Die Seelenwelt der Pflanzen - Eva Rosenfelder - E-Book

Die Seelenwelt der Pflanzen E-Book

Eva Rosenfelder

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Kailash
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Neun besondere Pflanzenkundige und ihre Seelengärten

Seit Urzeiten beschenken uns Pflanzen, indem sie uns begleiten, nähren und heilen. Instinktiv begreifen wir sie als eigenständige Wesen, die sich auf mannigfaltige Art ausdrücken. Doch wie können wir ihre Seelenwelt wirklich verstehen? Eva Rosenfelder kommt dem Wesen unserer grünen Mitgeschöpfe in der Begegnung mit Pflanzenweisen wie dem Wildkräutersammelweib Gisula Tscharner, dem Arzt und Maler Jürg Reinhard oder dem Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl auf die Spur. Diese Seelengärtner begleiten uns auf einer Wanderung durch den natürlichen Jahreslauf. Gelingt es uns, den Stimmen der Pflanzen zu lauschen, erhalten wir mit etwas Glück sogar den Schlüssel zum Tor eines Paradiesgartens: dem Garten unserer eigenen Seele.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 229

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



EVA ROSENFELDER

DieSeelenwelt

Inhalt

Vorwort von Wolf-Dieter Storl

EINKLANG

EIGENE WURZELN

Von meinem gärtnerischen Urgrund

1. IM ERD- UND AHNENREICH

Vergänglichkeit · Transformation

Begegnung mit Seelengärtner Tilman Schlosser

Seelenpflanzen von Tilman Schlosser

2. AUFERSTEHUNG

Das innere Licht erwecken · Wiedergeburt des Lichts

Begegnung mit Seelengärtner Frank Brunke

Seelenpflanzen von Frank Brunke

3. ERWACHEN

Frische · Klarheit · Erneuerung

Begegnung mit Seelengärtnerin Regula Mathies

Seelenpflanzen von Regula Mathies

4. KNOSPEN

Wachstum · Entwicklung

Begegnung mit Seelengärtner Jürg Reinhard

Seelenpflanzen von Jürg Reinhard

5. BLÜHEN

Sinnlichkeit · Gemeinschaft

Begegnung mit Seelengärtnerin Agnes Barmettler

Seelenpflanzen von Agnes Barmettler

6. LIEBE

Verbindung · Erfüllung

Begegnung mit Seelengärtnerin Orna Ralston

Seelenpflanze von Orna Ralston

7. ERNTE

Reife · Fülle

Begegnung mit Seelengärtnerin Ursula Bühler

Seelenpflanzen von Ursula Bühler

Begegnung mit Seelengärtner Wolf-Dieter Storl

Seelenpflanzen von Wolf-Dieter Storl

8. LOSLASSEN

Samen im Wind

Begegnung mit Seelengärtnerin Gisula Tscharner

Seelenpflanzen von Gisula Tscharner

Rezepte und Inspirationen

Pflanzen richtig sammeln, Wesen und Heilkräfte erspüren, Blütenessenzen und Kräuterwässer herstellen, Seelenpflanzen erkennen, Samen informieren, Hilfe gegen Schädlinge …

AUSKLANG

ANHANG

Literatur

Bezugsquellen · Register

Die Autorin

Vorwort

VON WOLF-DIETER STORL

Gut, dass es noch Menschen gibt, die offen sind für die grünen Mitbewohner unserer Erde und mit ihren Herzen in deren stilles Wesen hineinlauschen. Die Pflanzen verdienen das, denn die dunklen, geheimnisvollen Wälder, die blühenden Wiesen, die reifen Ackerfelder und das bunte Herbstlaub beschenken uns mit unermesslicher Schönheit, die unsere Sinne erfreut, uns zu poetischen Flügen einlädt und uns seelisch und körperlich gesund erhält. Moderne Forschung bestätigt, dass allein ein halbstündiger Waldspaziergang oder etwas Gartenarbeit die Stresshormone im Körper vermindert, Pulsfrequenz und Blutdruck senkt und die Aktivität des Immunsystems erhöht. Nicht nur das. Wenn wir bedenken, dass wir den Pflanzen letztlich all unsere Nahrung verdanken, ja, dass sie uns mit dem Sauerstoff versorgen, der uns atmen lässt und sogar zur leuchtend blauen Farbe des Himmels beiträgt, dann haben wir allen Grund, ihnen dankbar zu sein.

Nur weil unser Gehirn es nicht ohne Weiteres erfassen kann, bedeutet das nicht, dass in den Pflanzen keine geistigen und seelischen Kräfte am Werk sind. Als Kulturanthropologe kann ich bestätigen, dass man in allen traditionellen Kulturen davon überzeugt war und dass es überall Menschen gab (und gibt), die mit den Geistern des grünen Volks »sprechen« können. Auch bei uns gibt es sie. Eva Rosenfelder stellt uns einige in diesem Buch vor. Und sie selbst gehört dazu; auch sie kann das Wesen der Pflanzen erspüren und hat die Begabung, dessen Botschaft in Form inspirierender Gedichte zu fassen – Kleinode, die sehr schön zu den meditativen Pflanzenfotos von Frank Brunke passen.

