Die Rettung des Imperiums - Isaac Asimov - E-Book

Die Rettung des Imperiums E-Book

Isaac Asimov

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Beschreibung

Der Grundstein der Foundation

Trantor im Jahr 12020: Das Zentrum der Galaxis wird regiert von Imperator Cleon I. Hari Seldon, ein junger Wissenschaftler, stellt erstmals seine Theorie der Psychohistorik vor, die auf der Basis mathematischer, soziologischer und statistischer Methoden präzise Vorhersagen über das Verhalten großer Gruppen von Menschen – Imperien beispielsweise – möglich macht. Cleon I. wird darauf aufmerksam und will Seldons Hilfe. Insbesondere der erste Minister Cleons, Eto Demerzel, scheint gar nicht begeistert von diesem Vorhaben zu sein. Hari Seldon muss von Trantor fliehen und begibt sich auf die Suche nach der vor Urzeiten verschollenen Erde, und seine Gegner sind ihm dabei ständig auf den Fersen …

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Seitenzahl: 687

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Das Buch

Der Planet Trantor ist der Regierungssitz von Imperator Cleon I., der über ein gigantisches Sternenreich herrscht. Doch das riesige Imperium zerfällt bereits, noch unbemerkt von Cleons Untertanen. Hari Seldon, ein hochbegabter Mathematiker, reist nach Trantor, um auf einem Kongress seine bahnbrechende Theorie vorzustellen: Die Zukunft lässt sich mittels der Mathematik vorhersagen. Diese Wissenschaft, die noch in den Kinderschuhen steckt, aber später als Psychohistorik das Schicksal der Galaxis nachhaltig prägen wird, interessiert den Imperator. Cleon I. will mit Hilfe der Psychohistorik den Untergang seines Imperiums verhindern. Er holt Seldon an seinen Hof, was seinem Ersten Minister Eto Demerzel missfällt. In letzter Sekunde wird Seldon gewarnt und begibt sich mit der jungen Bibliothekarin Dors Venabili auf eine gefährliche Flucht …

Mit dem Foundation-Zyklus schuf Isaac Asimov die wohl bekannteste Future History des 20. Jahrhunderts. In Die Rettung des Imperiums schildert Asimov, wie aus dem Mathematiker Hari Seldon der Psychohistoriker Hari Seldon wird und wie die ersten Grundsteine zum Foundation-Projekt gelegt werden.

»Wer immer sich an der nie endenden Diskussion über die Zukunft beteiligt, weiß, was wir Isaac Asimov zu verdanken haben.« – The New Yorker

Der Autor

Isaac Asimov zählt gemeinsam mit Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein zu den bedeutendsten Science-Fiction-Autoren, die je gelebt haben. Er wurde 1920 in Petrowitsch, einem Vorort von Smolensk, in der Sowjetunion geboren. 1923 wanderten seine Eltern in die USA aus und ließen sich in New York nieder. Während seines Chemie-Studiums an der Columbia University begann er, Geschichten zu schreiben. Seine erste Story erschien im Juli 1939, und in den folgenden Jahren veröffentlichte er in rascher Folge die Erzählungen und Romane, die ihn weltberühmt machten. Neben der Science Fiction schrieb Asimov auch zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher zu den unterschiedlichsten Themen. Er starb im April 1992.

Mehr über Isaac Asimov und seine Romane auf:

ISAAC ASIMOV

DIE RETTUNGDES IMPERIUMS

ROMAN

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe

PRELUDE TO FOUNDATION

Deutsche Übersetzung von Heinz Nagel

Redaktion: Wolfgang Jeschke

Copyright © 1988 by Nightfall Inc.

Mit freundlicher Genehmigung der Erben des Autors

sowie der Liepman AG, Literarische Agentur, Zürich

Copyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,unter Verwendung von shutterstock / sgarne

Satz: Schaber Datentechnik, Wels

ISBN 978-3-641-13137-1

www.diezukunft.de

INHALT

MATHEMATIKER

FLUCHT

UNIVERSITÄT

BIBLIOTHEK

OBERSEITE

RETTUNG

MYKOGEN

SONNENMEISTER

MIKROFARM

BUCH

SAKRATORIUM

HORST

GLUTSUMPF

BILLIBOTTON

UNTERGRUND

BEAMTE

WYE

UMSTURZ

DORS

MATHEMATIKER

Cleon I. – … Der letzte Galaktische Kaiser aus der Entun-Dynastie. Er wurde im Jahre 11988 der Galaktischen Ära geboren, demselben Jahr, in dem auch Hari Seldon zur Welt kam. (Man nimmt an, Seldons Geburtsdatum sei möglicherweise manipuliert worden, um zu dem Cleons zu passen, dem Seldon angeblich kurz nach seiner Ankunft in Trantor begegnete.)

Cleon I. bestieg den Kaiserthron im Jahre 12010 im Alter von zweiundzwanzig Jahren; seine Herrschaft ist stellvertretend für einen eigenartigen Abschnitt der Ruhe in jenen turbulenten Zeiten. Ohne Zweifel ist dies der Fähigkeit seines Stabschefs Eto Demerzel zuzuschreiben, der ihn so geschickt dem Auge der Öffentlichkeit fernhielt, dass nur wenig über ihn bekannt ist. Cleon selbst …

ENCYCLOPAEDIA GALACTICA

1

Cleon unterdrückte ein Gähnen und meinte: »Demerzel, haben Sie zufällig je von einem Mann namens Hari Seldon gehört?«

Cleon war seit etwa zehn Jahren Kaiser, und gelegentlich schaffte er es, bei offiziellen Anlässen, mit den entsprechenden Gewändern und Insignien bekleidet, staatsmännisch auszusehen. So etwa wie in der ihn darstellenden Holografie, die in der Wandnische hinter ihm stand. Sie war so platziert, dass sie die anderen Nischen eindeutig dominierte, die die Holografien einiger seiner Vorfahren enthielten.

Die Holografie war nicht ganz ehrlich, denn Cleons Haar war zwar im Hologramm und der Wirklichkeit gleichermaßen hellbraun, aber in der Holografie etwas dichter. Sein Gesicht wies in natura eine gewisse Unsymmetrie auf, weil sein linker Mundwinkel etwas höher lag als der rechte, und das war irgendwie in der Holografie nicht zu erkennen. Und wenn er aufgestanden und neben die Holografie getreten wäre, dann hätte man erkennen können, dass er zwei Zentimeter kleiner war als das Bild, das ihn einen Meter dreiundachtzig groß darstellte – und vielleicht eine Spur korpulenter.

Natürlich handelte es sich bei der Holografie um das offizielle Krönungsporträt, und er war damals jünger gewesen. Er sah immer noch jung und recht gut aus, und wenn ihn nicht das offizielle Zeremoniell in seinen gnadenlosen Krallen hielt, strahlte sein Gesicht eine gewisse Freundlichkeit aus.

Demerzel sagte mit dem respektvollen Tonfall, um den er sich sorgfältig bemühte: »Hari Seldon? Der Name klingt mir fremd, Sire. Sollte ich ihn kennen?«

»Der Wissenschaftsminister hat ihn gestern Abend mir gegenüber erwähnt. Ich dachte, Sie würden ihn vielleicht kennen.«

Demerzel runzelte die Stirn, aber nur sehr leicht, weil man in der Gegenwart des Kaisers nicht die Stirn runzelte. »Der Wissenschaftsminister hätte diesen Mann mir gegenüber in meiner Eigenschaft als Stabschef erwähnen sollen. Wenn Sie von allen Seiten …«

Cleon hob die Hand, und Demerzel hielt sofort inne. »Bitte, Demerzel, man kann schließlich nicht immer auf Formalität bestehen. Als ich gestern Abend beim Empfang den Minister sah und ein paar Worte mit ihm wechselte, sprudelte es geradezu aus ihm heraus. Ich konnte schließlich doch nicht ablehnen, ihm zuzuhören, und war eigentlich sogar froh, dass ich das tat, weil es doch recht interessant war.«

»In welcher Weise interessant, Sire?«

»Nun, wir leben ja schließlich nicht mehr in der guten alten Zeit, wo sich alles um Wissenschaft und Mathematik drehte. Irgendwie scheint all das ausgestorben zu sein, vielleicht weil schon alle Entdeckungen gemacht sind, meinen Sie nicht? Aber allem Anschein nach gibt es immer noch interessante Ereignisse. Wenigstens hat man mir gesagt, dass es interessant war.«

