Komteß Wirbelwind - Melanie Rhoden - E-Book

Komteß Wirbelwind E-Book

Melanie Rhoden

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Goldenes Licht durchflutete den Ballsaal. Während in kleineren, intimeren Räumen Disco-Musik gespielt wurde, erklangen im Barocksaal Walzer und die Paare schwebten elegant über das Parkett. Wände und Logen waren mit Blumen geschmückt. In seidenen, samtenen Roben oder in Barock, wetteiferten die Damen darum, zu den Schönsten des Abends zu gehören. Es war eine rauschende Pariser Festnacht. Die elegantesten, vornehmsten Kavaliere scharten sich um eine kaum zwanzigjährige Dame, als würden sie in einen köstlichen Strudel Lebensfreude gelockt. Sie schien mit allen zu spielen, die kleine rotblonde Komteß; und keiner verübelte es ihr. Auf den ersten Blick sah man schon ihr flammendgoldenes, in langen weichen Wellen bis an die Schultern fallendes Haar, in dem eine winzige Ballkrone von unabschätzbarem Wert befestigt war. Sie hatte kaum Make-up benutzt, weil sie wußte, daß ihre zarte, pfirsich­samtene Haut in aller Natürlichkeit am besten zur Geltung kam. Mit ihren zwanzig Jahren wirkte sie frisch wie eine Frucht am Baum, die noch kein Reif des Lebens gestreift hatte. Aus den großen leuchtendblauen Augen strahlte ungetrübte Lebensfreude, ein bißchen Übermut und ein geradezu unzähmbares Temperament. Das Näs­chen war etwas zu klein geraten. Die Komteß bemühte sich nicht, die drei winzigen Sommersprossen darauf mit Schminke zum Verschwinden zu bringen, denn auch sie gehörten zu ihr, waren ein Teil ihrer Schönheit und verrieten etwas von ihrem Wesen. In dieser köstlich milden Sommernacht ließ sich Komteß Heidrun von Gerhausen huldigen. Sie wußte sich begehrt, verteilte kleine Aufmerksamkeiten und gewährte… nichts. Sie ließ sich von einem Baron André, dessen Nachnamen sie längst vergessen hatte, zu einem Walzer entführen. Er fühlte sich ausgezeichnet, als Sieger über alle Konkurrenten. Aber das Komteßchen mit dem goldenen Haar zerstörte sehr bald seine seligsten Erwartungen. »Wer ist dieser blonde Siegfried?« unterbrach sie das zärtlich werbende Geflüster ihres Tänzers.

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Leseprobe: Ball der glücklichen Herzen

Sie ist jung, sie ist schön, und sie ist stolz – ihr Vater, der alte Graf und Patriarch Benno von Waldenburg, weiß genau, warum er seine Lieblingstochter dazu auserkoren hat, die Herrin auf Schloss Waldenburg zu werden. Es ist die große Überraschung, die er auf der herrlichen Feier anlässlich seines 60. Geburtstags verkündet. Sie führt zum Eklat – denn sein maßloser, ungeratener Stiefsohn Ingo denkt gar nicht daran, auf seine Ansprüche zu verzichten. Er will vor Gericht klagen. Die gräfliche Familie wird unruhige Zeiten erleben. Aber Die junge Gräfin geht unbeirrt ihren Weg – ihr natürlicher Charme, ihre Ausstrahlung, ihr Esprit machen sie zu einer wundervollen, von der Männerwelt umschwärmten Frau. Niemand kann ihr widerstehen, während sich Die junge Gräfin herzensgut, doch auch sehr wählerisch zeigt. Denn sie weiß, was sie will – und auch, wen sie will. Die junge Gräfin ist eine Familiensaga, die ihresgleichen sucht. Die Erfolgsschriftstellerin Michaela Dornberg, bestens bekannt als Autorin der beliebten Serien Die Fahrenbachs und Der neue Sonnenwinkel, zieht alle Register. Die junge Gräfin ist eine weit herausragende Figur, ein überzeugender, zum Leben erwachender Charakter – einfach liebenswert.

Fürstenkrone Classic – 26 –

Komteß Wirbelwind

Wird Heidrun ihren Prinzen erobern?