Gut, dass es Menschen gibt, die Pflanzen lieben. Das ist notwendig, denn Liebe ist eine geistige Kraft, ein Gegengewicht zu der Brutalität und kalten Herzlosigkeit, mit der heute die Vegetation angegangen wird. In einer Welt der globalisierten Geldgier verschwinden jedes Jahr Waldflächen so groß wie Frankreich; etliche Millionen Hektar Ackerland werden mit dem Totalherbizid Glyphosat vom »Unkraut« befreit und dabei totgespritzt. Doch Ackerbegleitkräuter spielen eine sehr wichtige ökologische Rolle! Viele sind Heilkräuter oder auch essbar, oder sie liefern Nektar für Bienen und Bestäubungsinsekten.

Es ist höchste Zeit, dass wir wieder liebevoll mit unseren Mitgeschöpfen umgehen. Mein Lehrer, der weise Bergbauer Arthur Hermes, sagte einmal: »Liebe ist geistige Düngung für die Pflanzen.« Ohne unsere liebevolle Zuwendung werden die Pflanzen verkümmern. Experten werden dann sicherlich irgendeine materielle Erklärung zur Hand haben, aber es ist letzten Endes unsere Lieblosigkeit, die der Grund für Naturverarmung ist.

Pflanzen entwickeln sich im Einklang mit den kosmischen Rhythmen. Ihr jahreszeitliches Erscheinen, ihr Keimen, Wachsen, Blühen und Vergehen, ist ein Tanz mit Sonne, Mond und Planeten. Eva Rosenfelder versteht das; sie öffnet uns in diesem Buch ein Tor zu der Erkenntnis, dass Pflanzen in ihrem Wesen viel größer und wunderbarer sind, als es die Schulweisheit erahnt.

Einklang

Das Jahr ist noch jung, schon strecken die ersten Schneeglöckchen ihre weißen Köpfchen hervor und verheißen den Frühling. Immer wieder hüpft mein Herz vor Freude, wenn ich sie entdecke. Einmal mehr ist es ihnen gelungen, Kälte und Winter durchzustehen, den harten Boden zu durchbrechen und trotz aller Widrigkeiten unbeirrt zum Licht zu gelangen – zart und doch so unglaublich stark. Das macht mich glücklich.

Wie nur vermögen Pflanzen uns Menschen mit so viel Liebe zu erfüllen? Was geht von einer Pflanze aus, das uns so sehr berührt? Je tiefer wir mit ihr in Beziehung treten, desto mehr stellt sich diese Frage. Pflanzen sind eigenständige Wesen, die sich auf mannigfaltige Art ausdrücken. Doch auch wenn sie uns Menschen seit Urzeiten begleiten, nähren und heilen, so ist ihre Vielfalt der Erscheinungen und Wirkungsweisen für uns unermesslich geblieben. Heute haben wir Zugang zu so viel Wissen und Erfahrungsschätzen wie niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Das alte Heilpflanzenwissen verschiedenster Naturvölker und Kulturen ist uns ebenso verfügbar wie modernste wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu den überraschenden Fähigkeiten der Pflanzen. Alternativ- oder Hightech-Medizin, Kräutersepps Geheimrezept oder pharmazeutischer Hammer aus synthetisierten Pflanzensubstanzen – wir können aus einer riesigen Palette an Möglichkeiten wählen. Doch wissen wir wirklich mehr über Pflanzen?

»Die Frage ist weniger, ob Pflanzen intelligent sind, als vielmehr, ob wir intelligent genug sind, um sie zu verstehen.«

(Ian Baldwin, führender Pflanzenforscher am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena)

Unser Naturverständnis ist geformt von unserer Herkunft und einem selbstverständlichen kulturellen Einverständnis, das wenig hinterfragt wird. Wissen hat einen hohen Stellenwert und beeinflusst dementsprechend unsere Wahrnehmung. Fakten, die auf Analyse, Sezieren, Zerlegen basieren, die belegt sind durch Studien, Statistiken, gelten als handfestes Allgemeinwissen. Die Pflanzen kommen dabei schlecht weg: Selten nur werden sie in freier Natur besucht, dort, wo sie gedeihen und in Gemeinschaft mit anderen Pflanzen wachsen. Eher landen sie im Herbarium, werden in Einzelteile zerlegt betrachtet, abgetrennt von Wurzel und Heimat grell belichtet unter Mikroskopen in einer Laborsituation, fern des Lebens. Wie exakt ist das?