»Der Wissenschaftsminister hat das gesagt, Sire?«

»Ja. Er sagte, dieser Hari Seldon hätte an einem Mathematikerkongress in Trantor teilgenommen – aus irgendeinem Grund wird dieser Kongress alle zehn Jahre abgehalten –, und er sagte, er hätte bewiesen, dass man die Zukunft auf mathematischem Wege vorhersagen könne.«

Demerzel gestattete sich ein kleines Lächeln. »Entweder irrt der Wissenschaftsminister, übrigens ein Mann von sehr geringem Scharfsinn, oder der Mathematiker. Die Zukunft vorherzusagen, ist doch ganz sicher ein Kindertraum von Zauberei.«

»Wirklich, Demerzel? Die Menschen glauben an solche Dinge.«

»Die Menschen glauben an vieles, Sire.«

»Aber sie glauben an solche Dinge. Deshalb ist es ohne Belang, ob die Vorhersage der Zukunft nun zutrifft oder nicht. Wenn ein Mathematiker mir eine lange und glückliche Herrschaft vorhersagen sollte, eine Zeit des Friedens und des Wohlstands für das Reich – nun, wäre das nicht hübsch?«

»Es wäre sicherlich angenehm zu hören, aber was würde es bewirken, Sire?«

»Nun, wenn die Menschen daran glauben, dann würden sie doch sicherlich diesem Glauben entsprechend handeln. Gar manche Prophezeiung wurde allein schon dadurch, dass man sie glaubte, zur Tatsache. Dabei handelt es sich um ›sich selbst erfüllende Prophezeiungen‹. Jetzt, wo ich daran denke, fällt mir ein, dass Sie mir das einmal erklärt haben.«

»Ja, ich glaube, das habe ich, Sire«, sagte Demerzel. Er beobachtete den Kaiser dabei aufmerksam, als wollte er sehen, wie weit er gehen dürfe. »Aber wenn dem so ist, könnte man ja jeden die Prophezeiung machen lassen.«

»Man würde nicht jedem in gleicher Weise glauben, Demerzel. Aber ein Mathematiker, der seine Prophezeiung mit mathematischen Formeln und entsprechenden Begriffen stützen könnte, würde möglicherweise von niemandem verstanden werden, und doch würde jeder ihm glauben.«

»Wie gewöhnlich ist das, was Sie sagen, Sire, von großer Weisheit«, sagte Demerzel. »Wir leben in schweren Zeiten, und es wäre der Mühe wert, auf eine Weise Ruhe zu schaffen, die weder Geld noch militärischen Einsatz erfordert – denn weder das eine noch das andere hat in der jüngsten Zeit viel Nutzen gebracht, sondern eher Schaden.«

»Genau das, Demerzel«, sagte der Kaiser erregt. »Schaffen Sie mir diesen Hari Seldon her! Sie sagen ja immer, Ihre Fäden würden in jeden entlegenen Winkel dieser turbulenten Welt reichen, selbst dorthin, wohin sich meine Streitkräfte nicht wagen. Dann ziehen Sie eben an einem dieser Fäden und bringen mir diesen Mathematiker. Ich will ihn sehen.«

»Es soll geschehen, Sire«, sagte Demerzel, der Seldon bereits ausfindig gemacht hatte und sich in diesem Augenblick vornahm, den Minister für Wissenschaft dafür zu belobigen, dass er seine Aufgabe so gut erfüllt hatte.

2

Zu jener Zeit bot Hari Seldon kein eindrucksvolles Bild. Ebenso wie der Kaiser Cleon I. war er dreiunddreißig Jahre alt, aber nur 1,73 Meter groß. Sein Gesicht war glatt und fröhlich, sein Haar dunkelbraun, fast schwarz, und seine Kleidung zeigte den unverkennbaren Hauch der Provinzialität.

Für alle, die Hari Seldon in späteren Zeiten nur als legendären Halbgott kannten, musste es fast wie ein Sakrileg erscheinen, dass er kein weißes Haar hatte und auch kein altes, faltiges Gesicht, ein abgeklärtes, von Weisheit kündendes Lächeln. Auch dass er nicht in einem Rollstuhl saß. Aber auch dann, in fortgeschrittenem Alter, hatten seine Augen fröhlich geblickt. So war das eben.

Und jetzt blickten seine Augen besonders fröhlich, weil er seinen Aufsatz beim Zehnjahreskongress hatte vortragen dürfen. Er hatte sogar gewisses Interesse gefunden, und der alte Osterfith hatte ihm zugenickt und gesagt: »Genial, junger Mann. Genial.« Was aus Osterfith’ Munde befriedigend war. Höchst befriedigend.

Aber jetzt gab es eine neue – höchst unerwartete – Entwicklung, und Seldon war nicht sicher, ob das seine gute Stimmung noch mehr heben und seine Befriedigung steigern sollte oder nicht.

Er starrte den großen jungen Mann in Uniform an – der Uniform mit dem Raumschiff und der Sonne auf der linken Brustseite des Uniformrocks.

»Leutnant Alban Wellis«, sagte der Offizier aus der Kaisergarde, ehe er seinen Ausweis wieder wegsteckte. »Würden Sie jetzt mitkommen, bitte.«

Wellis war natürlich bewaffnet. Vor seiner Tür warteten zwei weitere Gardisten. Seldon wusste, dass er trotz der Höflichkeit des Offiziers keine Wahl hatte, aber das war kein Grund, sich nicht um zusätzliche Informationen zu bemühen. »Um zum Kaiser gebracht zu werden?«, fragte er.

»Um zum Palast gebracht zu werden. So weit reichen meine Anweisungen.«

»Aber warum?«

»Das hat man mir nicht gesagt. Und ich habe strikte Anweisung, dass Sie mitkommen müssen – so oder so.«

»Aber das ist ja gerade, als ob ich verhaftet würde. Ich habe doch nichts getan.«

»Sehen Sie es doch einfach so, dass Sie eine Ehreneskorte bekommen – wenn Sie mich nicht noch länger aufhalten.«

Seldon hielt ihn nicht länger auf. Er presste die Lippen zusammen, als könnte er damit weitere Fragen blockieren, nickte und trat einen Schritt vor. Selbst wenn er dem Kaiser vorgestellt werden und kaiserliches Lob erhalten sollte, empfand er dabei keine Freude. Er war durchaus für das Imperium – das heißt für Frieden und Einheit für die Welten der Menschheit –, aber er war nicht für den Kaiser.

Der Leutnant ging voraus und die zwei Gardisten gingen hinterher. Seldon lächelte den Leuten zu, denen sie begegneten, und brachte es irgendwie zuwege, unbesorgt zu wirken. Vor dem Hotel bestiegen sie einen offiziellen Bodenwagen. (Seldon strich mit der Hand über die Polster; er war noch nie in etwas so Prunkvollem gefahren.)

Sie befanden sich in einem der wohlhabendsten Teile Trantors. Die Kuppel war hier hoch genug, um den Eindruck zu vermitteln, im Freien zu sein, und man hätte schwören können – selbst jemand wie Hari Seldon, der auf einer offenen Welt geboren und aufgewachsen war –, dass sie von der Sonne beschienen wurden. Man konnte weder Sonne noch Schatten sehen, aber die Luft war leicht und würzig.

Und dann ging das vorüber, und die Kuppel krümmte sich nach unten und die Wände wurden enger, und kurz darauf bewegten sie sich durch einen Tunnel, der in kurzen Abständen das Zeichen mit dem Raumschiff und der Sonne trug und – wie Seldon annahm – für offizielle Fahrzeuge reserviert war.

Eine Tür öffnete sich, und der Bodenwagen schoss hindurch. Als die Tür sich hinter ihnen schloss, befanden sie sich im Freien – wirklich im Freien. Auf Trantor gab es zweihundertfünfzig Quadratkilometer freies Land, das einzige, das es auf dem ganzen Planeten gab. Und darauf stand der Kaiserpalast. Seldon hätte gerne Gelegenheit gehabt, durch dieses freie Land zu wandern – nicht wegen des Palasts, sondern weil sich dort auch die Galaktische Universität befand und, was ihn besonders faszinierte, die Galaktische Bibliothek.