Melanie Rhoden

Goldenes Licht durchflutete den Ballsaal. Während in kleineren, intimeren Räumen Disco-Musik gespielt wurde, erklangen im Barocksaal Walzer und die Paare schwebten elegant über das Parkett.

Wände und Logen waren mit Blumen geschmückt. In seidenen, samtenen Roben oder in Barock, wetteiferten die Damen darum, zu den Schönsten des Abends zu gehören. Es war eine rauschende Pariser Festnacht.

Die elegantesten, vornehmsten Kavaliere scharten sich um eine kaum zwanzigjährige Dame, als würden sie in einen köstlichen Strudel Lebensfreude gelockt. Sie schien mit allen zu spielen, die kleine rotblonde Komteß; und keiner verübelte es ihr.

Auf den ersten Blick sah man schon ihr flammendgoldenes, in langen weichen Wellen bis an die Schultern fallendes Haar, in dem eine winzige Ballkrone von unabschätzbarem Wert befestigt war. Sie hatte kaum Make-up benutzt, weil sie wußte, daß ihre zarte, pfirsich­samtene Haut in aller Natürlichkeit am besten zur Geltung kam.

Mit ihren zwanzig Jahren wirkte sie frisch wie eine Frucht am Baum, die noch kein Reif des Lebens gestreift hatte. Aus den großen leuchtendblauen Augen strahlte ungetrübte Lebensfreude, ein bißchen Übermut und ein geradezu unzähmbares Temperament. Das Näs­chen war etwas zu klein geraten. Die Komteß bemühte sich nicht, die drei winzigen Sommersprossen darauf mit Schminke zum Verschwinden zu bringen, denn auch sie gehörten zu ihr, waren ein Teil ihrer Schönheit und verrieten etwas von ihrem Wesen.

In dieser köstlich milden Sommernacht ließ sich Komteß Heidrun von Gerhausen huldigen. Sie wußte sich begehrt, verteilte kleine Aufmerksamkeiten und gewährte… nichts.

Sie ließ sich von einem Baron André, dessen Nachnamen sie längst vergessen hatte, zu einem Walzer entführen. Er fühlte sich ausgezeichnet, als Sieger über alle Konkurrenten. Aber das Komteßchen mit dem goldenen Haar zerstörte sehr bald seine seligsten Erwartungen.

»Wer ist dieser blonde Siegfried?« unterbrach sie das zärtlich werbende Geflüster ihres Tänzers.

Der junge Baron ärgerte sich. »Deutsche Komteß fühlt sich sofort durch einen deutschen Prinzen fasziniert?«

»Keineswegs, Baron André. Für meinen Geschmack wirkt dieser deutsche Prinz etwas zu männlich überheblich!« meinte sie versöhnlich.

Der Baron rächte sich für seine Enttäuschung mit der Feststellung: »Sie können es ihm wohl nicht verzeihen, daß er sich noch nicht in den Kreis Ihrer Bewunderer gedrängt hat? Er scheint in festen Händen zu sein, was ich durchaus verstehen kann.«

Sie hörte ihm kaum zu und beobachtete ärgerlich, wie zärtlich sich die Tanzpartnerin ihres ›Siegfrieds‹ in dessen Arme schmiegte. Weil Komteß Heidrun von Gerhausen in diesem Fall nicht gerecht urteilte, fand sie diese Dame etwas zu auffällig gekleidet, zu tief dekolletiert und in ihrem Benehmen zu wenig dezent.

»Wer ist sie?« verlangte Heidrun von Gerhausen zu wissen. Ihre Lippen wurden vor Ärger schmal, ihre Augen eisblau und kalt.

