Die schwarze Dogge Emma - Hans-Jürgen Mülln - E-Book

Die schwarze Dogge Emma E-Book

Hans-Jürgen Mülln

4,8

Beschreibung

Die schwarze Dogge Emma ist eine biographische Erzählung. Sie beschreibt die Freundschaft zwischen der Doggenhündin Emma und dem Autor, der seine Leserinnen und Leser durch alle Höhen und Tiefen einer spannenden Beziehung führt. Das Buch ist zugleich eine Liebeserklärung an die Deutsche Dogge und seit vielen Jahren das erste umfangreichere Buch über diese prächtigen Hunde. Doggenfans werden begeistert sein, aber auch jeder andere Hundefreund wird auf seine Kosten kommen.

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Seitenzahl: 454

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Hans-Jürgen Mülln

Die schwarze Dogge Emma

Hans-Jürgen Mülln Die schwarze Dogge Emma

E-Book-Ausgabe 2012 ISBN 978-3-927708-69-3

Gedruckte Erstausgabe November 2011 ISBN 978-3-927708-66-2

Umschlaggestaltung: DAMM & BIERBAUM Frankfurt am Main

Die Abbildung auf dem Buchumschlag hat der Autor zur Verfügung gestellt. Sie präsentiert Emma im Alter von etwa viereinhalb Monaten.

1. Digitale Auflage 2012 Digitale Veröffentlichung: Zeilenwert GmbH

© Mariposa Verlag U. Strüwer Drakestr. 8a 12205 Berlin Fon 030 2157493 • Fax 030 2159528

Urheberrechtlich geschützt. Jede Veröffentlichung von Text oder anderen Materialien aus diesem Buch, auch auszugsweise, ist untersagt! Dies gilt ebenso für Übersetzungen, Vervielfältigungen, Verfilmung, elektronische Verarbeitung und Ähnliches.

Alle Hunde träumen vom Wald, ganz egal, ob sie schon einmal dort waren oder nicht. Sogar in Ägypten träumen Hunde vom Wald. Sie sind dafür geschaffen. Genauso wie Pferde für die Prärie und Menschen fürs Tanzen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Mülln, Jahrgang 1955, lebt derzeit in Wetzlar. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie ist er als PR-Journalist, Chefredakteur, Werbetexter und seit 2006 auch als Autor tätig. Inzwischen gibt es Veröffentlichungen von Fabeln und Kurzgeschichten in diversen Anthologien.

Die schwarze Dogge Emma ist die erste größere erzählerische Publikation des Autors und wird nicht die letzte bleiben. Seit Mai 2010 begleitet ihn Doggenhündin Runa durchs Leben, eine Urgroßnichte von Emma.

Inhalt

Auf die Dogge gekommen

Es sollte eine Hündin sein

Emma

Eine Herzensangelegenheit

Im neuen Zuhause

Das Betthupferl

Wie sag ich’s meinem Hunde?