Aber indem er die verschlossene Welt von Trantor mit dem Park vertauschte, war er auch in eine Welt eingetreten, in der Wolken den Himmel bedeckten und ein kühler Wind an seinem Hemd zupfte. Er drückte den Knopf, der die Seitenscheibe des Bodenwagens schloss.

Draußen war ein trostloser Tag.

3

Seldon war ganz und gar nicht sicher, ob er den Kaiser zu Gesicht bekommen würde, bestenfalls würde er irgendeinen viert- oder fünftrangigen Beamten zu sehen bekommen, der behaupten würde, für den Kaiser zu sprechen.

Wie viele Menschen bekamen je den Kaiser zu Gesicht? Persönlich, und nicht nur in Holovision? Wie viele Menschen sahen den echten Kaiser, einen Kaiser zum Anfassen, einen Kaiser, der nie den Kaiserlichen Park verließ, durch den er, Seldon, sich jetzt bewegte?

Es war eine verschwindend kleine Zahl. Fünfundzwanzig Millionen bewohnte Welten, jede mit ihrer Last einer Milliarde menschlicher Wesen oder mehr – und wie viele unter all jenen Trillionen von Menschen hatten den Kaiser in Fleisch und Blut zu Gesicht bekommen oder würden ihn zu Gesicht bekommen? Tausend?

Und wen bekümmerte es? Der Kaiser war nicht mehr als ein Symbol des Imperiums, so wie das Raumschiff und die Sonne. Aber viel weniger weitreichend, viel weniger real. Seine Soldaten und seine Beamten, die überall herumkrochen, repräsentierten jetzt ein Imperium, das für seine Bürger eine Last geworden war – nicht aber der Kaiser.

Als man Seldon daher in einen Raum mittlerer Größe mit prunkvollem Mobiliar geleitete, wo ein jung aussehender Mann in einer Fensternische auf einer Tischkante saß, den einen Fuß auf dem Boden, den anderen frei in der Luft schwingend, ertappte er sich bei dem Gedanken, weshalb ihn eigentlich irgendein Beamter mit so freundlicher Miene ansehen sollte. Er hatte bereits zu oft erlebt, dass Regierungsbeamte – und ganz besonders solche in kaiserlichem Dienst – stets würdig blickten, als würden sie die Last der ganzen Galaxis auf ihren Schultern tragen. Und dabei schien es, als wäre ihr Ausdruck umso ernster und bedrohlicher, je geringer ihre Bedeutung war.

Möglicherweise war dies also ein Beamter so hohen Ranges, so hell von der Sonne der Macht bestrahlt, dass er keine Notwendigkeit empfand, ihr mit umwölkter Stirn entgegenzuwirken.

Seldon wusste nicht, wie beeindruckt er sein sollte, hatte aber das Gefühl, dass es wohl am besten wäre, stumm zu bleiben und seinem Gegenüber das erste Wort zu überlassen.

Der Beamte sagte: »Sie sind Hari Seldon, nehme ich an. Der Mathematiker.«

Seldon antwortete darauf mit einem knappen »Ja« und wartete.

Der junge Mann machte eine weit ausholende Handbewegung. »Eigentlich sollten Sie mich mit ›Sire‹ ansprechen, aber ich mag das Zeremoniell nicht. Ich erlebe die ganze Zeit nichts anderes, und das ermüdet. Wir sind allein, ich werde mir also den Luxus leisten, auf das Zeremoniell zu verzichten. Setzen Sie sich, Professor!«

Etwa in der Mitte der Rede wurde Seldon klar, dass er dem Kaiser Cleon, dem ersten Träger jenes Namens, gegenüberstand, und er war gebührend beeindruckt. Er erkannte eine schwache Ähnlichkeit (jetzt, wo er genauer hinsah) mit der offiziellen Holografie, die fast täglich in den Nachrichten auftauchte, aber in dieser Holografie war Cleon stets imposant gekleidet und wirkte größer, edler und starrer.

Und da saß jetzt das Original jener Holografie und schien irgendwie ganz gewöhnlich.

Seldon rührte sich nicht von der Stelle.

Der Kaiser runzelte die Stirn und sagte, stets gewohnt zu befehlen, selbst im Versuch, darauf zu verzichten, herrisch: »Ich sagte: ›Setzen Sie sich‹, Mann. Dort auf den Stuhl. Na los!«

Seldon setzte sich sprachlos. Er schaffte es nicht einmal, »Ja, Sire« zu sagen.

Cleon lächelte. »So ist’s schon besser. Jetzt können wir wie zwei ganz gewöhnliche Menschen miteinander reden, was wir ja schließlich sind, wenn wir auf das Zeremoniell verzichten, wie, Mann?«

Seldon meinte vorsichtig: »Wenn Euer Kaiserliche Majestät es wünschen, dann ist es so.«

»Ach, kommen Sie schon, warum so vorsichtig? Ich will als Gleichberechtigter mit Ihnen reden. Das macht mir Freude. Bitte.«

»Ja, Sire.«

»Ein einfaches ›Ja‹ genügt, Mann. Komm ich denn überhaupt nicht an Sie heran?«

Cleon starrte Seldon an, und Seldon fand, dass es ein lebhafter und interessierter Blick war.

Schließlich sagte der Kaiser: »Sie sehen gar nicht wie ein Mathematiker aus.«

Endlich schaffte auch Seldon ein Lächeln. »Ich weiß nicht, wie ein Mathematiker aussehen sollte, Kaiserliche …«

Cleon hob warnend die Hand, und Seldon verschluckte den Titel.

»Weißhaarig, nehme ich an«, sagte Cleon. »Vielleicht bärtig, ganz sicher alt.«

»Aber selbst Mathematiker müssen anfangs jung sein.«

»Aber dann haben sie noch keinen Ruf. Wenn sie schließlich die Aufmerksamkeit der Galaxis auf sich ziehen, sind sie so, wie ich sie beschrieben habe.«

»Ich fürchte, ich bin ohne Ruf.«

»Und doch haben Sie bei diesem Kongress eine Rede gehalten.«

»Das haben viele von uns getan. Manche waren jünger als ich. Nur wenigen von uns ist Aufmerksamkeit zuteil geworden.«

»Ihr Vortrag hat allem Anschein nach die Aufmerksamkeit einiger meiner Beamten auf sich gezogen. Man sagt mir, Sie halten es für möglich, die Zukunft vorherzusagen.«

Plötzlich überkam Seldon große Müdigkeit. Allem Anschein nach wurde seine Theorie immer wieder falsch interpretiert. Vielleicht hätte er den Vortrag nicht halten sollen.

»Eigentlich nicht ganz«, wandte er ein. »Was ich getan habe, ist wesentlich weniger als das. In vielen Systemen ist die Situation so, dass unter gewissen Bedingungen chaotische Ereignisse stattfinden. Das bedeutet, dass es von einem bestimmten Anfangspunkt aus unmöglich ist, die Folgen vorherzusagen. Das gilt sogar in einigen ganz einfachen Systemen, aber je komplexer ein System ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es chaotisch wird. Man hat stets angenommen, etwas so Kompliziertes wie die menschliche Gesellschaft würde schnell chaotisch und deshalb unvorhersehbar werden. Meine Arbeit läuft jetzt darauf hinaus, dass ich zu beweisen versuche, dass man beim Studium der menschlichen Gesellschaften einen Anfangspunkt wählen und geeignete Annahmen machen kann, die das Chaos unterdrücken. Dadurch wird es ermöglicht, die Zukunft vorherzusagen, natürlich nicht in allen Einzelheiten, aber in groben Zügen, nicht mit Sicherheit, aber mit berechenbarer Wahrscheinlichkeit.«

Der Kaiser, der aufmerksam zugehört hatte, sagte: »Aber bedeutet das denn nicht, dass Sie aufgezeigt haben, wie man die Zukunft vorhersagen kann?«

