Die Reise nach Havanna - Theodor Oliwa - E-Book

Die Reise nach Havanna E-Book

Theodor Oliwa

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Beschreibung

Der junge Spanier Álvaro de Carjaval flieht 1592 nach zwei Anschlägen auf sein Leben in die Neue Welt, wo sein Onkel in den Diensten des Gouverneurs von Puerto Real steht, einer Goldgräberstadt am Südrand der Karibik. Dort verliebt er sich in die Tochter eines Kaziken. Als sie entführt wird und ihre beiden kleinen Töchter sich auf ein Goldschiff schleichen, um ihr nach Havanna zu folgen, eilt er ihnen nach und gerät in die Hände von Piraten.

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DIE REISE NACH HAVANNA

ROMAN

DIE ABENTEUER DES ÁLVARO DE CARJAVAL

THEODOR OLIWA

Originalausgabe 2023

Alle Rechte vorbehalten

© Riverfield Verlag, Reinach BL (CH)

www.riverfield-verlag.ch

Covergestaltung: Riverfield Verlag

Bildnachweis Cover: Riverfield Verlag

(created with generative AI)

E-Book Programmierung: Dr. Bernd Floßmann

www.IhrTraumVomBuch.de

ISBN 978-3-907459-09-6 (E-Book)

INHALT

1. Von Cordoba nach Santo Domingo

2. Am Rande der bekannten Welt

3. Die drei Grazien

4. Die Berufung eines Hidalgo

5. Die Rückkehr des Vicente de Fária

6. Wendepunkte

7. Das zweite Leben

8. Dolche im Dunkeln

9. In der Hand der Piraten

10. Im wunderbaren Land

11. Der lange Weg des Don Diego

12. Nachspiel

Glossar

Über den Autor

1. VON CORDOBA NACH SANTO DOMINGO

Er sah nicht aus wie jemand, der das Abenteuer suchte. Seine Gestalt war höchstens mittelgroß und sehr schlank, seine leicht gewellten hellbraunen Haare reichten fast bis zu den Schultern. In seinem hübschen Gesicht leuchteten zwei große braune Augen, die mit unverhohlenem Interesse die Wunder der ihm unbekannten Welt bestaunten.

Diesem Antlitz fehlte es so vollkommen an Härte und Aggressivität, dass die meisten Passanten, sofern sie ihn überhaupt beachteten, ihn für einen hochgewachsenen Dreizehn- oder Vierzehnjährigen gehalten hätten, während er tatsächlich schon achtzehn war. Diesen Geburtstag hatte er im Unterdeck einer Galeone bei schwerer See auf dem Atlantik verbracht, eingewickelt in einen Mantel neben seiner Truhe kauernd, eng zusammengedrängt mit über hundert Siedlern, aber dennoch allein. Dass er nicht seekrank wurde, wie so viele andere, war noch das Beste an diesem Tag gewesen.

Nachdem das Schiff nach fünf langen Wochen endlich Santo Domingo auf Española erreichte, begann für ihn eine lange Wartezeit. Antonio de Braganza, der Kapitän der San Isidoro, hatte versprochen, ihm eine Weiterfahrt nach Havanna zu organisieren und sich so lange um ihn zu kümmern. Zunächst brachte er ihn in einer Pension im nordöstlichen Teil der Stadt zwischen dem Kloster San Francisco und dem Rio Ozama unter. Das Haus gehörte einer Witwe mittleren Alters, der Señora María Salas, die ihren Mann – einen Freund Braganzas – vor sieben Jahren beim Überfall der englischen Piraten unter Drake verloren hatte.

Dort blieb Álvaro weitgehend sich selbst überlassen, denn Braganza kümmerte sich zunächst einmal um seine eigenen Geschäfte. In den Kolonien durften die allermeisten Gebrauchsartikel und Lebensmittel nicht hergestellt, sondern mussten aus Spanien eingeführt werden. Zwar wurden diese Gesetze immer weniger befolgt, doch noch immer boten sich demjenigen, der geschickt war und gut rechnen konnte, verlockende Möglichkeiten schnell reich zu werden.

Álvaro mied zunächst die Öffentlichkeit, denn er besaß keine Papiere der Casa de Contradación und wusste nicht, wie streng die Einhaltung der Gesetze überwacht wurde. Und Kapitän Braganza bestärkte ihn in seiner Vorsicht, denn ihm war nicht bekannt, aus welchem Grunde der junge Mann so plötzlich seine Heimat verlassen musste. Er hatte ihn aus Gefälligkeit gegenüber einem alten Freund mitgenommen, dem Pater Juan, der vor seinem Eintritt in den Orden der Dominikaner ein wildes, beinahe ein unchristliches Leben geführt hatte. Deshalb hielt er es für besser, unnötige Risiken zu vermeiden.

In seiner Phantasie sah sich Álvaro in Eisen gelegt und zum Rudern auf einer Galeere verurteilt oder – noch schlimmer! – in Ketten und Lumpen vor seine Mutter geführt. Doch nach einigen Tagen begegnete er vor dem Zimmer Braganzas unerwartet dem Kapitän, der sich mit einem Beamten der Hafenbehörde unterhielt und ihn aus Verlegenheit als seinen persönlichen Sekretär vorstellte. Der darauf folgende kurze, sehr freundliche Wortwechsel, genügte, um ihm seine Sorgen zu nehmen. Von dieser Stunde an wagte er sich hinaus, um die Neue Welt zu erkunden.

Santo Domingo war eine große, pulsierende Stadt. Nicht so groß wie Córdoba oder Sevilla natürlich, und auch nicht mehr so bedeutend wie Cartagena oder Mexiko-Stadt, aber immerhin war sie die älteste spanische Siedlung in der Karibik.

Der Markt war ein faszinierender Ort. Exotische Tiere und Früchte aus der Neuen Welt hatte er bereits in Córdoba bewundern und bestaunen können, doch viele überstanden die lange Überfahrt nicht. So sah er sich einer überwältigenden Fülle neuer Gerüche, Farben, Töne und Klänge gegenüber, die sich völlig von dem unterschieden, was er aus Spanien kannte. Dennoch hatte er sich die neue Welt ganz anders vorgestellt. Das galt auch für die Bevölkerung, denn Álvaro sah mehr Menschen mit schwarzer Hautfarbe als Weiße. Leider erblickte er nirgendwo Ureinwohner, die seine Neugierde am meisten bewegten. Ein Händler, der ihm einen Becher Rum zum Kosten anbot – er versuchte ihn mit der Versicherung zu locken, davon bekomme man Haare auf der Brust –, behauptete, irgendwo im Westen der Insel lebe noch ein freies, wildes Volk. Von einem anderen hörte er, es seien nur noch wenige.

Dann traf er auf eine sonderbare Karawane. Sie wurde angeführt von einem kleinen, aber sehr korpulenten Mann, dessen kalte Augen ein breiter Strohhut vor der Sonne schützte und der in seiner rechten Hand eine Peitsche hielt, deren Schnur lässig über seiner Schulter hing, wie eine Drohung für jeden, ihm ja nicht zu nahe zu treten. Drei Schritte hinter ihm folgte eine ebenso korpulente Frau, noch eine Handbreit größer als er, mit einer Haut, so tiefschwarz wie eine Neumondnacht, einem Gewand aus den farbenprächtigsten Stoffen, die Álvaro je gesehen hatte, und einem Hut mit der ganzen Blumenpracht der Demeter.

Sie schritt mit der stolzen Würde einer Königin, wie bei dem Mann vor ihr, mit kalter Miene und ohne eine menschliche Regung. Nach ihr folgten etwa ein Dutzend Diener oder Sklaven, schwer bepackt mit allerlei Kisten und Ballen, und am Ende zwei Büttel mit schweren Knüppeln.

Wie von selbst war Álvaro dieser Karawane gefolgt, und als er seinen Blick von ihnen lösen konnte, fand er sich plötzlich auf dem Sklavenmarkt, wo eifrige Händler versuchten, die Reste ihrer Bestände abzustoßen, bevor das nächste Handelsschiff bessere Ware anbieten konnte. Viele Interessenten taxierten kühl eine magere Kreatur, die fast nur aus glänzender Haut und Knochen zu bestehen schien, und aus zitternden Augen, die das Grauen zu unnatürlicher Größe erweitert hatte.

Während Álvaro das Treiben beobachtete, hörte er, wie zwei der Männer einander bestätigten, hier sei derzeit nur noch Ausschussware zu sehen, trotz des teuren Öls, mit dem man den Sklaven die Haut einrieb.

Álvaro wandte sich ab und kehrte in seine Unterkunft zurück. Für diesen Tag war der Zauber des Neuen erloschen.

Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem seine Vorstellungen von diesem Teil der Welt geprägt worden waren. Als er etwa vier Jahre alt war, fand er die Tür zum großen Salon seines Stiefvaters, Raúl de Montalbán, unverschlossen und unbewacht. Hier verwahrte dieser viele seiner Trophäen und Erinnerungsstücke von den Feldzügen und Weltreisen, an denen er in seiner Jugend teilgenommen hatte. Álvaro hatte diesen Raum bisher nur in Gegenwart seines Stiefvaters – meist bei der Begrüßung vornehmer Gäste – und an der Hand seiner Mutter oder eines Kindermädchens betreten, die darauf achten mussten, dass er den Kostbarkeiten nicht zu nahe kam. Doch dieses Mal konnte er so dicht an sie herantreten wie er wollte, jedoch ohne etwas anzufassen, denn er wusste, dass er sich hier auf verbotenem Terrain befand.

