Warte auf mich! - Melanie Rhoden - E-Book

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Melanie Rhoden

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. »Papa, liebster Papa, was für eine wunderbare Überraschung! Da hast du mir aber eine Riesenfreude gemacht! Tausend, tausend Dank, Papachen!« Das junge Mädchen, das da wie ein Wirbelwind in den Speisesaal fegte und dem grauhaarigen, ernst und gesetzt wirkenden Hausherrn um den Hals fiel, achtete überhaupt nicht auf die teils amüsierten, teils etwas konsternierten Blicke der Tischgesellschaft, die sich zur abendlichen Tafel auf Schloß Arnstein versammelt hatte. Baron von Arnstein konnte sich der stürmischen Umarmung des anmutigen Persönchens kaum erwehren. Und je mehr er in gespieltem Unmut die Stirn runzelte, je nachdrücklicher er seine Brille mit dem feinen Goldrand zurechtrückte, desto verräterischer zuckte es um seine Mundwinkel, bis sein freudiges Lächeln nicht mehr zu übersehen war. »Aber Melanie, Schwesterherz, hast du unsere Gäste vergessen?« Die schlanke junge Dame zur Rechten des Barons lächelte zwar nachsichtig, doch ihre großen dunkelblauen Augen unter dem üppigen blonden Haarkranz hefteten sich tadelnd auf die jüngere Schwester. »Oh, Verzeihung!« antwortete das zierliche dunkelhaarige Mädchen mit einem Augenaufschlag, der Zerknirschung andeutete, gefolgt von einem feierlichen Hofknicks, der zwar ironisch gemeint war, aber alle Anwesenden amüsierte und bezauberte. »Unsere Gäste habe ich doch heute bereits bei ihrer Ankunft begrüßt. Tante Angie und Onkel Ernst sind sogar heute morgen schon mit mir ausgeritten. Und unsere liebe Mamsell und unser Verwalter sitzen ja täglich mit uns zu Tisch. Sie werden mir meine Unhöflichkeit sicher verzeihen!« Freundliche Gesichter, auf denen sich Zuneigung zu dem jungen Mädchen spiegelte, wandten sich ihr zu. »Nun mußt du uns aber auch von der Überraschung berichten, die dich so gefreut hat«, drängte der Onkel. »Wir sind schon sehr gespannt darauf! Natürlich nur, wenn deine große Schwester Stefanie und dein Vater nichts dagegen einzuwenden haben.« Beide nickten lächelnd, und Melanie ließ sich nicht lange bitten: »Als ich soeben auf mein Zimmer ging, um mich zum Abendessen umzukleiden, was sehe ich da wunderschön drapiert auf meinem Bett liegen?

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Fürstenkrone Classic – 25 –

Warte auf mich!

Melanie Rhoden

»Papa, liebster Papa, was für eine wunderbare Überraschung! Da hast du mir aber eine Riesenfreude gemacht! Tausend, tausend Dank, Papachen!«

Das junge Mädchen, das da wie ein Wirbelwind in den Speisesaal fegte und dem grauhaarigen, ernst und gesetzt wirkenden Hausherrn um den Hals fiel, achtete überhaupt nicht auf die teils amüsierten, teils etwas konsternierten Blicke der Tischgesellschaft, die sich zur abendlichen Tafel auf Schloß Arnstein versammelt hatte. Baron von Arnstein konnte sich der stürmischen Umarmung des anmutigen Persönchens kaum erwehren. Und je mehr er in gespieltem Unmut die Stirn runzelte, je nachdrücklicher er seine Brille mit dem feinen Goldrand zurechtrückte, desto verräterischer zuckte es um seine Mundwinkel, bis sein freudiges Lächeln nicht mehr zu übersehen war.

»Aber Melanie, Schwesterherz, hast du unsere Gäste vergessen?« Die schlanke junge Dame zur Rechten des Barons lächelte zwar nachsichtig, doch ihre großen dunkelblauen Augen unter dem üppigen blonden Haarkranz hefteten sich tadelnd auf die jüngere Schwester.

»Oh, Verzeihung!« antwortete das zierliche dunkelhaarige Mädchen mit einem Augenaufschlag, der Zerknirschung andeutete, gefolgt von einem feierlichen Hofknicks, der zwar ironisch gemeint war, aber alle Anwesenden amüsierte und bezauberte.