Was sich im Bereich des Ahnens oder Fühlens bewegt, wird als »esoterisch« belächelt – ein Begriff, der sich längst zum gesellschaftlich anerkannten Schimpfwort gewandelt hat. Ahnung, Intuition oder Imagination sind Zugänge, die als unwissenschaftlich abgetan werden. Die Natur zu mystifizieren gilt als romantisch und naiv, ausgenommen in Kunst und Literatur, die in ihrem sinnlichen Ausdruck die Essenz wohl am ehesten berühren. Hier wird den Naturvisionen eine Nische gewährt. In den letzten Jahrzehnten besinnt man sich auch wieder mehr auf Volksheilkunst und das alte Wissen von Naturvölkern aus verschiedensten Kulturen – staunend, was »primitive« Völker bereits wussten, und das ohne Hilfe von Labors, ohne Analyse von Inhaltsstoffen, ohne fundierte Wissenschaft.

Im Verständnis der Naturvölker wirkt das Leben in Menschen, Bäumen, Pflanzen, Steinen auf dieselbe Weise, sie unterscheiden nicht zwischen Mensch und Nichtmensch, sie sind Natur. Es ist dieses Gefühl, das wir im natürlichen Umgang mit Pflanzen als eine Bezauberung wahrnehmen, mit der uns die freie Natur oder der Garten umfängt. Die Sehnsucht nach dieser Rückverbindung mit der Natur wächst, je mehr wir uns von ihr entfremden, doch wir trauen der Sache (noch) nicht wirklich, sondern äugen stets auf die Forschungsergebnisse der Wissenschaft. Und diese interessiert sich – ihrem Wesen gemäß – für die »Intelligenz«, das geheime »Wissen« oder die faszinierenden »Fähigkeiten« der Pflanzen oder »erforscht« die Pflanzenseele. Basierend stets auf der Vorgabe, man dürfe die Natur keinesfalls vermenschlichen.

Eine Brücke von der Wissenschaft zur Spiritualität

Aber ist nicht die Wissenschaft selbst eine menschliche Projektion, welche die Dimensionen begrenzt, in denen sich die Pflanzen tatsächlich aufhalten? Ergebnisse modernster Quantenphysik besagen, dass allein die Beobachtung – etwa der scheinbar bedeutungslose Akt des Messens – die Erscheinungsform der Materie beeinflusst. Hier hat die Wissenschaft wahrhaft das Tor zu einem spirituellen Verständnis von Mensch und Welt aufgestoßen.

Doch ungeachtet dessen, was im Bereich der Quantenphysik bereits erforscht wurde, steht die neuzeitliche Wissenschaft noch immer unter dem Einfluss des Newton’schen Weltbildes aus dem 17. Jahrhundert (!) und baut darauf, dass nur Fassbares und Messbares real ist. Nach Newton ist die Welt aus kleinsten materiellen Bausteinchen, den Atomen, aufgebaut. Aber man hat längst entdeckt, dass diese Teilchen keine greifbare Substanz haben.

Materie kann sich – je nachdem, ob sie beobachtet wird oder nicht – als Teilchen oder als Welle zeigen. Nur wenn sie gerade gemessen wird, erscheint die Materie für uns in Form von kleinen Teilchen, die man Quanten nennt. »Ein Quantum ist eine Art Verpackungsgröße der sichtbaren Wirklichkeit«, erklärt die deutsche Philosophin Natalie Knapp (Der unendliche Augenblick, siehe Quellenverzeichnis). »Solange die Materie unbeobachtet ist, existiert sie als geheimnisvolles Kontinuum, das man in der Physik auch ›Welle von Möglichkeiten‹ nennt.« Das ist keine esoterisch angehauchte Behauptung, sondern die Standardinterpretation der Quantenphysik: »Materie besteht aus Wellen von Möglichkeiten, der Einfluss des Beobachters ist massiv, denn er bewirkt, dass etwas eine Form annimmt. Hier berühren sich Geist und Materie. Nicht durch gezielte Manipulation, sondern durch das In-Beziehung-Treten mit etwas«, erklärt Natalie Knapp. »Realität ist erst eindeutig, wenn wir ihr dazu verhelfen, eine Form anzunehmen […] So sind auch unsere Sinneserfahrungen weder rein subjektiv noch völlig objektiv, sondern relativ – im Sinne einer Beziehung, aus der die Welt hervorgeht.«

Was Natalie Knapp da sagt, ist eine Ungeheuerlichkeit: Denn hier hat die Wissenschaft, die nur beweisbar objektive Fakten anerkennt, einen ihrer grundlegendsten Glaubenssätze aus den Angeln gehoben und ein Paradox zutage gefördert: »Die Welt der Quanten zeigt sich ganz ›objektiv‹ als eine Welt der Beziehungen zwischen Geist und Materie.«

Diese Tatsachen sind wichtig in Bezug auf unsere Wahrnehmung von Pflanzen. Denn der Pfad des Wissens führt heute immer näher an die Grenzen zur Pflanzenmystik. Selbst Forschende sind oft fassungslos angesichts der Dimensionen, welche die Pflanzenwelt ihnen zu eröffnen vermag – dennoch stehen sie der Vorstellung von einer beseelten Natur misstrauisch gegenüber. Es bleibt zu hoffen, dass die Erkenntnisse modernster Wissenschaft schrittweise immer mehr zu einem »Hand in Hand« mit der Weisheit der Natur führen.