In der Mitte des Raums befand sich eine lange Tafel, an der etwa zwanzig schwere Holzstühle aufgereiht standen. Jeder einzelne war ein Meisterwerk der Schnitzkunst, doch der Sitz des Hausherrn am Kopf der Tafel übertraf alle anderen und glich wahrhaftig einem Thron.

Es war später Nachmittag und durch drei große bemalte Glasfenster fiel von links ein geheimnisvolles Dämmerlicht in den Raum. Auf dem Bild in der Mitte sah Álvaro eine Darstellung des Sohnes Gottes, der viele Gläubige segnete, die vor ihm knieten. Unter ihnen, so erzählte ihm später seine Mutter, waren auch die Ahnen des Hausherrn, die man an verschiedenen Merkmalen – physiognomischen Besonderheiten und Symbolen – identifizieren konnte.

Auf Tischen an der Wand hinter dem massiven Holzstuhl des Patriarchen befanden sich zwei große chinesische Porzellanvasen, die er sich von den Philippinen hatte mitbringen lassen, auf einer der regelmäßigen Fahrten von Acapulco in Neu-Spanien nach Manila und wieder zurück. Dazwischen lagen viele Kunst- und Gebrauchsgegenstände aus Silber, Porzellan und Perlmutt, die den kleinen Jungen aber nicht so sehr interessierten. Jene Schalen und Teller, die eben auf der Tischplatte lagen, konnte er nicht in ihrer vollen Pracht bewundern, denn sein Kopf ragte nicht weit genug über den Rand hinaus.

Ganz anders dagegen eine bedrohlich aussehende, dunkel schimmernde Rüstung, darüber ein Morion mit einem prächtigen Helmbusch, die in der rechten hinteren Ecke hingen. Beide trugen deutliche Gebrauchsspuren, die bewiesen, dass sie dem Träger schwere Verletzungen erspart hatten. Das an der Rüstung befestigte Wehrgehänge mit Schwert und Dolch war länger als der Junge selbst.

Doch an der rechten des Salons erweckte etwas seine Aufmerksamkeit, das seine Phantasie noch viele Jahre beschäftigen sollte. Rund um einen großen Kamin waren Seitenwände und Fußboden mit blau-weißen flämischen Kacheln verkleidet. Auf vier Exemplare mit hübschen Ornamenten folgte eines mit verschiedenen Motiven: Eine Karavelle auf dem Meer bei ruhiger See; eine im Sturm; mit Meeresungeheuern; an fremden Küsten und vor arabischen und chinesischen Städten. Auf manchen waren exotische Pflanzen und Tiere dargestellt. Álvaro erkannte Elefanten, Giraffen und Nashörner, andere Wesen entsprangen allein der Phantasie des Künstlers. Eine Kachel zeigte eine Gruppe fast nackter Eingeborener, die demütig vor dem Kreuz des Erlösers das Knie beugten, das ihre Entdecker zu ihrem Heil in ihr Land gebracht hatten. Doch einige Kacheln zeigten auch erbitterte Kämpfe zwischen den Entdeckern und kämpferischen Heiden – und nicht immer siegten die christlichen Kämpfer. Auf einer sah man eine Gruppe Wilder im Kreis um ein Feuer sitzen und das Fleisch eines Gefangenen verzehren, während ein zweiter noch auf dem Spieß gebraten wurde.

Álvaro kannte nicht den Wert der in diesem Raum präsentierten Gegenstände, doch die Bilder auf den Kacheln vergaß er nie und sie wurden lebendig durch die seltenen Erzählungen seines Stiefvaters.

Raúl de Montalbán war in seinen jungen Jahren ein mittelloser Mann, der nicht mehr besaß als sein reines Blut, ein Schwert und großen Ehrgeiz, der noch befeuert wurde durch die Berichte über die Kämpfe des Hernán Cortéz, der jenseits des Atlantiks ein gewaltiges heidnisches Reich niederwarf und dabei ungeheure Schätze erbeutete. Als 1529 ein Abenteurer namens Francisco Pizarro, der schon viele Jahre in der Neuen Welt verbracht und nun am Hof König Karls eine Capitulación für einen Feldzug in den Süden des neuen Kontinents erwirkt hatte, Männer anwarb, sah Montalbán seine Zeit gekommen und schloss sich dieser Truppe an.

Montalbán überlebte die vielen Kämpfe mit den Ureinwohnern und auch die mit anderen Konquistadoren, denen Francisco Pizarro 1541 zum Opfer fiel, und kehrte kurz vor dessen Tod zwar nicht unermesslich reich, aber als wohlhabender Mann nach Spanien zurück. Dort ließ er sich in Córdoba nieder und heiratete eine Frau aus einer angesehenen Familie, die ihm bald sieben Kinder schenkte.

Doch er war noch zu jung und zu abenteuerlustig, um dauerhaft sesshaft zu bleiben. Und so zog es ihn immer wieder in die Ferne, um dort das Glück zu suchen, das er an der Seite seiner Frau nicht finden konnte.

Dreimal kehrte er nach Westindien zurück und beteiligte sich an mehreren Erkundungs- und Eroberungszügen. Und zweimal zog er in Europa für seinen König ins Feld, einmal gegen ein Bündnis protestantischer Fürsten im Heiligen Römischen Reich und später gegen König Heinrich II. von Frankreich.

Fortuna blieb ihm, insgesamt gesehen, in all den Jahren gewogen, wenn sie ihm auch öfters ihre spröde Seite zeigte. 1554 erkrankte er in Vera Cruz so schwer, dass einer der Ärzte schon nach dem Priester rief, um ihm die letzte Ölung zu spenden. Aber nach einigen Wochen erholte er sich wieder, wenn auch zu spät, um noch das Schiff zu erreichen, das ihn in die Heimat bringen sollte. Doch die ganze Flotte geriet vor der Küste Floridas in einen schweren Sturm und versank. So hatte ihm das Fieber das Leben gerettet.

Drei Jahre später zählte er zu den Tapferen, die für König Karl den glorreichen Sieg bei Saint-Quentin erfochten. Am Abend jenes Tages lag er mehr tot als lebendig auf einem Lager aus Stroh in einem Stall, an seiner Seite nur ein einziger treuer Bursche, während die überlebenden Männer der von ihm aufgestellten Kompanie in der Stadt plünderten. Als er endlich in die Heimat zurückkehrte, hatte ein Staatsbankrott sein Vermögen aufgezehrt. Seine Frau starb kurze Zeit später. Wie er vermutete, hatte dieser Verlust ihr das Herz gebrochen.

Erneut kehrte Montalbàn in die Neue Welt zurück und nahm an mehreren Unternehmungen im Norden Neu-Spaniens teil, in der Hoffnung, auch er könne dabei auf ein Zacatecas stoßen, so wie einige Jahre zuvor Juan de Tolosa. Doch statt reicher Silberminen fand er nur armselige Dörfer mit nichts darin, was es lohnte, sein Leben dafür zu riskieren. Als seine Mittel aufgebraucht waren, wandte er sich an den Vizekönig, Don Luis de Velasco, mit der Bitte um einen lukrativen Auftrag. Während er auf Antwort wartete, trieb er sich in den Kaschemmen von Mexico-Stadt herum, immer auf der Suche nach Zerstreuung oder einer kleinen Verdienstmöglichkeit. In der Nähe der neuen Universität gelang es ihm eines Nachts, einem aufgeblasenen, jungen Studenten beim Kartenspiel eine Kakaoplantage abzunehmen.

Montalbán war nicht gerade ein Geschäftsmann – Gott bewahre, schließlich war er ein Edelmann! –, doch er ging nun langsam auf die Fünfzig zu, hatte von den Überraschungen und Launen Fortunas allmählich genug und inzwischen den Eindruck gewonnen, dass die meisten großen Schätze dieser Erde bereits entdeckt waren und dass es sich nicht lohnte, für das, was noch übrig war, seine Gesundheit und sein Leben zu riskieren.

Die gewonnene Plantage bestand aus einem kleinen fruchtbaren Tal mit drei Dörfern, nicht sehr weit von der Küste entfernt, in dem je zur Hälfte Gemüse für den Eigenbedarf und Kakao angebaut wurde. Die Pocken hatten auch hier zu einem massiven Bevölkerungsschwund geführt, doch der vom Vater des früheren Besitzers eingesetzte Verwalter war ein kluger Mann, der die Einheimischen anständig behandelte und mehr Wert auf den langfristigen Ertrag setzte.

Zwar widerstrebte Montalbán die Vorstellung, ein Leben als besserer Landwirt zu führen, doch er war klug genug, die Möglichkeiten seines neuen Besitzes zu erkennen. Kakaobohnen, bei den Azteken ein Zahlungsmittel, fanden auch in Europa reißenden Absatz.

Er blieb fast zwei Jahre in diesem Tal und arbeitete dort mit großem Elan an der Vermehrung des Wohlstands und der Bevölkerung, dann kehrte er nach Spanien zurück. Dort heiratete er eine junge Frau aus einer vornehmen, aber verarmten Familie und setzte sich zur Ruhe.

Die Frau seiner Wahl, Angelina de Valbuena, hatte weder Einfluss noch Vermögen, doch sie war eine Schönheit, und das genügte ihrem Mann. Als sich nach einigen Jahren herausstellte, dass sie keine Kinder bekommen konnte, bekümmerte ihn das wenig, denn er hatte genug von seinen vier noch lebenden Sprösslingen aus erster Ehe, die meistens nur Geld von ihm wollten und ihm ansonsten übel nahmen, dass er ihre Mutter und sie so lange alleine gelassen hatte.