Schulzeit

Übung macht den Meister

Die widerspenstige Zähmung

Mein Goldstück

Der Hund von Baskerville

Villa Hügel

Beziehungskisten

Abschied

Das magische Dreieck

Die neue Freiheit

Bürgerschreck und Gott

Die Leibwächterin

Die schwarze Diana

Verbotene Freiheit

Waldlust

Locus amoenus

Moritz

Rüden-Bagage

Harte Schale, weicher Kern

Otto der Kleine

Ostersonntag

Nachwort

Der Autor

Verwendete und empfohlene Literatur und Quellen

Werbung

Impressum

Auf die Dogge gekommen

Jeder hat seine persönlichen Gründe, warum er auf den Hund kommt oder gekommen ist. Allen Hundehaltern und all denen, die es noch werden wollen, ist aber das Bekenntnis gemeinsam, entweder schon immer einen Hund gewollt zu haben oder nicht „ohne“ leben zu können. Vermutlich geht dieses tief sitzende Bedürfnis auf die jahrtausendelange enge Verbundenheit zwischen den beiden auf den ersten Blick doch so unterschiedlichen Lebewesen zurück. Es ist eine Beziehung, die von so großer Intensität und Exklusivität geprägt ist, dass sie ganz offensichtlich nicht nur Canis lupus familiaris, sondern auch Homo sapiens sapiens in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Meiner Frau Sabine und mir war es ähnlich gegangen, bevor wir auf die Dogge kamen. Jeder von uns wollte sich schon immer einen Hund anschaffen, nur hatte es stets Gründe gegeben, die dagegen gesprochen hatten: der Beruf, die Platzverhältnisse oder das Problem, einfach keine Zeit zu haben. 1997 sollte sich unsere Lebenssituation allerdings derart verändern, dass der Realisierung unseres Wunsches nichts mehr im Wege stand. Wir hatten die Absicht, in einer der wohl verlassensten Gegenden Mittelhessens, im sogenannten Hinterland, ein Haus zu bauen. In einer wunderschönen herben Mittelgebirgslandschaft, zwischen dem Gießener Becken und den Ausläufern des Rothaargebirges gelegen, ebenso waldreich wie menschenleer und mit kargen Böden, die sich hauptsächlich für die Viehwirtschaft eignen. Hier und da fügten sich kleine, verstreut liegende Dörfer oder Weiler malerisch in die Talgründe zwischen den sanften, mit Streuobstwiesen bestandenen Hügeln ein. Die Kirchtürme überragten noch konkurrenzlos und unangefochten alle Dächer. Globalisierung hin oder her: Die Zeit schien hier stehen geblieben zu sein. Der äußerst anmutige Landstrich war ursprünglich ein altes geschichtsträchtiges Keltenland und das Reich des Dünsbergs, mit 500 Metern die höchste Erhebung weit und breit. Ein Berg mit Ausstrahlung und magischer Anziehungskraft, der das Umland weithin beherrscht und seit der frühen Bronzezeit besiedelt gewesen war. Seine größte Bedeutung hatte er vom dritten bis zum ersten Jahrhundert v. u. Z. erlangt, als die Kelten auf seinen Höhen ein bedeutendes Oppidum errichtet hatten, das in dieser Zeitspanne ständig erweitert worden war. Um die Zeitenwende sowohl von römischen Legionen, die durch die Gegend gezogen waren, als auch von landhungrigen Germanenstämmen arg bedrängt, war die Höhensiedlung schließlich aufgegeben worden.

In dieser abgeschiedenen Idylle beabsichtigten wir, unser Haus zu errichten, in dem wir fortan in Ruhe und Frieden leben wollten. Das direkt am Wald gelegene 1.400 Quadratmeter große Grundstück am Ortsrand eines kleinen Dorfes hatte meinem Schwiegervater gehört, der es uns bzw. seiner Tochter großzügig überlassen hatte. Er war es auch, der uns darin bestärkte, einen Hund anzuschaffen, einen zuverlässigen Vierbeiner mit Wächterqualitäten, der tatkräftig helfen sollte, uns und das Anwesen in dieser pittoresken, aber einsamen Gegend vor der unerwünschten Zudringlichkeit Dritter zu schützen. Die Vorbereitungen für den Hausbau liefen im Frühjahr 1997 schon auf vollen Touren und wir waren uns noch immer nicht sicher, welcher Hunderasse wir den Vorzug geben sollten. Der Ehrlichkeit halber sollte allerdings hinzugefügt werden, dass vor allem der Autor dieses Buches wie eine Pappel in starkem Wind hin- und hergerissen war und sich wirklich schwertat, eine Entscheidung zu treffen. Mein Schwiegervater riet zu einem Altdeutschen Schäferhund, den er in Jugendtagen selbst einmal besessen und mit dem er nur die besten Erfahrungen gemacht hatte. Ich schwankte zwischen verschiedenen Möglichkeiten und liebäugelte vorübergehend auch mit einem Dobermann, den ich damals „unheimlich ästhetisch“ fand. Ganz der Kopfmensch, der ich damals war, stapelten sich die Hundebücher und Rasseführer bereits neben dem Sofa. Trotzdem konnte ich mich nicht festlegen. Die Rassen, die ich begutachtet hatte, passten alle irgendwie nicht, ich fand einfach keinen inneren Zugang zu ihnen. Ich dachte auch schon daran, der Empfehlung eines Freundes zu folgen: „Geh doch ins Tierheim und schau dich nach einem ‚Gebrauchten‘ um.“ Recht hatte er: Des Bücherwälzens müde, sollte ich mich aus der grauen Theorie heraus und in die Praxis hineinbegeben und mir einfach einige lebendige Tiere anschauen. Bevor ich seinem Rat folgen konnte, war es allerdings Sabine, die aktiv wurde und mir auf die Sprünge half. Ausgerechnet sie, die sich bislang aus allem herausgehalten hatte. Obgleich ihre Initiative von einem Dritten angestoßen worden war, setzte sie doch eine Eigendynamik in Gang, die uns – insbesondere mich – schließlich vollständig gefangen nehmen sollte.