Dass Pflanzen auf menschliche Gedanken und Gefühle, Glück, Freude, Schreck und Schmerz reagieren, haben Wissenschaftler bereits in den 1960er-Jahren nachgewiesen (vgl. Tompkins/Bird: Das geheime Leben der Pflanzen, siehe Quellenverzeichnis). In unzähligen Untersuchungsreihen konnten sie feststellen, dass Pflanzen agieren und reagieren wie andere Lebewesen auch. Pflanzen fühlen, haben Erinnerungsvermögen und sind in der Lage, optische, akustische und sogar gedankliche und emotionale Eindrücke wahrzunehmen. Sie reagieren ständig auf die Einflüsse elektromagnetischer Wellen, die von zahlreichen menschlichen Einrichtungen ausgehen, aber vor allem auf jene von Sonne, Mond, Planeten und vom ganzen Kosmos. Erkenntnisse, die damals hohe Wellen geschlagen haben.

Heute hat die Naturwissenschaft noch viel mehr erforscht: Unsere grünen Mitbewohnerinnen kommunizieren miteinander über Düfte und Wurzelsysteme, ihr chemisches Vokabular umfasst um die 3000 (!) »Begriffe«. Pflanzen tauschen sich mit Insekten und Vögeln aus (vgl. Mancuso/Viola: Die Intelligenz der Pflanzen) und reagieren unglaublich sensibel auf jede Art von Berührung: Ein sanftes Streicheln genügt, und sie ändern ihre Wuchsrichtung. Ihr Körper ist zudem ein einziges Sehorgan, dessen Zellen fähig sind, die Anteile unterschiedlicher Wellenlängen im Licht zu identifizieren und ihr Wachstum nach dem Sonnenlicht zu richten. In ihren Zellmembranen – dem eigentlichen Gehirn der Pflanze – können sie Tausende von Signalen verrechnen.

Die stillen Grünlinge sind lebendige Wesen in einem großen Naturgeflecht, sie leben in Familien und verfügen gar über mehr Sinne als der Mensch – neben unseren fünf Sinnen besitzen sie nicht weniger als fünfzehn weitere Sinne pflanzlicher Art.

Unsere Ureltern

Heute weiß man, dass Pflanzen, Tiere und Menschen dieselben Wurzeln haben und auf Zellebene miteinander verwandt sind. Die fast drei Milliarden Jahre dauernde Entwicklung hat von einzelligen Lebewesen ausgehend zu einer unglaublichen Vielfalt der Lebensformen geführt. Biologisch betrachtet sind Pflanzen unsere Ureltern, denn anders als Tiere und Menschen sind sie als einzige Wesen in der Lage, Sonnenlicht in Leben zu verwandeln, das sie großzügig verschenken. Sie sind es, die überhaupt die Grundlage für Ernährung und damit eine mögliche Existenz für Menschen und Tiere schaffen. Doch noch immer gelten Pflanzen im vorherrschenden Weltbild als weniger entwickelt als Tiere. Angesichts der Tatsache, dass der Anteil der Gattung Mensch und aller anderen Tiere gerade einmal 0,3 Prozent der Masse aller Lebewesen auf dieser Erde ausmacht – im Gegensatz zu 99,7 Prozent Pflanzen –, fragt es sich schon, wem eigentlich die Krone der Schöpfung zusteht. Doch ein solches Begehren ist der grünen Welt wohl eher fremd.

Die Schweizer Verfassung trägt dieser neuen Sicht auf Pflanzen erfreulicherweise Rechnung: Seit 1992 ist die Würde der Pflanzen in der Verfassung geschützt (Verfassungsartikel zur Würde der Kreatur 1992).

Doch was bedeutet das alles für unsere Beziehung zu den Pflanzen, die sich anhand solcher Erkenntnisse immer weniger als Biomasse betrachten lassen? Und was verändert es an unserem Umgang mit der Natur? Ganz offensichtlich vermögen Pflanzen einiges mehr, als den Menschen zu ernähren und ihm den Sauerstoff zur Atmung zu liefern. Das Geheimnis aber, das die Pflanzen umgibt, wird wohl keine Forschung je lüften können.

Ist es nicht vielleicht gerade das breit gefächerte Wissen und der Glaube an eine Fachwelt, die uns hindern, selbst mit dem Wesen der Pflanze in Beziehung zu treten, zu lauschen, zu schauen, zu riechen und zu träumen? Denn dazu fordern uns die Pflanzen geradezu auf. Mit unglaublicher Geduld scheinen sie sich zur Verfügung zu stellen für alles, was wir mit ihnen tun, als ob sie geduldig warteten, bis wir Menschen sie endlich in ihrer Ganzheit erkennen.