Doch Montalbans zweite Frau litt sehr unter ihrer Kinderlosigkeit. Als dann ihre jüngere Schwester im Kindbett starb, kurz nachdem ihr Ehemann in der Schlacht auf der Mooker Heide den Tod gefunden hatte – in einem großartigen Sieg der spanischen Armee unter Sancho d’Avila und Bernardino de Mendoza über die Niederländer in jenem Krieg, den man später den Achzigjährigen nennen sollte – da fand Angelina keine Ruhe mehr, bis ihr Mann einwilligte, das kleine Würmchen in ihr Haus zu nehmen. Er gab nach, da er befürchtete, seine Frau könne noch aus Gram sterben, hatte doch auch ihre Schwester sich den Tod ihres Gemahls so zu Herzen genommen und sich nicht einmal durch die Tatsache trösten lassen, dass auf dem Schlachtfeld schließlich neben vielen anderen Vornehmen der Rebellen auch zwei Brüder Wilhelms von Oranien gefallen waren. Vielleicht, so fragte sich Montalban, lag diese Empfindlichkeit ja in der Familie?

Jedenfalls sah er in den folgenden Jahren mit Freude, dass seine Gemahlin eine Betätigung gefunden hatte, die ihr gut tat und ihn nicht zu sehr belästigte. Außerdem war er sechsundzwanzig Jahre älter als sie, seit seiner zweiten Hochzeit recht behäbig geworden und froh über etwas mehr Ruhe.

Angelina dagegen war überglücklich über das Kind und blühte richtiggehend auf.

Ihr Adoptivsohn – er hieß Álvaro, genau wie sein verstorbener Vater – wuchs zu einem braven Jungen heran, der nicht zuviel Lärm und Ärger machte. Und das, obwohl seine Mutter ihn sehr verwöhnte. Montalban kümmerte sich nicht um ihn und behandelte ihn meistens mit freundlicher Gleichgültigkeit. Wie einen Gast seiner Frau. Es kam vor, dass er sich mit ihm unterhielt, ihm die Hand auf die Schulter legte oder ihm über das Haar strich, doch er umarmte ihn nie so, wie es Angelina tat. Sie drückte ihn immer an sich und erklärte, sie werde ihm nun die Luft auspressen, bis er flach wie eine Flunder sei, und wenn er am Leben bleiben wolle, solle er versuchen, ihr das gleiche anzutun. Álvaro hatte zunächst keine Vorstellung davon, was eine Flunder ist, doch er drückte und presste mit aller Kraft, bis seine Mutter nach Luft japste und um Gnade bat. Das war eines ihrer liebsten Spiele, und sie erfreuten sich beide daran von der Zeit, als sie seine Arme kaum spüren konnte bis zu den Jahren, da er sich zurückhalten musste, um sie nicht zu verletzen.

Seinen Adoptivvater umarmte er niemals. In ihm sah der Junge immer nur den Ehemann seiner Mutter, vielleicht auch den Stiefvater, aber nie mehr. Dagegen war sie in seinem Herzen auch dann noch seine Mutter, nachdem er die Wahrheit über seine Herkunft erfahren hatte.

Unvergesslich blieben Álvaro jene Abende, an denen sie Besucher im Haus hatten und sein Stiefvater nach dem Essen aus seinem abenteuerlichen Leben berichtete. Besonders gerne erzählte er von jener legendären Schlacht von Cajamarca, in der sie den Inkaherrscher Atahualpa gefangen genommen hatten. Oder von Pedro de Valdivia, der später Chile eroberte und dort 1553 von den Mapuche getötet wurde. Oder von dem bereits genannten Juan de Tolosa, der 1546 die reiche Silbermine von Zacatecas entdeckte, nicht weit entfernt von Gegenden, durch die Montalbán selbst gezogen war – ohne etwas Wertvolles zu finden.

Für Álvaro klangen diese Erzählungen ebenso phantastisch wie die Märchen, die er früher vor dem Einschlafen gehört hatte. Er bewunderte seinen Stiefvater für all seine Erlebnisse, doch gleichzeitig erschien er ihm wie ein unendlich fremdes Wesen.

Als Montalbán 1586 starb, empfand Álvaro keinen Schmerz – außer für seine trauernde Mutter.

Mit den abenteuerlichen Erzählungen seines Stiefvaters hatte Santo Domingo nur wenig Ähnlichkeit. Allerdings ging Álvaro bei Dunkelheit nicht aus dem Haus und hielt sich auch von Hafenkneipen und Bordellen fern, in deren Nähe es häufig Händel gab. Nach dem Markt besuchte Álvaro die großen und schönen Gebäude der Stadt, zunächst die Kathedrale Mariä Verkündigung, später den Palast, in dem früher der Vizekönig residierte – allerdings sah er nun nicht mehr so prächtig aus, da ihn einige Jahre zuvor englische Piraten geplündert hatten.

An einem Tag, an dem die Sonne besonders heiß auf die Erde brannte, machte sich Álvaro auf, um die Stadtteile zu besichtigen, die an der Meeresküste lagen. Dabei kam er an der Ozama-Festung vorbei, die die Einfahrt in den Hafen beherrschte, den Angriff vor sieben Jahren aber nicht hatte verhindern können. An einigen Stellen des Walls und am Hauptportal waren Bauarbeiten im Gange. Gerne hätte er auch das Innere besichtigt, doch die Wachen am Tor beäugten ihn so misstrauisch, dass er seinen Weg südwärts zur Küste rasch fortsetzte. Am Rande des Meeres war er noch nicht weit gekommen, als er vor sich am Straßenrand eine Gruppe junger Männer erblickte, die dort herumlungerten und auf ihn so wirkten, als warteten sie nur auf ein Opfer, über das sie herfallen konnten. Álvaro war durch Erfahrung klug geworden, sah sie einen Augenblick früher als sie ihn und beschloss sofort, ihnen lieber aus dem Weg zu gehen. Daher kehrte er rasch um, und als er bemerkte, dass sie ihn verfolgten, beschleunigte er seine Schritte. Im äußersten Notfall hätte er von seinem Dolch Gebrauch gemacht, der einzigen Waffe, die er bei sich trug. Sein Beichtvater, Pater Juan, hatte ihm einst gesagt, man solle eine Waffe nur tragen, wenn man auch bereit sei, sie zu benutzen. Und er meinte damit: um zu töten. Er wusste, dass Álvaro dazu nicht das Herz besaß, und hatte ihm deshalb dazu geraten, den Degen lieber nicht anzulegen. Ein kleiner Junge mit einer großen Waffe ziehe das Unglück an, war in etwa der Sinn seiner Worte. Doch gegen ein Dutzend solcher Kerle wäre auch sein Degen keine Hilfe gewesen. Die versprach er sich jedoch von den Wachen am Portal der Festung, die zwar einen missmutigen oder sogar übelgelaunten Eindruck gemacht hatten, aber immerhin Soldaten des Königs waren. Die Verfolger kamen rasch näher, einige rannten sogar, doch noch erschien Álvaro der Abstand groß genug, und es widerstrebte seinem Stolz, vor ihnen wegzulaufen, wenn es nicht unbedingt sein musste.

Seine Rechnung ging auf. Als er das Portal fast erreicht hatte, und die jungen Männer ihm bereits sehr nahe waren, zögerten sie plötzlich und kehrten dann um.

Álvaro warf ihnen nur einen kurzen Blick über die Schulter zu, aber er atmete tief durch und setzte seinen Marsch nach Norden fort – bis ihn die Wachsoldaten aufhielten und mit vorgehaltenen Waffen verlangten, er möge ihnen zu ihrem Offizier folgen.

Fähnrich Macáro saß unter einem großen Sonnensegel, das vor der Wachstube aufgespannt war, und langweilte sich. Die Aufgabe, hier zu sitzen und das Tor zu bewachen, hätte er normalerweise einem Unteroffizier übertragen, doch wegen dieser Delegation, die sich im Auftrag des Königs in der Festung aufhielt, musste er nun seine Zeit an diesem Tor vergeuden. Dabei hatte er seiner neuesten Eroberung, Manuela mit den schwarzen Locken, versprochen, zur Mittagszeit ein Stündchen oder auch zwei bei ihr zu verbringen und die Hitze der Sonne mit dem Feuer der Liebe zu bekämpfen.

Als die Wachen dann plötzlich einen jungen Mann zu ihm brachten, der allzu viel Interesse an den Mauern und den Ausbesserungsarbeiten gezeigt hatte – kein halbwegs vernünftiger Mensch würde das bei einer solchen Hitze tun – war er sofort bereit, seine schlechte Laune an ihm abzureagieren.

Doch obwohl er ihn eine Weile vor sich in der Sonne stehen ließ und ihn mit seinen Blicken durchbohrte – und für diese Kunst war er bei den Soldaten in der Kompanie berühmt und berüchtigt – zeigte das Bürschlein keinerlei Angst, blieb ruhig und entspannt, ohne dabei arrogant zu wirken.

Dies erstaunte den Fähnrich nicht wenig, der nicht ahnen konnte, dass Álvaro sich wahrhaft gerettet fühlte. Für ihn war der strenge Blick eines Offiziers ein hervorragender Tausch gegen die Wahrscheinlichkeit, von einem Dutzend ehrloser Schurken verprügelt und ausgeraubt zu werden.