»Ich muss wiederum sagen, nicht ganz. Ich habe aufgezeigt, dass es theoretisch möglich ist, nicht mehr. Um mehr zu tun, müssten wir tatsächlich einen korrekten Anfangspunkt wählen, korrekte Annahmen machen und dann Mittel und Wege finden, um die Berechnungen in endlicher Zeit durchzuführen. Dafür habe ich in meiner Argumentation keine Lösung. Und selbst wenn wir zu all dem imstande wären, könnten wir bestenfalls nur zu Wahrscheinlichkeiten kommen. Das ist nicht dasselbe wie eine Vorhersage der Zukunft; es ist nur eine Vermutung bezüglich dessen, was wahrscheinlich geschehen wird. Jeder erfolgreiche Politiker, Geschäftsmann, ja sogar jeder beliebige Mensch muss diese Einschätzungen der Zukunft vornehmen, und das sogar ziemlich gut, sonst hat der oder die Betreffende keinen Erfolg.«

»Die tun es aber ohne Mathematik.«

»Richtig. Sie tun es mit Intuition.«

»Mit der geeigneten Mathematik wäre jeder imstande, die Wahrscheinlichkeit zu bewerten. Dann würde es keine Menschen mit besonderer Intuition brauchen, die erfolgreich werden.«

»Stimmt wiederum. Aber ich habe lediglich gezeigt, dass eine mathematische Analyse möglich ist. Ich habe nicht bewiesen, dass das praktisch durchführbar ist.«

»Kann etwas möglich und doch nicht praktisch durchführbar sein?«

»Für mich ist es theoretisch möglich, jede Welt der Galaxis zu besuchen und jeden Menschen auf jeder Welt zu begrüßen. Aber dies zu tun würde viel mehr Zeit in Anspruch nehmen, als ich Jahre zu leben habe. Und selbst wenn ich unsterblich wäre, nimmt die Bevölkerung heute schneller zu als ich die Menschen ansprechen könnte. Und, was viel wesentlicher ist, es würde eine große Zahl alter Menschen sterben, ehe ich je an sie herankommen könnte.«

»Und das gilt auch für Ihre Mathematik der Zukunft?«

Seldon zögerte kurz und fuhr dann fort: »Vielleicht würde es zu lange dauern, die Mathematik auszuarbeiten, selbst wenn man einen Computer so groß wie das Universum hätte, der mit Hyperraumtempo funktioniert. Bis eine Antwort da wäre, wären genügend Jahre verstrichen, um die Situation so gründlich zu ändern, dass die Antwort sinnlos wäre.«

»Warum kann man den Vorgang nicht vereinfachen?«, fragte Cleon Seldon.

»Kaiserliche Majestät …« – Seldon spürte, dass der Kaiser in dem Maße formeller wurde, wie die Antworten von seinen Wünschen abwichen, und reagierte seinerseits mit mehr Formalität –, »… bedenken Sie bitte, wie die Wissenschaft an das Studium der subatomaren Partikel herangegangen ist. Es gibt davon eine ungeheure Zahl, und jedes Partikel bewegt sich oder vibriert in willkürlicher, nicht vorhersehbarer Art. Dennoch erweist sich, dass diesem Chaos eine Ordnung zugrunde liegt, sodass wir eine Quantenmechanik entwickeln können, die auf alle Fragen Antwort gibt, die wir stellen können. Indem wir die Gesellschaft studieren, sehen wir die menschlichen Wesen so wie subatomare Partikel, nur dass jetzt noch zusätzlich der Faktor des menschlichen Bewusstseins hinzukommt. Partikel bewegen sich ohne Verstand; menschliche Wesen nicht. Wenn man die verschiedenen Einstellungen und Impulse des Bewusstseins in Betracht zieht, so macht das die Geschichte so kompliziert, dass die Zeit einfach nicht ausreicht, um alles zu bewältigen.«

»Könnte es für das Bewusstsein nicht ebenso wie für die Bewegung ohne Sinn eine zugrunde liegende Ordnung geben?«

»Vielleicht. Meine mathematische Analyse impliziert, dass allem Ordnung unterliegen muss, so unordentlich es auch erscheinen mag. Aber sie gibt keinen Hinweis darauf, wie man diese zugrunde liegende Ordnung finden kann. Bedenken Sie – fünfundzwanzig Millionen Welten, jede mit ihren speziellen Eigenschaften und ihrer speziellen Kultur, jede hinreichend anders als alle anderen, jede mit einer Milliarde oder mehr Menschen, von denen jeder Einzelne einen individuellen Verstand hat. Und all die Welten stehen miteinander in unzähligen Kombinationsmöglichkeiten in Verbindung. So sehr auch eine psychohistorische Analyse theoretisch möglich sein kann, so ist es doch höchst unwahrscheinlich, dass sie im praktischen Sinne möglich ist.«

»Was verstehen Sie unter ›psychohistorisch‹?«

»Ich bezeichne die theoretische Bewertung von Wahrscheinlichkeiten, die die Zukunft betreffen, als ›Psychohistorik‹.«

Der Kaiser stand plötzlich auf, schritt ans andere Ende des Raums, drehte sich um, schritt wieder zurück und blieb vor dem immer noch sitzenden Seldon stehen.

»Stehen Sie auf!«, befahl er.

Seldon erhob sich und blickte zu dem etwas größeren Kaiser auf. Er bemühte sich, seinem Blick nicht auszuweichen.

Schließlich sagte Cleon: »Diese Psychohistorik, von der Sie da reden … wenn man die praktikabel machen könnte, dann wäre sie sehr nützlich, nicht wahr?«

»Ungeheuer nützlich, ganz selbstverständlich. Zu wissen, was die Zukunft bringt, selbst in ganz allgemeiner Weise, würde uns eine neue, wunderbare Anleitung zum Handeln bieten, etwas, das die Menschheit noch nie zuvor besessen hat. Aber natürlich …« Er hielt inne.

»Nun?«, sagte Cleon ungeduldig.

»Nun, es scheint, dass die Ergebnisse einer psychohistorischen Analyse mit Ausnahme einiger weniger Entscheidungsträger für die Öffentlichkeit unbekannt bleiben müssen.«

»Unbekannt!«, rief Cleon überrascht.

»Das ist klar. Lassen Sie mich versuchen, es Ihnen zu erklären. Wenn man eine psychohistorische Analyse erstellt und ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit bekanntgibt, würden die Emotionen und Reaktionen der Menschheit sofort verzerrt werden. Die psychohistorische Analyse, die auf Emotionen und Reaktionen basiert, die ohne Wissen der Zukunft ablaufen, würde sinnlos werden. Verstehen Sie?«

Die Augen des Kaisers hellten sich auf, und er lachte laut. »Wunderbar!«

Er schlug Seldon auf die Schulter, und Seldon zuckte unter dem Schlag etwas betreten zusammen.

»Begreifen Sie denn nicht, Mann?«, sagte Cleon. »Begreifen Sie wirklich nicht? Da haben Sie den Nutzen. Sie brauchen die Zukunft nicht vorherzusagen. Wählen Sie nur eine Zukunft aus – eine gute Zukunft, eine nützliche Zukunft –, und machen Sie die Art von Vorhersagen, die die menschlichen Gefühle und Reaktionen so ändern, dass die Zukunft, die Sie vorhergesagt haben, auch herbeigeführt wird. Besser eine gute Zukunft machen, als eine schlechte vorhersagen.«

Seldon runzelte die Stirn. »Ich begreife, was Sie meinen, Sire, aber das ist gleichermaßen unmöglich.«

»Unmöglich?«

»Nun, jedenfalls praktisch nicht durchführbar. Verstehen Sie nicht? Wenn man nicht mit menschlichen Emotionen und Reaktionen beginnen und die Zukunft vorhersagen kann, die daraus entsteht, kann man es auch nicht umgekehrt machen. Man kann nicht mit einer Zukunft anfangen und die menschlichen Emotionen und Reaktionen vorhersagen, die sie herbeiführen wird.«

Cleon blickte enttäuscht. Er presste die Lippen zusammen. »Und was ist mit Ihrem Vortrag? … So nennt man es doch, einen Vortrag? … Was nützt er dann?«

»Das war lediglich eine mathematische Demonstration. Mathematiker hat das interessiert, aber ich habe nie daran gedacht, dass meine Theorie in irgendeiner Weise praktischen Nutzen haben könnte.«

»Ich finde das widerwärtig«, sagte Cleon ärgerlich.

Seldon zuckte die Achseln. Er wusste jetzt mehr denn je, dass er den Vortrag nie hätte halten sollen. Was würde aus ihm werden, wenn der Kaiser es sich in den Kopf setzte, dass man versuchte, ihn zum Narren zu halten?