Als Kinder fanden wohl die meisten von uns noch unmittelbar Zugang zu diesen Ebenen. Versonnen pflückten wir Blumen, kletterten wie Äffchen in den Bäumen, öffneten dieser beseelten Welt vorbehaltlos alle Sinne. Vor allem hatten wir Zeit. Sehr viel Zeit, um gemeinsam mit den Pflanzen zu träumen.

Kirschbaum meiner Kindheit

Noch immer lebt in mir jener wilde Kirschbaum aus Kinderjahren. Unzählige Male kletterte ich auf ihm, schlang meine Beine um das schwarze Stämmchen, zog mich immer weiter und immer geschickter hinauf, mitten in die weiße Blütenpracht. Gemeinsam reisten wir durch die Jahreszeiten.

Mit den Vögeln teilte ich seine hellroten winzigen Kirschen. Sauer waren sie, nur für uns ein Leckerbissen. Dann der Geruch der feuchten Äste, wenn langsam der Herbst kam und der Kirschbaum sein Blätterkleid fallen ließ. Auch die ersten Schneeflocken erlebten wir manchmal gemeinsam. Getragen von einer Astgabel, ließ ich den Blick über den kahl gewordenen Garten schweifen. Die Kälte ließ mich erstarren, und ihm ging es ebenso. Ich spürte den ruhenden Baumkörper, der seine Kraft unter die Erde zurückzog. Manchmal bekam er ein Schneekleid, geschmückt von tausend schillernden Kristallen. Viele Kindheitsjahre habe ich mit diesem Baum geteilt.

Eines Tages haben die Schrebergartennachbarn ihn ohne Vorwarnung gefällt und seinen Körper in einer Nacht-und-Nebel-Aktion weggeräumt. Dieser unnütze Kirschbaum habe zu viel Schatten auf ihre Beete geworfen und das reiche jetzt, war die vage Begründung. Ich war unendlich traurig.

Doch seltsamerweise spürte ich bald, dass der Baum noch irgendwie anwesend war. Immer wieder konnte ich ihn wahrnehmen, wie er in seiner Ganzheit und Unversehrtheit da war und mich tröstete. Ich fühlte ihn in mir. Und das bis heute – rund vierzig Jahre später.

Wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass inzwischen in meinem Baumgarten ein wilder Kirschbaum ganz von selbst gewachsen ist, gleich dem Baum meiner Kindheit, dann werden Sie das vielleicht für Zufall halten. Doch ist es einer dieser sinnigen und berührenden »Zu-fälle«. Dieser Wildkirschbaum ist in kürzester Zeit zu einem Kletterbaum herangewachsen und schenkt mir bereits wieder jene sauren Früchtchen von damals. Wenn auch meine Knochen mir nicht mehr erlauben, so wendig die Äste zu erklimmen …

Dieser Kirschbaum und viele andere Pflanzen, die mir nahegekommen sind, bewegen mich. Seit vielen Jahren versuche ich, mehr über diese einmaligen Wesen zu erfahren. Biologie oder Pflanzenheilkunde habe ich zwar nicht studiert, doch mir stets solches Wissen einverleibt. Viel mehr aber noch drängte es mich, die Sprache der Pflanzen zu lernen, ihrem stillen »Lied« zu lauschen, ihr Wesen zu fühlen. Dabei erfahre ich immer wieder, wie sehr Pflanzen uns mit dem Herzen der Mutter Erde, mit dem Leben selbst verbinden. Pflanzen, Tiere und Menschen – wir alle haben diesen gemeinsamen Ursprung.

Die Pflanze in ihrem eigentlichen Seelenwesen ist für mich trotzdem bis heute ein Geheimnis geblieben. Die Pflanzenwesen rufen mich zu einer stetigen Suchwanderung, um mehr von ihnen zu erfahren und im wahrsten Sinne des Wortes »pflanzenkundig« zu werden. Es ist eine Reise mit leichtem Gepäck und offenem Herzen. Kommen Sie mit auf diese Walz?

Wir werden den Pflanzen am Wegrand, in der Mauerritze, in Wiesen und Wäldern vorbehaltlos mit kindlichem Geist begegnen – denn so tun es die Pflanzen auch mit uns. Bilder, Emotionen und plötzliche Eingebungen, die so in uns entstehen, sind das stille Geschenk der Pflanzenwelt. Oft sind dies heilende Hinweise oder, wenn wir Glück haben, sogar Schlüssel zum Tor eines Paradiesgartens, dem Garten der eigenen Seele, der sich dann auch in einem sichtbaren Seelengarten manifestieren kann. Denn: Wer seine Freunde in den eigenen Garten einlädt, wird nicht nur Frieden und Liebe säen, sondern auch viele Früchte ernten.

