Die Schwere einer Nacht - Urs De Plierer - E-Book

Die Schwere einer Nacht E-Book

Urs De Plierer

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Beschreibung

Zyndia, eine junge Frau, die sich ihr Geld damit verdient, nachts Werbebeilagen in die Tageszeitung einzulegen, hatte eine anstrengende Nachtschicht hinter sich und wollte nur noch rasch heim. Netterweise wurde sie von ihrer Kollegin zum Hauptbahnhof gebracht, wo sie weitere Stunden ausharren musste, bevor sie ihre Heimfahrt per Zug fortsetzen konnte. Einige Zwischenfälle sollten den Heimweg zur Tortur werden lassen.

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EPUB

Seitenzahl: 47

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Die Schwere einer Nacht

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Die Schwere der Nacht.

Urs De Plierer

NOVELLE

FÜR VERONIKA

IMPRESSUM

Autor: 

Urs De Plierer

Herausgeber: 

Wolfgang Schulz-Binz, Elbinger Straße 2, 31515 Wunstorf

©2019  Die Rechte der Vervielfältigung obliegen dem Autor.

In den frühen Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts hatte es sich zugetragen. Gleich anfang des Jahres ist ein Schlumpf schweizerischer Bundespräsident geworden. Der erste Macintosh kam auf den Markt. Als Antwort auf die Pershings im Westen wurden nun die SS20 in der DDR postiert. Die Menschen, respektive deren Entscheider spielten mal wieder verrückt. Auf geniale Weise und doch nicht weit genug vom Wahnsinn entfernt. Die Uhr des Lebens tickte schneller, nicht für jeden, doch für die allermeisten.

Nicht ganz geräuschlos rollte die hellblaue, mit vielerlei bunten Pril-Blümchen-Aufklebern bekleisterte Kastenente, unmittelbar vor das Portal des Hauptbahnhofs. Das Schnattern des Motors brach mit der Stille des lauen Frühlingsabends.

»Hast du noch‘n bisschen Zeit, Linda? Ist immer ziemlich öde, nachts allein im Bahnhof. Ständig wird frau von irgend‘nem Kerl blöd angequatscht oder von Trunkenbolden angepöbelt. Das nervt. Aber, wenn du es eilig haben solltest ...«

»Ach was, auf‘ne Zigarettenlänge habe ich allemale noch Zeit. Sag, Zyndia, wie lange hast du eigentlich noch Aufenthalt?« Indessen kramte sie eine rot-weiße Pappschachtel aus ihrer Strickjackentasche hervor, fingerte eine Fluppe heraus und zündete sie an.

»Noch ungefähr zwei Stunden bis der Zug eintrudelt. Dann noch eine weitere halbe Stunde Fahrzeit und etwa zwölf Minuten zu Fuß. Ist zwar kein Pappenstiel, aber geht klar.«

»Magst du vielleicht auch‘ne Zichte?«

»Nein, danke, ich kurbel mir eine. War heut‘ wieder‘ne beschissene Nacht, was?« bemerkte Zyndia seufzend. 

»Tja, das kann frau wohl getrost behaupten. Ich meine, war wieder 'ne Menge los«, bestätigte Linda, meinte nach einer knappen Pause gedankensprüngig, dass zwei Stunden ja eine verdammt lange Zeit wäre. »Was tust du denn solang, um dir die Langeweile zu vertreiben? Mir wär das zu fad, dort herumzulungern bis endlich der Zug eintrifft.«

»Na ja, ich lese da gerade ein ganz tolles Buch: Der veruntreute Himmel, von Franz Werfel.«

»Kenn‘ ich gar nicht«, bekannte Linda und schien mit diesem Autor wirklich nicht das geringste anfangen zu können.

»Die vierzig Tage des Musa Dagh«? schob Zyndia nach. 

»Gedichte?« fragte Linda dann wortkarg.

»Ne, ein Roman. Bin ihn erst angefangen. Doch das Ende gefällt mir gut. Wenn ich ein Buch kaufe, lese ich erst die letzten Seiten vorweg. Entscheide dann, ob ich es kaufen sollte. Ich glaube, viele tun das. Auf jeden Fall heißt es dort in dem Buch: Der veruntreute Himmel ist der größte Fehlbetrag unserer Zeit. Seinetwegen kann die Rechnung nicht aufgehen. Er beschreibt damit bestechend die Gegenwart, die Gegenwart heute und die Gegenwart von damals, die keinesfalls wie Vergangenheit anmutet.«

»Äh – ziemlich abstrus.«

Zwei Glutpunkte glosten auf, hüllten zwei Gesichter in hellrotes Leuchten. Und im Nu legte sich wieder die Schattenhand der Nacht über beide, dass bloß noch ihre Umrisse vage zu erkennen blieben. Nikotinrauch schlingerte in schmalen Fäden empor, formierte sich zu winzigen Puffwölkchen, die sich von innen nach außen wälzten, und benetzte den falben Himmel des Fahrgastraumes mit dem typischen Teint vieler Raucherautos.

