Die Schattenchroniken - Band 1 - Jörg Polster - E-Book

Die Schattenchroniken - Band 1 E-Book

Jörg Polster

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Beschreibung

"Ich war der Schatten, den sie jagen sollte - und wurde der Jäger dessen, was selbst Schatten fürchten." Nicolas van Haven - einst ein dunkler und mächtiger Magier aus Salem, von Rache und Macht zerfressen, von Feinden gefürchtet, von keiner Reue gebremst. Doch als er Eleanor, eine Dämonenjägerin mit silberner Klinge und brennendem Herzen, fast an den Tod verliert, verändert sich alles. Er wendet sich ab vom Pfad der Verdammnis - nur um zu dem zu werden, was er am meisten verachtete: ein Jäger. Doch nicht irgendeiner. Ein Schattenjäger - gezeichnet mit unglaublicher Macht; mit dem Wissen über die Schatten versehen, deren Herr er einmal war und getrieben von der Jagd auf jene Kreaturen, die jenseits der bekannten Welt lauern: Dämonen, Uralte, Unaussprechliches. Was als Jagd begann, wird zu einem Bund. Was sie trennt, wird von etwas Tieferem verbunden: Liebe, geboren im Kampf, genährt von Dunkelheit - und auf die Probe gestellt von einer Bedrohung, die selbst die Götter vergessen haben. Dämonen, Magie, uralte böse Macht - und zwei verlorene Seelen, die sich trotz allem gefunden haben. Der Beginn eines düsteren Fantasy-Epos über Liebe, Schuld und das Flüstern aus der Tiefe.