Reisen durch den Jahreskreis

Das vorliegende Buch lädt Sie ein, wie die Pflanzen im Jahreskreis zu reisen und zu wachsen. Im Fluss der Jahreszeiten werden wir »Pflanzen-Sprachkundige« und »Pflanzen-Weise« treffen, die uns von ihrem ganz persönlichen Seelenzugang zu den Pflanzen erzählen. Die Zuordnung der einzelnen Menschenbegegnungen zu den Jahreszeiten ist kein Zufall. Sie soll aufzeigen, dass wir Menschen genau wie die Pflanzen im Jahreskreis wachsen, Lebensphasen durchlaufen, Sichtweisen entwickeln und erweitern, reifen – und dass wir gleich den Pflanzen geprägt sind vom Rad des Lebens. Die einzelnen Seelengärtner spiegeln durch ihren persönlichen Pflanzenzugang und ihre menschliche Lebensphase immer auch die jeweilige Jahresqualität. Wie laden diese »Seelengärtner« und »Seelengärtnerinnen« ihre besonderen Pflanzengefährten zu sich ein und treten mit ihnen in eine lebendige Beziehung? Was heißt das für ihren Umgang und Alltag mit den Pflanzen? Wie können wir mit Pflanzen Freundschaft schließen, einen seelenvollen Bezug zu ihnen finden und dadurch auch einen seelenvollen Umgang mit der Erde – dem größten Seelengarten der Menschheit?

In der dunklen Jahreszeit wollen wir losziehen, wenn die Samen sich im kalten Schoß der Erde schlummernd zum Licht träumen. Wir erwachen mit ihnen, die mit der Kraft des Frühlings sprießen, sich dann der Sonne entgegen in den Sommer recken, sonnengereifte Früchte in den Herbst tragen und ihre Samen dem Wind verschenken, loslassen und zurücksinken ins Winterreich.

Wir werden verschiedenste Sichtweisen und Sprachen kennenlernen, neue Inspirationen finden und die Pflanzen aus ungewohnten Perspektiven betrachten, die unseren eigenen Umgang mit diesen sensiblen grünen Wesen neu beleben können.

Sei es durch das intuitive Wissen des rituellen Gärtners Tilman Schlosser und seine besondere Kräutergärtnerei oder durch die verfeinerte Beobachtungsgabe des Fotografen Frank Brunke, der dieses Buch mit seinen Seelen-Pflanzenbildern bereichert. Sei es durch die helle Sicht der Heilerin Regula Mathies, die aufgrund ihrer Eingebungen innere und äußere Natur heilend verbindet, oder durch den Naturarzt und Bergführer Jürg Reinhard, der uns von den astralen Verbindungen der Pflanzen mit dem Kosmos erzählt. Die Künstlerin und Labyrinthbauerin Agnes Barmettler bringt uns die Kraft der Gemeinschaft von Menschen und Pflanzen nahe. Klangheilerin Orna Ralston vernimmt die Melodie der Pflanzenwesen, während Ursula Bühler mit ihrem grünen Daumen üppige Fülle und Pracht aus jedem Blumentopf lockt – ganz aus dem Bauch heraus. Und wie kommuniziert der Pflanzen-Weise Wolf-Dieter Storl mit seinen Seelengefährten? Wildkräuter-Sammelweib Gisula Tscharner begegnet ihren Freunden in den Wäldern und stellt kulinarische Köstlichkeiten für wilde Seelen bereit.

All diese Menschen bestellen einen »Seelengarten« auf ihre persönliche Art und Weise. Ob in der wilden Natur, im Gemüse- oder Heilkräutergarten, auf dem blühenden Balkon, in der liebenden Beziehung zu einer Zimmerpflanze – eines haben sie alle gemeinsam: Sie haben den Pflanzen ihre Sinne, vor allem aber ihr Herz geöffnet für das, was die Pflanzen uns so voller Hingabe schenken.

Eigene Wurzeln

VON MEINEM GÄRTNERISCHEN URGRUND

Alles Leben wächst aus dem Dunkeln. Dort ruhen die Samen manchmal eine halbe Ewigkeit und warten, bis ihre Zeit kommt, um ans Licht zu sprießen. Ruhe, Wachstum, Blüte, Frucht und Reife: Alles braucht seine Zeit. Auch die Waldengelwurz, die ich mir jahrelang »vergeblich« in meinem Waldgarten gewünscht hatte. Immer wieder habe ich Samen ausgesät, doch nichts geschah. Nach über zehn Jahren sind unerwartet zwei Pflanzen gewachsen, und das gerade in einer Zeit, in der mir Engel solcher Art mehr als willkommen waren. Was für ein Geschenk!

Wenn wir von Pflanzen sprechen, haben wir meist nur einen Teilzustand ihres Lebens vor unserem inneren Auge: die Blüte und die Frucht. Wir lieben blühende, duftende Blumen, prachtvolle grüne Bäume, saftige süße Früchte und eine knackige, reichhaltige Gartenernte.