»Unsere Gäste habe ich doch heute bereits bei ihrer Ankunft begrüßt. Tante Angie und Onkel Ernst sind sogar heute morgen schon mit mir ausgeritten. Und unsere liebe Mamsell und unser Verwalter sitzen ja täglich mit uns zu Tisch. Sie werden mir meine Unhöflichkeit sicher verzeihen!«

Freundliche Gesichter, auf denen sich Zuneigung zu dem jungen Mädchen spiegelte, wandten sich ihr zu.

»Nun mußt du uns aber auch von der Überraschung berichten, die dich so gefreut hat«, drängte der Onkel. »Wir sind schon sehr gespannt darauf! Natürlich nur, wenn deine große Schwester Stefanie und dein Vater nichts dagegen einzuwenden haben.«

Beide nickten lächelnd, und Melanie ließ sich nicht lange bitten: »Als ich soeben auf mein Zimmer ging, um mich zum Abendessen umzukleiden, was sehe ich da wunderschön drapiert auf meinem Bett liegen? Ein Abendkleid, so herrlich, wie man es sich nur erträumen kann! Nun muß ich morgen doch nicht mein lindgrünes Tüllkleid anziehen, das ich schon zum Tanzstundenkränzchen getragen habe. Das hatte ich nämlich ernsthaft befürchtet. Gib zu, Stefanie, da hast auch du deine Hand im Spiel! Nur du weißt, wie sehr mir dieses fließende weiße Seidenkleid mit dem silberbestickten kleinen Dekolleté im Schaufenster der Boutique ›Mademoiselle‹ gefallen hat.«

»Ja, das kann ich nicht leugnen«, nickte die ältere Schwester, »schließlich sollst du ja morgen bei deinem ersten großen Ball strahlend schön sein und nicht Mauerblümchen spielen. Und mit deinem kastanienbraunen Haar und deinen braunen Augen wird das Kleid wunderbar harmonieren! Es ist auffallend elegant und doch mädchenhaft. Du mußt es dann gleich anprobieren, aber ich bin zuversichtlich, daß es paßt.«

»Daran besteht kein Zweifel, liebe Stefanie, schließlich kennt niemand meinen Geschmack und meine Kleidergröße besser als du.« Die beiden Schwestern tauschten ein Lächeln des Einvernehmens.

»Das ist freilich eine reizende Überraschung, so recht dazu geeignet, einem jungen Mädchen Freude zu bereiten. So ist es denn wahr, morgen findet wirklich Melanies erster Ball statt?« wunderte sich Tante Angie. Gräfin Angelika von Thun hatte ihre eigenen beiden Töchter schon mit knapp sechzehn Jahren in die Ballsaison eingeführt, doch ihr Bruder, Baron von Arnstein, war der Ansicht, erst mit siebzehn sei seine Melanie gerade alt genug dafür.

»Schließlich hat sie ihre Tanzstunde und das Tanzkränzchen im letzten Jahr nach Herzenslust genießen dürfen, aber die großen Bälle beginnen für sie erst mit siebzehn. Punktum.«

Da gab es keinen Widerspruch. Baron von Arnstein war zwar nicht gerade ein Despot, doch sein Wort galt. Und in mancher seiner Meinungen, die ihm wichtig erschienen, zeigte er sich unerschütterlich.

Stefanie gab den Bediensteten das Zeichen zum Auftragen der Speisen und Getränke, und man ging zu anderen Themen über. Doch immer wieder kehrten die Gespräche zu dem morgigen Ball zurück, der im Rahmen des Erntedankfestes gefeiert werden sollte.

»Wer steht denn alles auf der Einladungsliste?« erkundigte sich Graf von Thun. Irgendwelche interessanten Persönlichkeiten?«

»Nun, es ist das übliche. Die hiesige Nachbarschaft kennt ihr ja insgesamt. Da sind die Freiherren von Clausnitz mit ihren Töchtern und Schwiegersöhnen, Vettern und Basen, der junge Breunig, der gerade sein Studium in München beendet hat, die Kobers, ein weltberühmtes Künstlerpaar, beides Steinbildhauer, und all die anderen nahen und fernen Bekannten und Verwandten und Honoratioren«, antwortete der Baron.

