Die schöne Römerin - Melanie Rhoden - E-Book

Die schöne Römerin E-Book

Melanie Rhoden

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Die angenehme Frauenstimme aus dem Bordlautsprecher bat die Fluggäste, das Rauchen einzustellen und die Sicherheitsgurte anzulegen. Fürst André von Hornstein kam der Aufforderung nach und warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. Es sah so aus, als ob die Maschine auf die Minute pünktlich in Rom landen würde. Sandra Mangini wird in der Bar schon auf mich warten, dachte er. Wenn es keine weiteren Pannen gibt, schaffe ich es bis zur Konferenz in Paris, die rote Mappe durchzuarbeiten. Die silbrig glänzende Maschine zeichnete ihre Bahn durch den tiefblauen südlichen Himmel, zog über dem Häusermeer der Stadt am Tiber eine Kehre und setzte zur Landung an. Wenige Minuten später rollte sie mit pfeifenden Turbinen auf der Betonpiste hinüber zum Abfertigungsgebäude. Als der junge Fürst mit sportlich elastischen Schritten die Gangway hinunter lief, bat ihn die Stewardeß: »Durchlaucht, wir haben nur vierzehn Minuten Zeit!« »Ich werde pünktlich sein«, versprach André von Hornstein und fand doch noch Zeit zu bemerken, wie strahlend hellblau die Augen der Stewardeß waren. »Nichts kann mißlingen, ich habe alles bestens organisiert!« Schnell überquerte er den freien Platz und war fest davon überzeugt, daß alle Ereignisse ablaufen würden wie vorgeplant. Er konnte nicht ahnen, daß ausgerechnet in diesen vierzehn Minuten eine ganze Kette von schicksalhaften Ereignissen ihren Anfang nehmen würde, Ereignisse, die sein Leben sehr verändern sollten. Durch die Glastür zur Bar des Flughafens entdeckte er die etwas füllige, durchaus reizvolle Sandra, die am Tresen saß und ihn erwartete. Dabei übersah er, daß zugleich mit ihm eine junge Dame die Tür erreichte und ebenfalls eintreten wollte. Es geschah in der Eile, daß er sich durch den Eingang drängte. Erschrocken blickte er dann in das Gesicht einer Südländerin. Große dunkle Augen funkelten ihn unwillig an. Ein Gesicht von klassischer Schönheit und doch sehr ausdrucksstark! Die vollen, fast schon üppigen Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Lächeln und flüsterten in italienischer Sprache: »Sehr schlecht erzogen!«

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Fürstenkrone Classic – 48 –

Die schöne Römerin

Wie Fürst André in Paris sein Herz verlor …

Melanie Rhoden

Die angenehme Frauenstimme aus dem Bordlautsprecher bat die Fluggäste, das Rauchen einzustellen und die Sicherheitsgurte anzulegen. Fürst André von Hornstein kam der Aufforderung nach und warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. Es sah so aus, als ob die Maschine auf die Minute pünktlich in Rom landen würde.

Sandra Mangini wird in der Bar schon auf mich warten, dachte er. Wenn es keine weiteren Pannen gibt, schaffe ich es bis zur Konferenz in Paris, die rote Mappe durchzuarbeiten.

Die silbrig glänzende Maschine zeichnete ihre Bahn durch den tiefblauen südlichen Himmel, zog über dem Häusermeer der Stadt am Tiber eine Kehre und setzte zur Landung an. Wenige Minuten später rollte sie mit pfeifenden Turbinen auf der Betonpiste hinüber zum Abfertigungsgebäude.

Als der junge Fürst mit sportlich elastischen Schritten die Gangway hinunter lief, bat ihn die Stewardeß: »Durchlaucht, wir haben nur vierzehn Minuten Zeit!«

»Ich werde pünktlich sein«, versprach André von Hornstein und fand doch noch Zeit zu bemerken, wie strahlend hellblau die Augen der Stewardeß waren. »Nichts kann mißlingen, ich habe alles bestens organisiert!«

Schnell überquerte er den freien Platz und war fest davon überzeugt, daß alle Ereignisse ablaufen würden wie vorgeplant. Er konnte nicht ahnen, daß ausgerechnet in diesen vierzehn Minuten eine ganze Kette von schicksalhaften Ereignissen ihren Anfang nehmen würde, Ereignisse, die sein Leben sehr verändern sollten.

