mit ihm!« rief der Meister. »Das ist ein Schwindler, ein scheinheiliger Betrüger; nichts hat er mit dem Weg zur Erkenntnis zu tun!«

Bestürzt schlug der Affenkönig ein ums andere Mal die Stirn auf den Boden und sagte: »Euer Schüler spricht die volle Wahrheit, fern liegt ihm jeglicher Betrug!«

»Du behauptest die Wahrheit zu sprechen und sagst, du kämest vom Kontinent Purvavideha? Zwei unermessliche Meere und der ganze südliche Kontinent Jambudvipa trennen jenen Ort von hier; wie also kannst du von Purvavideha hierher gelangt sein?«

Mit einer Verbeugung erklärte der Affenkönig: »Euer Schüler ist mehr als zehn Jahre lang über Meer und Land gereist, bevor er hierher fand.«

»Nun gut, lassen wir das gelten. Nenne mir deinen Xing.«23

»Ich habe keinen Xing; ich grolle nicht, wenn jemand mich beschimpft, und hasse den nicht, der mich schlägt. Ich war zeitlebens ohne Xing.«24

»Nicht den Charakter meine ich mit Xing. Wie lautet der Xing, der Nachname, deiner Eltern?«

»Ich habe keine Eltern.«

»Keine Eltern? Du bist wohl auf einem Baum gewachsen?«

»Zwar nicht auf einem Baum, doch in einem Stein bin ich gewachsen. Ich kann mich nur entsinnen, dass auf dem Blumen-Früchte-Berg ein himmlischer Stein lag. In dem Jahr, als der Stein zerbarst, da wurde ich geboren.«

»Ein von Himmel und Erde Erzeugter«, bemerkte der Meister und freute sich im Stillen. »Steh auf und mach ein paar Schritte, damit ich dich sehen kann.«

Der Affenkönig sprang auf und ging einige Male hin und her.

»Nun, du magst zwar hässlich aussehen«, lachte der Meister, »doch du gleichst einem Tannzapfen knabbernden Rhesusaffen. So will ich dir von deinem Körper einen Namen ableiten. Die Silben für ›Rhesusaffe‹ lauten Hu-Sun25. Ich könnte dir also den Nachnamen Hu verleihen. Lässt man von diesem Zeichen die Komponente ›Tier‹ weg, so bleiben die Komponenten ›antik‹ und ›Mond‹. Antik bedeutet alt, Mond verweist auf Yin, das Weibliche. Ein altes Weib jedoch ist nicht fruchtbar. Gebe ich dir das Zeichen Sun zum Namen, so bleiben außer der Komponente ›Tier‹ noch die Bestandteile ›Sohn‹ und ›Nachkomme‹. Sohn ist ein männliches Kind, Nachkomme bedeutet fein wie ein Säugling. Dies entspricht genau dem Grundprinzip eines Neugeborenen. ›Sun‹ soll dein Name lauten.«

Der Affenkönig freute sich von ganzem Herzen, verneigte sich und rief: »Bestens, bestens! Jetzt kenne ich endlich meinen Namen. Doch erflehe ich des Meisters Barmherzigkeit, mir noch einen Vornamen zu verleihen, damit man mich auch rufen kann.«

»In unserer Lehre gibt es zwölf Zeichen, nach denen ich meine Schüler jeweils einteile«, erklärte der Meister, »nämlich ›Guang‹ (weit), ›Da‹ (groß), ›Zhi‹ (Weisheit), ›Hui‹ (Scharfsinn), ›Zhen‹ (wahr), ›Ru‹ (So-Sein), ›Xing‹ (Wesenheit), ›Hai‹ (Meer), ›Ying‹ (klug), ›Wu‹ (erkennen), ›Yuan‹ (vollkommen) und ›Jue‹ (erwachend).26 In deinem Fall kommt nun das Zeichen ›Wu‹ an die Reihe. So will ich dir einen Ordensnamen verleihen: Wukong, ›der die Leerheit erkennt‹, sollst du heißen. Bist du einverstanden?«

»Bestens, wunderbar! Von jetzt an nenne ich mich Sun Wukong.«

So war es in der Tat:

 

Im Beginn der großen Schöpfung

War kein Name je zu nennen,

Will man starre Leerheit brechen,

Muss man Leerheit erst erkennen!27

 

Und da wir nicht wissen, was er vom Meister Subhuti alles erlernte, lasst uns das nächste Kapitel anhören.