Eine Gestalt scharwenzelte um die hellblaue Kastenente, klopfte schließlich mit den Fingerknöchelchen seiner klauenartigen Hand an die Scheibe der Fahrertür. Jäh und eiskalt floss über beider Insassen ein Schauer. Vom ersten Schreck erholt, öffnete Linda das Seitenfenster, schwenkte es nach außen hoch, sah sich einer finstren Miene mit dunkelblauer Schirmmütze, wie sie die hiesige Bahnpolizei zu tragen pflegt, gegenüber.

»Hier dürf’n S’e aber unmöglich steh’nbleiben, junge Frau. Das is’ nich’ erlaubt«, tadelte der Uniformierte, dessen Gesicht nun, durch die Gewöhnung der Augen an die Dunkelheit, deutlicher auszumachen war.

»Wieso?« fragte Linda in ihrer Verblüffung kritisch, aber noch durchaus freundlich.

»Wie-so wohl!« frotzelte der blaue Papagei. »Warum wohl? Weil S’e hier im Parkverbot steh’n, und das schon’ne geraume Weile.«

»Aber«, widersprach Linda kess, »ich parke doch gar nicht. Ich halte doch nur, wenn’s gestattet ist, mein Herr.« Und ein liebenswürdiges, keinesfalls unflätiges Schmunzeln wogte in ihrem Gesicht und zerschellte am sich erkühnenden Schnabel.

»So geht’s jed’nfalls nicht. Wenn S’e sich jetzt bitte schick-lichst in eine dieser Parklücken bemüh’n möcht’n!« verwies sie der Beamte und schrankte seinen Arm, deutete mit der flachen Hand zu einer Stelle, zwischen einigen geparkten Autos. In seiner Stimme, welche zunächst noch höflich klingen sollte, bebte ein merkbares Maß an Ungehaltenheit und gezügeltem Verdruss.

»Okay, Sir, wird umgehend erledigt. Wenn es Ihnen Freude macht. Obwohl wir hier niemanden behindern — aber egal, ganz wie Sie wünschen«, gab Linda devot bei und startete den Motor.

»Ob Sie, Madame ...«, begann der Beamte, dieses Mal ziemlich klar akzentuiert, wurde jedoch seitens Linda unterbrochen.

»Mademoiselle, bitte. Wenn’s Ihnen nicht allzu viel ausmacht«, fiel sie ihm barsch ins Wort.

»Gewiss nicht, Mademoiselle. Doch lass’n Sie’s sich gesagt sein, ob Sie hier jemanden behindern oder nicht, ist vollkommen gleichgültig. Das Park’n is’ hier strikt untersagt, so oder so, wie Sie’s auch drehen oder wenden. Vorschrift is’ eben Vorschrift, meine Dame. Und im übrigen hört sich Ihr Auspuff auch nich’ gerad’ gesund an, muss durchlöchert sein wie’n schweizer Käse. Sollt’n sich schleunigst drum kümmern. So, das wär’s dann schon. Gute Nacht allerseits«, verabschiedete sich der Herr in der blauen Uniform und verschwand im Dunkel der Nacht.

»Ui, puh«, prustete Zyndia und wedelte mit ihrer linken Hand, blies sich dabei auf die Fingerspitzen, als ob sie sich die Finger verbrannt hätte. Meinte dann abfällig: »Typisches Mannsbild.«

»Blöder Typ«, murrte Linda und rangierte ihre Ente in die zugewiesene Parklücke. »Ist doch gar nicht sein Ressort, glaubt sich wohl für alles zuständig.«

»Ach komm«, beschwichtigte Zyndia, winkte indes mit der rechten Hand lässig ab, dass unbemerkt ein Stückchen Asche zwischen die Sitze fiel. »Reg dich doch nicht auf über so etwas, Linda. Ist eben ’n oller Korinthenkacker, einer von der alten Garde, der seine Kompetenz gar nicht mehr kennt oder gerne mal malafide überschreitet. Oder – was weiß denn ich. Jedenfalls des Ärgerns nicht wert«, lenkte Zyndia ein.