Macáro folgerte aus Haltung und Kleidung des Verdächtigen, dass er aus einem guten Haus kommen musste, und beschloss deshalb, ihn zunächst freundlich zu behandeln. Wie leicht konnte man sich eine einflussreiche Persönlichkeit zum Feinde machen. Außerdem nahm er an, dass sich ihm auf diese Weise leichter die Zunge lösen ließe. Wenn nötig, konnte er später immer noch ein stärkeres Geschütz auffahren.

Er bot ihm also einen Stuhl unter dem Sonnenschutz und etwas zu trinken an. Álvaro bedankte sich für diese Freundlichkeit mit einer Verbeugung, wie er sie zu Hause für den Umgang mit Personen gelernt hatte, die im gesellschaftlichen Rang etwas höher standen.

Fähnrich Macáro nahm diese Geste amüsiert zur Kenntnis. Sie erschien ihm ein wenig übertrieben und altmodisch, deshalb suchte er nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass dahinter auch nur ein Hauch von Ironie oder Sarkasmus steckte. Doch er vermochte nichts dergleichen zu entdecken. Dann stellte er ihm einige Fragen – wer er sei, woher er komme, in wessen Dienst er stehe und dergleichen mehr –, und kam rasch zu der Überzeugung, dass von diesem jungen Bürschlein keine Gefahr ausging. Kein Spion hätte die Festungsanlage mit solch einem offenkundigen Interesse beobachtet, und das gleich zweimal, obwohl er den Wachen schon auf dem Weg zur Küste aufgefallen war. Doch diese Männer waren angewiesen, gegenwärtig besonders aufmerksam zu sein und jeden Verdächtigen zu melden und zum Verhör festzunehmen.

Der Fähnrich überlegte schon, wie er diese Angelegenheit am besten zum Abschluss bringen konnte, da bemerkte er, wie sich die Beauftragten des Königs dem Tor näherten und erhob sich – Álvaro tat es ihm gleich.

Angeführt wurde die Gruppe von Oberst Baltasar de Casal. Er war ein kräftiger Mann von über fünfzig Jahren, der sich wegen eines steifen Beins auf einen Stock stützen musste, was seine elegante Erscheinung aber nur unwesentlich beeinträchtigte. Vor einigen Monaten war er mit dem Festungsbaumeister Bauttista Antonelli, dem jüngeren der Antonelli-Brüder, in die neue Welt gekommen, um dort in königlichem Auftrag die Verteidigungsanlagen der bedeutendsten Städte in Amerika zu prüfen und zu verbessern. Antonelli selbst hielt sich zu dieser Zeit in Cartagena auf, dessen wichtiger Hafen nicht nur die Reichtümer des Kontinents, sondern auch die Begehrlichkeiten von Piraten und feindlichen Flotten auf sich zog.

Casal hatte in seiner Jugend seinem König als Soldat im Mittelmeer und später unter Alessandro Farnese, dem Herzog von Parma und Piacenza, in den Niederlanden gedient. Bei der Belagerung von Antwerpen verteidigte er im Range eines Hauptmanns eines der Forts, das von den Geusen heftig angegriffen wurde, nachdem sie die Deiche durchstochen und das weite Umland unter Wasser gesetzt hatten. Der Sturm konnte abgewehrt werden, er selbst wurde dabei schwer verletzt. Seine Wunden verheilten, leider blieb ein Bein steif. Für den aktiven Felddienst war er damit nicht mehr zu verwenden, doch dank seiner praktischen Erfahrungen in der Belagerungskunst konnte er weiter im Dienst des Königs verbleiben.

Der Oberst hielt sich bereits seit mehreren Wochen in Santo Domingo auf, und die Arbeit begann ihn allmählich zu ermüden. Die gestellte Aufgabe war eigentlich unlösbar, denn die meist nur kleinen, von wenigen hundert Menschen besiedelten Städte konnten sich Befestigungen, wie sie für eine erfolgreiche Verteidigung erforderlich waren, gar nicht leisten. Eine Flotte von nur zehn Schiffen vermochte leicht tausend oder mehr Kämpfer an jeden beliebigen Ort in der Karibik zu befördern. Wie sollte sich eine Stadt gegen eine derartige Streitmacht verteidigen, die häufig größer war als die Gesamtzahl der Bewohner? In Cartagena oder Santo Domingo mochte das vielleicht noch möglich sein, aber was war mit all den anderen Siedlungen? Casal machte sich keine Illusionen. Er hatte lange darüber nachgedacht und hätte dem König lieber geraten, anstelle von zahlreichen Festungswällen eine schlagkräftige Flotte zu bauen, um auf jeden Angriff schnell und hart reagieren zu können. Doch auch dafür wären die Kosten immens – und noch größer die Probleme des Unterhalts. Das Holz der Schiffe verrottete in den karibischen Gewässern ungeheuer schnell, trotz Pech und Bleiweiß. Und alle Ausrüstungsgegenstände mussten aus Spanien importiert werden. Jedenfalls offiziell!

Und wie er bereits oft erlebt hatte, kümmerten sich viele der lokalen Honoratioren nur um den eigenen Profit aus ihren Minen oder Plantagen und versuchten gerne, die Kosten für deren Schutz einfach auf den König abzuwälzen.

Die ständigen Auseinandersetzungen um das, was erforderlich und das, was praktikabel war, sowie die Einsicht um die Unlösbarkeit der gestellten Aufgabe bedrückte ihn in wachsendem Maße. Dazu trug auch bei, dass er sich einsam fühlte. Seine Frau und die Kinder befanden sich in Spanien und Portugal, die Freunde, die noch lebten, in Italien oder den Niederlanden – oder wo auch immer der Dienst sie hin verschlagen hatte. Dagegen waren die meisten Männer in seiner Begleitung ein ganz anderer Menschenschlag: Der Architekt di Verona, der Ingenieur Solana, zwei Zeichner und einige Adjutanten und Helfer. Sie ließen es zwar nie an Respekt fehlen, doch er gehörte einfach nicht zu ihnen.

Zusammen mit dieser Gruppe hatte er bereits mehrere Tage auf dem Torre del Homenaje verbracht, von wo aus man den besten Überblick über die Stadt und das nähere Umland hatte. Während sein Zeichner die letzten Korrekturen an dem Stadtplan von Santo Domingo vornahm, schweiften Casals Gedanken wieder über das Meer in die Heimat und die Vergangenheit zurück, da fiel sein Blick auf das Haupttor der Festung, durch das einige Soldaten gerade einen schmächtig aussehenden Mann führten. Während seine Sekretäre wegen eines möglicherweise zu langen Strichs eifrig miteinander diskutierten, beobachtete der Oberst die Gruppe von Männern dort unten – oder besser gesagt: die drei gelangweilt wirkenden Wachsoldaten und den Knaben –, der gerade in diesem Augenblick eine kleine, formvollendete Verbeugung ausführte, die ganz wunderbar an den Hof in Madrid gepasst hätte.

Casal war ein Ehrenmann alter Schule, das heißt, er hätte nie einen Mann getötet, ohne ihm den verdienten Respekt zu erweisen, oder ein paar Stunden mit einer hübschen Bäuerin verbracht, ohne ihr süße Komplimente zu machen und ein Geschenk zu verehren. Es gab so manches, was ein Kavalier guten Gewissens nicht einmal dem Beichtvater verraten konnte, doch, so war seine feste Überzeugung, man sollte es mit Stil und Würde tun.

In den letzten Wochen hatte er zu häufig mit Menschen zu tun gehabt, die viel zu wenig seinen Vorstellungen entsprachen. Doch diese sehr elegante kleine Verbeugung hatte in ihm eine Melodie erklingen lassen, die sein Herz kannte, liebte und schon lange nicht mehr gehört hatte. Natürlich war ihm bewusst, wie leicht er sich irren, dass hinter dieser graziösen Bewegung auch eine bösartige oder ehrlose Absicht stehen konnte. Doch sein Interesse war geweckt und deshalb erklärte er seinen überraschten Begleitern, dass ihm – trotz der frühen Uhrzeit – nach einer Mittagspause zumute sei und sie später weiter arbeiten konnten. Dann eilte er die enge Steintreppe hinunter.

Fähnrich Macáro sprang sofort auf, als er den Oberst näherkommen sah, und gab einem der Soldaten ein Zeichen, die beiden Wagen und die Maultiere aus der Scheune holen zu lassen, mit denen die Gruppe am frühen Vormittag gekommen war. Er war erstaunt, dass man keinen der Adjutanten geschickt hatte, um frühzeitig anspannen zu lassen, wie es bei den früheren Besuchen üblich gewesen war. Doch noch mehr erstaunte es ihn, dass Oberst Casal ihm nicht nur mit freundlichen Worten für seine Aufmerksamkeit dankte, sondern ihn sogleich bat, ihm diesen jungen Herrn vorzustellen.

„Euer Gnaden“, beeilte sich der Fähnrich zu sagen, „dieser Mann fiel unseren Wachen auf, da er zweimal mit auffälligem Interesse an unserem Portal vorbei ging, weshalb sie ihn zu einer Befragung zu mir brachten. Er sagte, sein Name sei Álvaro de Carjaval und er wäre erst seit wenigen Tagen in Westindien.“

Mit dem Zweifel, den er mit seinen Worten zum Ausdruck brachte, bewies Macáro seinen feinen Instinkt, denn Álvaro hatte sich an den Namen Carjaval noch nicht so recht gewöhnt, da er ihn erst seit seiner Abreise aus Spanien wieder führte, obgleich es der seines leiblichen Vaters war und er ihn bereits am Tage seiner Taufe trug.