Weil der Baron merkte, daß er ohnehin keine Chancen hatte, die Komteß könnte sich näher für ihn interessieren, stichelte er boshaft: »Sie wollen doch nur wissen, wie er heißt! Ein Mann, der gegen Ihren gefährlichen Charme völlig immun ist! Also gut, seine Partnerin ist Prinzessin Angela von Herrwig. Hochadel, sehr reich, sehr vornehm. Außerdem eine Dame von kostbarer Schönheit und mit ihm so gut wie verlobt.«

Im nächsten Moment fiel es der Komteß wie Schuppen von den Augen. Sie kannte sein Gesicht von zahlreichen

Fotos in Zeitschriften: Herrenreiter, erfolgreicher Amateur auf allen Reitturnieren! Dietmar Prinz von Staaden! Einigermaßen wieder besser und fröhlich gelaunt, gewährte sie dem Baron. »Sie dürfen mich an die Bar führen, Baron, vorausgesetzt, daß Sie bereit sind, damit unser Beisammensein für diesmal zu beenden.«

Unüberhörbar Bitterkeit in der Stimme, scherzte der Baron: »Sie dürfen, sagte die Schlange zur Maus, ehe sie das arme Tierchen fraß!«

Heidruns Augensterne strahlten ihn arglos freundlich an, aber schon wenige Minuten später zerstörte sie auch noch seine letzten Hoffnungen. Da verkündete nämlich der Leiter des Orchesters: »Und jetzt, Missieurs-dames, Damenwahl!«

»Danke, mein Freund«, flüsterte Heidrun dem Baron zu, glitt vom Barhocker und durchquerte den Saal mit unnachahmlich eleganten Schritten. Weil sie ein ganz gewisses Paar die ganze Zeit über heimlich beobachtet hatte, war ihr nicht entgangen, daß sie sich für einige Augenblicke getrennt hatten, der Prinz von Staaden und die Prinzessin von Herrwig. ›Damenwahl‹ gab Heidrun das Recht, auch einen fremden Herrn ihrer Wahl zum nächsten Tanz aufzufordern, und es machte ihr überhaupt nichts aus, mit ihrer Entscheidung diesmal die ganze Schar ihrer Verehrer zu brüskieren.

»Darf ich um den nächsten Tanz bitten, Durchlaucht?« flüsterte sie, ein mädchenhaft scheues Lächeln auf den fast kindlich geschürzten Lippen. Prinz von Staaden fragte sich etwas verwirrt, ob er diese junge Dame kennen müßte. Sein bekannt schlechtes Personengedächtnis hatte ihn schon oft in Verlegenheit gebracht.

»Ihr Recht«, gestand er ihr mit einer galanten Verbeugung zu. »Außerdem macht es mir Freude. Da Sie mich soeben titulierten, nehme ich an, daß Sie mich kennen. Aber ich weiß – verzeihen Sie! – im Augenblick nicht, wo wir einander schon begegnet sind. Nur hier in Paris?«

Sie hakte sich einfach bei ihm unter und entführte ihn rasch zum Tanzparkett, weil ihr wachsamer Blick soeben die schwarzhaarige aufregende Schönheit nahen sah, von der André behauptet hatte, sie hieße Angela von Herrwig und sei beinahe schon die Verlobte des Prinzen. Im scherzhaften Ton, der zu dieser Festnacht paßte, wies sie ihn zurecht: »Ich habe Sie nicht ermutigt, so viele Fragen auf einmal zu stellen. Damenwahl! Meine Wahl ist auf Sie gefallen, also müssen Sie nun mit mir tanzen. Es sei denn, Sie wollten mich beleidigen!«

Prinz Dietmar von Staaden blieb einige Sekunden lang ratlos, denn er war es nicht gewohnt, daß ihm Bitten abgeschlagen wurden. Am wenigsten von jungen Damen! Man schätzte und fürchtete ihn als ziemlich scharfen Draufgänger, und das nicht nur auf dem Reitplatz. Sein Mißtrauen währte aber nur Sekunden, dann war ihm klar, daß dieses bezaubernde junge Mädchen sich keinesfalls in seine Gesellschaft drängen wollte, um daraus Vorteile zu ziehen. Mit einer kleinen Verneigung forderte er sie zum Tanz auf, worauf sie scherzhaft einen Knicks der alten Schule andeutete. Es entsprach nur nicht vollkommen der Etikette, daß sie sich gar so überglücklich in seine Arme schmiegte und die Walzerseligkeit aus ihren Augen leuchtete. Einige Minuten lang genoß sie es, zu ihm zu gehören, seine Partnerin zu sein; sie ließ sich im Tanz federleicht führen und erprobte es doch auch, ihren Willen durchzusetzen. Lächelnd gab er ihr einige Male nach, dann betonte er seine Position als Mann auch darin, daß er ganz nach seiner Vorstellung die Schritte gestaltete. Von nun an fügte sich Komteß Heidrun von Gerhausen wie ein sehr, sehr braves Kind.