Es war an einem Mittwoch im Frühsommer – der Tag wird mir ewig in Erinnerung bleiben –, an dem ich mich morgens noch in der Frankfurter Werbeagentur, in der ich damals als Chefredakteur beschäftigt war, mit einem Kollegen und Hundehalter über mein Problem unterhalten hatte. Später zur Mittagszeit, ich saß gerade in einem Meeting, rief Sabine plötzlich an und teilte mir ganz aufgeregt mit, sie wisse nun, welcher Hund zu uns passe. Ehrlich gesagt, ich war total verblüfft und überrascht. „Du wirst nicht darauf kommen, wo ich gerade war“, begann sie begeistert. Ich hatte weder die Zeit noch die Lust für Ratespielchen. Außerdem war ich neugierig. Ich forderte sie deshalb auf, mich nicht länger auf die Folter zu spannen und endlich mit der Sprache herauszurücken. „Ich komme von einem Doggenzüchter und habe mir seine Hunde angeschaut. Wir werden uns eine Dogge kaufen!“ Ich musste unwillkürlich lachen. „Du spinnst ja“, entgegnete ich spontan. „Ich schaff mir doch kein Kalb an.“ Um sicherzugehen, dass wir von der gleichen Rasse sprachen, fragte ich noch einmal nach: „Du meinst doch diese Riesenviecher, die entweder braun oder schwarzweiß gefleckt sind?“ Sie klärte mich auf, dass es sich um Deutsche Doggen handelte, dass der Züchter Tiere in allen möglichen Farbschlägen besäße und dass die Hunde total süß seien. Ich musste schon wieder lachen. „Süß? Du findest sie süß? Ich glaub es nicht!“ Über ihr unabgestimmtes Vorpreschen war ich indes eher amüsiert als verärgert, nahm mir aber vorsorglich schon einmal insgeheim den Schwur ab: Eine Dogge? Nein, nur über meine Leiche.

Ich hatte mich in den zurückliegenden Wochen mit über einem Dutzend Rassen beschäftigt, die in Frage gekommen wären, aber nie mit der Deutschen Dogge. Mir wäre zu diesem Zeitpunkt absolut nicht in den Sinn gekommen, einen solchen Riesen in Betracht zu ziehen, das lag jenseits meines Horizonts. Ich hatte diese Hunde nur in unangenehmer Erinnerung, obwohl man sie eher selten zu Gesicht bekommt. Gott sei Dank, dachte ich damals noch. Ich erinnerte mich an ein Aufeinandertreffen, das mir das Blut in den Adern hatte gefrieren lassen. Sozusagen eine unheimliche Begegnung der dritten Art. Während eines Spaziergangs vor einigen Jahren tauchte einige hundert Meter vor mir ein Paar auf, an dessen Seite eines dieser Ungetüme in Schwarzweiß vor sich hintrottete. Unangeleint! Ein mulmiges Gefühl begann mich zu beschleichen und sich in mir auszubreiten. Als hätte das Tier davon Wind bekommen, setzte es sich in Bewegung und lief in gestrecktem Galopp – einem Pferde gleich – direkt auf mich zu. Ich befürchtete schon das Schlimmste und mein Puls erreichte einen bis dahin nie erlebten Frequenzbereich. Vor Schreck erstarrte ich zur Salzsäule, ganz von der Unausweichlichkeit der bevorstehenden Attacke überzeugt. Aber alles war nur Einbildung. Der Hund verhielt sich so rücksichtsvoll und kam kurz vor mir mit geöffnetem Maul und heraushängender Riesenzunge zum Stehen. Er glotzte mich aus blutunterlaufenen Augen an, die wohl weniger ein Ausdruck erbarmungsloser Gesinnung waren, vielmehr Probleme mit den Bindehäuten indizierten, wie ich jetzt weiß. Trotzdem war mir das Herz mächtig in die Hose gerutscht, denn ich war damals der festen Überzeugung gewesen, dass ich es nur dem Zufall oder einem gefüllten Hundemagen, keinesfalls aber den lockenden Rufen von Herrchen und Frauchen zu verdanken hatte, von diesem Zerberus nicht augenblicklich verschlungen worden zu sein.