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Seitenzahl: 298

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1 - Der Schattenjäger

Kapitel 1 - Der Blutpakt von Salem

Kapitel 2 - Das Erbe der Finsternis

Kapitel 3 - Salem - Die Geister der Vergangenheit

Zurück in der Gegenwart

Kapitel 4 – Das Erwachen des Abgrunds

Kapitel 5 – Die Jagd beginnt

Kapitel 6 – Eleanor Blackthorne

Kapitel 7 – Funken in der Dunkelheit

Kapitel 8 – Die Schatten im Wald

Kapitel 9 – Zwischen Licht und Schatten

Kapitel 10 – Die Asche der Vergangenheit

Kapitel 11 – Boston - Die Bibliothek – ein Jahr später

Kapitel 12 - Drei Wochen später

Kapitel 13 - Ein Monat später – Mitternacht

Kapitel 14 - Blackmoor - Der Zirkel der Schatten

Kapitel 15 - Unter der Stadt

Kapitel 16 - Stimmen aus der Finsternis

Kapitel 17 - Das Tor der Verdammten

Kapitel 18 - Der Wächter erwacht

Kapitel 19 - Das letzte Licht

Kapitel 20 - Ein Funke in der Dunkelheit

Kapitel 21 - Zwischen den Welten

Kapitel 22 - Schatten im Licht

Kapitel 23 - Im Schatten des Feindes

Kapitel 24 - Der Hunger der Schatten

Kapitel 25 - Der Blick ins Nichts

Kapitel 26 - Der Dämon auf der Flucht

Kapitel 27 - In der Stille nach dem Sturm

Kapitel 28 - Die Schatten hinter dem Horizont

Kapitel 29 - Mehr als nur ein Versprechen

Buch 2- Das Flüstern der Asche

Kapitel 1 - Ein Zeichen aus der Vergangenheit

Kapitel 2 - Stimmen in der Asche

Kapitel 3 - Das Erwachen des Vergessenen

Kapitel 4 - Die Wurzel des Übels

Kapitel 5 - In den Tiefen des Vergessens

Kapitel 6 - Der Riss im Himmel

Kapitel 7 - Die Narben der Dunkelheit

Kapitel 8 - Der Weg in den Norden

Kapitel 9 - Die Hallen der Alten

Kapitel 10 - Der Riss in der Dunkelheit

Kapitel 11 - Der Aufstieg der Schatten

Kapitel 12 - Der letzte Widerstand

Kapitel 13 - Der Garten der Hoffnung

Kapitel 14 - Ein neuer Morgen

Kapitel 15 - Der Ruf des Verborgenen Waldes

Kapitel 16 - Die Tür der Eichen

Kapitel 17 - Das Verborgene Reich

Kapitel 18 - Der Fluss der verlorenen Seelen

Kapitel 19 - Der Spiegel der Seelen

Kapitel 20 - Der Ort der wahren Dunkelheit

Kapitel 21 - Der Horizont der Verwandlung

Buch 3-Kaelen

Kapitel 1 - Der Fluss der Ewigkeit

Kapitel 2 - Der verlorene Fürst

Kapitel 3 - Der Schatten der Zeit

Kapitel 4 - Der Fluch der Endlosigkeit

Kapitel 5 - Der Fürst der Zeit

Kapitel 6 - Die Schatten von Aethoria

Kapitel 7 - Der Herzschlag der Dunkelheit

Kapitel 8 - Der Schatten der Dämonen

Kapitel 9 - Der Riss der Ewigkeit

Kapitel 10 - Die Pforte des Abgrunds

Kapitel 11 - Die Zerrissene Grenze

Kapitel 12 - Das Echo der Dunkelheit

Kapitel 13 - Das Flüstern im Wind

Kapitel 14 - Das Flüstern der Ewigkeit

Kapitel 15 - Das Licht der Hoffnung

Kapitel 16 - Ein Licht in der Dunkelheit

Buch 4 - Eleanor

Kapitel 1 - Das Geheimnis der Schattenbibliothek

Kapitel 2 - Die Blutnacht von Prag

Kapitel 3 - Das Herz des Jägers

Kapitel 4 - Echos eines gestohlenen Herzens

Kapitel 5 - Der zweite Herzschlag

Kapitel 6 - Zwei Seelen, ein Herz

Kapitel 7 - Das Echo der Dunkelheit

Kapitel 8 - Die Sprache der Schatten

Kapitel 9 - Das, was in mir flüstert

Kapitel 10 - Der Ruf des Waldes

Kapitel 11 - Das Tor der Welten

Kapitel 12 - Das Opfer der Dunkelheit

Kapitel 13 -Das Erwachen des Abgrunds

Buch 5 - Dämonenkämpfe und Morwenhall

Kapitel 1 - Der Fluch des Smaragd-Dämons

Kapitel 2 - Das Lied der Verdammten

Kapitel 3 - Das Blutorakel von Karthar

Kapitel 4 -Die Toten von Morwenhall

Kapitel 5 – Die Verlorene Königin

Epilog

Buch 1 - Der Schattenjäger

Kapitel 1 - Der Blutpakt von Salem

Der Regen fiel schwer auf die Ruinen von Salem. Wind jagte durch die toten Straßen, in denen einst Leben geherrscht hatte, doch nun war nichts mehr als der Hauch vergangener Schrecken übrig. Im Zentrum der Stadt stand ein einzelner Turm aus schwarzem Stein, sein Gipfel von Blitzen umspielt.

Dort, in der Stille zwischen den Welten, saß Nicolas van Haven in seinem alten Studierzimmer. Seine Finger glitten über die aufgeschlagenen Seiten eines Buches, dessen Einband aus verdorrter Haut bestand. Die Worte darin waren alt, älter als das Reich, älter als die Götter. Wahrer Tod. Wahre Macht. Wahre Verdammnis. Ein stilles Lächeln umspielte seine Lippen. Er hatte die Geheimnisse gefunden, nach denen er so lange gesucht hatte.

Die Flammen im Kamin warfen tanzende Schatten auf die Wände, während Nicolas eine Kerze vor sich platzierte. Ihr Wachs tropfte auf den Boden, ein langsamer, stetiger Fluss, der sich mit den Linien verband, die er mit Blut gezogen hatte. Er kniete sich nieder. Die Worte fielen schwer von seinen Lip pen – keine gewöhnlichen Beschwörungen, sondern etwas, dass zwischen den Realitäten flüsterte. „Uthar’kaal, Herr des namenlosen Grabes… ich rufe dich.“ Die Flamme der Kerze zuckte. Der Raum wurde kälter. „Gib mir, was ich verlange. Gib mir… wahre Unsterblichkeit.“ Der Boden erbebte.

Dann… öffnete sich die Dunkelheit. Etwas rührte sich in der Leere. Es war kein Mensch, keine Kreatur. Es war ein Wille, eine Existenz, die nie hätte sein sollen. „Du suchst Unsterblichkeit, Nicolas van Haven?“ Die Stimme klang wie zerreißendes Fleisch. Nicolas hob den Kopf, sein Blick fest. „Ja.“ Die Dunkelheit lachte. „Und was bist du bereit zu geben?“ Er zögerte nicht. „Alles.“ Die Schatten verdichteten sich, und aus der Schwärze trat eine Gestalt. Keine Augen, nur ein verzerrtes Gesicht, das zu atmen schien. „Dann schließe den Pakt“, flüsterte sie. Und ohne zu zögern, tat Nicolas es.

Mit der ersten Welle der Macht kam der Schmerz. Nicolas keuchte und klammerte sich an den Rand des Ritualkreises, während seine Adern sich schwärzten, seine Haut heiß wurde, als würde sie von innen heraus verbrannt. Er fühlte, wie seine sterbliche Hülle riss, wie sein Geist sich dehnte, größer wurde, weiter reichte als je zuvor. Er sah die Welt hinter der Welt. Schattenwesen, uralte Entitäten, gefesselte Götter, die in den Zwischenräumen des Seins lauerten. Und er lachte.

Denn jetzt verstand er. Der Tod war eine Lüge. Er war nicht länger Nicolas van Haven, der Mensch. Er war Nicolas van Haven, der Herr der Schatten.

Seine erste Tat war ein Test seiner neuen Macht. Salem war bereits tot, doch es gab noch Überlebende. Verlorene Seelen, die in den Ruinen Schutz suchten. Er trat aus seinem Turm, und sein bloßer Anblick ließ die Nacht gefrieren.

„Knie nieder“, sagte er. Ein alter Mann, der mit seiner Familie unter einer eingestürzten Mauer kauerte, hob zitternd den Kopf. „Bitte… wir haben nichts getan…“ Nicolas schritt auf ihn zu, seine Augen glühten schwarz. „Und das ist euer größtes Verbrechen.“

Er hob die Hand. Der Mann schrie, als sein Schatten sich von ihm löste. Es war keine normale Dunkelheit mehr – es war etwas Lebendiges, etwas Hungriges. Es zerrte an ihm, verzog sein Gesicht zu einem stummen, verzweifelten Lächeln. Dann fiel er leblos zu Boden.

Nicolas betrachtete seine Hand. Seine Macht wuchs. „Ihr dient jetzt mir“, sagte er leise. Und die Schatten antworteten.

Die anderen Magier hatten von ihm gehört, ihre Familien waren durch ihn gestorben. Sie hatten von Salem gehört. Von den verschwundenen Dörfern, von den Schatten, die in der Dämmerung lauerten. Und sie hatten Angst.

Angst war eine mächtige Waffe. Sie führte zu Taten, die sonst unmöglich erschienen. Und so standen sie eines nachts vor ihm – eine Armee aus Magiern, Klerikern, Kriegern des Lichts.

„Deine Zeit ist vorbei, Nicolas“, rief einer von ihnen. Nicolas lachte. „Oh, ich denke, sie hat gerade erst begonnen.“ Er hob die Hand, und aus der Dunkelheit erhoben sich seine Diener – Kreaturen ohne Gesichter, ohne Stimmen, gefangen zwischen Existenz und Vergessen.