Und tatsächlich wirkte Cleon nicht so, als wäre er weit davon entfernt, das zu glauben.

»Trotzdem«, sagte er, »wenn Sie jetzt Vorhersagen der Zukunft machen würden, mathematisch gerechtfertigt oder nicht, Vorhersagen, die Regierungsbeamte – also Menschen, die darin Erfahrung haben, was die Öffentlichkeit wahrscheinlich tun wird – in einer Weise einschätzen, dass nützliche Reaktionen daraus entstehen werden?«

»Warum sollten sie mich dazu brauchen? Die Regierungsbeamten könnten diese Vorhersagen selbst machen und sich den Mann in der Mitte sparen.«

»Die Regierungsbeamten könnten das nicht so wirksam tun. Regierungsbeamte machen hie und da solche Aussagen. Aber man glaubt ihnen nicht unbedingt.«

»Warum sollte man mir glauben?«

»Sie sind Mathematiker. Sie hätten die Zukunft berechnet,nicht … nicht sie intuitiert – wenn das das richtige Wort ist.«

»Aber das hätte ich nicht.«

»Wer würde das wissen?« Cleon beobachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen.

Ein paar Augenblicke lang herrschte Stille. Seldon fühlte sich in einer Falle. Wenn der Kaiser eine direkte Anweisung erteilte – konnte er dann riskieren, sich zu weigern? Wenn er sich weigerte, konnte es sein, dass man ihn ins Gefängnis steckte oder ihn sogar hinrichtete. Natürlich nicht ohne Verfahren, aber es bereitet große Schwierigkeiten, einen Prozess gegen die Wünsche einer entschlossenen Beamtenschaft zu führen, insbesondere wenn diese unter dem Kommando des Kaisers des riesenhaften Galaktischen Imperiums stand.

»Es würde nicht funktionieren«, sagte er schließlich.

»Weshalb nicht?«

»Wenn man mich aufforderte, vage Gemeinplätze vorherzusagen, die höchstwahrscheinlich erst lange nach dem Tode dieser Generation und vielleicht auch der nächsten Wirklichkeit würden, dann könnte es vielleicht gehen, aber die Öffentlichkeit würde andererseits dem Ganzen wenig Beachtung schenken. Eine noch so eindrucksvolle Eventualität in ein- oder zweihundert Jahren würde keinen großen Eindruck machen.

Um Resultate zu erzielen«, fuhr Seldon fort, »würde ich Dinge mit schärferen Konsequenzen vorhersagen müssen, unmittelbarere Eventualitäten. Nur darauf würde die Öffentlichkeit reagieren. Über kurz oder lang – und wahrscheinlich eher über kurz – würde eine der Eventualitäten nicht eintreten, und damit wäre meine Nützlichkeit sofort beendet. Und damit könnte es auch um Ihre Popularität geschehen sein, und was noch schlimmer ist, die Entwicklung der Psychohistorik würde nicht weiter unterstützt, die doch so nötig ist, wenn künftige Verbesserungen der mathematischen Erkenntnisse erwünscht sind.«

Cleon ließ sich in einen Sessel fallen und sah Seldon mit gefurchter Stirn an. »Ist das alles, wozu ihr Mathematiker fähig seid? Auf Unmöglichkeiten bestehen?«

Seldon gab sich die größte Mühe, nicht anmaßend zu klingen, als er sagte: »Sie sind es doch, Sire, der auf dem Unmöglichen beharrt.«

»Lassen Sie mich Sie auf die Probe stellen, Mann. Angenommen, ich würde Sie auffordern, Ihre Mathematik einzusetzen, um mir zu sagen, ob ich eines Tages ermordet werde? Was würden Sie sagen?«

»Mein mathematisches System würde auf eine so spezifische Frage keine Antwort liefern, selbst wenn die Psychohistorik noch so gut funktionierte. Alle Quantenmechanik in der Welt erlaubt es nicht, das Verhalten eines einzelnen Elektrons vorherzusagen. Nur das durchschnittliche Verhalten von vielen.«

»Sie kennen Ihre Mathematik besser als ich. Sprechen Sie einfach eine Vermutung aus. Werde ich eines Tages ermordet werden?«

»Sie stellen mir eine Falle, Sire«, sagte Seldon mit leiser Stimme. »Entweder müssen Sie mir sagen, welche Antwort Sie hören wollen, dann gebe ich sie Ihnen, oder Sie müssen mir das Recht geben, jede mir beliebige Antwort ungestraft zu geben.«

»Sprechen Sie, wie Sie wollen.«

»Ihr Ehrenwort?«

»Wollen Sie es schriftlich?«, fragte Cleon sarkastisch.

»Ihr mündliches Ehrenwort genügt mir«, sagte Seldon, dem das Herz sank, weil er dessen keineswegs sicher war.

»Sie haben mein Ehrenwort.«

»Dann kann ich Ihnen sagen, dass in den letzten vierhundert Jahren fast die Hälfte aller Kaiser Attentaten zum Opfer gefallen sind, woraus ich schließe, dass die Wahrscheinlichkeit Ihrer Ermordung ungefähr fünfzig Prozent beträgt.«

»Die Antwort kann jeder Idiot liefern«, sagte Cleon verächtlich. »Dazu braucht es keinen Mathematiker.«

»Und doch habe ich Ihnen mehrere Male gesagt, dass meine Mathematik für praktische Probleme unbrauchbar ist.«

»Können Sie nicht einmal annehmen, dass ich die Lektionen lernen werde, die mir meine unglücklichen Vorgänger geboten haben?«

Seldon atmete tief und stürzte sich dann hinein: »Nein, Sire. Die Geschichte zeigt immer wieder, dass wir die Lektionen nicht lernen, die die Vergangenheit uns anbietet. Sie haben mich beispielsweise hier in einer Privataudienz empfangen. Was, wenn ich es mir in den Sinn gesetzt hätte, Sie zu töten? – Was übrigens nicht der Fall ist, Sire«, fügte er hastig hinzu.

Cleon lächelte humorlos. »Guter Mann, Sie ziehen unsere Gründlichkeit nicht in Betracht – oder die Fortschritte, die die Technik gemacht hat. Wir haben alles studiert, was wir über Sie wissen. Als Sie hier ankamen, hat man Sie durch und durch untersucht. Ihr Ausdruck und Ihre Sprachabdrücke wurden analysiert. Wir kennen Ihren emotionellen Zustand in Einzelheiten; praktisch kennen wir Ihre Gedanken. Hätte der geringste Zweifel an Ihrer Harmlosigkeit bestanden, hätte man Sie nicht in meine Nähe gelassen. Tatsächlich würden Sie jetzt nicht mehr am Leben sein.«

Eine Welle der Übelkeit durchflutete Seldon, aber er antwortete: »Außenstehenden ist es immer schwergefallen, an Kaiser heranzukommen, selbst bei weniger weit fortgeschrittener Technik. Aber fast jedes Attentat war eine Palastrevolution. Diejenigen, die dem Kaiser am nächsten stehen, sind auch die größte Gefahr für ihn. Verglichen mit dieser Gefahr ist die gründliche Untersuchung von Außenstehenden belanglos. Und was Ihre eigenen Beamten angeht, Ihre eigenen Gardisten, Ihre intimen Freunde, so können Sie sie nicht so behandeln, wie Sie mich behandeln.«

»Das weiß ich auch«, sagte Cleon, »und zwar wenigstens so gut wie Sie. Die Antwort darauf ist, dass ich meine Umgebung anständig behandle und ihr keinen Grund zur Unzufriedenheit biete.«

»Eine unsinnige …«, begann Seldon und hielt dann verwirrt inne.