Durch die Glastür zur Bar des Flughafens entdeckte er die etwas füllige, durchaus reizvolle Sandra, die am Tresen saß und ihn erwartete. Dabei übersah er, daß zugleich mit ihm eine junge Dame die Tür erreichte und ebenfalls eintreten wollte.

Es geschah in der Eile, daß er sich durch den Eingang drängte. Erschrocken blickte er dann in das Gesicht einer Südländerin. Große dunkle Augen funkelten ihn unwillig an. Ein Gesicht von klassischer Schönheit und doch sehr ausdrucksstark! Die vollen, fast schon üppigen Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Lächeln und flüsterten in italienischer Sprache: »Sehr schlecht erzogen!«

Dann erschrak sie, als der große hellblonde Deutsche in fast akzentfreiem Italienisch antwortete: »Verzeihen Sie, bitte! Ich war in Gedanken…«

Einige Sekunden lang zögerte sie, als bedauerte sie schon ihre ärgerlichen Worte. Die dunklen, samtig schimmernden Augen verrieten sogar etwas zuviel Interesse an dem Fremden. Sie faßte sich sofort wieder, nickte ihm kurz zu und betrat die Flughafenbar durch die Tür, die er ihr nun offenhielt.

Mit den sicheren, eleganten, leicht wiegenden Schritten einer jungen Frau, die sich ihrer Wirkung wohl bewußt war, durchquerte sie den Raum und spürte wahrscheinlich die Blicke, die ihr der blonde Fürst nachschickte.

Er wäre kein Mann gewesen, hätte ihn nicht ihre Erscheinung fasziniert: groß, sehr elegant, nach letzter Mode der römischen Haute-couture gekleidet; langes seidiges Haar von einem ungewöhnlichen Schwarzbraun, unübersehbare Formen und makellose Beine.

Für einige Sekunden vergaß Fürst André von Hornstein, daß ihn an der Bar eine andere junge Dame erwartete, die Repräsentantin der Hornstein-Chemie in Rom.

»Durchlaucht«, flüsterte eine weibliche Stimme neben ihm. Da erwachte von Hornstein aus seinen gefährlichen Träumen und kehrte ganz zur Wirklichkeit zurück. Signorina Mangini war ein ganzes Stück kleiner als er. Sie mußte zu ihm aufschauen. »Ich habe es geschafft! In meinem Handkoffer sind die Papiere. In letzter Minute konnte ich gutmachen, was unsere Herrn Direktoren angerichtet hatten!« sagte sie stolz und strahlte ihn an.

»Die Konferenz ist gerettet! Es lebe die Tüchtigkeit der Frauen!« lachte der Fürst. Ihm fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen. Voll ehrlicher Freude legte er zur Begrüßung die Arme um Sandra Mangini und küßte sie herzlich auf beide Wangen.

»Durchlaucht!« Sandras errötete Wangen wirkten besonders reizvoll. »Sie lernen noch ganz die italienische Art der Begrüßung!«

»Wenn Sie mir aber auch eine so wunderbare Nachricht bringen! Nun kann uns nichts Unangenehmes mehr geschehen!«

Unwillkürlich suchte sein Blick die Bar nach der unbekannten Schönen ab, deren Blick aus dunklen Samtaugen ihn ganz seltsam verzaubert hatte. Dabei merkte er, daß auch sie – zufällig – zu ihm herschaute, und er gab rasch San­dra Mangini aus seinen Armen frei.

Die Unbekannte wandte sich ärgerlich ab. Sie sprach mit einem Herrn von ebenso elegantem wie attraktivem Aussehen. Fürst André von Hornstein fand ihn sofort unsympathisch, arrogant, zu sehr von seiner Schönheit überzeugt. Im ganzen ein »leerer Schönling«!