Beim Erscheinen des Obersts und dessen zahlreicher Begleitung war Álvaro sofort zur Seite getreten, um ihnen nicht im Wege zu stehen. Als er hörte, dieser Mann, der seinem Aussehen nach eine bedeutende Stellung inne haben musste, wünsche ihm vorgestellt zu werden, war er nicht sonderlich erstaunt, denn er befand sich immer noch in einer euphorischen Stimmung und er kannte solche überraschenden Ereignisse aus den Märchen und Erzählungen seiner Mutter, die er in seiner Kindheit mit sich selbst in der Hauptrolle nacherlebt hatte.

Als der Oberst ihn freundlich anblickte, verneigte er sich tief, wie es einem unerfahrenen Knappen zustand, der sich plötzlich dem Ritter Lancelot gegenübersah. Casal erwiderte seine Verbeugung, nicht ganz so tief, aber doch tief genug, dass seine Begleiter sich erstaunt fragten, ob dieser junge Bursche vielleicht der Sohn eines Grafen oder Herzogs war, der inkognito durch die Straßen der Stadt streifte. Warum sonst diese Höflichkeit?

Oberst Casal betrachtete den jungen Mann sehr aufmerksam, dann fragte er ihn in einem väterlichen Ton: „Verzeiht mir, junger Herr. Sagtet Ihr Carjaval oder Carvajal?“

Mit diesen Worten hoffte er ein Gespräch beginnen zu können, das es ihm erlaubte mehr über diesen Jungen zu erfahren – denn wie ein Mann sah er nicht aus.

Álvaro jedoch erblasste, als hätte man ihn des niedersten Verbrechens beschuldigt, er rang nach Worten und antwortete schließlich mit gepresster Stimme:

„Euer Gnaden: Carjaval! Meine Familie hat immer für den König gekämpft und sein Leben gegeben – niemals gegen ihn!“

Oberst Casal war völlig überrascht. Es lag ihm völlig fern, den jungen Mann zu verletzen. Nun erst erinnerte er sich, dass vor zwei Jahren der frühere Gouverneur von Neu-León Luis de Carvajal y de la Cueva im Gefängnis von Mexiko-Stadt verstorben war, wohin ihn das Heilige Offizium wegen verbotener religiöser Praktiken gebracht hatte. Allerdings hatte dieser Mann nicht gekämpft! Deshalb meinte er wohl jenen Francisco de Carvajal, der sich vor über vierzig Jahren durch seine Grausamkeit den Namen Dämon der Anden verdient hatte, und nach einer verlorenen Schlacht gegen königstreue Truppen hingerichtet und gevierteilt worden war.

Wie hätte er auch ahnen können, dass dieser gerade erst aus Spanien angekommene junge Bursche sich so gut mit der Geschichte der Konquistadoren auskannte?

Doch vielleicht, so korrigierte er seine Gedanken gleich wieder, hatte man ihn bereits früher einmal auf die Ähnlichkeit dieser Namen angesprochen. Und in weit weniger guter Absicht.

Dass er sich so betroffen zeigte, und das ohne irgendeine Aufgeblasenheit und Arroganz, nahm ihn nur noch mehr für ihn ein.

„Verzeiht mir, junger Herr“, antwortete er in einem Ton, der keinen Zweifel an seinem Bedauern zuließ. „Es lag mir fern, Eure Ehre oder die Eurer Familie in Zweifel zu ziehen.“

Sagte es und lud ihn ein, ihn in die Residenz des Gouverneurs zu begleiten und dort mit ihm zu speisen. Álvaro wagte es nicht, seine Bitte abzulehnen, so stieg er in die erste der kleinen Kutschen und setzte sich neben den Oberst, während Marco di Verona und Eugenio Solana ihnen gegenüber Platz nahmen. Die fünf Zeichner und Träger mussten sich mit den Messgeräten in den zweiten Wagen zwängen.

Während der ganzen Rückfahrt zu ihrem Quartier unterhielt sich der Oberst mit seinem jungen Gast, so als habe er nach langer Trennung einen guten Freund wiedergefunden. Ihre beiden Begleiter beobachteten dies mit großer Verwunderung und konnten sich dieses Verhalten nicht erklären.

In der Residenz ließ Oberst Casal einen Imbiss auftragen und hätte seinen Begleiter gern zum Gouverneur, Lope de Vega Portocarrero, geführt und ihn seine Aufwartung machen lassen. Der befand sich jedoch auf einer Inspektionstour im Umland der Stadt und wurde erst in einigen Tagen zurück erwartet. Álvaro war darüber sehr erleichtert, denn die anfängliche Euphorie über seine glückliche Errettung war mittlerweile verflogen und nun fragte er sich nach dem Grund für diese mysteriöse Bevorzugung. Und nach diesem freundlichen Oberst sollte er nun auch noch den Gouverneur und Generalkapitän kennenlernen? Solche hochstehenden Persönlichkeiten flößten ihm wahrhaft größte Ehrfurcht ein. Aber als Casal versprach, ihm bei der Weiterreise nach Havanna zu helfen, wo sein Onkel lebte, da freute er sich sehr.

Als Álvaro bei Einbruch der Dämmerung vor seiner Unterkunft aus der Kutsche stieg, auf deren Tür das Wappen des Gouverneurs prangte und auf deren Benutzung Oberst Casal bestanden hatte, wurde er bereits von Kapitän Braganza erwartet, dem Doña Salas voller Sorge mitgeteilt hatte, dass sein Mündel schon lange überfällig sei.

Beim Abendbrot erzählte er ihnen von den sonderbaren Erlebnissen, die ihm an diesem Tage widerfahren waren. Hätten die Hausherrin und der Kapitän nicht die Kutsche gesehen, deren Wappen seine Geschichte bestätigte, sie hätten ihm schwerlich geglaubt.

Und auch in den folgenden Wochen lud Oberst Casal Álvaro mehrmals ein, mit ihm zu speisen oder ihn bei einer Inspektion zu begleiten. Schließlich erwies er ihm sogar die Ehre eines persönlichen Besuchs im Hause Salas. In der Gegenwart der Hausherrin und Kapitän Braganzas erklärte er sein Erscheinen mit der baldigen Abfahrt zweier Schiffe, die die Küste Neu-Andalusiens im Süden zum Ziel hatten. Er selbst werde auf einem davon nach Puerto Real aufbrechen, um dort seine Pflicht zu erfüllen und die Arbeiten an den Befestigungsanlagen zu überprüfen. Und der junge Señor Carjaval solle ihm die Ehre erweisen, ihn zu begleiten.

Als seine Zuhörer ihn erstaunt anblickten, und Álvaro schließlich fragte, aus welchem Grund seine Gnaden einen solchen Wunsch äußerte, dem er natürlich sehr gerne entsprechen wolle, antwortete Oberst Casal:

„Weil Euer Onkel in Puerto Real lebt. Schon seit über zwei Jahren.“

Der Oberst hatte davon vor einer Woche erfahren, als er sich in der Hafenverwaltung über die Modalitäten seiner Weiterreise informierte. Seine Aufgabe in Santo Domingo war abgeschlossen und nun galt es, sich zu seinem nächsten Standort, Puerto Real in der Provinz Neu-Andalusien, zu begeben. Ein für die Weitereise geeignetes Schiff wurde im Hafen beladen und würde in einigen Tagen auslaufen.

Und gleichzeitig wollte er versuchen, für Álvaro eine Passage nach Havanna zu organisieren. Notfalls hätte der Oberst auch gern durch ein Geschenk nachgeholfen, doch sein Gesprächspartner, ein Beamter in seinem Alter, machte den Eindruck, als wäre er zu mehr als einer kleinen Gefälligkeit bereit. Als er ihm verriet, weshalb er diesem jungen Mann helfen wollte und auch den Namen seines Onkels nannte, wurden die Augen des Beamten groß. Der Name Diego de Rovígo war ihm gut bekannt. Und er war berüchtigt. Vor einigen Jahren hatte er in Neu-Spanien mehrere Männer getötet und dann das Land verlassen, um der Rache der Angehörigen zu entgehen. Seitdem lebte er in Puerto Real. Mehr konnte oder wollte der Beamte ihm nicht verraten.

Oberst Casals Neugierde war geweckt. Im Gouverneurspalast stellte er weitere Nachforschungen an und erfuhr, dass Diego de Rovígo früher als Offizier im Mittelmeer gegen die Türken gekämpft hatte und vor etwa zehn Jahren als Witwer nach Westindien gekommen war, wo er im Dienst eines Beauftragten des Königs stand. Vor vier Jahren war es dann in Neu-Spanien zu jenem blutigen Kampf gekommen, bei dem er allein gleich fünf Gegnern gegenüberstand. Am Ende waren drei von ihnen tot, einer schwer verletzt und der fünfte geflohen. Da eines der Opfer einer einflussreichen Familie entstammte, schlug der Fall hohe Wellen. Der Vizekönig von Neu-Spanien, Álvaro Manrique de Zúñiga, beschloss jedoch nach einer eingehenden Untersuchung des Falls, ihn nicht anzuklagen, wie es seine Feinde forderten. Kurz darauf wurde er selbst seines Amtes enthoben und in Haft gesetzt, sein Vermögen beschlagnahmt. Er hatte sich mit manchen seiner Amtshandlungen in Teilen von Justiz und Kirche viele Feinde gemacht.