2. Kapitel

Der wunderbare Sinn der Weisheit wird erkanntDämonisches ist abgelegt, dem Urgeist nun vereint28

Man berichtet, dass der Prächtige Affenkönig vor Freude wahre Luftsprünge vollführte, nachdem er seinen neuen Namen erhalten hatte, und mit einer ehrerbietigen Geste Meister Subhuti seinen Dank aussprach. Dieser hieß nun seine Schülerschar, Sun Wukong aus dem zweiten Eingangsportal hinaus in den äußeren Hof zu geleiten, um ihn dort mit den täglichen Verrichtungen und den Verhaltensregeln bekannt zu machen. Wukong richtete sich in einem Seitengang ein Schlaflager ein. Tags darauf begann er mit den Ordensbrüdern über die heiligen Schriften und den Weg des Dao zu diskutieren, machte sich ans Studium der Schriftzeichen und opferte Weihrauch. In der freien Zeit kehrte er den Boden sauber, jätete im Garten, pflegte Blumen oder schnitt Bäume. So vergingen in der Grotte flugs sechs oder sieben Jahre.

Eines Tages setzte sich der Meister auf den Thron, versammelte alle Schüler um sich und begann den Großen Weg zu erläutern. So war es in der Tat:

 

In wundersamer Rede

Bespricht er die drei Lehren,29

Bis ins Allerfeinste,

Und doch allumfassend.

Spricht einmal über Dao,

Und einmal über Zen,

Drei Schulen, gleich im Kern,

Sind zueinander passend.30

So erläutert er das Eine,

Führt es zur Wahrhaftigkeit;31

Löst des Wesens tiefes Rätsel,

Weist den Weg zur Ewigkeit!32

 

Sun Wukong, der dem Vortrag beiwohnte, war so glücklich, dass er sich an Ohren und Backen kratzte; er strahlte übers ganze Gesicht, und seine Augen leuchteten vor Freude, ja selbst Arme und Beine konnte er nicht mehr stillhalten. Der Meister sah es und rief ihm zu: »Warum zappelst du während der Unterweisung wie ein Verrückter?«

»Des Meisters wundervolle Rede beglückt mich so sehr, dass ich mich vor Freude nicht mehr halten kann. Möge der Meister mir verzeihen!«

»Da du diese Rede also als wundervoll erkennst«, meinte der Meister, »so will ich dich fragen, wie lange du dich denn schon in dieser Grotte aufhältst?«

»Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Ich kann mich nur entsinnen, dass ich hinter dem Berg, wo ich oft Holz hacken ging, einen Hang voller Pfirsichbäume entdeckte und mich dort sieben Mal an Pfirsichen satt gegessen habe.«

»Das war der Faulpfirsich-Berg. Sieben Mal müssen wohl sieben Jahre gewesen sein. Was für einen Weg möchtest du nun von mir lernen?«

»Ganz nach des Meisters Anweisungen. Ich lerne alles, was irgend mit dem Dao zu tun hat.«

»Im Weg des ›Dao‹ gibt es dreihundertsechzig Seitenwege, und jeder kann zu einem guten Ergebnis führen. Welche Richtung also möchtest du lernen?«

»Ganz nach Eurem Willen.«

»Ich könnte dich im Weg der Kunstfertigkeit unterweisen, was meinst du dazu?«

»Was bedeutet der Weg der Kunstfertigkeit?«

»Er beinhaltet das Herbitten von Unsterblichen, die Kunst des Wahrsagens aus in den Sand gekritzelten Zeichen, die Orakelbefragung, den Umgang mit Schafgarbenstängeln zur Weissagung sowie das Wissen, wie man Heil erlangt und Unheil vermeidet.«

»Kann man dadurch Unsterblichkeit erlangen?«

»Nein, das kann man nicht.«

»Dann lerne ich es nicht.«

»Wie wäre es dann mit dem Weg der Lehrrichtungen?« fragte der Meister weiter.