Wieder störte Sandra Mangini seine Gedanken.

»Höchste Zeit, daß wir an Bord gehen! Unser Flug wurde schon zweimal ausgerufen.«

»Worauf warten wir noch!« stimmte ihr Fürst André bei und beobachtete doch insgeheim, wie sich die Unbekannte bei dem »Schönling« unterhakte. Ein kleiner Freudenblitz durchzuckte den Fürsten, denn ihm wurde klar, daß auch sie für dieselbe Maschine gebucht haben mußte. Er fragte sich nicht, weshalb er sich freute, befand sie sich doch in Begleitung des blendend aussehenden Italieners, der sie besorgt, fast schon zärtlich, geleitete. Als sie mit diesem nun an Fürst André von Hornstein vorüber ging, schenkte sie ihm wieder einen Blick. In ihren samtig schimmernden Augen lag ein Ausdruck von weiblicher Neugierde und einem gewissen Interesse. Erst als sie merkte, daß auch er sie fasziniert betrachtete, wandte sie sich in vollendeter Arroganz ab.

»Durchlaucht«, mahnte ihn Sandra Mangini zum dritten Mal mit unverändert geduldiger Stimme. »Wollen Sie bitte die Mappe mit den Papieren übernehmen? Ich schlage drei Kreuze, wenn ich die Verantwortung dafür losgeworden bin.«

Also ließ sich Fürst André eine rote Aktenmappe geben. Darin befanden sich jene geheimen Unterlagen der Hornstein-Chemie, ohne die es gar nicht möglich gewesen wäre, an der Pariser Konferenz teilzunehmen. Eine Stimme aus dem Lautsprecher bat Fürst Hornstein, sich unverzüglich zur Maschine zu begeben. Nun beeilten sie sich sehr. Der blonde Deutsche mit seinen langen Beinen hatte es da leichter als Sandra Mangini, die nicht nur viel kleiner war als er, sondern dazu noch sehr hochhackige Schuhe trug. Der Fürst war ihr behilflich und reichte ihr seinen Arm als Stütze. Dennoch stolperte Sandra auf der Gangway und wäre beinahe gestürzt, hätte er sie nicht in seinen Armen aufgefangen.

»Danke, Durchlaucht«, flüsterte Sandra Mangini lachend.

»War mir ein besonderes Vergnügen!« gab er, galant scherzend, zurück. Er ärgerte sich jedoch ein wenig, als er merkte, daß die Unbekannte auch diese Szene beobachtet hatte. Wieder stand um ihre Lippen ein kleines spöttisches Lächeln. Gleich darauf wandte sie sich ihrem Begleiter zu, den der Fürst in Gedanken als »Schönling« abgetan hatte. Als sie wenige Minuten später die Sicherheitsgurte anlegte, ließ sie sich vom »Schönling« dazu helfen, was dieser zu kleinen Zärtlichkeiten mißbrauchte. Nun las der Fürst in ihren schwarzen Samtaugen Funken von Triumph und grausamer Freude.

Mit einigem Erstaunen stellte André von Hornstein fest, daß ihm diese unbekannte Italienerin nicht ganz gleichgültig war und zwischen ihnen etwas wie ein stummer, erbitterter Kampf ablief.

Sandra Mangini hingegen kam auch ohne jede Hilfe mit ihrem Sicherheitsgurt zurecht. Für sie bedeutete das Reisen im Flugzeug nichts Ungewöhnliches. Aber sie wäre keine Frau gewesen, hätte sie nicht längst gemerkt, daß zwischen jener attraktiven jungen Römerin und dem Fürsten von Hornstein eine ganz seltsame Spannung bestand.

»Durchlaucht, ich hoffe, unsere Aktionen in Paris werden volle Erfolge bringen«, sagte die Mangini nach einer ganzen Weile, als sie schon die Gurte wieder abgelegt hatte.

»Das hoffe ich auch«, stimmte ihr der »oberste Chef« zu. Aber Fürst Andrés Stimme klang nicht ungetrübt heiter.