Heute bin ich natürlich schlauer, aber damals hatte ich selbst als glühender Hundenarr nicht nachvollziehen können, wie man sich ein solches Tier zulegen konnte. Und nun wandelte Sabine auf dem Doggen-Trip – inspiriert von unserem Bauunternehmer, mit dem zusammen sie an jenem schicksalhaften Mittwochmorgen die Baustelle besichtigt hatte. Dabei war die Sprache auch auf unser Hundeproblem gekommen. Auskunftsfreudig, wie er war, hatte er sie wissen lassen, einen sehr erfolgreichen Hundezüchter mit einem Doggen-Zwinger ganz in der Nähe zu kennen. „Der hat prachtvolle Tiere, richtige Wachhunde“, hatte er zu berichten gewusst. Dort solle sie doch einfach mal vorbeifahren, um sich die Hunde anzuschauen. Warum nicht, hatte meine Frau gedacht, die um skurrile Einfälle nie verlegen war. Tatsächlich hatte sie dem Züchter auf der Rückfahrt von der Baustelle einen Besuch abgestattet, war dort anscheinend mit dem Doggen-Virus infiziert worden und hatte mich daraufhin in der Agentur angerufen, um auch mich anzustecken. So einfach wollte ich aber nicht nachgeben. Ich hatte schließlich einen Schwur geleistet. Am Abend zu Hause konnte ich mich der Begeisterungsstürme Sabines aber kaum erwehren. Sie war völlig in die Doggen vernarrt und malte die künftige Dreisamkeit mit diesem Hund in den schönsten Farben, so lange, bis mein Widerstand merklich zu bröckeln begann. Denn ich muss zugeben, ich fand allmählich sogar Gefallen an dem Gedanken, ein solches, nicht alltägliches Tier zu besitzen. Schließlich war es eine beschlossene Sache: Wir würden am kommenden Samstag gemeinsam den Doggenzüchter besuchen. Den Termin hatte meine Frau bereits vorsorglich vereinbart.

Samstagvormittag befanden wir uns auf dem Weg. Die Anfahrt zu den Doggen vom Simberg war nur kurz und wir wurden vom Züchter, einem netten älteren Herrn, freundlich empfangen. Er lotste uns gleich in sein Allerheiligstes, ins Wohnzimmer, wo er uns stolz die schier endlose Reihe seiner Sieger-Pokale zeigte, die seine Hunde über die Jahre auf den zahllosen nationalen und internationalen Zuchtschauen errungen hatten; jeder Pokal war der messing- oder blechgewordene Beweis seiner Züchterkompetenz. Nach einer ebenso interessanten wie kurzweiligen Einführung in das Wesen und den Charakter der Deutschen Dogge führte er uns schließlich in den großen Hof, den ein Zaun in zwei Bereiche teilte: in einen für normalen Publikumsverkehr und einen, der den Tieren und ihm vorbehalten war. Gespannt sahen wir zu, wie er sich an den nebeneinanderliegenden Einzelzwingern (mit Bodenheizung!) zu schaffen machte. Nun würden die Löwen gleich in die Arena gelassen werden. Ich muss zugeben, mir war doch wieder etwas mulmig zumute. Gott sei Dank befand sich zwischen uns und dem Doggen-Areal der Jägerzaun, hoch genug, um Sicherheit vorzutäuschen. Denn heute ist mir bewusst, dass es ein Leichtes für die Tiere gewesen wäre, diesen zu überwinden. Psychologisch gesehen stellte der Zaun wohl eher eine Art nervenberuhigende Barriere dar. Eine Einrichtung speziell für (noch) nicht doggenfeste Menschen, um sich während der folgenden Vorführung mental an etwas festhalten zu können. Die Zwingertüren öffneten sich und schon kamen sie heraus: fünf prächtige Tiere in den Farbschlägen Schwarzweiß, Gelb, Gestromt und Blau. Letzteren hatte ich bis dahin nur mit Katzen in Verbindung gebracht.