»Du vergißt, Papa, daß diesmal auch die Familie von Wolfsperg mit ihrem Sohn erscheinen wird«, warf Stefanie ein.

»Ja, richtig, liebe Stefanie, fast hätte ich es vergessen, dabei ist mir dieser Besuch doch sehr wichtig!« Und sich seinem Schwager zuwendend, fuhr der Baron von Arnstein fort: »Die zweite Baronin von Wolfs­perg, eine geborene von Amrain, hat ein prachtvolles an der Mosel gelegenes Weingut mit in die Ehe gebracht. Du weißt ja, daß Claus von Wolfsperg eher eine Künstlernatur ist und sich auf Ackerbau

und Viehzucht wenig versteht. Um ehrlich zu sein: er hatte sein Gut

erheblich heruntergewirtschaftet. Doch nun, mit den herrlichen Weinlagen an der Mosel und seinem neuen großen Weinkeller, scheint er große Erfolge erzielt zu haben und ganz in seinem Element zu sein.«

»Ganz erstaunlich«, nickte Graf von Thun, »und der Familie sehr zu wünschen. Eigentlich paßt ja alles ganz vorzüglich, da der Sohn Alexander Önologie studiert hat und seinem Vater nun tatkräftig zur Hand geht. Vieles von dem neuen Erfolg ist gewiß ihm zuzuschreiben.«

»Darauf kannst du wetten. Da er auch seinen Abschluß in Betriebswirtschaft gemacht hat, wird er mit Sicherheit die Finanzen gut im Auge behalten. Ich freue mich sehr, daß die Wolfspergs meine Einladung in diesem Jahr angenommen haben. Bisher entschuldigten sie sich immer mit Arbeitsüberlastung, was ja

zweifellos der Wahrheit entsprach, aber nun will ich mich mal ordentlich in Fachgespräche mit ihnen vertiefen. Man kann immer etwas dazulernen.

Ich stehe den neuen Edelstahltanks, in denen man den Wein neuerdings gären läßt, etwas skeptisch gegenüber, weil ich immer noch Holzfaßgärung vorziehe, aber die modernen Önologen schwören darauf. Dagegen findet das Prinzip der strengen Behangausdünnung, das die Franzosen uns so erfolgreich vormachen, in mir einen Anhänger. Dadurch werden die Trauben und somit der Wein in Geschmack und Reife viel konzentrierter. Ich freue mich riesig darauf, dem jungen Alexander einmal richtig auf den Zahn zu fühlen und mit ihm zu fachsimpeln. Ich bin nämlich gar nicht so abgeneigt, mich einiger moderner Methoden zu bedienen.«

Ernst von Thun schmunzelte: »Du erlaubst, lieber Schwager, daß ich ein gelindes Erstaunen ausdrücke. Bisher hast du doch immer auf die alten Methoden geschworen – sollte die tüchtige Stefanie hinter diesem Sinneswandel stecken?«

»Ja, ich gebe zu, sie fängt langsam an, mich mit ihren Ideen zur Weinbereitung zu überzeugen. Übrigens mußt du wissen, daß die Wolfspergs nicht nur über das Wochenende, sondern sogar einige Wochen bei uns bleiben werden, weil sie vielleicht auch ein paar Pferde aus meinem Gestüt kaufen wollen. Du weißt ja, daß Alexander ein hervorragender Reiter ist und sogar bei internationalen Turnieren mitreitet. Für mich steht natürlich das große Fachwissen von Vater und Sohn Wolfsperg in bezug auf die neuesten Methoden der Weinbereitung im Vordergrund. So werden wir alle etwas von dem Besuch haben.«

»Jetzt begreife ich natürlich, wie wichtig und interessant gerade dieser Besuch für dich ist, denn auch deine Weinberge und der Weinkeller von Arnstein sind aller Ehren wert. Du hast zwar keine Weinlagen an der Mosel, aber deine Tropfen von der Nahe sind ebenfalls köstlich. Wie ich höre, hast du damit große Erfolge erzielt. Ist dein Wettersbacher Riesling im letzten Jahr nicht sogar mit einer silbernen Ehrenmedaille prämiert worden?«

»Das ist wahr, aber natürlich können meine Weinlagen im allgemeinen nicht mit jenen der Wolfspergs konkurrieren. Mit ihnen verglichen bin ich als Weinproduzent nur ein Zwerg.«

»Aber ein starker und gesunder Zwerg, lieber Schwager!« warf Graf von Thun ein.