*

Nach der Landung auf dem Flughafen von Orly ergab sich für André von Hornstein eine unerwartet günstige Gelegenheit, die unbekannte Römerin doch noch näher kennenzulernen. Es entstand nämlich einige Verwirrung, als bekannt wurde, daß seit einer Stunde die Taxifahrer von Paris in einen unbefristeten Streik getreten waren. Vor dem Flughafengebäude herrschte Verärgerung und Ratlosigkeit. Als der große elegante Achtzylinder vorfuhr und ein Chauffeur in Uniform für den Fürsten die Tür offenhielt, entdeckte André soeben die Römerin mit ihrem Begleiter. Verständlich, daß sie sich suchend umblickten: kein Taxi!

»Verzeihung!« sagte in diesem Augenblick von Hornstein zu ihr. »Erlauben Sie, daß ich mein Mißgeschick in der Flughafenbar von Rom wettmache? Ich bringe Sie gern in die Stadt, wohin Sie wollen!«

Ganz flüchtig übersonnte ein Lächeln das klassisch schöne Gesicht der jungen Dame, dann nahm es gleich wieder einen abweisenden, fast arroganten Ausdruck an. Etwas abschätzend schaute sie auf Sandra Mangini und sagte: »Zu freundlich! Wir haben unseren eigenen Wagen.« Und als im nächsten Augenblick ein Maserati vorfuhr, das Prachtstück eines jeden Autosalons, rief sie dem »Schönling« am Steuer zu: »Endlich, Romolo! Hier gibt es zuviel Gedränge! Fahren wir los, Amore!«

Ein flüchtiges, betont gleichmütiges Kopfnicken zu dem blonden deutschen Fürsten hin, und schon war sie in den Sportwagen gestiegen.

»Man sollte nie zu hilfsbereit sein wollen!« knurrte Fürst André ärgerlich, aber Sandra Mangini erkannte doch, daß ihn viel mehr seine etwas angeschlagene männliche Eitelkeit schmerzte. Seit zwei Jahren war sie rettungslos und unglücklich in den Fürsten verliebt, aber in all dieser Zeit war es ihr gelungen, diese Gefühle vor ihm zu verheimlichen. Er hingegen verriet ganz undiplomatisch seine Empfindungen für diese aufregend schöne Römerin schon in der ersten Stunde des Kennenlernens. Dabei war es zu einem Kennenlernen überhaupt nicht gekommen, und Sandra Mangini tröstete sich mit der Überzeugung, daß somit die »Bekanntschaft« wieder ein Ende gefunden hätte.

Die Möglichkeit, daß sie einander in Paris noch jemals begegnen würden, stand nur eins gegen etwa drei Millionen, denn so viele Menschen lebten in der Lichterstadt an der Seine.

»Ich kann diese jungen Schönlinge, Angeber und Muskelprotze ohne Hirn und Herz nicht ausstehen«, murmelte Fürst André erbittert.

Er hatte bestimmt nicht gewollt, daß Sandra Mangini diese Worte hören sollte. Die junge Frau fühlte sich jedoch zu einer Antwort verpflichtet.

»Auch ich als Italienerin mag diesen Männertyp nicht. Hingegen lieben wir blonde große Männer, keine verspielten Jungen, sondern richtige Männer…«

Sie verstummte erschrocken, weil sie merkte, daß diese Beschreibung verdächtig genau auf den Fürsten von Hornstein zutraf. Um nichts in der Welt hätte sie ihm gestehen wollen, für wen ihr Herz verzweifelt hoffnungslos schlug. Beide versanken in Gedanken.

Erst als sie das elegante Hotel betreten hatten und die Hausdiener sie in ihre Apartments führten, bat der Fürst: »Sandra, kommen Sie in einer halben Stunde zu mir? Wir müssen vor der Konferenz die letzten wissenschaftlichen Berichte aus den Laboratorien noch einmal durchsprechen.«

»In Ihr Zimmer, Durchlaucht?« vergewisserte sich die italienische Direktorin. Weil ihr Herz so sehr schlug, klang ihre Stimme belegt.