»Nur weiter!«, sagte Cleon ärgerlich. »Ich habe Ihnen erlaubt, offen zu sprechen. Inwiefern bin ich unsinnig?«

»Das Wort ist mir so herausgerutscht, Sire. Ich meine ›irrelevant‹. Es ist irrelevant, wie Sie Ihre unmittelbare Umgebung behandeln. Sie müssen argwöhnisch sein; es wäre unmenschlich, das nicht zu sein. Ein unbedachtes Wort, wie das, das ich gebrauchte, eine unbedachte Geste, ein rätselhafter Ausdruck, und Sie müssen sich etwas zurückziehen und argwöhnisch blicken. Und jeder Hauch von Argwohn löst einen Teufelskreis aus, der zu andersartigem Verhalten führt. Sie spüren das und werden argwöhnischer, und am Ende wird der Betreffende entweder hingerichtet oder Sie werden ermordet. Das ist ein Vorgang, den die Kaiser der letzten vierhundert Jahre nicht vermeiden konnten; und das ist nur ein Zeichen dafür, wie zunehmend schwieriger es wird, die Angelegenheiten des Imperiums zu führen.«

»Dann kann nichts, was ich tue, meine Ermordung verhindern.«

»Nein, Sire«, sagte Seldon, »andererseits ist es natürlich möglich, dass Sie Glück haben.«

Cleons Finger trommelten auf der Armlehne seines Sessels. Dann meinte er schroff: »Sie sind nutzlos, Mann, und Ihre Psychohistorik ist das auch. Verlassen Sie mich!« Und mit diesen Worten wandte der Kaiser den Blick von ihm und wirkte plötzlich viel älter als seine dreiunddreißig Jahre.

»Ich habe ja gesagt, dass meine Mathematik für Sie unbrauchbar sein würde. Ich bitte untertänigst um Nachsicht.«

Seldon versuchte sich zu verbeugen, aber auf irgendein Signal hin, das er nicht bemerkt hatte, traten zwei Wachen ein und führten ihn weg. Cleons Stimme hallte ihm noch nach: »Bringt den Mann an den Ort zurück, von dem man ihn vorher geholt hat!«

4

Eto Demerzel trat hervor und sah den Kaiser mit einer Andeutung der gebührenden Ehrerbietung an. »Sire, Sie wären beinahe ungehalten geworden«, sagte er.

Cleon blickte auf und zwang sich mit sichtlicher Mühe zu einem Lächeln. »Na schön, dann ist es eben so. Der Mann war sehr enttäuschend.«

»Und doch hat er nicht mehr versprochen, als er angeboten hatte.«

»Er hat nichts angeboten.«

»Und nichts versprochen.«

»Es war enttäuschend.«

»Vielleicht mehr als enttäuschend«, sagte Demerzel. »Der Mann ist ein wandelndes Pulverfass, Sire.«

»Ein was, Demerzel? Sie haben immer so seltsame Ausdrücke. Was ist ein Pulverfass?«

»Das ist einfach ein Ausdruck, den ich in meiner Jugend gehört habe, Sire«, sagte Demerzel würdevoll. »Das Imperium ist voll von seltsamen Ausdrücken, und manche kennt man auf Trantor nicht, so wie man die Redewendungen Trantors manchmal anderswo nicht versteht.«

»Wollen Sie mich lehren, dass das Imperium groß ist? Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, der Mann sei ein wandelndes Pulverfass?«

»Nur dass er viel Schaden anrichten kann, ohne das unbedingt zu wollen. Er kennt seine eigene Stärke nicht und seine Bedeutung auch nicht.«

»Das schließen Sie, wie, Demerzel?«

»Ja, Sire. Er ist ein Provinzler. Er kennt Trantor nicht und weiß nicht, wie die Dinge hier laufen. Er war nie zuvor auf unserem Planeten und kann sich deshalb nicht wie ein Mann von Geburt verhalten, ein Höfling. Und doch hat er sich Ihnen gegenüber behauptet.«

»Und warum auch nicht? Das habe ich ihm schließlich erlaubt. Ich habe auf jegliches Zeremoniell verzichtet. Ich habe ihn wie einen Ebenbürtigen behandelt.«

»Nicht ganz, Sire. Sie sind gar nicht fähig, andere als Ebenbürtige zu behandeln. Sie sind es gewohnt zu befehlen. Und selbst wenn Sie versuchten, jemandem die Befangenheit zu nehmen, so würden doch die wenigsten damit zurechtkommen. Die meisten würden sprachlos sein oder, schlimmer noch, untertänig und servil. Dieser Mann hat sich von Ihnen nicht einschüchtern lassen.«

»Nun, Sie mögen das bewundern, Demerzel, aber mir war er unsympathisch.« Cleon blickte zugleich nachdenklich und unzufrieden. »Haben Sie bemerkt, dass er nicht die geringsten Anstalten machte, mir seine Mathematik zu erklären? Es war gerade, als wüsste er, dass ich kein Wort davon verstehen würde.«

»Das hätten Sie auch nicht, Sire. Sie sind kein Mathematiker und auch sonst kein Wissenschaftler. Und auch kein Künstler. Es gibt viele Wissensbereiche, in denen andere mehr als Sie wissen. Es ist ihre Aufgabe, ihr Wissen dazu einzusetzen, um Ihnen zu dienen. Sie sind der Kaiser, und das ist mehr wert als all die speziellen Kenntnisse solcher Leute zusammengenommen.«

»Ist es das? Mir würde es ja nichts ausmachen, wenn mir ein alter Mann, der sein Wissen über viele Jahre hinweg angesammelt hat, das Gefühl vermittelte, unwissend zu sein. Aber dieser Seldon ist genauso alt wie ich. Wie kommt es, dass er so viel weiß?«

»Er brauchte sich nicht die Fähigkeit zu befehlen anzueignen, die Kunst, Entscheidungen zu treffen, die das Leben anderer beeinflussen.«

»Manchmal frage ich mich, Demerzel, ob Sie sich über mich lustig machen.«

»Sire?«, sagte Demerzel verweisend.

»Aber lassen Sie nur. Kehren wir noch einmal zu diesem Pulverfass zurück, von dem Sie sprachen. Warum halten Sie ihn für gefährlich? Mir schien er ein naiver Provinzler.«

»Das ist er auch. Aber er hat diese mathematische Entwicklung, die er betrieben hat.«

»Er sagt, das sei nutzlos.«

»Aber Sie dachten, sie könnte nützlich sein. Ich fand das auch, nachdem Sie mir Ihre Überlegung erklärt hatten. Andere könnten genauso denken. Der Mathematiker könnte selbst auf diese Idee kommen, jetzt, wo man es ihm bewusst gemacht hat. Und wer weiß, vielleicht überlegt er sich etwas, um die Methode zu nutzen. Und wenn ihm das gelingt, so muss ich sagen, dass es große Macht bedeutet, die Zukunft vorhersagen zu können, und wäre sie noch so nebulös. Selbst wenn er sich die Macht gar nicht wünscht, was eine Art der Selbstverleugnung wäre, die mir immer unwahrscheinlich vorgekommen ist, so könnte er von anderen benutzt werden.«

»Ich habe versucht, ihn zu benutzen, aber das wollte er nicht.«

»Er hatte nicht darüber nachgedacht. Vielleicht wird er das jetzt tun. Und wenn er nicht daran interessiert war, sich von Ihnen benutzen zu lassen, könnte er dann nicht etwa – sagen wir – vom Bürgermeister von Wye überredet werden?«

»Warum sollte er Wye helfen wollen und uns nicht?«

»Er hat das ja erklärt – es ist schwierig, die Gefühle und das Verhalten von Individuen vorherzusagen.«

Cleon zog eine finstere Miene und saß nachdenklich da. »Meinen Sie wirklich, er könnte diese Psychohistorik so weit entwickeln, dass sie tatsächlich einen Nutzen bringt? Er ist davon überzeugt, dass das nicht geht.«

»Mit der Zeit könnte er zu der Ansicht gelangen, dass er sich darin geirrt hat.«

»Dann hätte ich ihn wohl hierbehalten sollen«, sagte Cleon.