»Was ist damit gemeint?«

»Zu den Lehrrichtungen gehören die Konfuzianer, die Buddhisten und die Daoisten, weiter die Yin-Yang-Philosophen, die Mohisten und die Mediziner, außerdem jene, die Sutren lesen, buddhistische Gebete aufsagen und an heilige Orte pilgern.«

»Wird man damit unsterblich?«

»Wollte man damit unsterblich werden, so wäre das wie ein Holzpfeiler in der Mauer.«

»Meister«, unterbrach Wukong, »ich bin ein einfacher Mensch und verstehe mich nicht auf Fachausdrücke. Was bedeutet ›ein Holzpfeiler in der Mauer‹?«

»Wenn man ein Gebäude errichtet«, erklärte der Meister, »bringt man in den Wänden Stützpfeiler an. Eines Tages jedoch, wenn das stattliche Haus zerfällt, werden auch die Pfeiler vermodert sein.«

»So gesehen ist auch das nicht von Bestand. Dann lerne ich es nicht.«

»Weiter kann ich dich im Weg der Stille unterweisen«, fuhr der Meister fort, »was meinst du dazu?«

»Worum geht es beim Weg der Stille?«

»Es geht dabei um das Fasten und die innere Reinigung, die reine Stille und das Nicht-Handeln, die Zen-Meditation, das Schweigen, die Beherrschung des Schlafes und des Stehens, die tiefe Versenkung und das Meditieren in Abgeschiedenheit.«

»Und wird man damit unsterblich?«

»Es verhält sich so wie mit ›Rohziegeln auf dem Brennofen‹.«

»Was soll denn das heißen?« fragte Wukong lachend.

»Gemeint sind jene Formlinge aus Lehm, die man auf den Ofen legt, um daraus gebrannte Ziegel zu machen. Zwar sind sie schon geformt, doch fehlt ihnen noch die nötige Bearbeitung mit Feuer und Wasser. Es braucht nur ein großer Regen zu kommen, und schon werden sie weggespült.«33

»Also ist auch das nicht von Dauer«, stellte Wukong fest, »dann lerne ich es nicht.«

»Und wie wäre es mit dem Weg der Bewegtheit?«

»Was bedeutet das nun wieder?«

»Dazu gehören aktive Praktiken wie die Stärkung der männlichen Yang-Kraft durch Aufnahme weiblicher Yin-Energie, das Bogen- und Armbrustschießen, die Bauchnabelmassage und Energie-Übertragung in der Liebeskunst, die Alchemie, das Einnehmen von Rotblei, das Brauen von Herbststein-Elixier, das Trinken von Muttermilch und Ähnliches.«34

»Und wie steht es mit der Unsterblichkeit?«

»Wollte man damit unsterblich werden, so wäre es, als wollte man den Mond aus dem Wasser fischen.«

»Ach, Meister, schon wieder so ein Wort! Was heißt denn nun ›den Mond aus dem Wasser fischen‹?«

»Der Mond befindet sich im weiten All, im Wasser ist nur sein Spiegelbild. Zwar können wir ihn im Wasser sehen, doch sobald wir danach greifen, löst er sich in nichts auf.«

»Dann lerne ich auch das nicht.«

Auf diese Worte schnaubte der Meister auf, sprang vom Sitz herab, richtete seinen Stock auf Wukong und rief: »Du Affenkerl! Weder das eine noch das andere willst du lernen. Worauf wartest du eigentlich?«