Zu ihrer Enttäuschung verbesserte sich der »Chef« sofort: »Wir finden bestimmt einen kleinen Salon, wo wir ungestört sprechen können.« Er machte ihr aber die Freude und bat noch: »Wenn wir nicht gerade bei einer Konferenz auf höchster Ebene sind, sollten Sie besser das ›Durchlaucht‹ weglassen. Ich mag es nicht, wenn die Leute mich anstarren, als ob ich ein Wundertier wäre. Außerdem arbeiten wir seit Jahren erfolgreich zusammen, und ich sage viel leichter ›Sandra‹ als ›Signorina Mangini‹. Einverstanden?«

»Gern!« beteuerte die hübsche, ein bißchen zu rundliche Direktorin und verriet in der Stimme sogar eine Spur zuviel Freude. »Gern, Signore… Gern, André.«

Eine halbe Stunde später fand sich Sandra Mangini pünktlich im kleinen Konferenzzimmer ein, das die Hotelleitung ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Ausnahmsweise verfehlte Fürst André die Zeit um einige Minuten, denn er stand an jenem Fenster seines Luxus­appartments, von dem aus er weit über die Dächer von Paris schauen konnte. Große samtigschwarze Augen, ein Mund mit weichen vollen Lippen, wie zum Küssen geschaffen…

Ärgerlich stellte der Fürst den Alarm an seiner Armbanduhr ab, weil er ihn aus schönsten Träumen gerissen hatte.

Zwei Stunden lang studierten sie gemeinsam die Geheimakten durch. Fürst André von Hornstein, der Leiter und Besitzer der Hornstein-Chemie-Werke, und Sandra Mangini, die Direktorin der Fabriken von Rom. Durch ihre Tüchtigkeit, ihr Fachwissen und ihre Aufopferung für die Firma erregte Sandra seine Bewunderung. Während er ihren Ausführungen folgte, glitt sein Blick des öfteren unauffällig über ihr hübsches rundes Gesicht mit den klugen Augen, dem reizvoll geschnittenen Mund; von dort über ihre vollschlanke Gestalt.

Fürst André fragte sich, warum sein Blut nicht auch angesichts von Sandras unübersehbaren Reizen ebenso in Wallung geriet wie in dem Augenblick, als er der fremden Römerin begegnete. Ein Geheimnis der Natur? Liebe auf den ersten Blick?

»Unsinn«, kam es fast tonlos über die Lippen des vor sich hin träumenden Mannes. Erstaunt blickte Frau Direktor Mangini auf. Sie war sich in ihrem Vortrag keines Irrtums bewußt. André mußte sie schnell beruhigen.

»Ich dachte soeben an…, an einen meiner Verkaufsdirektoren. Tatsächlich gibt es viele Herren, die nicht annähernd so tüchtig sind wie Sie, San­dra.«

Arglos erwiderte sie: »Alle Erwartungen, die Sie in diese Tage hier in Paris gelegt haben, sollen sich erfüllen, André. Es würde mich glücklich machen.« Nach einer kleinen Pause setzte sie lächelnd hinzu: »Ich bin nämlich auch sehr ehrgeizig.«

»Und eine bezaubernde Frau.«

Mit diesem ganz ehrlichen Kompliment machte er sie über alle Maßen glücklich. Sie war eben nicht nur bezaubernd und tüchtig, sondern auch als Frau feinfühlig und gescheit. Sandra machte sich längst keine Hoffnung mehr auf Andrés Liebe. Vielleicht bedeutete ihr seine Anerkennung und Freundschaft gerade deshalb so viel.

*

»Zu zweit sind wir ein unschlagbares Team, Sandra!« freute sich André von Hornstein und schlug seine Mappe zu. »Die Verhandlungen gingen doch ohne alle Schwierigkeiten über die Bühne. Selbst Weltkonzerne mußten all unsere Bedingungen annehmen! Also haben wir auch verdient, nach Herzenslust zu feiern!«

Sandra Mangini ordnete die Papiere, prüfte noch einmal die Unterschriften. Sie beschäftigte sich damit so eingehend, weil sie es vermeiden wollte, dem »Chef« in die Augen blicken zu müssen.