Der Kampf war grausam. Die Erde selbst schrie, als Magie gegen Magie prallte, Licht gegen Dunkelheit. Doch selbst Nicolas war nicht unbesiegbar. Er wusste, dass er hier und heute endete…und doch weiterlebte.

Und der lächelte.

Jahrzehnte vergingen. Irgendwo, tief unter den Ruinen von Salem, flüsterte etwas. Etwas, das nicht sterben konnte. Etwas, das wartete. Und wenn die Sterne wieder in der richtigen Konstellation standen…würde es zurückkehren.

Kapitel 2 - Das Erbe der Finsternis

Der Wind jagte durch die Ruinen von Salem, eine Stadt, die längst nur noch eine blasse Erinnerung an das war, was sie einst gewesen ist. Der Turm in ihrem Herzen – einst das Zentrum dunkler Magie – ragte wie ein zerschlagener Zahn in den blutroten Himmel.

Und in einer zerfallenen Halle kniete ein Mann. Seine Robe war schwarz wie ein sternenloser Abgrund, seine Haut bleich wie Asche. Seine Hände zitterten. Blut rann aus einer Wunde an seiner Seite, doch er beachtete es kaum.

Denn in seinen Händen hielt er das, was ihm mehr bedeutete als sein eigenes Leben. Den leblosen Körper einer Frau.

Eleanor.

Sein Atem ging flach. Sein Herz hämmerte. Das war nicht so vorgesehen gewesen. Er war Nicolas van Haven, Herr der Schatten, der dunkle Magier von Salem. Ein Name, den Generationen von Magiern und Kriegern mit Angst aussprachen. Dämonen dienten ihm. Tote erwachten auf sein Geheiß. Und doch hatte er sie nicht retten können. Seine einzige Liebe. Tot durch seine eigene Vermessenheit, seinen eigenen Hochmut.

Der Himmel donnerte, und ein einzelner Blitz riss den Nachthimmel auf. Nicolas ließ seinen Kopf sinken. Dann schrie er. Und mit diesem Schrei begann seine Verdammnis – oder seine Erlösung.

Nicolas war nicht immer ein Tyrann gewesen. Einst war er ein ehrgeiziger junger Magier, ein Gelehrter, der die Grenzen der Realität erforschte. Aber Wissen allein genügte ihm nicht – er wollte mehr. Macht, Kontrolle und ewiges Leben. Und so wandelte er auf verbotenen Pfaden. Er lernte, wie man Seelen bändigt, wie man die Schatten selbst befehligt. Dämonen flüsterten ihm Geheimnisse zu und er nahm sie dankbar an. Städte verbrannten in seinem Namen und die Welt beugte sich unter seinem Willen.

Doch Eleanor… sie hatte ihn nicht gefürchtet. Sie war eine Dämonenjägerin, wie ihr Vater, den er gerade in einem Kampf getötet hatte. Sie war die einzige gewesen, die er jemals geliebt hatte.

Und als sie sich von ihm abwandte, als sie gegen ihn kämpfte… hätte er sie töten sollen. Aber er tat es nicht. Stattdessen fiel sie für ihn. Durch eine Klinge, die ihn hätte treffen sollen. Und nun war sie fort.

Die Welt kannte kein Mitleid für Männer wie Nicolas van Haven. Er war ein Mörder, ein Tyrann, der dunkelste aller Zauberer, dessen Sünden ungezählt waren. Aber selbst für Monster gab es eine Wahl. Und so erschien er ihm.

Ein alter Mann, gekleidet in Silber und Schatten, mit einem Blick, der tiefer war als jede Dunkelheit, die Nicolas je heraufbeschworen hatte. „Du bist gefallen“, sagte der Fremde. „Und doch kniest du hier und trauerst wie ein sterblicher Mann.“ Nicolas’ Stimme war rau. „Geh, ich habe nichts mehr zu geben.“ Der Fremde trat näher. „Doch, aber das hast du. Deine Seele gehört noch immer dir. Und die Frage ist, was willst du damit tun?“ Nicolas sah auf. „Ich will sie zurückholen.“ Der alte Mann neigte den Kopf. „Dann musst du dienen.“ „Dienen?“ Nicolas lachte bitter. „Ich bin niemandes Diener.“ „Dann bleibt sie tot.“

Stille. Ein langsamer Tropfen Blut fiel von Nicolas’ Händen. Und dann… dann sprach er das Wort, das ihn für immer verändern würde. „…Wie?“

Eleanor war tot. Aber ihre Seele… war nicht gegangen. Etwas hielt sie zurück, gefangen zwischen den Welten. Und Nicolas wusste nur zu gut, was solche Seelen fraß. Dämonen. Die Kreaturen, mit denen er einst paktiert hatte. Die Wesen, die er gerufen, gefüttert und benutzt hatte. Jetzt musste er sie jagen.

Er schnitt die alten Bänder seiner Robe ab, legte seine zeremonielle Rüstung ab. Was blieb, war ein Mann, entkleidet von seinem alten Selbst, mit einer einzigen Aufgabe. Er nahm ein Schwert aus reinem Silber. Ein Dolch, geschmiedet in heiligem Feuer. Und dann ging er, um die Schatten zu töten, die er einst heraufbeschworen hatte.

Die erste Bestie fiel schnell. Die zweite wehrte sich. Die dritte – ein alter Verbündeter, ein Dämon namens Velrath – lachte ihm ins Gesicht. „Du glaubst, dass du erlöst werden kannst?“ fauchte Velrath, während das Blut aus seinen zerfetzten Flügeln tropfte. Nicolas schwieg. „Du bist einer von uns! Du warst unser Fürst!“ „Ich war ein Narr“, antwortete Nicolas und trieb das Silber in Velraths Herz. Der Dämon schrie, als er in schwarze Flammen aufging. Und Nicolas… fühlte nichts. Kein Triumph. Kein Hass. Nur… Leere. Aber er würde nicht aufhören. Nicht, bis er sie gefunden hatte.