Er trat vor und versetzte Wukong drei Stockschläge auf den Kopf. Dann verschränkte er die Arme auf dem Rücken, schritt ins Innere und schloss das mittlere Tor ab. Zurück blieb eine verschreckte Schülerschar; alle waren bestürzt und grollten Wukong. Dieser aber war alles andere als verdrossen, ja, er lächelte glücklich vor sich hin. Der Affenkönig hatte nämlich eine versteckte Botschaft erraten und hütete nun still sein Geheimnis. Die drei Stockschläge nämlich hießen ihn, sich zur dritten Nachtwache um Mitternacht bereitzuhalten; der Abgang mit auf dem Rücken verschränkten Armen und das Schließen des mittleren Tores bedeuteten, dass er den Meister durch die Hinterpforte aufsuchen sollte, damit ihm dieser im Geheimen eine Lehre vermitteln konnte.

Wukong konnte den Abend kaum erwarten. Als die Dämmerung anbrach, legte er sich mit allen anderen zur Ruhe und schloss die Augen, doch anstatt zu schlafen, versetzte er sich in eine tiefe, aufmerksame Ruhe. Ungefähr um Mitternacht erhob er sich sachte vom Lager, zog die Kleider an und schlich zum vorderen Tor hinaus. Von außen erreichte er das hintere Tor. Er fand es einen Spaltbreit geöffnet, zwängte sich hinein und sah den Meister mit dem Rücken zu ihm liegend. Um ihn nicht aus dem Schlaf zu schrecken, kniete Wukong neben seinem Bett nieder. Es dauerte nicht lange, da wachte der Meister auf, reckte die Füße und murmelte vor sich hin:

 

»Schwer, schwer, schwer!

Das Dao ist zutiefst wahr;

Wähne es nicht harmlos,

Das Goldene Elixier!

Wenn nicht ein Vollkommener

Ins Geheimnis dich einführt,

Bleiben Worte ohne Sinn,

Auch wenn sich der Mund bemüht!«

 

»Meister, Euer Schüler kniet schon lange hier und wartet«, rief Wukong nun. Der Meister wusste, dass es Wukong war. Er warf sich einen Umhang über, setzte sich mit gekreuzten Beinen auf und sagte unwirsch: »Du Affenkerl, warum bist du nicht vorne und schläfst? Was suchst du hier hinten bei mir?«

»Gestern vor dem Altar habt Ihr mich doch geheißen, zur dritten Nachtwache durch das hintere Tor hereinzukommen, damit Ihr mir eine Lehre vermitteln könnt. Darum habe ich mich erdreistet herzukommen.«

Der Meister murmelte: »Dieser Kerl ist tatsächlich von Himmel und Erde gezeugt; er hat meine Botschaft verstanden.«

»Hier sind wir ja nicht unter sechs Ohren35«, hub Wukong an, »ich bin ganz alleine gekommen und hoffe, dass der Meister mir die große Gnade erweisen möge, mich im Weg zur Unsterblichkeit zu belehren. Nie werde ich Eure Gunst vergessen.«

»Da es dir heute gegeben ist, will ich gern zu dir sprechen. Komm her und höre gut zu.«

Wukong verbeugte sich dankend, kniete neben der Schlafstätte nieder und richtete alle Aufmerksamkeit auf das, was er hörte.

Wukong kniete neben der Schlafstätte nieder und richtete alle Aufmerksamkeit auf das, was er hörte.

Der Meister sprach:

 

»Dieser Spruch, der wundervolle, wahre,

Durchdringt, was sichtbar ist und was verborgen,

Lebenskraft und Wesen sind zu pflegen,36

Dies allein soll hier beredet werden.

Worauf es ankommt, ist letztendlich

Nur die Essenz, die Energie, der Geist;37

Behüt sie gut, verbirg sie gründlich,

Sieh zu, dass nichts davon zerfließt.

Nichts soll zerfließen,

Im Körper belassen!

Empfange nun, was du von mir erhalten,

So wird das Dao sich von selbst entfalten.