Mit diesem Auftritt wurde mir ein Vorurteil ein für allemal ausgetrieben: Trotz ihrer Größe waren die Riesen alles andere als plump oder schwerfällig. Ihre Bewegungen waren von einer Leichtigkeit, die mich überraschte. Verblüfft ließ ich ihr schwebendes Tänzeln auf mich wirken und erhielt zugleich einen kleinen Vorgeschmack darauf, was ich später an meiner eigenen Dogge immer wieder bewundern sollte: ihren luftigen, federnden Trab, an dem ich mich nicht satt sehen konnte. Nachdem die Tiere ihren Herrn begrüßt hatten, begannen sie, Sabine und mich mit gesenkten Köpfen neugierig und etwas misstrauisch zu mustern. Wenige Minuten später schienen sie die Anwesenheit der unbekannten Zaungäste ohne Murren zu akzeptieren. Wir hatten die Prüfung bestanden, denn ohne uns weiter zu beachten, scharte sich die Rasselbande um ihren Herrn. Dabei setzte der mächtige gelbe Doggenrüde eine Raubtiernummer in Szene, die uns in ungläubiges Staunen versetzte. Er richtete sich plötzlich hoch auf, nur auf seinen beiden Hinterläufen stehend, und überragte seinen Herrn um Kopfeslänge. Der alte Herr glich einem Dompteur im Raubtierkäfig, der sich vor einem schaudernden Publikum von seinem Lieblingstiger anspringen lässt. Mein Gott, das ist doch kein Hund mehr, fuhr es mir durch den Kopf. Der Züchter konnte sich der Gunstbezeugungen des Rüden kaum erwehren, wand sich unter dem Gewicht des Riesen, der ihm seine Vorderläufe über die Schultern geworfen hatte und hartnäckig versuchte, mit seiner langen Zunge irgendwo im Gesicht seines Menschen zu landen. Nachdem unser Gastgeber es endlich geschafft hatte, den Doggenrüden abzuschütteln und diesen Ringkampf in der XXL-Klasse zu beenden, widmete er sich wieder seinen Gästen.

Sabine hatte ihn bereits während ihres ersten Besuches darüber informiert, dass wir einen Hund suchten. Zurück am Zaun sprach er uns direkt darauf an und offerierte uns einen blauen Welpen mit dem Namen Ulla. Eine noch junge Doggenhündin, die im Frühsommer zum ersten Mal gedeckt werden sollte; eine schlanke Schönheit, die mich auf Anhieb faszinierte und offensichtlich wusste, was sie wert war. Ganz von sich eingenommen, so schien es, stolzierte sie kokett herum und würdigte uns keines Blickes. Tatsächlich sollte sie nach Aussagen ihres Herrn nicht ganz unkompliziert sein. Sie sei „ein Dickkopf“, eine „eingebildete Göre“ und manchmal „schnell beleidigt“, wenn es nicht nach ihrem Willen ginge, meinte der Züchter schmunzelnd, offenbar stolz auf ihren unabhängigen Geist. Wenn alles gut ginge, erwartete er den Wurf irgendwann im August, sodass wir im Oktober mit einem Welpen rechnen konnten. Wie man es von einem guten Hundezüchter vermuten sollte, erkundigte er sich aber auch nach unseren Lebensverhältnissen. Schließlich gebe er seine Tiere nicht an jeden ab, sondern nur in gute Hände. Was er von uns zu hören bekam, schien ihm zu gefallen. Er wollte gerade etwas entgegnen, wurde aber von der quengelnden Doggendame in Blau unterbrochen.