»Nein, Sire«, erklärte Demerzel. »Sie haben instinktiv richtig gehandelt, als Sie ihn gehen ließen. Ihn einzusperren, selbst ohne diesen Begriff zu gebrauchen, würde zu Verärgerung und Verzweiflung führen, und das würde ihm weder dabei helfen, seine Ideen weiterzuentwickeln, noch ihn besonders dazu bewegen, uns zu helfen. Da ist es schon besser, ihn gehen zu lassen, aber ihn immer an einer unsichtbaren Leine zu halten. Auf diese Weise können wir sicher sein, dass er nicht von einem Ihrer Feinde missbraucht wird, Sire, und können abwarten, bis die Zeit kommt, wo er seine Wissenschaft fertig entwickelt hat. Und dann können wir an unserer Leine ziehen und ihn herholen. Und dann könnten wir ja … versuchen, ihn zu überzeugen.«

»Aber was ist, wenn ihn doch einer meiner Feinde für sich gewinnt, oder besser gesagt, ein Feind des Imperiums, denn ich bin ja schließlich das Imperium. Oder wenn er sich aus freien Stücken dafür entschließt, einem Feind zu Diensten zu sein – verstehen Sie, ich kann das nicht völlig ausschließen.«

»Sollten Sie auch nicht. Ich werde dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt. Aber wenn es trotz aller Mühe dennoch geschieht, wäre es besser, wenn keiner ihn hat, als wenn der Falsche ihn kontrolliert.«

Cleon wirkte beunruhigt. »Ich überlasse das alles Ihnen, Demerzel, aber ich hoffe, dass wir nicht zu hastig sind. Er könnte immerhin auch eine theoretische Wissenschaft bringen, die nicht funktionieren kann und wird.«

»Durchaus möglich, Sire, aber es wäre weniger gefährlich, wenn wir davon ausgehen, dass der Mann wichtig ist – oder es sein könnte. Wir verlieren nur wenig Zeit und sonst gar nichts, wenn wir herausfinden, dass wir uns um ein Nichts gekümmert haben. Aber wenn wir feststellen, dass wir jemanden von großer Wichtigkeit ignoriert haben, verlieren wir vielleicht eine ganze Galaxis.«

»Nun gut denn«, sagte Cleon, »aber ich hoffe nur, dass ich nicht alle Einzelheiten erfahren muss – falls sie sich als unangenehm erweisen.«

»Hoffen wir, dass das nicht der Fall sein wird«, sagte Demerzel.

5

Seldon hatte einen Abend, eine Nacht und einen Teil des Vormittags Zeit, um sein Zusammentreffen mit dem Kaiser zu verarbeiten. Wenigstens erweckte das wechselnde Licht auf den Wegen, den Fahrkorridoren, den Plätzen und den Parks des Kaiserlichen Bezirks von Trantor den Eindruck, dass ein Abend, eine Nacht und ein Teil des Vormittags verstrichen waren.

Er saß in einem kleinen Park auf einem kleinen Plastiksitz, der sich seinem Körper anpasste, und fühlte sich recht wohl. Dem Licht nach zu schließen, schien es Vormittag zu sein, und die Luft war gerade kühl genug, um frisch zu wirken, ohne aber kalt zu sein.

War es immer so? Er dachte an den grauen Tag draußen, als er zum Kaiser gegangen war. Und dann dachte er an all die grauen Tage und die kalten und heißen Tage und die verregneten und verschneiten Tage auf Helicon, seiner Heimat, und fragte sich, ob man sie wohl vermissen konnte. War es möglich, in einem Park auf Trantor zu sitzen, Tag für Tag ideales Wetter zu haben, sodass man das Gefühl hatte, von überhaupt nichts umgeben zu sein – und dann den heulenden Wind oder beißende Kälte oder bedrückende Feuchtigkeit zu vermissen?

Vielleicht. Aber nicht am ersten Tag und nicht am zweiten und auch am siebenten nicht. Er würde nur noch diesen einen Tag haben und morgen abreisen. Er wollte es hier genießen, so lange er konnte. Schließlich war es durchaus möglich, dass er nie wieder nach Trantor zurückkehrte.

Dennoch empfand er nach wie vor etwas Unbehagen darüber, dass er sich einem Mann gegenüber so unehrerbietig verhalten hatte, der die Macht besaß, einen einsperren oder hinrichten zu lassen – oder der zu allermindest den wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Tod durch Verlust von Stellung und Status herbeiführen konnte.

Vor dem Zubettgehen hatte Seldon im enzyklopädischen Teil des Computers seines Hotelzimmers über Cleon I. nachgesehen. Der Kaiser war dort hochgelobt worden, wie das ohne Zweifel bei allen Kaisern zu ihren Lebzeiten der Fall gewesen war, ganz gleich, was ihre Taten auch gewesen sein mochten. Seldon hatte sich dafür nicht sonderlich interessiert, wohl aber für die Tatsache, dass Cleon im Palast geboren war und das Palastgelände nie verlassen hatte. Er war nie in Trantor selbst gewesen, in keinem Teil dieser vielkuppeligen Welt. Das war vielleicht eine Frage der Sicherheit, aber es bedeutete jedenfalls, dass der Kaiser sich in einem Gefängnis befand, ob er das nun sich selbst gegenüber zugab oder nicht. Es mochte wohl das luxuriöseste Gefängnis der ganzen Galaxis sein, aber ein Gefängnis war es dennoch.

Und wenn der Kaiser auch durchaus freundlich gewirkt und in keiner Weise den Anschein erweckt hatte, ein blutrünstiger Autokrat zu sein, wie das so viele seiner Vorgänger gewesen waren, so war es doch nicht gut, seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben. Seldon war recht froh darüber, dass er tags darauf nach Helicon abreisen würde, obwohl es zu Hause Winter sein würde (noch dazu ein recht hässlicher).

Er blickte in das helle, diffuse Licht auf. Obwohl es hier drinnen nie regnen konnte, war die Luft keineswegs trocken. Nicht weit von ihm entfernt plätscherte ein Springbrunnen; die Pflanzen waren grün und hatten wahrscheinlich noch nie Trockenheit zu spüren bekommen. Gelegentlich raschelte es im Blattwerk, so als würden sich dort kleine Lebewesen versteckt halten. Er hörte das Summen von Bienen.

Wenn man in der Galaxis von Trantor sprach, dann immer als von einer Welt aus Metall und Keramik, aber in diesem kleinen Fleckchen wirkte sie eher rustikal.

Es gab noch ein paar Leute, die den klaren Tag nutzten, und alle trugen leichte Hüte, manche ganz kleine. Nicht weit von ihm entfernt war eine hübsche junge Frau zu sehen, aber sie beugte sich über ein Sichtgerät, sodass man ihr Gesicht nicht erkennen konnte. Ein Mann ging vorüber, warf ihm einen kurzen Blick zu und setzte sich dann ihm gegenüber und vergrub sich dann sofort in einem Bündel von Ausdrucken, wobei er ein eng anliegendes rosafarbenes Hosenbein über das andere schlug.

Eigenartigerweise schienen die Männer zu Pastellfarben zu neigen, während die Frauen meist Weiß trugen. Da die Umgebung so sauber war, machte es durchaus Sinn, helle Farben zu tragen. Er blickte amüsiert auf seinen dunkelbraunen heliconischen Anzug. Falls er auf Trantor bleiben würde, würde er sich passende Kleidung kaufen müssen, wenn er nicht wollte, dass er Neugierde erweckte oder gar ausgelacht wurde. Der Mann mit den Ausdrucken hatte ihm beispielsweise gerade einen neugierigen Blick zugeworfen – ohne Zweifel war das seiner außenweltlerischen Kleidung zuzuschreiben.

Seldon war erleichtert, dass der Mann nicht lächelte. Er konnte zwar mit Gleichmut darüber hinwegsehen, dass er komisch wirkte, aber daran auch noch Spaß zu finden, war zu viel verlangt.

Seldon beobachtete den Mann recht unauffällig, weil es so schien, als versuchte er mit sich selbst ins Reine zu kommen. Im Augenblick sah er aus, als wollte er etwas sagen, schien es sich dann aber anders zu überlegen und erneut den Wunsch zum Reden zu verspüren. Seldon fragte sich, worauf es schließlich hinauslaufen mochte. Er studierte den Mann. Er war groß, breitschultrig und ohne den geringsten Bauchansatz. Sein Haar war dunkel mit ein paar blonden Strähnchen. Er war glatt rasiert und blickte ernst und vermittelte den Eindruck von Stärke, ohne freilich hervortretende Muskelpakete zu haben. Sein Gesicht wirkte etwas vierschrötig angenehm, aber alles andere als »hübsch«. Als der Mann schließlich seinen inneren Kampf mit sich verloren (oder vielleicht gewonnen) hatte und sich zu ihm vorbeugte, war Seldon zu dem Schluss gelangt, dass er ihn mochte.

»Entschuldigen Sie«, sagte der Mann, »waren Sie nicht bei dem Mathematikerkongress?«

»Ja, allerdings«, meinte Seldon freundlich.