Präge den geheimen Spruch dir ein,

Denn er wird viel Nutzen bringen;

Halte dich von den Begierden fern,

Klare Ruhe wirst du so gewinnen.

Zieht klare Ruhe ein,

Leuchtet das Licht rein!

Dann begebe dich zum Elixierpodest,

Wo den Vollmond du erblicken wirst.38

Im Mond verborgen ist ein Jadehase

Und ein Rabe birgt sich in der Sonne;39

Von selbst erfassen und umschlingen

Einander Schildkröte und Schlange.40

Vereintes Genesen

Stärkt Kraft und Wesen!

Damit du fürwahr in der Feuerbrunst

Den Goldnen Lotos pflanzen kannst.41

Die Fünf Wandlungsphasen sammle nun,

Dann kehre sie in ihrer Wirkung um;

Und wenn das große Werk vollendet ist,

Sei Buddha und Unsterblicher nach Lust!«

 

Damit war die Wurzel und Quelle aller Dinge dargelegt. Wukong, von höchstem Glück beseelt, prägte sich den Spruch genauestens ein. Dann verneigte er sich vor dem Meister und verschwand, wie er gekommen war. Durch den vorderen Eingang begab er sich zu seiner Schlafstätte zurück. Am selben Morgen stand er auf und übte fortan im Stillen, was er gelernt hatte, indem er jeweils vor Mitternacht und nach Mittag für sich alleine Atemübungen machte.

Bald waren drei Jahre vergangen. Eines Tages begab sich wieder, dass der Meister seinen Thron bestieg, um vor seinen Schülern zu sprechen. Er trug Koans und Gleichnisse vor und erörterte die äußeren Erscheinungen der Dinge. Plötzlich aber fragte er: »Wo ist Wukong?«

Wukong trat vor, kniete nieder und sprach: »Hier ist Euer Schüler.«

»In welchen Wegen des Dao hast du dich in letzter Zeit geübt?«

»Euer Schüler ist mit der Erkenntnis der Wahrheit weit vorangerückt; Tag für Tag festigen sich die inneren Grundlagen.«

»Du magst wohl die Wahrheit erkennen und deine inneren Grundlagen erfahren. Doch wird dir dies lediglich zur Abwehr des dreifachen Unheils dienen.«

Wukong versank in langes Schweigen. »Meister«, hub er schließlich an, »immer hörte ich sagen, wer im Dao und dessen Wirkkraft eine hohe Vervollkommnung erreicht habe, dessen Leben werde so ewig wie der Himmel, und es würden bei vollendeter Harmonisierung von Feuer und Wasser auch keine Krankheiten mehr entstehen. Warum soll nun stattdessen ein dreifaches Unheil folgen?«

»Hierbei handelt es sich nicht um das gewöhnliche Dao«, erklärte der Meister. »Es geht darum, Himmel und Erde die Schöpfungskraft zu entreißen und in die tiefsten Geheimnisse von Sonne und Mond einzudringen. Eine solche Vollendung werden Götter und Geister schwerlich dulden. Zwar wird dein Angesicht nicht altern und die Zahl deiner Jahre wird sich mehren, doch nach Ablauf von fünfhundert Jahren wird der Himmel dich mit Blitz und Donner heimsuchen. Dann musst du das wahre Wesen erschaut und dein Herz erkannt haben42, um vorzeitig entrinnen zu können. Gelingt es dir, so wirst du ein Alter erreichen, das dem des Himmels ebenbürtig ist. Wenn es dir aber nicht gelingt, so wird dein Leben auf der Stelle zunichte sein. Nach weiteren fünfhundert Jahren wird dich der Himmel mit Feuer heimsuchen. Es wird weder ein himmlisches noch ein gewöhnliches Feuer sein, sondern das Feuer der Yin-Kraft. Dieses wird dir vom Punkt der Sprudelnden Quelle an den Fußsohlen bis zum Niyuan-Palast43 im Gehirn emporlodern, so dass all deine Organe zu Asche verglühen und deine Glieder sich zersetzen. Tausend Jahre härtester Übung lösen sich dabei auf in nichtige Illusion. Weitere fünfhundert Jahre später wird der Himmel Wind in dich fahren lassen. Es wird dies kein Ost- oder Südwind, West- oder Nordwind sein, auch nicht ein lauer, heißer, kühler oder eisiger Wind, sondern der Orkan des Unheils. Am Punkt der Fontanelle wird er dir durch die Schädeldecke hindurch in die Gedärme fahren und vom Zinnoberfeld44 im Unterbauch durch alle neun Körperöffnungen toben. Knochen und Fleisch werden sich verflüchtigen und der Körper wird sich zersetzen. All dem musst du entrinnen können.«

