Die Rezeptions- und Textgeschichte der frühmittelalterlichen "leges barbarorum" am Beispiel der "Lex Salica Karolina" - Joachim Graf - E-Book

Die Rezeptions- und Textgeschichte der frühmittelalterlichen "leges barbarorum" am Beispiel der "Lex Salica Karolina" E-Book

Joachim Graf

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Historisches Seminar, Abteilung für Mittelalterliche Geschichte), Veranstaltung: Lex Salica. Genese, Inhalt und Rezeption eines frühmittelalterlichen Rechtsbuchs, Sprache: Deutsch, Abstract: Nach dem endgültigen Zusammenbruch der weströmischen Herrschaft im 5. Jahrhundert befanden sich große Teile Mitteleuropas in einem Transformationsprozess, in dessen Verlauf das poströmische Machtvakuum allmählich durch neue Strukturen ausgefüllt wurde. Träger dieser Entwicklung waren Völkerschaften, die entweder im Zuge der als „Völkerwanderung“ bezeichneten Bewegung eingewandert waren oder sich aus den hieraus resultierenden Auseinandersetzungen durch Zusammenschluss verschiedener Clanverbindungen gebildet hatten. Zur Konsolidierung ihres Machtanspruches aber auch zur inneren Organisation ihrer Herrschaft implementierten die neuen Machthaber schon in frühmittelalterlicher Zeit Rechtstexte, wobei die saalfränkische Lex Salica sicherlich als besonders einflussreich aber auch als nachhaltig wirksam bezeichnet werden kann, was vor allem in der zunehmenden fränkischen Dominanz im gallorömischen Gebiet begründet liegt. Während der Herrschaft der Merowinger und der Karolinger diente die Lex Salica als offizielles Rechtsbuch der Franken, seit dem Spätmittelalter wurde sie als Legitimationsinstrument der französischen Königsdynastien genutzt. Vor allem die durch die Rechtsreform Karls des Großen modifizierte Textform Lex Salica Karolina scheint auch als Schriftstück eine gewisse Verbreitung erfahren zu haben, jedenfalls sind von ihr bis heute relativ viele Ausgaben vorhanden, die in den Klöstern des Karolingerreiches angefertigt wurden, da die Mönche meist als Einzige ihrer Zeit überhaupt des Lesens und Schreibens mächtig waren. Eines der Schriftstücke, die eine Abschrift der Lex Salica Karolina beinhaltete, war die Ende des 9. Jahrhunderts entstandene Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 4417(zukünftig als lat. 4417 bezeichnet). Doch was waren die spezifischen Kennzeichen von lat. 4417? Wie verlief die Textgeschichte der Lex Salica, wie entstand die Karolina-Fassung und was waren ihre Besonderheiten? Zur Beantwortung dieser Fragen wird die vorliegende Hausarbeit nach einer kurzen Begriffsbestimmung zunächst die allgemeine Rezeptions- und Textgeschichte der Lex Salica analysieren, wonach ausgewählte Passagen von lat. 4417 kodikologisch und paläographisch untersucht werden und eine kritische Edition angefertigt wird.

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Inhaltsverzeichnis
Kapitel
1.1) Begriffsbestimmungen
1.2) Die Etablierung der fränkischen leges barbarorum
2.) Die Rezeptions- und Textgeschichte der Lex Salica
2.1) Die Entstehung der Lex Salica
2.2) Die leges-Reform Karls des Großen und die Karolina-Fassung
2.3) Die unterschiedlichen Textformen der Lex Salica nach ECKARDT
3.) Die westfränkische Handschrift lat. 4417
3.1) kodikologische Untersuchung der Handschrift
3.2) Anmerkungen zur Entstehung und zur Provenienz
4.1) Methodische Anmerkungen
4.2) Vorbemerkungen zur kritischen Edition
4.3) Kritische Edition ausgewählter Titel
I: DE MANNIRE
II: DE FURTIS PORCORUM
4.4) Textliche Besonderheiten der edierten Textausschnitte

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Eberhard Karls Universität Tübingen

Fakultät für Philosophie und Geschichte

Historisches Seminar

Abteilung für Mittelalterliche Geschichte

HS: Lex Salica. Genese, Inhalt und Rezeption eines frühmittelalterlichen Rechtsbuchs

WS 2009/2010

Die Rezeptions- und Textgeschichte der frühmittelalterlichenleges barbarorumam Beispiel derLex Salica Karolina-Kodikologischeund paläographische Untersuchung einer