In der Zwischenzeit war Ulla immer ungeduldiger geworden. Sie schaute etwas mürrisch drein und vermittelte den Eindruck, dass es nun genug sei mit der ganzen Veranstaltung. Während unserer Unterhaltung stupste sie ihren Herrn fortwährend aufdringlich mit der Schnauze an. „Ist ja gut“, beschwichtigte dieser und tätschelte ihr beruhigend den Kopf. „Sie hat einen starken Willen“, erklärte er uns, „dem man aber nicht nachgeben darf. Sonst macht sie, was sie will.“ Insgeheim amüsierte mich diese Auseinandersetzung zwischen Herr und Hündin. Die blaue Ulla schien eine richtige Persönlichkeit zu sein, mit eigenem Kopf, Ecken und Kanten, und das machte sie mir sympathisch. Eine Persönlichkeit, die mir neben ihrer Schönheit irgendwie imponierte und den Wunsch in mir aufkeimen ließ, ein Doggen-Kind von der Blauen durchaus in Erwägung zu ziehen. Mir hätte allerdings damals schon aufgrund der Kostproben ihres Verhaltens dämmern sollen, dass nicht alle Hündinnen unkomplizierte Wesen sind, wie ich mir zu diesem Zeitpunkt aufgrund der bisher gewälzten Fachliteratur noch naiv einbildete.

Wenn ich bis zu diesem Zeitpunkt – im Gegensatz zu Sabine – doch noch etwas unentschlossen gewesen war, ob wir uns wirklich eine Dogge antun sollten, so kam am Ende unseres „Doggen-Watchings“ der alles entscheidende Anstoß zu meinem begeisterten Ja von völlig unerwarteter Seite. Denn die gestromte Doggenhündin, die sich die ganze Zeit über vornehm im Hintergrund gehalten, uns aber aufmerksam beobachtet hatte, legte schließlich ihre Zurückhaltung ab und spielte Schicksal. Sie war zwar keine solche Schönheit wie die kühle Blaue, aber dafür hatte sie viel Charme und ein großes Herz; das sollte sich bald herausstellen. Wie aus heiterem Himmel kam sie plötzlich direkt auf mich zugetrabt, sprang an jener Stelle des Zauns hoch, an der ich es mir mit aufgestützten Armen in vornübergebeugter Haltung inzwischen bequem gemacht hatte, und warf sich mir im wahrsten Sinne des Wortes an den Hals. Auf ihren beiden Hinterläufen stehend, legte sie mir ihre Vorderpfoten auf die Arme und blickte mich mit geöffnetem Fang und vor Aufregung hechelnd an. Ich war total überrascht. Sie schien das krasse Gegenteil der introvertierten Blauen zu sein und noch ehe ich etwas zum Besten geben konnte, lag ihr schwerer Kopf in der Beuge meines linken Armes. Dabei drängte sie sich noch dichter an den Zaun, rieb den Kopf an meiner Brust, vergrub ihn wiederum in der Armbeuge und ließ ihn dort schließlich ruhig verweilen. Gleichzeitig blickte sie mich erwartungsvoll aus ihren schönen Augen an. Ich war einfach hingerissen! Der folgende Vergleich hinkt völlig, das weiß ich, aber ob Sie es glauben oder nicht: Ich fühlte mich in die Zeiten meiner ersten Tanzstunde zurückversetzt. Dies war eine „Damenwahl“, mit der ich nun überhaupt nicht gerechnet hatte. Als hätte sie meine Zurückhaltung, meine Unentschlossenheit gespürt, als hätte sie sich gesagt: „Diesen steifen Zweibeiner mische ich jetzt mal auf!“ Ihre Botschaft war angekommen. Mach dich locker, dachte ich und begann der Doggenhündin, die selig in meinen Armen lag, über ihren Kopf zu streicheln. Dankbar leckte sie mit ihrer großen Zunge über den Ärmel meiner Lederjacke, schnaubte leicht und genoss es sichtlich, von mir gekrault zu werden.