Wukong standen die Haare zu Berge. Er fiel auf die Knie, schlug vor dem Meister den Kopf auf den Boden und flehte: »Habt Erbarmen, Meister! Zeigt mir, wie ich dem dreifachen Unheil entrinnen kann! Nie werde ich es wagen, Eure Gunst zu vergessen!«

»Das ist nicht weiter schwierig«, erwiderte der Meister. »Es gibt einerseits die Sechsunddreißig Verwandlungen, gleich der Anzahl himmlischer Sterngeister im Siebengestirn, andererseits die Zweiundsiebzig Verwandlungen, gleich der Anzahl der irdischen Sterngeister im Siebengestirn; welche willst du lernen?«

»Lieber schöpfe ich aus dem Vielen«, meinte Wukong, »und lerne die der irdischen Sterngeister.«

»Wenn dem so ist«, sprach der Meister, »dann komm nach vorn, damit ich dir den geheimen Spruch vermitteln kann.« Und er flüsterte ihm etwas ins Ohr, von dem wir nicht wissen, um was für eine wunderbare Lehre es sich handelte.

Wenn nun dieser Affenkönig einmal etwas begriffen hatte, so konnte er es umgehend auf alles anwenden. Auf der Stelle prägte er sich die geheimen Zauberworte ein und übte sich so lange, bis er schließlich alle zweiundsiebzig Verwandlungen beherrschte.

Eines schönen Abends, als Meister und Schüler sich vor der Dreistern-Grotte der anbrechenden Dämmerung erfreuten, fragte der Meister: »Wukong, ist dir die Sache gelungen?«

»Dank der überragenden Gunst des Meisters hat sich Euer Schüler alles bereits erfolgreich angeeignet und vermag auch schon auf einer Wolke schwebend durch die Luft zu gleiten.«

»So lass mich einmal sehen, wie du emporschwebst«, forderte ihn der Meister auf. Wukong zeigte, was er konnte: Mit einem Satz wirbelte er in mehrfachem Überschlag in die Luft, setzte auf einer Höhe von fünfzig bis sechzig Klafter auf einer Wolke auf und schwebte während der Dauer einer Mahlzeit an die drei Meilen durch die Lüfte. Schließlich landete er vor dem Meister, faltete die Hände und sprach: »Meister, das ist die Kunst, zu den Wolken emporzuschnellen.«

»Zu den Wolken emporschnellen kann man das wohl kaum nennen«, lachte der Meister, »höchstens auf Wolken kriechen. Seit alters heißt es doch: ›Es reisen die Götter frühmorgens zum Nordmeer und abends zum Cangwu-Gebirge‹45. All jene, die auf Wolken schnellen, starten frühmorgens vom Nordmeer, schweben über das Ost- und Westmeer hinweg bis zum Cangwu-Gebirge und bereisen so alle vier Weltenmeere an einem einzigen Tag. Das erst nennt man zu den Wolken schnellen.«

»Das ist aber schwierig«, meinte Wukong.

»Nichts ist schwierig auf der Welt, wenn innerlich der Wille gilt«, bemerkte der Meister.

Auf diese Worte kniete Wukong vor ihm nieder, verneigte sich tief und bat seinen Meister um Belehrung.