Der letzte Dämon, der Eleanor hielt, war kein gewöhnliches Wesen. Es war ein Fürst der Hölle. Ein Wesen, dass Nicolas einst selbst beschworen hatte. Es stand zwischen den Welten, ein schattenhafter Koloss mit brennenden Augen. „Du hast keine Macht mehr hier, van Haven“, zischte es. Nicolas hob sein Schwert. „Ich brauche keine Macht. Nur meinen Willen.“ Der Kampf war lang. Jede Wunde, die Nicolas schlug, schloss sich wieder. Jeder Zauber, den er wirkte, wurde zurückgeworfen. Bis er tat, was er nie getan hatte. Er opferte sich.

Mit einem letzten verzweifelten Fluch ließ er seine eigene Seele brennen – nicht um sich zu retten, sondern um sie zu befreien. Der Dämon schrie, als die Macht ihn verzehrte. Die Schatten wichen zurück.

Und dann… war da Stille.

Nicolas wachte auf. Seine Wunden waren verheilt, aber sein Körper fühlte sich anders an. Nicht mehr von dunkler Magie durchzogen, nicht mehr von Schatten geformt. Und in seinen Armen lag Eleanor. Atmend. Lebendig.

Sie öffnete langsam die Augen und sah ihn an. „Nicolas?“ Seine Kehle zog sich zusammen. „Ja.“ Sie hob eine Hand, berührte sein Gesicht. „Du hast mich gerettet.“ Er schluckte schwer. „Ja.“ Ein leises Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Dann… ist es vorbei?“

Nicolas sah sich um. Der Himmel war klar. Das alte Salem war fort. Und mit ihm… sein altes Ich. „Nein“, sagte er. „Es fängt gerade erst an.“ Denn er war nicht länger der dunkle Magier von Salem.

Jetzt war er Nicolas van Haven, der Schattenjäger. Und die Schatten hatten allen Grund, ihn zu fürchten…Denn er kannte sie alle.

Kapitel 3 - Salem - Die Geister der Vergangenheit

Nicolas van Haven war ein stattlicher Mann. Er hat einen schlanken, durchtrainierten Körper und ein sehr männlich wirkendes Gesicht. Sein Alter würde man auf 35 Jahre schätzen, obwohl er bereits 475 Jahre alt war. Er hatte einen dunkel-grauen Bart und eine markante Nase. Seine auffällig stahlblauen Augen schauten immer sehr neugierig und wach, aber auch beruhigend und intelligent. Das Einzige, was nicht zu dem jungen Aussehen passte, waren seine komplett weißgrauen Haare. An seiner linken Hand trug er einen Siegelring mit der Figur eines Phoenix. Der Phoenix war schon immer das Symbol seiner Familie. Wenn er wütend wurde, verfärbten sich seine Augen dunkelblau mit hellen Fünkchen darin und er war früher sehr oft wütend.

Der Regen prasselte auf das alte Kopfsteinpflaster von Salem, während Nicolas van Haven mit entschlossenen Schritten durch die dunklen Gassen schritt. Sein schwarzer Mantel wehte im Wind und in seiner rechten Hand hielt er einen Stab, dessen Runen in einem unheilvollen, blauen Glühen pulsierten. Die Schatten in den Gassen schienen zu flüstern, als würden sie ihn kennen, als würden sie ihn rufen.

Früher hätte er geantwortet. Früher war er einer von ihnen gewesen.

Nicolas war einst ein dunkler Magier, gefürchtet und gehasst. Seine Macht war grenzenlos und größer als alle Magier und Hexen zusammen, sein Wille unerschütterlich. Er hatte sich mit Dämonen eingelassen, dunkle Pakte geschlossen, um unsterbliche Kräfte zu erlangen. Und er hatte Blut vergossen – so viel Blut. Doch am Ende hatte ihn die Dunkelheit fast verschlungen. Er hatte erkannt, dass er nichts weiter war als eine Marionette der Hölle, ein Werkzeug von Mächten, die ihn am Ende selbst verschlingen würden. Dann kam die Wende. Ein Ritual, dass schiefging, eine Seele, die ihn rettete, als er dem Abgrund am nächsten war – Eleanor Blackthorne. Und so wurde aus dem gefürchteten Schwarzmagier ein Jäger des Bösen.

Heute Nacht war seine Vergangenheit ihm jedoch gefährlich nah. Er blieb stehen. Vor ihm ragte ein altes Herrenhaus auf – verfallen, überwuchert, aber immer noch erfüllt von dunkler Macht. Der Ort war einst das Hauptquartier seines alten Zirkels, ein Zentrum schwarzer Magie, das er selbst mit aufgebaut hatte. Jetzt war es ein Hort für etwas noch Schlimmeres: einen Dämon aus der Unterwelt, einen alten Verbündeten, den er einst beschworen hatte und der nun frei durch Salem wanderte.

„Ich habe dich erwartet, Nicolas“, erklang eine Stimme aus der Dunkelheit. Eine Gestalt trat aus dem Schatten – hochgewachsen, mit ledriger Haut und brennenden Augen. Der Dämon, den er einst „Meister“ genannt hatte. „Dann weißt du auch, warum ich hier bin“, erwiderte Nicolas kalt und hob seinen Stab. Der Kampf gegen seine eigene Vergangenheit hatte begonnen.