»Ah, ich dachte doch, dass ich Sie dort gesehen habe. Dieser Augenblick des Erkennens war es – entschuldigen Sie –, der mich dazu veranlasste, mich hierherzusetzen. Ich belästige Sie aber doch nicht …«

»Ganz und gar nicht. Ich habe im Augenblick überhaupt nichts zu tun und genieße das.«

»Wollen mal sehen, wie nahe ich komme. Sie sind Professor Seldom.«

»Seldon. Hari Seldon. Wirklich nahe. Und Sie?«

»Chetter Hummin.« Der Mann wirkte etwas verlegen. »Ein recht hausbackener Name, fürchte ich.«

»Ich hatte noch nie mit einem Chetter zu tun«, sagte Seldon. »Und auch nicht mit einem Hummin. Das macht Sie irgendwie einmalig, denke ich. Man könnte es natürlich so sehen, dass es besser ist, als mit den zahllosen Haris verwechselt zu werden, die es gibt. Oder den Seldons.«

Seldon zog seinen Stuhl näher an den Hummins heran und scharrte damit über die leicht elastischen Ceramoidfliesen.

»Weil Sie gerade ›hausbacken‹ sagen«, meinte er. »Was halten Sie von diesen fremdartigen Kleidern, die ich trage? Mir ist nie in den Sinn gekommen, dass ich mir trantorianische Kleidung besorgen sollte.«

»Sie könnten sich ja welche kaufen«, sagte Hummin und betrachtete Seldon mit unterdrückter Missbilligung.

»Ich werde morgen abreisen, und außerdem könnte ich mir das nicht leisten. Mathematiker haben manchmal mit großen Zahlen zu tun, aber nicht wenn es um ihr Einkommen geht – ich nehme an, Sie sind Mathematiker, Hummin.«

»Nein, in dem Punkt habe ich null Talent.«

»Oh.« Seldon wirkte enttäuscht. »Sie sagten doch, Sie hätten mich beim Kongress gesehen.«

»Ich war als Zuhörer dort. Ich bin Journalist.« Er fuchtelte mit seinen Ausdrucken herum, schien plötzlich zu bemerken, dass er sie in der Hand hielt und stopfte sie in die Jackettasche. »Ich liefere das Material für die Holosendungen.« Und dann nachdenklich: »Tatsächlich bin ich es ziemlich satt.«

»Ihre Arbeit?«

Hummin nickte. »Ich bin es leid, all den Unsinn von sämtlichen Welten einzusammeln. Es geht ja doch dauernd abwärts.«

Er sah Seldon prüfend an. »Aber manchmal passiert doch etwas Interessantes. Ich hörte, man hat Sie in Gesellschaft eines Offiziers der Kaiserlichen Garde gesehen, und zwar am Palasttor. Sie sind doch nicht etwa vom Kaiser empfangen worden, oder?«

Das Lächeln verschwand aus Seldons Gesicht, und er sagte langsam: »Wenn das der Fall war, dann wäre das wohl kaum etwas, das Sie veröffentlichen können.«

»Nein, nein, natürlich nicht. Falls Sie das noch nicht wissen, Seldon, will ich es Ihnen sagen – das erste Gesetz der Medienwelt ist, dass niemals etwas über den Kaiser oder sein persönliches Gefolge gesagt wird, das nicht offiziell verlautbart wird. Das ist natürlich ein Fehler, weil die Gerüchte, die im Umlauf sind, viel schlimmer sind als die Wahrheit, aber so ist es eben.«

»Aber wenn Sie es nicht berichten können, weshalb fragen Sie dann?«

»Private Neugierde. Glauben Sie mir, ich erfahre in meinem Beruf viel mehr, als je an die Öffentlichkeit kommt. – Lassen Sie mich raten – ich konnte Ihrem Vortrag nicht folgen, aber soweit ich ihn verstanden habe, sprachen Sie von der Möglichkeit, die Zukunft vorherzusagen.«

Seldon schüttelte den Kopf und murmelte: »Es war ein Fehler.«

»Wie bitte?«

»Nichts.«

»Nun, eine Vorhersage – eine exakte Vorhersage – würde den Kaiser und jeden anderen in der Regierung interessieren. So vermute ich, dass Cleon, erster Träger dieses Namens, Sie danach befragt hat. Und ob Sie ihm nicht bitte ein paar Vorhersagen liefern würden.«

»Ich habe nicht vor, über die Angelegenheit zu sprechen«, meinte Seldon etwas steif.

Hummin zuckte leichthin die Achseln. »Eto Demerzel war dabei, nehme ich an.«

»Wer?«

»Sie haben nie von Eto Demerzel gehört?«

»Niemals.«

»Cleons zweites Ich – Cleons Gehirn – Cleons böser Geist. All das hat man ihn genannt – wenn wir uns auf Ausdrücke beschränken wollen, die nicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllen. Er muss dabeigewesen sein.«

Seldon blickte verwirrt und Hummin meinte: »Nun, Sie haben ihn vielleicht nicht gesehen, aber er war dabei. Und wenn er glaubt, dass Sie die Zukunft vorhersagen können …«

»Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen«, sagte Seldon und schüttelte entschieden den Kopf. »Wenn Sie meinen Vortrag gehört haben, dann wissen Sie auch, dass ich nur von einer theoretischen Möglichkeit sprach.«

»Trotzdem. Wenn er glaubt, dass Sie die Zukunft vorhersagen können, dann wird er sie nicht weglassen.«

»Das muss er aber doch getan haben. Ich bin hier.«

»Das hat gar nichts zu bedeuten. Er weiß, wo Sie sind und wird es auch weiterhin wissen. Und wenn er Sie haben will, wird er Sie bekommen, wo immer Sie dann sind. Und wenn er zu dem Schluss gelangt, Sie könnten ihm nützlich sein, dann wird er alles Nützliche aus Ihnen herausquetschen. Und wenn er beschließt, Sie sind gefährlich, wird er Ihr Leben aus Ihnen herausquetschen.«

Seldon starrte den Journalisten an. »Was haben Sie eigentlich vor? Wollen Sie mir Angst machen?«

»Ich versuche, Sie zu warnen.«

»Ich glaube das nicht, was Sie sagen.«

»Nein? Vor einer Weile haben Sie gesagt, etwas sei ein Fehler gewesen. Glauben Sie, es sei ein Fehler gewesen, den Vortrag zu halten – dachten Sie, das würde Sie in Schwierigkeiten bringen?«

Seldon kaute beunruhigt auf seiner Unterlippe. Diese Vermutung kam der Wahrheit unangenehm nahe – und in diesem Augenblick spürte Seldon, dass er Gesellschaft bekommen hatte.

Sie warfen keinen Schatten, denn dazu war das Licht zu weich, zu gleichmäßig. Es war einfach eine Bewegung, die ihm aus dem Augenwinkel heraus auffiel – und dann kam sie zum Stillstand.

FLUCHT

Trantor – … Die Hauptwelt des Ersten Galaktischen Imperiums erlebte unter Cleon I. ihr »Zwielicht«. Dem äußeren Anschein nach stand Trantor damals auf dem Höhepunkt seiner Macht. Seine Landfläche von 200 Millionen Quadratkilometern war völlig überkuppelt (mit Ausnahme des Kaiserlichen Parks), darunter erstreckte sich eine endlose Stadt über die Kontinentalmassen hinweg. Die Bevölkerung betrug 40 Milliarden, und obwohl es zahlreiche (und im Rückblick unübersehbare) Anzeichen dafür gab, dass die Probleme wuchsen, hielten jene, die auf Trantor lebten, diese Welt ohne Zweifel immer noch für die ewige Welt der Legende und rechneten damit, dass sie jemals …

ENCYCLOPAEDIA GALACTICA

6

Seldon blickte auf. Ein junger Mann stand vor ihm und sah mit leicht verächtlich wirkender, amüsierter Miene auf ihn herab. Neben ihm stand ein zweiter junger Mann – dieser vielleicht etwas jünger. Beide waren groß und kräftig.

Sie waren äußerst modisch gekleidet, hochmodisch für trantorianische Verhältnisse, dachte Seldon – grell kontrastierende Farben, breite Fransengürtel, runde Hüte mit breiten Krempen und einem grell rosafarbenen Band, das hinten herunterhing.

Für Seldon war das ein belustigender Anblick, und er lächelte.

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