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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2021
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»Ich glaube, es ist jemand im Haus, Signorina Giacobini. Ich habe ein Geräusch an der Tür gehört, wage es aber nicht, nachzusehen.«
»Professor Altero?« Florinda Giacobini sprach genauso leise, wie der Anrufer, der sie soeben aus dem Bett geklingelt hatte. »Sind Sie es, Professor?«
»Ja, ich bin es«, flüsterte es aus dem Hörer. »Es ist soweit. Sie kommt mich holen. Ich fühle den Tod nahen.«
Florinda redete jetzt lauter. »Wenn Sie in Gefahr sind, dann müssen wir die Polizei verständigen, legen Sie auf, dann werde ich das sofort erledigen.«
Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte heiser. »Polizei? Was sollte die mir nützen, kleine Signorina? Sie und ich, wir wissen doch beide, daß mit menschlichen Kräften nichts gegen diese Bedrohung auszurichten ist.«
Florinda wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Der Professor hatte ja recht. Bisher war niemand der Rache der Göttin Lakshmi entkommen.
Giorgio Ferrara war der erste gewesen. Ihn hatte sie gleich an Ort und Stelle getötet.
Dann waren nacheinander die Brüder Bonacelli gefolgt.
Zuletzt hatte es auch den reichen Geschäftsmann Carlo Morricone erwischt, obwohl der sich hinter den dicken Mauern seiner Villa sicher gefühlt hatte.
»Ich bin der fünfte«, sagte der Professor, als ob er die Gedanken der jungen Frau erraten hätte. »Dann sind Sie an der Reihe, Signorina Giacobini. Versuchen Sie erst gar nicht, Ihrem Schicksal zu entrinnen. Es ist uns prophezeit worden, daß es sechsmal zuschlägt – und so wird es auch geschehen. Machen Sie es wie ich. Bleiben Sie daheim, und erwarten Sie den Tod.«
»Aber man kann doch nicht einfach still dasitzen und abwarten«, widersprach ihm seine schöne Assistentin. »Sie müssen sich wehren, Professor! Soll ich zu Ihnen kommen?«
»Zu spät«, antwortete der fast siebzigjährige Mann gelassen und in normaler Lautstärke. »Die Tür zu meinem Zimmer öffnet sich. Es ist aus…«
Ein Klicken in der Leitung verriet, daß der Anrufer aufgelegt hatte.
Hastig streifte sich Florinda ein Kleid und ein paar Schuhe über. Dann eilte sie aus dem Haus und lief zum gegenüberliegenden Taxistand.
»Via del Teatro die Marcello«, sagte sie, nachdem sie auf dem Rücksitz Platz genommen hatte. »Bitte beeilen Sie sich.«
Der Wagen setzte sich sofort in Bewegung.
»Welche Hausnummer?« wollte der Mann hinter dem Steuer wissen.
»Dreizehn«, antwortete Florinda Giacobini. »Es ist ein altes Haus mit einem Wildgarten davor.«
»Kenne ich«, meinte der Fahrer. »Gehört das nicht dem verrückten Professor?«
»Wenn Sie von Professor Fortunato Altero sprechen, dann haben Sie vollkommen recht«, erwiderte sie gereizt. »Allerdings bezweifle ich, daß Ihnen ein Urteil darüber zusteht, ob er verrückt ist oder nicht. Ich kenne ihn sehr gut. Er besitzt mehr Verstand als die meisten hier in der Stadt.«
»Möglich, dennoch ist der alte Knabe nach meiner Ansicht nicht ganz richtig im Kopf«, redete der Chauffeur unbeirrt weiter. »Ich habe schon mehrfach Zeitungsartikel über ihn gelesen. Er ist dauernd irgendwo in fernen Ländern unterwegs, um sich uralte Kunstschätze anzuschauen. Ich finde, wer sich zu sehr mit der Vergangenheit der Menschheit befaßt, geht an der Gegenwart, also am wahren Leben vorbei.«
Florinda ärgerte sich über die Impertinenz des geschwätzigen Mannes.