Nicolas spürte, wie die Luft um ihn herum vibrierte. Magische Energie flirrte zwischen ihm und der Kreatur, die er einst befreit hatte. Der Dämon grinste mit spitzen, schwarzen Zähnen. „Du kommst zurück an den Ort, den du erbaut hast. Ist das Nostalgie oder Reue, Nicolas?“ „Weder noch.“ Nicolas wirbelte seinen Stab in der Hand. Die Runen darauf begannen heller zu leuchten, ein Zeichen, dass die uralte Magie in seinem Blut erwachte. „Ich bin hier, um dich zu vernichten.“ Der Dämon lachte kehlig. „Das hast du schon einmal versucht. Und was ist passiert? Du hast dich auf den Knien vor mir wiedergefunden.“

Nicolas erinnerte sich. Damals hatte er geglaubt, die Finsternis wäre seine Verbündete, aber sie hatte ihn verschlungen. Der Dämon hatte ihn benutzt, ihm versprochen, ihn zum mächtigsten Magier von Salem zu machen – doch am Ende war er nur eine Schachfigur gewesen. „Das war ein anderer Nicolas van Haven“, sagte er mit eisiger Stimme. Er hob die Hand, und der Regen um ihn herum fror augenblicklich zu kleinen Eiskristallen, die in der Luft schwebten. Dann ließ er sie mit einer einzigen Bewegung auf den Dämon zuschießen. Die Klingen aus Eis sirrten durch die Dunkelheit, doch die Kreatur bewegte sich mit unmenschlicher Geschwindigkeit und wich aus. „Guter Versuch.“ Der Dämon streckte die Klauen aus, und aus dem Boden schossen schwarze Tentakel, die sich nach Nicolas ausstreckten. Nicolas sprang zurück und schlug mit seinem Stab auf den Boden. Ein magischer Kreis leuchtete auf, feurige Linien brannten sich ins Pflaster. Die Schatten zischten zurück, als ob sie Angst hätten.

„Immer noch die alten Tricks, Nicolas?“ höhnte der Dämon. „Mal sehen, ob du mit meinen neuen umgehen kannst.“ Mit einer Bewegung riss Nicolas die Hand in die Luft, und plötzlich leuchteten hunderte Symbole auf – uralte Bannzeichen, die in den Wänden des Herrenhauses verborgen waren. Sie bildeten eine Falle, die Nicolas bereits vor Wochen vorbereitet hatte. Der Dämon fauchte. „Du… du hast das geplant!“ „Natürlich.“ Nicolas grinste kalt. Blitze zuckten zwischen den Zeichen, und eine unsichtbare Kraft packte den Dämon. Er schrie, als die Bannmagie ihn in Fesseln legte.

Doch dann – ein Riss in der Realität. Etwas Dunkles, etwas noch Mächtigeres regte sich in der Luft hinter dem Dämon. Ein Schattentor öffnete sich. Und eine Stimme drang heraus. „Nicolas van Haven… du gehörst uns immer noch.“ Nicolas erstarrte. Er kannte diese Stimme. Seine Vergangenheit war noch nicht bereit, ihn loszulassen.

Der Regen klatschte schwer auf das Kopfsteinpflaster, doch Nicolas hörte ihn kaum. Die Stimme aus dem Riss in der Realität war wie ein Messer in seinem Geist. Tief, hallend, durchzogen von Schatten und Erinnerungen. Es war die Stimme seines alten Meisters. Seiner eigenen dunklen Vergangenheit. Nicolas wusste, dass er sich nicht ablenken lassen durfte. Der Bannkreis hielt den Dämon gefangen, aber wenn das Schattentor vollständig aufbrach, würde etwas weitaus Schlimmeres hindurchtreten. Und doch konnte er nicht verhindern, dass sein Geist in die Vergangenheit glitt…

Jahrzehnte zuvor

Salem hatte eine andere Gestalt gehabt, damals, als Nicolas noch ein Schüler der Dunklen Künste gewesen war. Er war nicht immer ein gefürchteter Schwarzmagier gewesen – einst war er ein verzweifelter junger Mann mit einem einzigen Ziel: Macht. Als Kind hatte er gesehen, wie seine Familie von Hexenjägern in Brand gesteckt wurde. Die Van Havens waren eine alte Magierdynastie, aber die Menschen von Salem hatten sich vor ihrer Macht gefürchtet. Eines nachts hatten sie das Haus der Van Havens angezündet, seine Eltern und Geschwister im Feuer brennen lassen. Nicolas war der Einzige, der entkam.

Verlassen, voller Hass, schwor er, nie wieder schwach zu sein. Er fand seinen Weg zu einem Zirkel von Schwarzmagiern, die ihn unter ihre Fittiche nahmen. Sie lehrten ihn, dass Magie nicht gebunden oder gezähmt werden sollte – dass sie genommen werden musste, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Er lernte, mit Dämonen zu sprechen, sie zu beschwören, sie zu beherrschen. Doch niemand konnte die Hölle wirklich beherrschen. Sein Meister war kein Mensch gewesen. Nicht wirklich.

Er hatte viele Namen getragen, doch die Hexer nannten ihn Malakar. Eine uralte Entität, ein Dämon, der seine Diener mit Wissen fütterte – und dann ihre Seelen verschlang. Nicolas war sein talentiertester Schüler gewesen. Der Beste. Und das wurde ihm beinahe zum Verhängnis. Eines Nachts – in einer Zeremonie, die ihm unsterbliche Macht verleihen sollte – hatte Nicolas die Wahrheit erkannt. Er war nicht auserwählt, er war nicht mächtig. Er war nichts weiter als ein Gefäß. Malakar wollte ihn nicht zu einem dunklen Gott erheben. Er wollte Nicolas übernehmen. Sein Körper sollte zum neuen Avatar des Dämons werden.

Etwas in Nicolas rebellierte. Vielleicht war es die Erinnerung an seine Familie. Vielleicht war es Angst. Vielleicht war es etwas, das tief in ihm verborgen lag – ein letzter Funke Menschlichkeit. Statt sich Malakar hinzugeben, wandte Nicolas sein gesamtes Wissen gegen ihn. Er verriet seinen eigenen Zirkel, nutzte ihre Magie, um Malakar in die Schatten zu verbannen. Der Kampf war brutal. Der Preis war hoch. Nicolas überlebte, aber sein Körper und seine Seele wurden für immer gezeichnet. Und jetzt… Jetzt rief Malakar wieder nach ihm.