»Das hast du nett gesagt, das muß ich mir merken. Übrigens darf ich die Ehre mit meiner Ältesten, Stefanie, teilen. Sie hat mir in allen Phasen der Weinbergpflege und der Weinbereitung mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Wie heißt es doch so schön: wir sind ein großartiges Gespann! Du kannst dir nicht vorstellen, wie tüchtig sie mit ihren 21 Jahren schon ist und wie kompetent sie unseren großen Haushalt und die Dienerschaft regiert. Sie hält die Zügel fest in beiden Händen. Darin ist sie eine Naturbegabung – das kann man nicht lernen.«

Graf von Thun stimmte ihm begeistert zu: »Du hast ganz recht, ihre natürliche Autorität ist unübersehbar. Die Dienerschaft weiß, was zu tun ist, und folgt jedem ihrer Winke. Niemand möchte es riskieren, vor diesen strahlend blauen Augen nicht zu bestehen. Und auch die kleine Melanie, weit davon entfernt, eifersüchtig zu sein, liebt und respektiert sie voll und ganz. Das sieht man sogleich.«

Baron von Arnstein seufzte. »Seit dem Tod meiner geliebten Eleonore vor nunmehr zehn Jahren sind meine beiden Töchter mein einziger Trost und meine größte Freude. Und ich muß sagen, sie tun alles, um mich glücklich zu machen. So tüchtig sich Stefanie zeigt, so heiter und verspielt ist die kleine Melanie. Am liebsten würde sie den ganzen Tag durch Feld und Wald reiten und die ganze Nacht Walzer tanzen. Ich gebe ihr hierin viel Freiheit, denn der Ernst des Lebens kommt noch früh genug. Und nach ihrer gerade abgeschlossenen Ausbildung im Internat lernt sie sowieso bei Stefanie ganz zwanglos alles, was sie einmal brauchen wird.«

»Was sie einmal brauchen wird? Du denkst also an eine baldige Heirat der Mädchen?«

Der Baron hob die Augenbrauen: »O nein, Gott bewahre! Mögen sie mir noch recht lange erhalten bleiben! Der Gedanke, daß sie mir eines Tages ein junger Mann wegholt, ist für mich einfach unerträglich! Doch bis dahin wird noch viel Zeit vergehen – sie sind ja beide noch so jung!«

»Darin hat sich schon mancher getäuscht«, murmelte sein Schwager. »Ich spreche als Vater aus Erfahrung.«

Nach dem Essen, zu dessen Hauptgang, gespicktem Rebhuhn mit Maronenpüree, der auf dem Gut erzeugte Riesling kredenzt und hoch gelobt wurde, ließ Stefanie Kaffee, Cognac und Likör auf der Schloßterrasse servieren. So saß man in geselliger kleiner Runde noch ein Weilchen zusammen, während die Grillen im Schloßpark im Schein des Mondes ihr lautes Konzert anstimmten und der große Schäferhund Bello sich zu Füßen Stefanies ausgestreckt hatte. Der Baron war in Schweigen verfallen und hörte dem leisen Plaudern der Runde nur mit halbem Ohr zu, während er genußvoll die friedliche Stimmung atmete.

Wie harmonisch und behaglich ist das alles, dachte er bei sich, während er still um sich schaute, doch wie schön wäre es erst, wenn ich meine geliebte Eleonore an meiner Seite wüßte. Ihr Fehlen ist mir ein immerwährender Schmerz. Und wie wird es erst sein, wenn meine Töchter mich eines Tages verlassen und ihre eigene Familie gründen? Dann werde ich ganz vereinsamen.

Doch resolut schüttelte er diese bedrohlichen Zukunftsvisionen rasch ab. »Zu Bett, zu Bett, meine Lieben«, rief er mit ein wenig gespielter Lustigkeit, »morgen ist

ein anstrengender Tag, dem wir gestärkt und ausgeschlafen die Stirn bieten müssen! So wünsche ich allseits eine gute Nacht!«

Lachend und scherzend zogen sich die Mitglieder der kleinen Gesellschaft auf ihre jeweiligen Schlafzimmer zurück, und langsam, eines nach dem anderen, erloschen die Lichter in den Fenstern, und die breite Fassade des herrschaftlichen Schlosses versank in Dunkelheit.