Nach Manriques Sturz floh Rovígo sofort nach Kuba und wurde in Havanna festgenommen.

Nach der Ankunft des neuen Vizekönigs in Neu-Spanien, Luis de Velasco y Castilla, wurde ihm der Fall des Diego de Rovígo noch einmal vorgelegt. Doch nach eingehender Prüfung bestätigte Velasco das Urteil seines Vorgängers.

Worum es bei dem blutigen Streit gegangen war, konnte Oberst Casal nicht mit Sicherheit erfahren. Manche vermuteten eine Frauengeschichte, andere eine schwere Beleidigung, wieder andere einen Angriff auf Ureinwohner, doch niemand schien etwas Genaues zu wissen.

Völlig gleichgültig! dachte sich Casal. Offensichtlich waren nicht alle Mitglieder dieser Familie so ruhig und ausgeglichen wie der junge Carjaval. Dennoch war er fest entschlossen, über diese Geschichte und die Gerüchte seinem Freund gegenüber kein Wort zu verlieren.

Álvaro nahm das überraschende Angebot des Obersts mit großer Freude an, denn er mochte ihn sehr und fühlte sich sehr wohl in seiner Gesellschaft. Und auch Kapitän Braganza war froh über dieses Angebot. Mittlerweile konnte er den Jungen gut leiden und war überzeugt davon, dass er kein Verbrechen begangen hatte, doch andererseits traute er ihm nicht zu, auf sich selbst aufzupassen. Dass er nun einen so prominenten Beschützer gefunden hatte, war ihm nur recht. Nachdem er also von dieser Pflicht befreit war, konnte er sich wieder ganz auf seine eigenen Angelegenheiten konzentrieren.

2. AM RANDE DER BEKANNTEN WELT

Die Filipa war eine Dreimast-Karacke mit einer Tragfähigkeit von etwa dreihundert Tonnen, die Puerto Real mindestens einmal im Jahr anlief, meistens mit einer Ladung Holz von Kuba und Lebensmitteln von Española. Seit fünf Jahren fuhr sie unter dem Kommando von Kapitän Ortiz, einem kräftigen mittelgroßen Mann mit einem buschigen dunkelbraunen Vollbart und einer breiten Narbe auf der linken Wange. Gemeinsam drehten sie ihre Runde in der Karibik und liefen nacheinander meist Santo Domingo, Puerto Real, Cartagena, Nombre de Dios, Vera Cruz und Havanna an. Er war nicht sehr glücklich darüber, Beauftragte des Königs befördern zu müssen, da er andere Ladung gewohnt war, die weniger Ärger machte. Obwohl sich darunter manchmal auch lebendige Fracht befand, die mehr Lärm und Gestank verbreitete.

Oberst Casal versicherte ihm nachdrücklich, dass seinetwegen keine großen Umstände gemacht werden müssten. Doch bat er ihn, ihm einige Fragen zur Sicherheitslage im Karibischen Meer zu gestatten. Da der Kapitän seit langem in Westindien lebte und in zahlreichen Häfen Menschen kannte, musste er Vieles gehört und erlebt haben, was für den Oberst von Interesse sein konnte. Und er brachte seine Wünsche in so zuvorkommender und höflicher Art und Weise vor, dass Kapitän Ortiz, der ein Mann war, der eher die Stille zu schätzen wusste, sich keineswegs belästigt, sondern geschmeichelt fühlte.

Die Filipa lief zusammen mit der Ana aus dem Hafen, einem etwas kleineren Transportschiff, das mit der gleichen Ladung – Holz und Lebensmittel – nach Trinidad unterwegs war, wo kürzlich eine neue Siedlung, San José de Oruña, gegründet worden war. Zum Schutz vor Überfällen nahmen die beiden Schiffe gemeinsam Kurs nach Süden. Álvaro hörte, wie Kapitän Ortiz dem Oberst erklärte, dass sie sich von den Kleinen Antillen fernhielten – vor allem bei Nacht –, um nicht irgendwelche Piraten in Versuchung zu führen, die dort in letzter Zeit ihr Unwesen trieben. Wenn der Wind günstig blieb, würden sie erst weniger als eine Tagesreise vor dem Ziel auf Kurs Südosten gehen und Puerto de los Hispanioles auf Trinidad anlaufen. Die Filipa war etwa schneller und besser bewaffnet als die Ana. „Deshalb“, sagte der Kapitän, „werden wir für sie den Caballero spielen und sie bis nach Hause begleiten“.

Die Nächte verbrachte Álvaro mit den übrigen Männern des Obersts in Hängematten auf dem Deck – in den Laderäumen war es zu heiß und viel zu eng –, fand dabei aber nur wenig Schlaf. Für Oberst Casal und seine zwei engsten Mitarbeiter hatte Kapitän Ortiz zwei kleine Kabinen räumen lassen.

Die Reise verlief ohne Zwischenfälle und die beiden Schiffe machten gute Fahrt. Am späten Abend des zweiten Tages befahl Kapitän Ortiz, auf südöstlichen Kurs zu gehen.

Während einige der Männer auf Deck bereits Vorbereitungen für die Nachtruhe trafen, betrachtete Álvaro vom Vorschiff aus das Meer und die Sterne am Himmel.

Als er hinter sich leise Schritte hörte, ahnte er schon, wer sich näherte.

„Guten Abend, Don Álvaro“, begrüßte ihn Oberst Casal.

Sie hatten sich vor kaum einer Stunde zuletzt gesehen, doch der alte Herr liebte diese Förmlichkeiten und ihm zuliebe spielte Álvaro gerne mit. Er drehte sich wie überrascht um, verneigte sich leicht und erwiderte den Gruß, als wären sie viele Tage getrennt gewesen.

Er muss sehr einsam sein, dachte sich Álvaro mit der Weisheit seiner achtzehn Lebensjahre, warum sonst sollte er so viel Zeit mit mir verbringen?

Der Oberst lächelte ihn freundlich an, dann stellte er sich neben ihn an die Reling und betrachtete das Meer.

„Nun, mein Freund, wenn das Wetter hält, werden wir morgen Abend das Festland erreichen. Seid Ihr aufgeregt? Freut Ihr Euch auf Euren Onkel?“

„Euer Gnaden, ich bin tatsächlich etwas aufgeregt. Denn meinem Onkel bin ich noch nie zuvor begegnet. Meine Mutter erzählte mir von ihm, und immer nur das Beste. Aber auch sie hat ihn zuletzt vor vielen Jahren gesehen und der letzte seiner Briefe erreichte sie aus Havanna. Aber von dieser Stadt, in der er nun lebt, habe ich bisher noch nie gehört.“

„Nun, mein Freund“, antwortete der Oberst, „das überrascht mich nicht. Lange Zeit war die genaue Position dieser Stadt ein Staatsgeheimnis, und ich glaube, sogar heute noch ist sie in nur sehr wenigen Karten eingezeichnet. Doch unter Amtspersonen und Seeleuten weiß mittlerweile fast jeder Bescheid.

Was wollt Ihr denn wissen, denn ich war vor vielen Jahren schon einmal dort und weiß Vieles über die aktuelle Situation, schon aufgrund meines Dienstes.“

„Wenn Euer Gnaden so freundlich sein wollen“, erwiderte Álvaro erfreut, „so erzählt mir alles, was Ihr wisst. Wie und wann sie entstanden ist, von was die Menschen dort leben, wie groß und wie sie gelegen ist.“

„Also, mein Freund“, begann Oberst Casal und überlegte kurz, mit was er beginnen sollte, „Puerto Real verdankt seine Gründung einem Zufall.

Im Jahre 1569 gründete Juan Ponce de León Troche auf der Insel Trinidad im Auftrag der Krone eine Stadt. Vor ihm hatten schon mehrere andere so etwas versucht und alle waren gescheitert.

Um dieses Vorhaben zu unterstützten, beförderte ein Geschwader unter dem Befehl von Kapitän Federico de Cervera Arbeitskräfte, Versorgungsgüter und Baumaterial aus Spanien über den Atlantik.

Als die Schiffe gegen Ende des Jahres die Nordküste ihres Zieles sichteten, kam ein Sturm auf. Kapitän Cervera gab Befehl, auf Kurs Südwest zu gehen und genau auf die Bocas del Dragón zuzuhalten.“

„Bocas del Dragón?“ fragte Álvaro.

„Drachenmund. So nennt man eine Reihe von kleinen Inseln und Felsen, die zwischen Trinidad und dem Festland liegen. Du wirst sie bald sehen“, antwortete der Oberst.

„Das Geschwader versuchte also, diese Inseln zu passieren, um den dahinter liegenden Golf der Wale zu erreichen, wo sie sicherer gewesen wären, doch der Sturm warf sie an ihnen vorbei weiter nach Westen. Da an eine Umkehr gegen den Wind nicht zu denken war, versuchten die Schiffe, den Abstand zur Küste zu vergrößern, da das Land dort steil wie die Mauern einer feindlichen Festung aus dem Meer ragt und keinerlei Schutz bietet. Doch das Schicksal schien sich gegen sie verschworen zu haben, denn der Wind drehte von West auf Nord und warf sie nun genau nach Süden. Und obwohl die Besatzungen verzweifelt gegen die Naturgewalten kämpften, wurden ihre Schiffe, vier schwerbeladene Karacken und eine Karavelle, immer näher an die Felsen gedrückt, an denen sie unweigerlich zerschellen mussten. Als die Livia, das schwerste der Schiffe, das deshalb der Küste bereits am nächsten lag, nur noch wenige hundert Fuß von den Felsen entfernt war und die Matrosen ihre letzten Gebete gesprochen hatten, meldete der Ausguck an Bord, dass er an Backbord etwas gesehen hätte: Eine Lücke in den nahen Felsen und dahinter eine kleine Bucht.