Zurück in der Gegenwart

Der Riss in der Realität pulsierte. Der Bannkreis um den gefangenen Dämon begann zu flackern. „Du kannst dich nicht ewig vor mir verstecken, Nicolas“, flüsterte die Stimme aus dem Abgrund. „Du bist immer noch mein.“ Nicolas ballte die Faust. Sein Stab zitterte in seiner Hand. Nicht diesmal. Nicht wieder. Er hatte seine Vergangenheit einmal besiegt. Er würde es noch einmal tun.

Kapitel 4 – Das Erwachen des Abgrunds

Nicolas sog scharf die Luft ein. Der Regen um ihn herum schien stillzustehen, als das Schattentor weiter aufbrach. Dunkle Nebelschwaden krochen daraus hervor, verzerrten die Umgebung, als würden sie die Realität selbst verschlingen.

Der Dämon in seinem Bannkreis lachte leise. „Er kommt… du kannst ihn nicht aufhalten, Nicolas.“ Nicolas ignorierte ihn. Sein Blick blieb auf den Riss fixiert. Malakar.

Er hatte geglaubt, ihn verbannt zu haben. Hatte gedacht, die dunklen Pakte seien gebrochen. Aber Malakar war nie wirklich verschwunden. Er hatte nur gewartet. Und jetzt, da Nicolas sich seinem alten Leben wieder näherte, öffnete sich die Tür erneut. Flüsternde Stimmen drangen aus dem Riss. Die Stimmen derer, die er einst geopfert hatte. Die Seelen, die er für Macht verraten hatte. „Erinnere dich, Nicolas…“ Bilder blitzten vor seinen Augen auf. Ein junges Mädchen, das ihn um Gnade anflehte, während er mit einem Dolch dunkle Runen in die Erde ritzte. Ein alter Magier, der ihn warnte – und den er in Feuer aufgehen ließ. Seine eigenen Hände, blutverschmiert, während er einen letzten Zauber sprach, um Malakar zu täuschen.

Ein Schatten packte seinen Geist. Sein Körper fühlte sich schwer an. Die alte Schuld, die alte Dunkelheit zog ihn hinab. „Nein“, murmelte er, kämpfte gegen das Ziehen. „Gib nach“, flüsterte Malakar. „Du kannst nicht entkommen.“ Nicolas fiel auf ein Knie. Er spürte, wie der Bannkreis um den Dämon schwächer wurde. Er durfte nicht verlieren. Nicht wieder.

Mit letzter Kraft griff er in seine Manteltasche und zog ein kleines Amulett hervor – ein silbernes Medaillon mit eingravierten Schutzzeichen und einem eingravierten Phoenix. Es war kein Artefakt der dunklen Magie. Es war ein Erbstück. Das Letzte, was von seiner Familie geblieben war. Er presste es gegen seine Stirn und konzentrierte sich. Er war nicht mehr der Nicolas von damals. Er war nicht mehr das Werkzeug der Dunkelheit. Ein Licht flackerte in seiner Brust auf. Erst klein, dann größer, stärker. Der Bannkreis erstarkte, die flackernden Runen brannten wieder heller. Die Schatten um ihn herum wichen zurück. „Nein!“, fauchte Malakars Stimme aus dem Riss. „Das ist nicht deine Natur, Nicolas! Du bist einer von uns!“

Nicolas öffnete die Augen – und sie leuchteten in einem hellen, blauen Licht. „Nicht mehr.“ Er rammte seinen Stab in den Boden. Der Phoenix auf seinem Siegelring und dem Amulett leuchtete in einem brennenden Rot auf und eine Welle aus Licht breitete sich aus, fegte durch die Straße, zerschlug die dunklen Tentakel. Das Schattentor begann zu zucken, als würde es sich gegen den Bann wehren, doch Nicolas verstärkte den Druck. Der Dämon in der Falle schrie, als der Bann ihn einhüllte.

Nicolas murmelte eine letzte Formel – eine, die er selbst entwickelt hatte. Keine dunkle Magie. Keine korrumpierten Worte. Eine Magie, die er sich selbst geschworen hatte, nur gegen seine alten Sünden zu nutzen.

Das Schattentor brach mit einem gellenden Kreischen in sich zusammen. Der Dämon wurde in Flammen gehüllt, schrie noch einmal – dann verpuffte er.

Stille.

Nicolas atmete schwer. Der Regen setzte wieder ein, als hätte die Welt kurz den Atem angehalten. Er hatte gesiegt. Diesmal wirklich. Doch tief in seinem Inneren wusste er: Malakar würde nicht aufgeben. Dies war nur der Anfang.

Kapitel 5 – Die Jagd beginnt

Der Wind blies die letzten Reste dunkler Magie aus der Gasse, während Nicolas sich schwer auf seinen Stab stützte. Der Kampf hatte ihn mehr Kraft gekostet, als er zugeben wollte.

Doch er hatte gewonnen. Vorerst. Der Schattentor war geschlossen, der Dämon vernichtet. Aber Malakars Stimme hallte noch immer in seinem Kopf nach. „Du gehörst uns immer noch…“ Nicolas ballte die Faust um den Griff seines Stabes. „Verdammt“, murmelte er.

Er hatte sich immer wieder eingeredet, dass seine Vergangenheit hinter ihm lag. Dass er sie in Ketten gelegt hatte, so wie er die Kreaturen der Dunkelheit jetzt jagte. Doch er hatte sich getäuscht. Malakar war noch da. Und wenn Nicolas nicht handelte, würde er wiederkommen – stärker als zuvor.