Dafür belohnte er sie nach Beendigung des Tanzes, denn er fragte sie nicht, wohin er sie geleiten und zurückführen dürfe, sondern bat: »Wollen wir noch versuchen, wie wir bei modernen Tänzen harmonieren? Drüben in der Bar gibt es eine sehr gute Combo.«

»Gern«, sagte sie, und auf ihren Lippen stand ein glückliches Lächeln. Nur ganz unauffällig schaute sie zu der dunkelhaarigen Prinzessin von Herrwig hinüber, die mit einigen Damen und Herrn an einem Tisch saß und nun offensichtlich etwas ärgerlich auf die Rückkehr Dietmars von Staaden wartete. Mit dem Eigensinn eines von den Männern verwöhnten und verzogenen Mädchens beschloß Heidrun von Gerhausen all ihre Künste aufzuwenden, damit die gutgläubige Prinzessin Angela noch lange auf ihren Beinahe-Verlobten warten müßte. So begann die Romanze einer wunderschönen Ballnacht dank der Laune einer kleinen Komteß, die meinte, das Schicksal müßte ihr einfach jeden ihrer Wünsche erfüllen…

*

»Der Papa ist so reich, daß er ihr jeden Wunsch erfüllen kann. Muß es sein, kauft er ihr sogar einen echten Prinzen«, tuschelte eine ältere Dame hinter Komteß Heidrun im festlichen Ballsaal her.

Ein Herr an ihrem Tisch ergriff die Partei der Gerhausen, indem er ziemlich genüßlich feststellte: »Meine Liebe, sieht ein Mädchen von zwanzig blendend aus wie die Komteß, ist sie dazu noch gescheit, gebildet und charmant, so hat sie es bestimmt nicht nötig, einen Mann zu kaufen! Meine Damen, wäre ich um ein paar Jährchen jünger, ließe ich mich bestimmt nicht lange bitten, mit Heidrun von Gerhausen zu flirten!«

Seine Gemahlin riet im spitz: »Du kannst es versuchen, mein Lieber! Aber heutzutage genügt ein hübsches Lärv­chen, und die Tochter eines Grafen beachtet bestenfalls einen Prinzen; besonders dann, wenn hinter ihr die Millionen aus der Industrie ihres Herrn Papa stehen.«

Komteß Heidrun ahnte indessen nicht, daß sie der Gegenstand zorniger, neidischer Auseinandersetzungen war. Sie fühlte sich glücklich und vertraute darauf, daß sie ihre gesellschaftlichen Erfolge nicht Papas Millionen, sondern einzig ihrem Märchencharme verdankte. Aus dem einen Tanz, zu dem sie die »Damenwahl« berechtigt hatte, waren inzwischen schon so viele geworden, daß Heidrun sie nicht mehr zählte. Sie schwebte auf ihrer Glückswolke dahin.

»Ich liebe…«, gestand sie, errötete, weil sie fürchtete, er könnte ihre Gedanke erraten, den heftigen Schlag ihres Herzens gehört haben, und vollendete den Satz so, wie sie ihn gemeint hatte: »… Walzer und all diese anderen herrlich altmodischen Tänze.«

»Sie sind doch eine sehr moderne junge Dame!« wendete der Prinz ein. »Zu Ihnen paßt bestimmt auch der Diskosound!«

Heidrun schüttelte den Kopf. »In Wahrheit kann ich schrecklich altmodisch sein, sehr romantisch und scheu. Ich gefalle mir manchmal, einen frechen Wirbelwind zu spielen…«

Amüsiert auflachend, unterbrach sie Prinz Dietmar von Staaden: »Im Augenblick spielen Sie die Sentimentale, die Romantikerin. Daß doch die Frauen immer mit jedem Feuer spielen wollen!«