»Was ist denn für Sie ›das wahre Leben‹?« fragte sie mit ironischem Unterton. »Hier in Rom zu bleiben und Taxi zu fahren?«
»Es gibt auch eine Menge anderer Dinge, die man in Rom tun kann«, antwortete der Fahrer, ohne sich im geringsten beleidigt zu fühlen. »Oder in Neapel, Venedig, Florenz. Italien ist das schönste Land der Welt. Wenn der Professor es schon nicht lassen kann, in Ruinen nach Götzenstatuen, Scherben von alten Vasen oder verrosteten Schwertern und Helmen zu suchen – warum tut er es dann nicht hierzulande?«
Diesem ausgeprägten Patriotismus hatte Florinda nichts mehr entgegenzusetzen. Daher zog sie es vor, zu schweigen.
Auch der Fahrer blieb nun stumm und begnügte sich damit, seinen hübschen Fahrgast durch den Rückspiegel zu betrachten.
Was er sah, gefiel ihm über alle Maßen. Florinda Giacobini traf genau seinen Geschmack.
Sie war schlank, fast zierlich, hatte eine sportliche Figur, die von ihrem eng anliegenden Kleid betont wurde. Ihr kurzes Haar war hellblond und paßte gut zu dem goldenen Ohrring, den sie stets im linken Ohr trug und der so blankpoliert war, daß er beim geringsten Lichteinfall funkelte und glitzerte.
Das schöne Schmuckstück befand sich bereits seit fünf Jahren im Besitz der siebenundzwanzigjährigen Frau. Ihr Arbeitgeber, Professor Altero, hatte es ihr seinerzeit geschenkt, als sie in seine Dienste getreten war.
»Diesen kleinen goldenen Affen habe ich vor sehr langer Zeit in einem halbverschütteten indischen Tempel gefunden«, hatte er ihr beim Überreichen des Geschenks erzählt. »Das Museum, in dessen Auftrag ich nach Indien gereist war, hatte keine Verwendung dafür, also behielt ich ihn. Nun gehört er Ihnen, kleine Signorina. Ich hoffe, wir werden gut zusammenarbeiten.«
Diese Hoffnung hatte sich inzwischen voll und ganz erfüllt. Florinda Giacobini, die der Professor häufig ›kleine Signorina‹ nannte, war als Assistentin des angesehenen Archäologen und Historikers weit herumgekommen und hatte viel erlebt. Zwischen ihr und dem über vierzig Jahre älteren Mann hatte sich eine vertrauensvolle Beziehung entwickelt.
Florinda konnte sich ihr Leben ohne ihren väterlichen Freund kaum vorstellen.
Der Gedanke, daß der stets freundliche und manchmal etwas zerstreut wirkende Professor, der mit seiner Nickelbrille und dem spitzen Kinnbart mitunter wie seine eigene Karikatur aussah, vielleicht schon nicht mehr unter den Lebenden weilte, jagte der Frau blankes Entsetzen ein. Ein kalter Schauer lief ihren Rücken hinunter, und sie rieb sich fröstelnd die Arme.
»Frieren Sie?« fragte der Fahrer. »Soll ich die Heizung einschalten?«
»Schauen Sie lieber auf die Straße, anstatt mich durch den Rückspiegel fortwährend anzustarren«, erhielt er zur Antwort. »Sie sind nämlich gerade im Begriff, am Haus Nummer dreizehn vorbeizufahren.«
Kaum hatte Florinda Giacobini diese Worte ausgesprochen, trat der Chauffeur hart auf die Bremse. Glücklicherweise war seine Passagierin angeschnallt, so daß ihr dieses rigorose Manöver nicht schadete.
Die junge Frau beeilte sich, auszusteigen. Sie reichte dem Fahrer hastig und ohne näher hinzusehen, einen höheren Lireschein. Dann lief sie auf den Hauseingang zu.