»Bedeutete das, daß wir noch nicht zurückfliegen? Nicht gleich? Sie nach Deutschland, ich nach Italien?« erkundigte sie sich zögernd.

André beruhigte sie lachend: »Es gehört zu unseren Repräsentationspflichten, wenigstens noch drei Tage lang in Paris zu bleiben und die teuersten Unterhaltungslokale unsicher zu machen. Die Presse muß uns bemerken und über Gerüchte von Millionenverträgen tratschen. Das gibt uns in der Branche ein noch größeres Gewicht!«

Nicht einen Augenblick lang zweifelte Sandra Mangini dran, daß der »Chef« scherzte, aber sie träumte doch heimlich in schlaflosen Nächten davon, ihr elegantes Abendkleid ausführen zu dürfen. Um André zu gefallen! Ganz versteckt hing es in ihrem Schrank, ein bißchen sehr gewagt und verführerisch.

»Wir sollten aber die Chance nutzen und den Louvre, die Museen…«, schlug sie vor.

Der Fürst lachte fröhlich auf. In diesem Augenblick sah man ihm die acht­unddreißig Jahre nicht an, sondern er wirkte wie ein großer übermütiger Junge.

Als Sandra ihre Papiere fertig geordnet hatte, hakte sich von Hornstein bei ihr unter und verkündete feierlich: »Tagsüber die Kultur, verehrte Frau Direktor, aber nachts wollen wir uns in das sündige Leben von Paris stürzen!«

Sandra errötete ein wenig. Das kam weniger von den Erwartungen, die sie vielleicht in das Nachtleben hätte setzen können, als von der Freude, den Fürsten so übermütig und glücklich zu sehen. »In die Nachtlokale auf dem Montmar­tre gehen doch nur Touristen und die Leute vom Lande!« erinnerte sie ihn.

»Einige unserer Vertragspartner fallen durchaus in die Kategorie von ›erlebnishungrigen Herren‹, die meisten kennen zwar die Welt, nicht aber deren Kultur. Also bieten wir ihnen das, was sie von Paris erwarten: die Nachtlokale!« erklärte von Hornstein mit großem Ernst.

Es gelang Sandra Mangini kaum, die Enttäuschung in ihrer Stimme zu unterdrücken.

»Ach, Sie wollen mit all den Herren…«

»Und deren Damen das sogenannte Pariser Nachtleben genießen«, vollendete von Hornstein ihren Satz. »In die Museen würden ohnehin nur die wenigsten mitkommen. Auf, ans Werk, Frau Direktor!«

»Wie Sie wünschen, Durchlaucht!«

Wieder war Sandra um eine Illusion ärmer geworden, aber sie hatte schon gelernt, ihre Enttäuschungen als Frau durch die Erfolge als Direktorin der Hornstein-Chemie wettzumachen.

Immerhin bot ihr aber das Schicksal noch in der folgenden Nacht eine ganz große Chance. Fürst André hatte versprochen, sie um zwanzig Uhr von ihrem Apartment abzuholen; sie wollten sich dann mit den Geschäftspartnern und deren Sekretärinnen in einem der ersten Restaurants treffen.

Fürst André warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und fand weder am Äußeren seiner Erscheinung noch an dem eleganten Abendanzug etwas auszusetzen. Aus dem Spiegel schaute ihm ein noch immer jugendlich wirkender und erfolggewohnter Herr entgegen, schlankes Gesicht, hellblaue Augen, blondes Haar, gebräunter Teint. In allem ein sportlicher Typ, dem aber die elegante Note nicht fehlte.