Nun tanzten sie einen langsamen Walzer. Die einschmeichelnde Musik verführte sie, sich enger aneinander zu schmiegen. Allmählich glitten Heidruns Hände an seinen Armen höher, bis sie auf seinen Schultern lagen. Erst gegen Ende des Tanzes richtete sich Heidrun unvermittelt auf, funkelte den Prinzen mit zornigen Augen an und bemühte sich, ihre Worte ernsthaft verärgert klingen zu lassen. »Ich spiele gern, wenn es ein Partner versteht, auf mich einzugehen. Was ist daran schlecht? Ganz bestimmt verletze ich dabei niemanden, tue niemandem weh. Wenn ich fortgehe, hinterlasse ich niemals Wunden!«

Sie machte tatsächlich Anstalten, als wollte sie vor ihm fliehen, aber er hielt sie in den Armen fest. »Nun wollen Sie schon wieder davonwirbeln, Komteßchen und bedenken nicht, daß dann noch ein Mann mehr unter Sehnsucht nach Ihnen leiden würde!«

Gleich überzog ein sonniges Lächeln ihr hübsches Gesicht. Die großen, so sehr beseelt wirkenden Augen bekamen vor Glück einen feuchten zärtlichen Schimmer. Heidrun erkundigte sich flüsternd: »Mein Märchenprinz, könnte ich – rein theoretisch und akademisch betrachtet – Ihnen gefährlich werden?«

Sie lachte zu ihren Worten so spitzbübisch, daß der Prinz von Staaden mit bestem Willen nicht feststellen konnte, wo für sie die Grenzen zwischen Flirt und echten Gefühlen liegen mochten. Wirbelnd tanzten sie über das Parkett. Immer deutlicher meinte aber Dietmar von Staaden zu fühlen, daß er sich in diese bezaubernde Dame verliebte. Das goldene Licht des Ballsaals brachte ihr Haar zum Leuchten. Ihre strahlendblauen Augen schienen das Gesicht des Prinzen mit zärtlichen Blicken zu erforschen. Auf ihre ungeschminkten jugendfrischen Wangen hatte sich Röte gelegt, die vom Tanzen, vom Glücklichsein und von der Freude am Spiel mit dem Feuer stammte.

»Mir ist heiß«, stöhnte sie glücklich auf. »Wann laden Sie mich endlich zu einem Glas Champagner ein an die Bar?«

Er führte sie zwischen den tanzenden Paaren zur Bar hin und bestellte zwei Gläser Champagner. Es schien, als ruhten seine Blicke bewundernd immer nur auf Heidrun, aber plötzlich legte sich ein Schein von Unmut über seine Züge. Er sah, daß aus der Reihe der Tanzenden eine hohe schlanke Gestalt zu ihm herkam. Auch Heidrun hatte diese Dame sofort entdeckt und erkannt.

»Verzeihung«, bat der Prinz van Staaden hastig, als fürchtete er, es könnte sonst zu spät sein. Wußte er doch aus peinlicher Erinnerung, wie taktlos und aggressiv Angela von Herrwig werden konnte, wenn sie meinte, jemand hätte ihre Rechte verletzt. »Verzeihung, aber ich sehe eine Bekannte. Nur eine Minute. Sie entschuldigen mich?«

»Selbstverständlich, mit Vergnügen«, übertrieb ›Komteß Wirbelwind‹, übermütig ihre Bereitschaft, den blonden Prinzen seiner Beinahe-Verlobten zu überlassen.

So viel Verständnis machte Dietmar von Staaden sofort mißtrauisch, weshalb er noch in letzter Minute, als er schon am Weggehen war, erbat: »Sie warten hier auf mich? In genau hundertzwanzig Sekunden bin ich wieder bei Ihnen. Inzwischen laufen Sie mir nicht weg?«

Statt einer anderen Antwort, begann Komteß Heidrun schon zu zählen: »Eins, zwei, drei, vier…«

»Das ist unfair!« versuchte Prinz Dietmar lachend, sie zu bremsen. »Sie zählen viel zu rasch!«

Aber sie blieb unerbittlich: »Neunzehn, zwanzig, einundzwanzig… Dann beeilen Sie sich bitte!… achtundzwanzig, neunundzwanzig…«