Sabine und der Züchter mussten lachen. „Die macht Ihnen aber schöne Augen“, kommentierte er und schlug scherzhaft vor: „Nehmen Sie sie doch gleich mit, sie scheint Sie zu mögen.“ Tatsächlich hatte die Schmusebacke einen Narren an mir gefressen. Sie ließ nicht mehr von mir ab und es gefiel ihr total, sich von mir verwöhnen zu lassen. Und ich? Keine Frage, ich genoss es selbstverständlich auch, so umschwärmt zu werden. Das Doggenmädchen eroberte mich im Sturm und bescherte mir ein Erweckungserlebnis, das aus dem Zauderer fortan einen geläuterten Doggenenthusiasten machte. Seit diesem Samstagvormittag stand zumindest eines unumstößlich fest: Es würde auf jeden Fall eine Deutsche Dogge sein, die wir in unser Kleinrudel aufnähmen.

Es sollte eine Hündin sein

Wir hatten mit dem Züchter der Doggen vom Simberg vereinbart, weiterhin in Kontakt zu bleiben, nachdem die Frage nach der Rasse nun endgültig geklärt war. Er versprach, uns sofort anzurufen, wenn die Blaue geworfen hätte. Und ich begann, meinen gesamten Jahresurlaub in den Oktober und November zu legen. Schließlich wollte ich mich von Anfang an intensiv um unseren vierbeinigen Nachwuchs kümmern.

Die Entscheidung für eine Dogge zog aber gleich die nächste Frage nach sich, die es zu beantworten galt: Mann oder Frau? Obwohl der Züchter dazu geraten hatte, uns ruhig Zeit zu lassen, wollte ich mich schon frühzeitig festlegen, um mich nicht erneut in einem ewigen Für und Wider zu verlieren. Natürlich tendierte ich wegen der Avancen, die mir die gestromte Doggenhündin gemacht hatte, eher zu einer Hündin. Aber noch ein weiteres Argument sprach für das weibliche Geschlecht. Viele tatsächliche oder eingebildete Hundekenner und Rasseführer rieten vehement zum Kauf einer Hündin. Und die konnten sich doch nicht alle irren. Unisono klang es uns entgegen: Wenn man als Anfänger allem Ärger mit seiner vierbeinigen Neuerwerbung aus dem Wege gehen möchte, es unkompliziert und eher kuschelig mag, dann sei man mit einer Hündin bestens bedient. „Wer einmal eine Hündin in ihrer anschmiegsamen Art erlebt hat, wird sich zu dieser entscheiden“, behauptete Winfried Nouč in seinem Ratgeber Die Dogge. (S. 37) Außerdem spräche ein weiterer Aspekt für eine Hündin: „Der Unterordnungstrieb ist ihr von Natur gegeben, der Gehorsam ihr meist selbstverständlich.“ Auch Konrad Lorenz, der Nestor der Verhaltensforschung, empfahl in seinem noch immer lesenswerten und bereichernden Büchlein So kam der Mensch auf den Hund, sich möglichst eine Hündin anzuschaffen. Sie sei „viel treuer als ein Rüde, ihre Seelenregungen sind komplizierter, reichhaltiger und feiner, und auch ihre Intelligenz übertrifft in den meisten Fällen die des sonst gleichwertigen Rüden.“ Ein wahres Loblied auf die Hündin, das Konrad Lorenz da sang, das schließlich in folgende Fast-Apotheose mündete, die mich natürlich nicht unbeeindruckt ließ: „Dasjenige unter allen nichtmenschlichen Lebewesen, dessen Seelenleben in Hinsicht auf soziales Verhalten, auf Feinheit der Empfindungen und auf die Fähigkeit zu wahrer Freundschaft dem des Menschen am nächsten kommt, also das im menschlichen Sinne edelste aller Tiere, ist eine vollwertige Hündin.“ (S. 68)

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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