Er ging über den Korridor bis zu Sandras Apartment. Auf sein Klopfen antwortete ihre Stimme sofort: »Bitte, André, kommen Sie nur herein. Sie müssen um ein paar Minuten zu früh dran sein!«

Der Fürst betrat den hübschen kleinen Salon, der zwar im wesentlichen jenem in seinem Apartment glich, aber doch die Note einer jungen Frau trug. Da lag ein feiner Duft in der Luft, da stand in einer Kristallvase eine dunkelrote Rose, und über die Lehne des Stuhls im Stile von Louisseize hing ein zarter Schleierumhang.

André sah auf die Uhr und gestand: »Tatsächlich unverzeihlich, Sandra! Ich bin zwei Minuten vor der vereinbarten Zeit gekommen und hätte doch wissen müssen, daß eine schöne Frau…«

Das etwas herkömmliche Kompliment erstickte auf seinen Lippen, denn Sandra war aus dem Nebenzimmer getreten. Sie trug das bewußte Abendkleid: römische Modekunst, asymmetrisches Dekolleté, der Rock nicht ganz bodenlang und raffiniert eng geschnitten. Es war ein dunkles, anschmiegsames Material.

Flüchtige Sekunden lang bedauerte Fürst André, daß sich an dem nächtlichen Ausflug etwa zehn Herrn mit ebenso vielen Damen beteiligen würden. Er sprach seine Gedanken nicht aus, aber Sandra las es von seinen Augen ab. Das waren ihre glücklichsten Minuten an diesem bestimmt noch sehr ereignisreichen Abend.

»Sandra, ich hätte wissen müssen, daß ich heute mit der bezauberndsten Frau ausgehen darf!« sagte er lächelnd.

Erst flüsterte sie: »Danke für die Blumen.« Aber gleich rief sie sich selbst zur Ordnung: »Alle Frauen von Paris werden mich um meinen Begleiter beneiden! Sie können nicht wissen, daß wir ganz ›alte Kollegen‹ sind, und Sie bisher noch nie bemerkt haben, ob ich Direktor oder Direktorin bin. André…, ich darf doch auch heute noch so zu Ihnen sagen? Die erlebnishungrigen Herren aus Übersee warten auf uns, damit wir ihnen das alte, lasterhafte und doch unverwüstliche Europa vorführen mögen! Allons enfants de la patrie!«

Sie lachte so übermütig, daß sie dahinter erfolgreich alle Bitterkeit einer unglücklich Liebenden verbarg.

Mit ihrem natürlichen Charme bezauberte sie alle Herren der Gesellschaft. In Fürst André erwachte beinahe etwas wie Besitzerstolz; aber Liebe war es eben nicht.

Vielleicht hätte das Schicksal an diesem Abend der jungen Frau doch etwas mehr Glück geschenkt, als sie sich jemals erträumte. Doch da geschah etwas völlig Unerwartetes, das all ihre Hoffnungen zerstörte.

Die Gesellschaft von etwa zwanzig Personen hatte nun schon drei Nachtlokale erlebt und brach soeben wie ein Schwarm ins vierte ein. Mit geübten Blicken erkannten die Leute vom Personal, daß sich ihnen möglicherweise ein Goldregen bieten würde. Der Besitzer und das Personal kümmerten sich beinahe nur noch um diese sichtlich sehr wohlhabenden, bestens gelaunten Gäste.

Zwei Herren waren ohne Damenbegleitung geblieben; ihnen boten sich aufregend freundliche Barmädchen an, so daß sie wählten wie Paschas im Harem. Im Laufe des Abends versuchten die Herren immer entschlossener, zur mächtigen Hornstein-Chemie auch menschliche Kontakte herzustellen, weshalb sich Sandra zu André flüchtete. Er tanzte öfter und öfter mit ihr. Als sie sich, ein bißchen weinselig, in seine Arme kuschelte, zog er sie an sich, und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Beinahe konnte sie nicht fassen, was ihr zu widerfahren schien. Für eine einzige Stunde des Glücks hätte sie vielleicht sogar sterben wollen; zumindest meinte sie das ganz fest in dieser Nacht, als ihr Fürst André von Hornstein, der goldblonde große Mann aus dem Norden, näher war denn je.