Er beeilte sich, weshalb es ihm tatsächlich gelang, Prinzessin Angela von Herrwig noch im letzten Augenblick aufzuhalten. Wenngleich er sich sehr nett um sie bemühte, stichelte sie unversöhnlich: »Keine Angst, Dietmar, ich verderbe dir deinen Spaß bestimmt nicht. Erstens sind wir miteinander noch lange nicht verlobt, zweitens kenne ich keine Eifersucht. Sentimentale Romantik paßt vielleicht zu einer Erzieherin oder einem Kindermädchen, aber nicht zu mir. Ich wollte nur aus der Nähe sehen, wie du dich jetzt schon für Kinder entflammst! Für gewöhnlich ist eine solche Vorliebe den älteren Herren vorbehalten.«

»Angela«, bat der Prinz. »Zerstör nicht Schönes mit einer völlig unberechtigten Szene!«

»Szene?« Die Prinzessin warf ihren Kopf stolz in den Nacken. »Wenn ich mich künftig eines jeden Gänschens wegen aufregen müßte…«

»Angela!« beschwor Prinz Dietmar von Staaden sie nun schon sehr unwillig. »Wir haben beide noch unsere Freiheit! Es steht demnach uns beiden frei, unsere Zukunft… Verzeih, Angela, aber nun hat mich auch noch der Zorn zu unbedachten Worten verführt. Wir werden doch nicht ernsthaft streiten!«

»Keine Absicht!« lenkte Angela von Herrwig ein.

Dietmar nutzte die Chance und versuchte einen scherzhaften Ton: »Du solltest mich nicht zu hart an die Kandarre nehmen wollen? Das mögen auch meine Springpferde nicht, und ich komme mit ihnen stets gut aus, wenn ich sie mit freundlichem Zwang bewege. Oder dürfte ich künftig mit keinem weiblichen Wesen mehr sprechen, scherzen oder gar tanzen? Gerade wenn du in dieser jungen Dame noch ein halbes Kind siehst, solltest du mich nicht verdächtigen.«

»Heuchler, abscheulicher Heuchler!« klagte die Prinzessin. Sie versuchte, ein Lächeln anzudeuten. Aus ihren großen schwarzen Augen war schon jeder Zorn gewichen. Er hatte einer klugen unsentimentalen Kälte Platz gemacht. Deshalb klang ihr Einlenken zwar versöhnlich, aber keine Spur zärtlich. »Dennoch liebe ich dich, Dietmar!«

Zerstreut, nur aus Höflichkeit, machte er ihr noch ein Kompliment. Dann entschuldigte er sich und erklärte ehrlich, er hätte versprochen, an die Bar zurückzukehren. Ein kleines böses Lächeln auf den Lippen, riet ihm Angela: »Laß sie nicht zu lange warten, lieber Dietmar. Und noch gute Unterhaltung. Ich bin nicht neidisch!«

Als er an die Bartheke zurückkehrte, fand er den Platz, an dem Heidrun von Gerhausen gegessen hatte, leer. Sie hatte doch versprochen, auf ihn zu warten! Als wollte er sie entschuldigen, sagte er sich: »Aber nur hundertzwanzig Sekunden lang.« Plötzlich vor Enttäuschung ärgerlich, rügte er sie: »Immerhin hätte sie nicht so schnell zählen müssen!«

Er kehrte zu seinen Kreisen von Freunden und Bekannten zurück, die ihn sogleich wieder in den festlichen Trubel entführten. Aber Prinz Dietmar von Staaden fühlte sich während der nächsten halben Stunde inmitten all der fröhlichen, ihm gleichgültigen Menschen verlassen wie in einem leeren Raum.

Er kehrte sehr bald in das Hotel zurück, wo er sich für einige Tage einquartiert hatte. Vor dem Einschlafen versuchte er noch einmal, sich das Bildnis der jungen Dame vor sein geistiges Auge zu zaubern, aber es gelang ihm nicht. Er konnte sich kaum daran erinnern, wie sie ausgesehen hatte. Die ganze Erscheinung bezauberte ihn im festlichen Glanz; Einzelheiten hatte er vergessen.