Er konnte nicht warten. Er musste die Jagd eröffnen. Seine Gedanken wurden von einem neuen Geräusch unterbrochen – Schritte. Nicolas wirbelte herum, sein Stab leuchtete auf. Eine Gestalt stand am Rand der Gasse, verborgen unter einem Kapuzenmantel. „Du hast ihn also gespürt.“ Die Stimme war ruhig, fast amüsiert. Weiblich. Nicolas erkannte sie sofort. „Eleanor.“ Die Kapuze glitt zurück, und darunter kam das ernste Gesicht einer Frau zum Vorschein. Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten, als sie ihn musterte. Langes schwarzes Haar fiel über ihre Schultern, und an ihrem Gürtel baumelte ein verziertes Messer mit eingravierten Schutzrunen. Eleanor Blackthorne – Jägerin der Verdammten. Und früher eine seiner erbittertsten Feindinnen und seine heimliche Liebe.

„Ich habe das Schattentor gespürt“, sagte sie und trat näher. „Und den Dämon. Und dich.“ Nicolas nickte langsam. „Ich habe ihn vernichtet.“ Eleanor verschränkte die Arme. „Vielleicht. Aber du hast Malakar aufgescheucht. Ich nehme an, du hast nicht vor, auf den nächsten Angriff zu warten?“ „Ich werde ihn finden, bevor er sich erholt.“ Eleanor schnaubte. „Hört sich nach Selbstmord an.“ „Vielleicht.“ Nicolas sah sie ernst an. „Aber, wenn Malakar wirklich zurückkehrt, wird er sich nicht mit mir begnügen. Er wird Salem verschlingen.“ Eleanor musterte ihn schweigend. Dann seufzte sie. „Dann solltest du besser Hilfe haben.“

Nicolas hob eine Augenbraue. „Du willst mir helfen?“ Eleanor lächelte schief. „Sagen wir, ich kann dich nicht einfach sterben lassen. Wer soll dann all die Dämonen erledigen, die du einmal freigesetzt hast?“

Nicolas lachte leise. Sie war immer noch dieselbe – scharfzüngig, misstrauisch, aber verlässlich, wenn es darauf ankam. „Dann los“, sagte er und drehte sich um. „Wir haben einen Dämon zu jagen.“Gemeinsam verschwanden sie in der Nacht. Die Jagd hatte begonnen.

Kapitel 6 – Eleanor Blackthorne

Eleanor folgte Nicolas lautlos durch die regennassen Straßen von Salem. Sie bewegte sich mit der Gewandtheit eines Raubtiers – geschmeidig, aber immer bereit zum Angriff. Nicolas hatte sie vor Jahren kennengelernt, als sie noch eine erbitterte Jägerin war, die ihn lieber tot als lebendig gesehen hätte. Damals hatte er es ihr nicht übelnehmen können, so kalt und grausam, wie er einst gewesen ist.

Eleanor Blackthorne entstammte einer alten Blutlinie von Dämonenjägern, die sich geschworen hatten, alles zu vernichten, was aus der Finsternis kroch. Ihr Vater, Gabriel Blackthorne, war einer der gefürchtetsten Jäger seiner Zeit gewesen – ein Mann, der kein Erbarmen kannte. Doch er war nicht von einem Dämon getötet worden.

Sondern von Nicolas. Er erinnerte sich noch an diese Nacht. Er war damals noch tief in der Dunkelheit gefangen gewesen, ein Magier, der keine Grenzen kannte. Gabriel Blackthorne hatte versucht, ihn aufzuhalten – und Nicolas hatte ihn vernichtet. Ohne Zögern. Ohne Reue.

Eleanor hatte ihn dafür gejagt. Jahrelang. Sie hätte ihn fast erwischt. Aber dann hatte sich alles geändert. Als Nicolas sich gegen die Finsternis wandte und begann, Dämonen zu jagen, war sie es gewesen, die ihn zuerst gefunden hatte. Sie hätte ihn töten können. Hätte es vielleicht sogar tun sollen. Doch irgendetwas hatte sie davon abgehalten. Vielleicht, weil sie erkannte, dass er nicht mehr derselbe war. Vielleicht, weil sie unbewusst wusste, dass sie ihn brauchen würde.

Jetzt kämpften sie Seite an Seite, aber Nicolas wusste, dass sie ihm wahrscheinlich nie völlig vertrauen würde. „Du bist still“, sagte er schließlich, ohne sich umzudrehen. Eleanor seufzte. „Ich frage mich nur, ob das klug ist.“ „Was?“ „Mit dir zu arbeiten.“ Nicolas blieb stehen und drehte sich langsam zu ihr um. „Du bist nicht hier, weil du mich magst, Eleanor“, sagte er ruhig. „Du bist hier, weil du weißt, dass ich die einzige Chance bin, Malakar zu vernichten.“

Sie sah ihn einen Moment an, dann zuckte sie die Schultern. „Vielleicht.“ Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. „Oder ich warte nur auf den Moment, in dem du wieder schwach wirst, damit ich dich erledigen kann.“ Nicolas lachte leise. „Dann hoffe ich, du wartest noch ein bisschen.“ Eleanor grinste, aber in ihren Augen blitzte ein Funke dunkler Erinnerung auf. Sie hatte ihm verziehen, aber sie hatte ihn nicht vergessen. Und vielleicht, dachte Nicolas, war das auch gut so.