Sofort ließ der Kapitän der Livia auf dieses Loch oder diesen Spalt zuhalten, und als er sah, dass dort tatsächlich die Rettung lag, signalisierte er den anderen Schiffen, sie sollten ihm folgen. Zwar rissen sich die Livia und eine zweite Karacke bei der Einfahrt in die Bucht an den Klippen den Rumpf auf, doch beide Schiffe konnten im Innern auf Grund gesetzt und damit alle Besatzungsmitglieder und die ganze Ladung gerettet werden.

Während der Sturm weiter zog, ließ Kapitän Cervera Wachen aufstellen, die Schäden inspizieren und schickte Patrouillen in die Umgebung, um frühzeitig vor möglichen Gefahren gewarnt zu werden.

Eigentlich wollte er nach dem Sturm nach Trinidad zurücksegeln, doch eine der Patrouillen fand an einem der vielen kleinen Bäche am Fuß des Berghanges Gold. Viel Gold. Das änderte alle Pläne.

Nun dachte niemand mehr daran, diesen Platz zu verlassen. Die Ladung aller Schiffe wurde in dieser Bucht gelöscht. Und als die See wieder ruhig war, entsandte Kapitän Cervera seine Karavelle nach Santo Domingo, um den Generalkapitän und Gouverneur, Antonio de Mejía, von dem Fund zu unterrichten.

Dieser verständigte den Königshof von diesen Ereignissen und ernannte Cervera zum vorläufigen Gouverneur.

Der gründete sofort eine Stadt, die er zu Ehren des Königs Puerto Real taufte, und ließ erste Häuser bauen, Straßen anlegen und die Fundamente der Zitadelle und einer Kirche errichten. Unterstützt wurde er dabei von den Bewohnern der neuen Siedlung auf Trinidad, die ihre dortigen Häuser und Grundstücke sofort aufgaben, als sie hörten, ganz in ihrer Nähe sei Gold gefunden worden.

Über ein Jahr lang ging der Aufbau unter der Leitung Cerveras voran, doch als im Herbst 1571 eine neue Flotte aus Spanien erschien, brachte die nicht nur zahlreiche Menschen und viel Material, sondern auch einen neuen Gouverneur.

Die Krone Kastiliens hatte nämlich im Frühjahr des gleichen Jahres einen Asiento, einen Generalvertrag, mit dem Bankhaus Villena geschlossen, das gegen eine hohe Summe für fünfundzwanzig Jahre die Kontrolle über Puerto Real übernahm und dafür drei Viertel der dort erzielten Gewinne erhalten sollte.“

„Warum schloss die Krone einen solchen Vertrag?“ fragte Álvaro verwundert, der von den Erzählungen seines Stiefvaters in Erinnerung behalten hatte, dass aus weitreichenden Übertragungen von Hoheitsrechten häufig große Schwierigkeiten erwuchsen.

„Wegen des Krieges gegen die Türken“, erklärte Oberst Casal geduldig.

„Im Mai 1571 schloss unser König mit Papst Pius V., Genua und Venedig ein Bündnis, die Heilige Liga, um das Vordringen des Osmanischen Reichs zu beenden. Was durch den glorreichen Sieg bei Lepanto auch gelang.“

„Mein Onkel hat dort mitgekämpft und wurde schwer verwundet“, warf Álvaro mit Stolz in der Stimme ein und sowie er es bemerkte, errötete er. Oberst Casal tat so, als bemerkte er das nicht, und sagte: „Dann ist er also ein Kriegsheld. Meine Hochachtung!“ und setzte seinen Bericht fort.

„Die Stadt entwickelte sich sehr vorteilhaft. Neben einigen kleineren Minen direkt südlich der Siedlung entdeckte man eine weitere sehr ergiebige Fundstätte etwa tausend Fuß weiter westlich und später eine weitere im Landesinnern hinter dem Bergrücken.“

„Dann ist Puerto Real also eine reiche Stadt?“

„Nun“, erwiderte Casal nach kurzem Zögern, „jedenfalls eine Stadt mit reichen Schatzkammern“.

„Für deren Schutz Ihr sorgen sollt, Euer Gnaden?“

„Meine Aufgabe ist es, die Befestigungen und Sicherheitsvorkehrungen zu inspizieren und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, ja“

„Gibt es denn gegenwärtig eine besondere Bedrohung?“

„Gegenwärtig befinden wir uns im Krieg mit England und den aufständischen Niederlanden, und auch die Ketzer aus Frankreich schlagen immer wieder gerne zu. Und dann gibt es da noch die Piraten, die nur auf eigene Rechnung rauben und plündern. Sie sollen sich in letzter Zeit auch in diesem Seegebiet tummeln. Und schließlich dürfen wie auch die Ureinwohner nicht vergessen.“

„Sind die denn noch nicht befriedet?“

„Befriedet?“ wiederholte Oberst Casal und lächelte mit gutmütigem Spott. „Nun, lange Zeit erschien es so, aber vor etwa acht oder zehn Jahren meldeten Händler und Jäger, die das Landesinnere besuchten, dass sich dort eine neue Macht bildete. Ein neuer Stamm, der zugewandert war, oder auch ein Zusammenschluss mehrerer kleinerer Völker, die schon lange dort lebten. Genau weiß das niemand. Jedenfalls, als die Goldsucher aus Puerto Real immer weiter ins Landesinnere vordrangen, stießen sie nun auf entschiedenen Widerstand. Auch früher hatte es vereinzelt Zusammenstöße gegeben, aber nicht in diesem Ausmaß. Vor etwa fünf Jahren zog der damalige Gouverneur dann eine Streitmacht von über fünfhundert Männern zusammen, etwa die Hälfte davon waren angeworbene Söldner, fast die komplette Stadtwache und örtliche Miliz sowie zahlreiche Freiwillige. Man sagte, es gebe Gold in Hülle und Fülle zu erbeuten, deshalb kamen die Männer in Scharen. Mit etwa vierzig Booten drang diese Armee dann über eine ausgedehnte Flussmündung und durch unwegsame Sümpfe tief in das Gebiet der Indios vor, um sie endgültig zu besiegen. Aber der Feldzug endete anders, als sie alle erwarteten, mit einer ungeheuren Katastrophe.

Einige Tage später kamen eine Handvoll Männer in zwei oder drei Booten zurück nach Puerto Real, viele davon verwundet, und berichteten, sie seien die einzigen Überlebenden. Sofort brach in der Stadt Panik aus. Fast die gesamte Führungsriege, der Gouverneur, die Mitglieder des Cabildo, alle waren dem Ruf des Goldes gefolgt und nicht zurückgekehrt. Es gab kaum noch kampferprobte Männer und nur wenige Waffen in der Stadt. Und bevor noch die Ruhe wiederhergestellt werden konnte, näherten sich entlang der Küste Boote, feindliche Krieger erstiegen die Mauern und befanden sich in der Stadt.“

An dieser Stelle unterbrach Oberst Casal seine Ausführungen und Álvaro dachte schon, er wolle damit die Spannung auf die Spitze treiben, doch als er ihm aufmerksam ins Gesicht blickte, erkannte er dort nur Zweifel und Zögern.

„Ihr seid verwundert, mein Freund?“ fragte der Oberst, und lächelte ihn an, denn dafür liebte er den jungen Carjaval besonders: Für das offene, ehrliche Gesicht, dem man sofort ansah, was er empfand.

„Ich muss offen gestehen, das bin ich auch“, antwortete er sich selbst. „Vor allem über das vorläufige Ende dieser Geschichte. Denn was ich darüber gehört habe, klingt in meinen Ohren nicht besonders glaubwürdig. Aber sei’s drum. Die feindlichen Krieger hatten also die Mauern erstiegen, doch anstatt nun über die beinahe schutzlose Zivilbevölkerung herzufallen, senkten sie plötzlich ihre Waffen und fanden sich bereit, den Frieden zu erneuern.

Über den Grund für diesen Sinneswandel habe ich unterschiedliche Erklärungen gehört, eine phantastischer als die andere, aber keine erscheint mir wirklich vertrauenswürdig, deshalb möchte ich dazu nichts weiter sagen.

Vielleicht erfahren wir ja vor Ort Genaueres über die mysteriöse Rettung dieser Stadt.“

Bei diesen Worten schweifte sein Blick über den nächtlichen Horizont und Álvaro hörte deutlich, dass sich auch seine Gedanken in weiten Fernen bewegten.

Eine Weile standen beide schweigsam an der Reling und starrten konzentriert nach Süden, dann sagte der Oberst in einem immer noch seltsam abwesenden Ton:

„An Mangel an Feinden haben wir wirklich nicht zu klagen, mein junger Freund.“

Dann kehrten seine Gedanken wieder auf den Bug der Filipa zurück, wo er bemerkte, wie spät es bereits war, weshalb er seinem Freund eine gute Nacht wünschte und sich in seine Kajüte zurückzog.