»Endlich die verdiente Ruhe vor dem Sturm.« Stefanie, die den ganzen Tag hindurch treppauf und treppab gelaufen war und sich nicht geschont hatte, um all die organisatorischen Fragen des Festes im Griff zu behalten, hatte sich soeben wohlig seufzend in ihr Bett gekuschelt, als es an ihre Tür klopfte. Sie wußte sehr wohl, wer da Einlaß begehrte, und rief: »Komm nur herein, Melanie.«

»Darf ich noch ein bißchen mit dir plaudern?« fragte die jüngere Schwester.

»Aber natürlich, Liebes, wir sind ja heute noch gar nicht dazu gekommen. Es war einfach zuviel Trubel draußen und drinnen. Wir dürfen es nur nicht zu spät werden lassen, denn morgen müssen wir ausgeruht und hellwach sein.«

»Keine Angst, Stefanie, ich halte dich nicht allzu lange vom Schlafen ab. Du wirst morgen alle Hände voll zu tun haben. Aber ich werde dir helfen! Du kannst mich getrost mit deinen Aufträgen herumschicken! Es war so eine liebe Idee von dir und Papa, mir dieses Ballkleid zu schenken! Dafür wollte ich dir noch ganz besonders danken.«

»Das freut mich, Melanie, und um die Überraschung voll zu machen, bekommst du auch meine silbernen Schuhe dazu, die dir schon so lange ins Auge stechen und die bei mir nur im Schrank stehen.«

»Du bist die Allerbeste!« Melanie umarmte die Schwester. Dann schlüpfte sie zu ihr unter die Bettdecke und kicherte: »Wie in alten Zeiten, als du mir Märchen erzähltest, weißt du noch? Heute, vor meinem ersten großen Ball, bin ich viel zu aufgeregt für Geschichten, da zählt einzig die Realität. Apropos Realität: sag, Stefanie, hat denn Vater die Familie von der Heydt wieder nicht eingeladen? Ist das nicht schrecklich für dich, mit Andreas von der Heydt wieder nicht tanzen zu dürfen auf unserem eigenen Ball, nachdem du doch vor drei Jahren in Wien mit ihm als Debütantin beim Opernball geglänzt hast? Und ich habe ein vages Gefühl, daß ihr euch auch sonst nicht gleichgültig geblieben seid!«

»Wo denkst du hin, Schwesterchen..., es geschehen wahrlich noch Zeichen und Wunder. Höre und staune: vor ein paar Stunden erst habe ich erfahren, daß Vater die von der Heydts diesmal eingeladen hat. Es war ihm wohl ein bißchen peinlich vor uns, daß er nun endlich einlenkt, darum hat er es uns nicht gleich gesagt. Doch auf meine Frage meinte er, zehn Jahre der Feindschaft – er nannte es: auf Eis gelegte alte Freundschaft – seien genug, und nun müsse wieder Frieden einkehren zwischen unseren beiden Häusern.«

Melanie hatte in freudiger Spannung atemlos gelauscht und warf nun lebhaft ein: »Du hast ihm ja auch immer wieder gut zugeredet und ihm die Ungerechtigkeit seines Verhaltens vor Augen gestellt! Und was haben die Freiherrn von der Heydt geantwortet?«

Stefanie wiegte nachdenklich den Kopf. »Sie haben sehr gemessen reagiert. Natürlich haben sie die Einladung für diesmal nicht angenommen. Du mußt bedenken, daß sie sich durch Papas Verhalten sehr gekränkt fühlten und ihr Stolz es verlangt, daß sie ein weiteres Mal gebeten werden, bis sie die Hand zur Versöhnung reichen. Doch sie haben sehr höflich, ja, freundlich geschrieben und ihre Absage damit begründet, daß sie morgen verreisen müßten. Aber Andreas wird kommen.«

Stefanies Augen, die in der eindringlichen dunklen Farbe violetter Veilchen erstrahlten, funkelten förmlich vor Glück.