Die Lebensgeschichte der Setzlinge, die wir in unsere Gärten tragen, interessiert uns eher wenig. Hauptsache, die Grünlinge wachsen, werden schön stramm und bringen Ertrag. Uns Menschen der heutigen Gesellschaft geht es ja auch nicht anders: Jung, schön und erfolgreich ist gefragt; was kränkelt, schrumpelt und welkt oder sich gar zur Erde neigt – wie die alten Leute, die ihre Kräfte verlieren und bucklig werden –, ist nicht erwünscht.

Die Daseinsgeschichte jeder Pflanze beginnt und endet aber im Dunkeln, so wie auch die unsrige. Im Bauch der Mutter Erde träumen sich die Samen in ihre Gestalt, mit der sie ans Licht wachsen werden. Werden sie geweckt und gekitzelt von den warmen Sonnenstrahlen, recken sie sich dem Licht entgegen, so wie auch wir Menschen es tun auf unsere mannigfaltige und oft undurchsichtige Art. Selbst das egoistische Streben nach Macht und Erfolg mag ein solcher Versuch sein. Doch immer ist es die nährende Dunkelheit und Stille, die uns die Kraft gibt, ans Licht zu gelangen. Ein Burn-out, an dem immer mehr Menschen leiden, kann nur entstehen, wenn wir uns keine Zeit mehr nehmen zu träumen, in den nährenden Erdboden der eigenen Seele zu tauchen und dem Lied des Lebens zu lauschen.

Beobachte ich die Menschen, die im Frühjahr in die Gartencenter strömen, in ihren Einkaufswagen Haufen blühender Blümchen – im Dutzend billiger –, Beerenstauden und Rosenbäumchen, daneben gleich auch Unkrautvertilger, Dünger und Pflanzenschutzspray, dann rätsele ich immer, warum diese Pflanzen solches von uns Menschen ertragen und nicht schon bei der Aufzucht eingegangen sind. Träumen sie davon, dass wir Menschen erwachen und sie doch eines Tages in ihrem Sein wahrnehmen? Welche Geduld, welche Liebe doch aus dieser grünen Welt zu uns strömt!

Garten als Seelenraum

Auch im Zurechtstutzen und Trimmen der Gärten nach menschlichen Kriterien ist Sehnsucht spürbar. Unsere Gärten sollen zu Oasen werden, die uns nähren – und zwar nicht nur kulinarisch, sondern mit allen Sinnen: Wir ersehnen die Schönheit der Natur, einen Erholungsraum, Vogelgezwitscher und Bienensummen, wir hungern nach Seelennahrung. Doch wie soll diese uns denn zukommen, wenn wir der Natur nicht ihren Seelenraum lassen?

Der Garten als Seelenraum wird immer wichtiger in einer Zeit, in der wir uns zunehmend von der wilden Natur entfernen und damit von unseren eigenen Wurzeln abtrennen. Der Klick auf eine Maus ist vertrauter als deren scheuer Blick aus schwarzen Knopfäuglein.

Doch zum Glück hat sich die wilde Natur die Menschenseele als Verbündete gewählt: Je mehr der Mensch sich von der Erde distanziert, desto mehr gedeiht gleichzeitig seine Sehnsucht nach Verbindung mit ihr. Siehe da: Auf Terrassen und Balkonen wachsen längst nicht mehr nur Geranien. Gemüse wuchert über Fassaden, hoch über den Straßen ernten eifrige Städter frische Tomaten, Fruchtbäumchen werden in Töpfen gezogen, Zwiebeln und Kopfsalat zieren die Fensterfront, und experimentierfreudige Stadtimker versuchen sich gar im Honigschleudern. Urban Gardening nennt sich das. Der Wunsch nach einem kleinen Paradies und ein bisschen Grün ist riesig. Meist beginnt alles voller Hoffnung, Freude und Sorgfalt. Liebevoll und natürlich »bio« werden junge Pflänzchen ausgebracht und sorgfältig gehegt – bis es erste Invasionen aus der kleinen Welt gibt: Dickmaulrüssler marschieren ins Paradies ein, und ratzeputz sind Blättchen verschwunden, Wurzeln abgenagt. Ameisenheere züchten auf wohlriechenden Blütenpflanzen ihre klebrigen Läuse. Aus der frisch gekauften Bioerde kriechen Horden nackter winziger Babyschnecken mit weniger unschuldigem Appetit. In einer einzigen Nacht haben sie die zarten Salatsetzlinge verputzt und die wohlriechenden Cherry-Tomaten durchlöchert …

Die Natur hat eine eigenartige Sprache, nämlich die ihr eigene. Sie ist nicht so einfach zu verstehen für unsere Gattung, die oft sehr konkrete Vorstellungen hat, wie der persönliche Paradiesgarten – und sei er noch so klein – aussehen soll.