Am Morgen des dritten Tages zeigte sich das Meer von seiner schönsten Seite. Bei einer leichten Brise aus Nordosten und klarem Himmel schimmerten die Wellen im Licht der Sonne wie hunderttausend Diamanten.

Als der Ausguck Land sichtete, sprang Álvaro erregt auf das Vorschiff und erspähte an Backbord voraus eine dunkle Linie auf dem Wasser. Die meisten Matrosen blickten nur kurz auf und gingen dann ihrer üblichen Arbeit nach. Deshalb fragte Álvaro einen älteren Mann, Hernán, der das stehende Gut auf dem Vorderschiff kontrollierte und nicht den Eindruck erweckte, als erlaube seine Tätigkeit keine Unterbrechung, ob das bereits ihr Ziel sei.

„Oh nein“, sagte der, ohne aufzusehen, „Trinidad liegt noch weiter im Süden. Das hier ist Bella Forma.“

„Ist es besiedelt?“ fragte Àlvaro, dem dieser Name unbekannt war und der gerne etwas mehr über diese Insel erfahren hätte.

„Oh ja“, hörte er in grimmigem Ton zur Antwort. „Von Kariben.“

Und während Àlvaro noch überlegte, was diese Antwort zu bedeuten habe, fügte Hernán hämisch grinsend zur Erklärung hinzu: „Menschenfressern!“

Die Filipa passierte Bella Forma in respektvoller Entfernung und segelte dann auf südwestlichem Kurs weiter. An Backbord voraus tauchte wenig später eine langgezogene Gebirgskette auf: Trinidad.

Die beiden Schiffe blieben noch rund drei Stunden auf ihrem Kurs, bis das Gebirge endete und sich zwischen einigen kleinen Inseln hindurch ein Weg nach Süden öffnete, hinter dem ein neues Meer lag.

Kapitän Ortiz steuerte die Filipa nun jedoch an der Küste entlang ostwärts. Álvaro verbrachte die ganze Zeit, seit Bella Forma in Sicht gekommen war, auf dem Vorderdeck und ließ die Küsten und das Meer nicht mehr aus den Augen, so als erwartete er irgendeine Überraschung, die er auf keinen Fall versäumen wollte. Hernán, der inzwischen längere Zeit unter Deck verbracht hatte, kehrte wieder zu ihm zurück und erklärte, dass ihr Ziel etwa zwei Stunden im Osten lag. Bei diesem Wind – er kam ihnen fast entgegen – werde es aber bestimmt doppelt so lange dauern. Und seine Voraussage erfüllte sich.

Die Sonne war schon tief gesunken, als sich die Schiffe endlich der Küste näherten. Die Ana segelte direkt auf das Ufer zu und warf dort Anker, während die Filipa in Sichtweite auf See blieb und dort mit gerefften Segeln dahintrieb. Álvaro bemühte sich angestrengt, an Land irgendetwas zu entdecken, was auch nur entfernt an einen Hafen erinnerte, doch außer einigen ärmlichen Hütten, die nahe am Ufer lagen, konnte er nichts sehen.

Hernán erklärte ihm, dass dort auch nicht mehr zu finden sei.

„Puerto de los Hispanioles besteht aus einem Erdwall, Palisaden und einigen Holzhütten. Mehr Zivilisation gibt es dort nicht“, erklärte er lapidar. Er war dort schon einmal an Land gewesen und sah keinen Grund, diesen Besuch zu wiederholen. Die neue Siedlung, von der er auch nur gehört hatte, sollte angeblich etwas weiter im Landesinnern liegen.

Nachdem ein Boot der Ana an Land gegangen war, gab ihr Kapitän der Filipa das Zeichen, dass alles in Ordnung sei, woraufhin Kapitän Ortiz sofort alle Segel setzen ließ und auf Westkurs ging.

Trotz Hernáns Worten bedauerte Álvaro, dass er hier nicht an Land gehen konnte, um sich etwas umsehen. Er befand sich nun schon über zwei Monate in der Neuen Welt und hatte von der Wildnis und den Wilden dieses Erdteils noch immer nichts gesehen. Doch bis zum Einbruch der Dunkelheit waren es nur noch knapp drei Stunden und Kapitän Ortiz wollte sein Ziel unbedingt noch an diesem Tag erreichen und nicht bei Dunkelheit in Küstennähe manövrieren müssen.

Mit dem Wind im Rücken machte die Filipa gute Fahrt, durchquerte wieder die Meerenge, allerdings an einer breiteren Stelle weiter im Westen, und folgte dann dem Verlauf der Festlandsküste der allmählich sinkenden Sonne hinterher. Wie schon an der Nordküste Trinidads erhob sich das Land mehrere hundert bis über tausend Fuß steil nach oben, so als wollte es jeden Landungsversuch unmöglich machen. Als die Sonne in der Ferne hinter einem hohen Berg verschwand, ließ der Kapitän näher auf die Küste zusteuern. Álvaro bemerkte, dass sich plötzlich alle Matrosen an Deck befanden. Dann sah er an Backbord voraus einen mächtigen grauen Felsen, über dem Rauchfahnen in den Himmel stiegen. Er mochte fünfzehnhundert Fuß oder mehr breit und an der höchsten Stelle etwa hundert Fuß hoch sein, und lag bereits im Schatten des sich dahinter bis in etwa tausend Fuß Höhe erhebenden Geländes, das sich wie bisher überall an dieser Küste steil aus dem Meer erhob, so steil, dass ein Fußgänger große Mühe haben musste, den oberen Rand zu erreichen.

Auf diesem grauen Hügel erkannte er nun einen Kirchturm, einige Bastionen, die aus dem Fels geschlagen zu sein schienen, und, als sie näher kamen, auch einige Dächer.

Die Filipa lief mit unverändertem Kurs daran vorbei und steuerte schräg auf die Steilküste westlich davon zu.

Hernán erschien wieder auf dem Vorderdeck und drängte Álvaro von seinem bisherigen Beobachtungsposten weg neben ein großes Fass in der Nähe des Fockmastes und bat ihm, dort zu bleiben, um bei dem nun bevorstehenden Manöver keinen der Matrosen zu stören. „Die Einfahrt ist eine riskante Sache, da darf niemand einen Fehler machen“, erklärte er. Álvaro ließ alles mit sich geschehen und starrte unbeirrt auf das Land, wo er immer mehr Gebäude und dann, hinter einer mächtigen, runden Bastion, eine Hafeneinfahrt erblickte. Als die Felswand kaum noch fünfhundert Fuß entfernt war, erscholl der Befehl zur Kursänderung und die Filipa wendete scharf nach Backbord und fuhr auf die etwa dreihundert Fuß breite Öffnung zu.

Während das Schiff in flotter Fahrt an der gedrungenen Bastion vorbeiglitt, von der ihnen einige Soldaten zuwinkten, holten die Matrosen die ersten Segel ein. Doch Álvaros Aufmerksamkeit wurde nun von jenem Hafen eingefangen, dessen Becken einer bauchigen, nach Süden hin etwas breiteren Flasche mit einem langen, dicken Hals ähnelte, über tausend Fuß lang und an der dicksten Stelle etwa halb so breit.

Während die Filipa auf das östliche Ende des Hafens zuhielt, erkannte Álvaro erstaunt, dass Puerto Real im Krater eines erloschenen Vulkans lag. Der obere Felsrand, den man zu einer Stadtmauer ausgebaut hatte, war annähernd kreisrund und mochte einen Durchmesser von etwa tausendfünfhundert Fuß haben.

Genau in Fahrtrichtung voraus wies eine Kirche den Schiffen bei der Einfahrt in den Hafen den Weg. Sie lag am Ostrand der Stadt auf einer Erhebung, durch die sie alle umliegenden Gebäude überragte wie ein Fels im Meer. An ihrer rechten, südlichen Seite erblickte Álvaros auf einem bis zu vierhundert Fuß breiten und leicht abschüssigen Gelände eine große Zahl fester Steinhäuser, die mit ihren zumeist weiß gekalkten Mauern einen starken Kontrast bildeten zu dem dunklen Vulkangestein. Dazu kamen viele hölzerne Hütten und zahlreiche große Lagerhallen und Scheunen.

Auf der nördlichen Landseite erhoben sich die bedrohlichen Mauern einer Zitadelle, die teilweise senkrecht in das Hafenbecken abfielen.

Nur ein größeres Schiff befand sich im Hafen, eine Karavelle mit drei Masten, die mit zehn Kanonen bewaffnet war, jedoch lagen an der langen südlichen Mole über zwei Dutzend kleinere Boote.

Die Filipa steuerte genau auf das östliche Ende des Hafenbeckens unterhalb der Kirche zu und wurde immer langsamer, gebremst durch das Focksegel, das die Matrosen genau gegen den Wind hielten und erst einholten, als das Schiff fast jede Fahrt verloren hatte. Dann warf man Taue über und zog die Filipa an den Kai.

Dort hatte sich inzwischen eine große Menschenmenge versammelt, Männer, Frauen und Kinder, die sie neugierig erwarteten. Álvaro beobachtete sie nicht weniger genau, hoffte er doch seinen Onkel unter ihnen zu erkennen. Leider war die Beschreibung seiner Mutter dafür bei weitem nicht präzise genug: Groß, schlank, gutaussehend, mit ernstem Gesichtsausdruck. Und es war fünfzehn Jahre her, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Der Himmel mochte wissen, wie er sich inzwischen verändert hatte.