»Alle Unsterblichen, die diese Kunst beherrschen«, erklärte der Meister, »heben vom Boden ab, indem sie sich mit den Füßen abstoßen. Du aber machst es nicht so. Eben habe ich gesehen, wie du in mehrfachem Salto hochgesprungen bist. Ich will dir nun zu diesem Zweck den Wolken-Überschlag beibringen.« Wukong verneigte sich inständig bittend, und so lehrte ihn der Meister abermals einen Spruch.

»Bei dieser Methode machst du das magische Fingerzeichen und sprichst den heiligen Spruch, dann schüttelst du dich und springst hoch. So wirst du in einem einzigen Überschlag 108 000 Meilen zurücklegen!«

Als es dunkel wurde, kehrten Meister und Schüler in die Grotte zurück. Noch in derselben Nacht übte Wukong im Geiste die neue Kunst, bis er den Wolkenüberschlag beherrschte. Von da an lebte er von Tag zu Tag ungebundener und genoss seine sorglose Freiheit.

Eines Tages versammelten sich die Schüler zum Gespräch unter den Kiefern. Neugierig fragten sie: »Wukong, in welcher früheren Inkarnation hast du dir eigentlich solche Verdienste angehäuft? Der Meister hat dich doch neulich in Verwandlungskünsten unterwiesen; kannst du sie denn schon alle?«

»Offen gesagt«, lachte Wukong, »dank des Meisters Unterweisung, aber auch dank tage- und nächtelangem Üben habe ich mir die paar Künste längst angeeignet.«

»Lass uns doch was sehen«, baten die anderen.

»Dann stellt mir bitte eine Aufgabe! In was soll ich mich verwandeln?«

»Verwandle dich doch in eine Kiefer!«

Wukong murmelte einen Zauberspruch, schüttelte sich und stand als Kiefer da. Alle klatschten in die Hände und lachten. Damit aber hatten sie unversehens den Meister aufgeschreckt. Dieser packte unverzüglich seinen Stock, eilte zum Tor hinaus und rief: »Wer macht da draußen solchen Lärm?«

Bestürzt zupften die Schüler ihre Gewänder zurecht und traten vor. Auch Wukong erschien wieder in seiner eigenen Gestalt unter den Schülern und meinte: »Verehrter Meister, wir befinden uns hier mitten in einem Gespräch; wie könnten wir zu lärmen wagen.«

Aufgebracht fuhr ihn der Meister an: »Wie ihr da herumschreit, ziemt sich in keiner Weise für Menschen, die sich auf den Weg der Vervollkommnung begeben haben. Denn für diese gilt: Öffnet sich der Mund, so entweichen Geist und Energie; regt sich die Zunge, entstehen Wahr und Falsch. Was also war das eben für ein Gelächter?«

»Wir wagen es Euch nicht zu verheimlichen, Meister«, rückten die Schüler nun heraus, »eben hat uns Sun Wukong zum Spaß eine Verwandlung vorgeführt. Er verwandelte sich in eine Kiefer, und da spendeten wir Beifall. Aus diesem Grunde haben wir den verehrten Meister gestört, möget Ihr uns bitte verzeihen.«

»Geht alle weg«, befahl der Meister. Dann rief er Wukong zu sich und sprach: »Was treibst du hier bloß? Was soll diese Verwandlung in eine Kiefer? Mit dieser Kunst wagst du vor anderen aufzuspielen? Und wenn dich nun jemand bittet, sie ihn zu lehren? Dann bleibt dir aus Angst vor Unfrieden nichts anderes übrig, als das Geheimnis zu verraten! Denn sonst käme es noch schlimmer, und du wärst an Leib und Leben gefährdet.«

Wukong schlug den Kopf auf den Boden und flehte: »Möge der Meister mir diese Schuld verzeihen!«

»Ich weise dir keine Schuld zu«, sprach der Meister, »ich will nur, dass du fortgehst.«