Vielleicht haben Sie einen grünen Daumen? Der Weg zum Garten meiner Träume jedenfalls ist noch immer weit und voller Überraschungen. Manchmal habe ich das vage Gefühl, mein Garten erträume mich. Immerhin hat sein Einfluss, der inzwischen elf Jahre dauert, mich schon ziemlich stark auf den Boden gebracht.

Willkommen in der Wildnis

Damals konnten wir einen halben Hektar Land in landwirtschaftlicher Umgebung pachten. Unser Vorgänger war Gartenbaufachmann und hatte bereits viele Bäume angepflanzt. Der Ort diente ihm zum Teil als eine Art »Zwischenlager« für seine Bäume, unter denen auch sehr seltene Zierbäume waren. Er selbst bezeichnete ihn als Baumschule, doch uns schien das eine sehr lockere und freie Schule zu sein. Keine Spur von Bäumen in züchtigen Reihen. Liebevoll hegte er seine Jungbäume, die er hübsch in einem Kreis angelegt hatte, mit dem Hintergedanken, später im Alter einmal eine Oase im Grünen zu haben.

Doch er wurde krank. Seine Bäume wuchsen ihm über den Kopf, das Land verwilderte immer mehr. Ackerdisteln, Riesenkletten, meterhohe Brennnesseln übernahmen das Regiment. Winden und Brombeerranken kletterten über die Bäume hinweg, und das immer wildere Dickicht büxte über die Zäune aus in umliegende Felder und Wege. Bauern und Nachbarschaft beschwerten sich und forderten von dem sowieso schon angeschlagenen Mann, alle Bäume zu fällen und das Land in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, um es wieder der Landwirtschaft zugänglich zu machen. In dieser Situation kamen wir dazu. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass ausgerechnet wir diese Wildnis übernehmen und weiter pachten durften.

Dornröschen

Voller Liebe zur Natur, doch mit dürftigen Gartenkenntnissen machten wir uns an die Arbeit – oder was wir darunter verstanden. Die ersten Jahre versuchten wir auf unterschiedlichste Weise immer wieder, diesem Fleck Erde unsere Träume aufzuzwingen. Wir gruben, schnitten, jäteten, durchforsteten die Wildnis im Schweiße unseres Angesichts. Wir mähten, ackerten, steckten Blumenzwiebeln, säten und pflanzten. Schließlich wollten wir ja Beeren, Obstbäume, Inseln von Blüten einheimischer Wildkräuter, Heilkräuter, Gemüse. Ein Badeweiher wurde ausgebuddelt, ein Gemüsegärtchen mit Schneckenzaun angelegt, Samen ausgesät für ein Blumenmeer … Und das alles wollten wir selbstverständlich, ohne jegliches Gift zu gebrauchen – etwas, das unser Vorgänger in rauen Massen gespritzt hatte, um der Wildnis Herr zu werden. Doch wir träumten ja auch von vielen Tierchen, einer Idylle für Igel, Vögel, Wildbienen und Schmetterlinge, die hier alle in Harmonie ihren Platz finden sollten.

Das Land atmete auf. Und Schritt für Schritt begann der Waldgarten, uns zu sich zu führen: Alles, was wir zurückschnitten, wuchs umso besser. Schnecken, Wühlmäuse, Käfer und Mücken begrüßten uns herzlich und taten sich gütlich an unserer Tafel: feine Sonnenblumen, köstliche Blumenzwiebeln, zarte Gewürzpflänzchen schmeckten ihnen wunderbar, und sie riefen sogleich ihre ganze Sippschaft herbei, um uns vorzustellen. Mücken, Fliegen und Zecken liebten uns vom ersten Moment an. Sie schlossen spontan Blutsbrüderschaft, wann immer wir durch die Wildnis streiften oder abends am Feuer saßen. Verbündete wurden mir auch die Brombeeren. Ihre langen Ranken zerkratzten mir mit nie nachlassender Begeisterung Beine, Arme, Gesicht und hielten mich fest, wo immer sie meiner habhaft werden konnten.

Nicht weniger die Riesenkletten, deren hakenreiche Samenbällchen ich ständig in meinen Haaren fand und kaum mehr herausbekam. Das Gras wuchs nicht nur dick und fett, sondern in Kürze hüfthoch. Die Samen für eine zarte Bienenblütenwiese haben die Mäuse wohlig in ihren Mägen verdaut – oder, wer weiß, vielleicht träumen die Samen noch immer im Erdreich von ihrer Blüte.

Wie mein Garten mich träumt

So flossen die Jahreszeiten dahin, Jahr um Jahr drehte sich, und die grüne Kraft war stets findiger als wir. Der Badeweiher wurde grün und schlammig, längst tummelten sich dort Libellen, Salamander, Frösche und Wasserspinnen, gemeinsam mit der Schlammprinzessin – wir ließen ihnen höflich den Vortritt.