Kapitel 7 – Funken in der Dunkelheit

Die Straßen von Salem lagen still unter dem bleichen Licht des Mondes. Nicolas und Eleanor bewegten sich lautlos durch die Gassen, während das Geräusch des abflauenden Regens auf den Pflastersteinen verhallte. Sie folgten einer Spur – dunkle Magie, die noch in der Luft lag, ein Rest von Malakars Einfluss. Es führte sie hinaus aus der Stadt, Richtung Norden, wo die alten Wälder begannen. „Wie sicher bist du, dass wir hier richtig sind?“ fragte Eleanor schließlich und brach die Stille. „So sicher, wie man es sein kann, wenn man einen uralten Dämon jagt“, erwiderte Nicolas trocken. Eleanor lachte leise. „Also gar nicht.“

Nicolas konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte ihn immer schon mit ihrem Sarkasmus aus der Fassung bringen wollen. Doch tief unter ihrer kühlen Fassade lauerte etwas anderes – Wut, Schmerz… und etwas, das ihn mehr beunruhigte als alles andere: Sorge. Er spürte ihren Blick auf sich. „Was ist?“ fragte er. Eleanor zögerte einen Moment, bevor sie den Kopf schüttelte. „Nichts.“ Nicolas blieb stehen. „Das war nicht ‚nichts‘.“

Sie seufzte und trat näher. Der Regen hatte feine Tropfen in ihren dunklen Haaren hinterlassen, und ihr Gesicht war angespannt. „Ich frage mich nur… wann du mich wieder verrätst.“ Nicolas spürte, wie ihm die Worte einen Stich versetzten. „Eleanor…“

„Nein, hör zu.“ Sie verschränkte die Arme. „Ich weiß, dass du dich verändert hast. Ich weiß, dass du jetzt gegen das kämpfst, was du früher warst. Aber tief in dir… gibt es da noch etwas von ihm? Von dem Mann, der meinen Vater getötet hat?“ Stille.

Nicolas wusste, dass er lügen könnte. Er könnte behaupten, dass er rein war, dass kein Schatten mehr in ihm lauerte. Aber sie würde es durchschauen. Also sagte er die Wahrheit. „Ja.“ Eleanor zuckte leicht zusammen, als hätte sie diese Antwort nicht erwartet. „Aber ich kämpfe dagegen“, fuhr er fort. „Jeden einzelnen Tag.“ Ihre Augen musterten ihn lange, als würde sie nach einer Lüge suchen. Doch sie fand keine. Langsam lockerten sich ihre Schultern. „Das ist das Erste, was du je gesagt hast, dass ich wirklich glaube“, murmelte sie.

Nicolas öffnete den Mund, doch in diesem Moment geschah es. Ein Rascheln im Gebüsch. Ein dunkler Schatten zwischen den Bäumen. Beide fuhren herum, ihre Waffen sofort bereit. „Wir sind nicht allein“, sagte Eleanor leise. Nicolas spürte die dunkle Präsenz – eine Kreatur, die auf sie lauerte. Doch bevor sie sich darauf konzentrieren konnte, spürte er etwas anderes. Eleanors Hand lag für einen Sekundenbruchteil auf seiner. Nur eine Berührung. Kaum spürbar. Doch in dieser Nacht, inmitten der Dunkelheit, fühlte sie sich wie eine leise Hoffnung an. Dann löste sie sich, zog ihren Dolch und trat in Kampfhaltung. Nicolas tat dasselbe.

Es gab noch so viel zu sagen. Aber zuerst mussten sie überleben.

Kapitel 8 – Die Schatten im Wald

Der Wald war still. Zu still. Nicolas kannte diese Art von Stille – sie war nicht natürlich. Keine Tiere, kein Wind, nicht einmal das leise Rascheln von Blättern. Es war, als hätte die Dunkelheit selbst den Atem angehalten.

Eleanor spürte es ebenfalls. Sie stand reglos neben ihm, den Dolch in der Hand, ihre Augen wachsam auf die Schatten zwischen den Bäumen gerichtet. „Wie viele?“ fragte sie leise. Nicolas schloss die Augen und konzentrierte sich. Er ließ seine Magie durch die Umgebung fließen, suchte nach Bewegungen, nach unnatürlicher Energie. Ein Kälteschauer lief ihm über den Rücken. „Drei“, sagte er schließlich. „Nein… vier.“ Eleanor spannte die Muskeln an. „Dämonen?“

„Ja.“ Er spürte sie näherkommen. Die Dunkelheit um sie herum verdichtete sich, formte sich zu etwas Greifbarem. Ein leises Kratzen. Ein lechzendes Keuchen. Dann – Bewegung.

Etwas schoss aus den Bäumen, schnell wie ein Pfeil. Schwarze Klauen blitzten im Mondlicht auf. Eleanor wich im letzten Moment zur Seite aus, wirbelte herum und rammte ihren Dolch in die Kreatur. Ein entsetzlicher Schrei zerriss die Stille. Ein zweites Wesen sprang Nicolas an. Er riss den Stab hoch, und eine Welle blauen Lichts explodierte aus seiner Handfläche. Die Kreatur wurde zurückgeschleudert, krachte gegen einen Baum und zuckte noch einmal, bevor sie sich in schwarze Asche auflöste. „Sie testen uns“, keuchte Eleanor. Nicolas sah sich um. Zwei Dämonen waren noch übrig – und sie hielten sich zurück, beobachteten sie. „Sie sind nicht hier, um uns zu töten“, sagte er langsam. „Sie halten uns nur auf.“

Eleanor fluchte. „Malakar.“ Es war eine Ablenkung. Doch bevor sie etwas unternehmen konnten, griffen die Dämonen erneut an. Eleanor war schneller. Sie sprang hoch, trat sich von einem Baumstamm ab und landete auf dem Rücken eines der Wesen. Mit einer schnellen Bewegung riss sie ihren Dolch durch dessen Hals. Schwarzes Blut spritzte, der Dämon kreischte und zerfiel zu Schatten. Der letzte Dämon war bei Nicolas. Seine Klauen schnitten durch die Luft, knapp an seinem Gesicht vorbei. Nicolas murmelte eine Formel, und der Boden unter der Kreatur zitterte. Plötzlich brachen Ranken aus der Erde, aus reinem Licht geformt, und packten das Wesen.