»Ich weiß nicht einmal mehr, wie sie geheißen hat«, flüsterte er enttäuscht. »Vielleicht kann ich bei Freunden etwas über diesen bezaubernden kleinen Wirbelwind erfahren.«

Diese Hoffnung machte ihn seltsam froh.

*

Am nächsten Morgen wirkte Heidrun von Gerhausen frisch, als hätte sie die ganze Nacht brav geschlafen und nicht zwei Paar Schuhe durchgetanzt. Dennoch war Graf Egon mit seiner Tochter unzufrieden. Nur dem Diener, der das Frühstück servierte, dankte er unverändert freundlich, wie das seiner Art entsprach. Heidrun gegenüber blieb er wortkarg und stellte kaum Fragen.

Erst als sie die Mahlzeit beendet hatten und der Graf zu den sieben Morgenzeitungen greifen wollte, die er täglich zu lesen pflegte, sagte die Komteß rasch: »Eigentlich eine wunderbare Welt: Vor wenigen Stunden haben wir noch das Sommerfest in Paris genossen, und jetzt frühstücken wir am Rande von München, ganz nahe den Wäldern und Bergen.«

Also entschloß sich der Graf, doch zu sagen, was er sagen wollte: »Ballnacht in Paris, Villa in einem Parkviertel, Sommerhaus in den Bergen. Das alles, mein Kind, muß verdient werden. Ich bin auch nicht mit einem Privatflugzeug geboren worden, sondern arbeite täglich etwa sechzehn Stunden. Zwar nicht am Fließband in einer meiner Fabriken, aber immerhin auch recht angestrengt. Manchmal, zwischen zwei Konferenzen, wo es um die Arbeitsplätze für einige tausend Menschen geht, wenn ich mich wieder einmal nahe am Limit fühle, frage ich mich, wer das fortsetzen soll, wenn ich erst durch Herzinfarkt aus dem Konzern geschieden bin. Du, Heidrun?«

Sie hatte solche Vorbehalte schon des öfteren hören müssen. Das Jahr über, wenn sie an der Uni Volkswirtschaft studierte, kam sie mit Papa besser aus, weil er hoffte, sie würde ihr akademisches Wissen einmal zum Wohl der Unternehmen im Konzern einsetzen. Aber nun, da sie während der Sommerferien das süße Nichtstun von Herzen genoß, kam es manchmal zu derartigen Meinungsverschiedenheiten zwischen »Bärli« und ihr. Daß sie ihren Vater in harmonischen Stunden so nannte, stammte noch aus ihrer Kindheit, als sie drei Dinge in der Welt am liebsten hatte: Mama, Papa und ihren Teddybären; seit Mama gestorben war und sie nicht mehr mit Plüschbären spielte, blieb ihr nur noch Papa als »Bärli«.

Verletzt gab sie zurück: »Du hättest dir einen Sohn anschaffen sollen.«

»Nicht meine Schuld, Heidrun. Deine Mama hätte nicht so früh von uns fortgehen sollen! Und nach ihr…, nein, nur sie hätte die Mutter meines Sohnes sein dürfen!« Er war nie über den Tod seiner Frau hinweggekommen.

»Verzeih, Bärli«, flüsterte Heidrun erschrocken, denn sie hatte genau gesehen, daß Papas Augen sogleich feucht schimmerten. Manchmal erschrak sie darüber, wie gefühlsstark der kalt rechnende Wirtschaftsmanager tatsächlich war. Immerhin ruhte Gräfin Gerhausen seit beinahe achtzehn Jahren in der Familiengruft.

Graf Egon hörte die Reue seines Töchterchens und lenkte nun auch seinerseits ein. »Wenn ich schon nicht erwarten darf, daß aus dir so schnell eine beinharte Managerin wird, so stelle ich doch fest, daß dir im Augenblick nichts so wichtig ist wie das Flirten. Gestern in Paris haben sich um dich ganze Horden von Nichtstuern als Verehrer geschart! Und was kannst du am besten? Ich habe deine letzten Seminarzeugnisse gesehen; sehr geistreiche Arbeiten, aber es fehlt dir an besonderem Interesse! Besser als in Wirtschaftskunde bist du vermutlich in Tennis, Windsurfen, Tauchen und Segelfliegen!«