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Einleitung

Nach dem endgültigen Zusammenbruch der weströmischen Herrschaft im 5. Jahrhundert befanden sich große Teile Mitteleuropas in einem Transformationsprozess, in dessen Verlauf das poströmische Machtvakuum allmählich durch neue Strukturen ausgefüllt wurde. Träger dieser Entwicklung waren Völkerschaften, die entweder im Zuge der als „Völkerwanderung“ bezeichneten Bewegung eingewandert waren oder sich aus den hieraus resultierenden Auseinandersetzungen durch Zusammenschluss verschiedener Clanverbindungen gebildet hatten. Zur Konsolidierung ihres Machtanspruches aber auch zur inneren Organisation ihrer Herrschaft implementierten die neuen Machthaber schon in frühmittelalterlicher Zeit Rechtstexte, wobei die saalfränkischeLex Salicasicherlich als besonders einflussreich aber auch als nachhaltig wirksam bezeichnet werden kann, was vor allem in der zunehmenden fränkischen Dominanz im gallorömischen Gebiet begründet liegt. Während der Herrschaft der Merowinger und der Karolinger diente dieLex Salicaals offizielles Rechtsbuch der Franken, seit dem Spätmittelalter wurde sie als Legitimationsinstrument der französischen Königs-dynastien genutzt.1

Vor allem die durch die Rechtsreform Karls des Großen modifizierte TextformLex Salica Karolinascheint auch als Schriftstück eine gewisse Verbreitung erfahren zu haben, jedenfalls sind von ihr bis heute relativ viele Ausgaben vorhanden, die in den Klöstern des Karolingerreiches angefertigt wurden, da die Mönche meist als Einzige ihrer Zeit überhaupt des Lesens und Schreibens mächtig waren.

Eins der Schriftstücke, die eine Abschrift derLex Salica Karolinabeinhaltete, war die Ende des 9. Jahrhunderts entstandene HandschriftParis, Bibliothèque Nationale, lat. 4417(zukünftig alslat. 4417bezeichnet).

Doch was waren die spezifischen Kennzeichen vonlat. 4417?Wie verlief die Textgeschichte derLex Salica,wie entstand dieKarolina-Fassungund was waren ihre Besonderheiten? Zur Beantwortung dieser Fragen wird die vorliegende Hausarbeit nach einer kurzen Begriffsbestimmung zunächst die allgemeine Rezeptions- und Textgeschichte derLex Salicaanalysieren, wonach ausgewählte Passagen vonlat. 4417kodikologisch und paläographisch untersucht werden und eine kritische Edition angefertigt wird.

1Am Rande sei bemerkt, dass die französische Krone ihre Beständigkeit tatsächlich dem Festhalten am (übrigens falsch interpretierten) salischen Erbrecht verdankte, nachdem die weiblichen Kinder von vornherein von jeder Erbfolge ausgeschlossen waren. Alle Dynastien bis hin zu den Bourbonen entstammten (zumindest als Seitenlinien) den Kapetingern, langwierige Erbfolgekriege um den Thron in Paris blieben den Franzosen erspart. Im Gegensatz hierzu entstand z.B. der Spanische Erbfolgekrieg (1700-1713), da die Habsburger eben kein rein salisches Erbrecht anwandten. Zwar waren auch hier die weiblichen Kinder des Königs von der direkten Erbfolge ausgeschlossen, wohl konnten sie aber Erbansprüche an ihren Mann oder Sohn übertragen, weswegen sich Frankreich (da mehrere spanische Infantinnen nach Paris verheiratet worden waren) der spanischen Krone als erbberechtigt ansah.

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1.) Die frühmittelalterlichenleges barbarorumals Konsolidierungsmoment der neuen Machtverhältnisse

1.1) Begriffsbestimmungen

Unter dem Begriff derleges barbarorum2können Rechtsaufzeichnungen der germanischen Stämme zusammengefasst werden, die in der Spätantike und im frühen Mittelalter entstanden, um den neuen politischen Strukturen der poströmischen Ära Legitimität zu verleihen und um die„Stellung[der germanischen Könige, J.G.]als christliche Herrscher und Inhaber von

Staatsgewalt nach römisch-byzantinischem Vorbild herauszuheben.“3Die Bezeichnung entstand zunächst im Zeitalter des Humanismus, als er gewissermaßen die so bezeichnete „Primitivität“ der germanischen Rechtskultur gegenüber des stark rezipierten römischen Rechts verdeutlichen sollte, verblasste dann jedoch zugunsten anderer Bezeichnungen. Mittlerweile wird er in der wissenschaftlichen Diskussion in Abgrenzung zu den problematisch erscheinenden Begriffen Germanen- Volks- und Stammesrechte wieder häufiger angewandt, freilich jedoch ohne negative Konnotation. Vor allem die im 19. Jahrhundert aufkommenden Bezeichnungen Germanen- und Volksrechte werden heute mit gewisser Skepsis betrachtet, da der BegriffGermaneetymologisch wohl weniger eine Selbstbezeichnung als vielmehr eine Fremdcharakterisierung der römischen Historiographie darstellte, der v.a. durch Tacitus’Germaniaeine gewisse Ausbreitung