Wie Wukong diese Worte hörte, stürzten ihm die Tränen aus den Augen und er rief: »Wohin, Meister, soll ich denn gehen?«

»Geh hin, woher du gekommen bist.«

Da war es Wukong mit einem Mal, als würde er erwachen, und er rief: »Ich komme aus der Wasservorhang-Grotte auf dem Blumen-Früchte-Berg auf dem Kontinent Purvavideha.«

»Dann mach dich auf, wenn dir dein Leben lieb ist. Hier kannst du auf keinen Fall bleiben.«

Wukong blieb nichts anderes übrig, als seinen Fehler einzugestehen und von allen Abschied zu nehmen.

»Auf diesen Fortgang folgt mit Sicherheit nichts Gutes«, sprach der Meister. »Was auch immer du für Unheil und Gewalttaten anrichten magst, nie darfst du preisgeben, dass du mein Schüler gewesen bist. Und wenn du auch nur eine halbe Silbe verrätst, ich werde es wissen, dich bei lebendigem Leibe häuten, deine Knochen raspeln und deine Seele in die finsterste Hölle verbannen, dass du noch nach zehntausend Äonen nicht wieder hochkommst.«

»Nie werde ich es wagen, nie. Ich werde einfach sagen, ich könnte das alles von selbst.«

Wukong gab sich einen Ruck, machte ein magisches Fingerzeichen, schnellte hoch und schoss im Wolkenüberschlag dem Ostmeer entgegen. Keine zwei Stunden später erblickte er schon den Blumen-Früchte-Berg und die Wasservorhang-Grotte. Der Prächtige Affenkönig wusste sein Glück zu schätzen und murmelte für sich selbst:

 

»Als ich ging, da war ich schwer,

Mit sterblichem Gebein und Fleisch;

Doch seit der Vervollkommnung

Ist mein Leib ätherisch leicht!

Niemand auf der ganzen Welt

Mag den Entschluss zu fassen;

Wiewohl das Mysterium

Sich so würd’ lösen lassen!«

 

Wukong senkte seine Wolke und landete auf dem Blumen-Früchte-Berg. Schon drangen Schreie von Kranichen und das Gekreisch der Affen an sein Ohr, und er rief laut: »Kinderchen, ich bin wieder da!«

Da begann es sich unter Felshängen, in steinernen Klüften, im Gras und auf den Bäumen zu regen, und auf einmal stürmten große und kleine Affen zu Tausenden und Abertausenden herbei und scharten sich um Wukong. Sie warfen sich vor ihm nieder und riefen: »Großer König, wie konntet Ihr nur so lange fortbleiben? Ihr habt uns hier sitzenlassen, während wir uns wahrlich mit dürstenden Herzen nach Euch sehnten. Neulich sind wir von einem Dämon angegriffen worden; er wollte unsere Grotte erobern, und wir haben mit ihm auf Leben und Tod gerungen. Am Ende hat er viele unserer Kinder gefangengenommen. Großer König, wäret Ihr noch länger fortgeblieben, müssten wir gewiss noch die Grotte an ihn verlieren!«

Als Wukong dies hörte, war sein Zorn groß. »Welcher Dämon erlaubt sich, hier zu wüten!« schrie er, »wartet nur, bis ich mich an ihm gerächt habe!«

»Der Kerl nennt sich Weltverheerender Dämonenkönig und wohnt ganz oben im Norden.«46

»Wie weit ist der Weg von hier bis dorthin?« wollte Wukong wissen.

»Er kommt mit dem Wind und geht im Nebel; wie weit der Weg ist, wissen wir nicht«, gaben die Affen zur Antwort.

»Wenn dem so ist«, beschied Wukong, »dann wartet, bis ich ihn gefunden habe.«

Mit einem Satz schnellte der Affenkönig in die Lüfte, schoss in einem Überschlag gen Norden und hielt Ausschau. Ringsum erstreckte sich ein mächtiges, schroff aufragendes Gebirge.