Der Mann pfiff anerkennend durch die Zähne. »Da bleiben aber noch etliche Centesimi für mich als Trinkgeld übrig. Ich wußte doch, daß es etwas nützt, wenn man sich mit seinen Fahrgästen nett unterhält.«
*
Florinda Giacobini betätigte den schweren bronzenen Türklopfer, den Professor Fortunato Altero an seinem Eingang angebracht hatte. Niemand öffnete ihr.
Sie ging um das Haus herum und stellte fest, daß die Hintertür offenstand. Auf leisen Sohlen trat sie ein. Dabei bemühte sie sich, so ruhig und lautlos wie möglich zu atmen. Das fiel ihr schwer, weil sie so aufgeregt war. Ihr Herz klopfte so laut, daß sie befürchtete, man würde es bis in den letzten Winkel des Hauses hören.
Florinda war schon oft hier gewesen. Sie wußte, daß im unteren Stockwerk die Arbeitsräume des Professors lagen. Sein Privatbereich befand sich eine Treppe höher.
Stufe für Stufe stieg sie im Dunkeln auf Zehenspitzen die Treppe empor. Ihr geringes Körpergewicht verursachte nur hin und wieder ein knarrendes Geräusch unter ihren Füßen.
Kurz darauf stand Florinda vor der Schlafzimmertür des Professors. Sie war geschlossen.
Als sie anklopfen wollte, vernahm sie ein Poltern aus dem unteren Stockwerk, gefolgt von einem lauten Scheppern.
Ohne zu zögern, wandte sie sich um und lief die Stufen hinunter. Wer oder was immer sich in der Eingangshalle aufhielt – sie wollte sich der Gefahr mutig stellen.
Florinda Giacobini war auf alles gefaßt. Ein Einbrecher hätte sie genausowenig überrascht wie ein gespenstisches Wesen.
Unwillkürlich mußte sie an die goldschimmernde Statue der Göttin Lakshmi denken, die sie im letzten Jahr in jenem kleinen Kloster unterhalb des Ganesh Himal bewundert hatte. Diese Statue stellte eine der Gestalten dar, die diese Göttin annehmen konnte.
Wenn man die Tatsache, daß es sich dabei um ein Kunstwerk handelte, ignorierte und sich nur auf das Aussehen konzentrierte, wurde einem angst und bange. Die Göttin ähnelte in dieser Darstellung einem riesigen Hund oder Wolf. Das Tier hatte den Rachen weit aufgerissen, so daß eine Reihe spitzer Reißzähne freilagen, von denen vier bedrohlich herausragten.
Man konnte bei längerer Betrachtung sogar das Gefühl bekommen, die wölfische Göttin würde einen jeden Moment anspringen und mit ihren Zähnen zerreißen. Auch das Glöckchen, das an einer Kette am Hals der Statue hing, milderte diesen Eindruck nur unzureichend.
Florinda schloß es nicht aus, jeden Moment von der lebendig gewordenen Göttin in ihrer bestialischen Gestalt angegriffen zu werden. Vielleicht würde ihr Lakshmi aber auch in einer völlig anderen Form gegenübertreten.
Ich werde jedenfalls um mein Leben kämpfen, dachte die junge Frau, und ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. Kampflos ergebe ich mich nicht in mein Schicksal, auch wenn ich ihm vermutlich nicht entrinnen kann.
In diesem Augenblick schoß etwas aus dem Halbdunkel der Halle auf sie zu. Es war ein Wesen mit scharfen Krallen und leuchtenden Augen.
Das Auge! Blitzartig zuckte dieser Gedanke durch Florindas Gehirn. Sie hat es sich zurückgeholt! Warum läßt sie mich denn nicht in Frieden?
Das Tier mit dem leuchtenden Blick landete vor Florinda Giacobini auf dem Fußboden. Es stieß ein feindseliges Fauchen aus.
Die junge Frau atmete erleichtert auf. Sie wußte nun, woran sie war, und schaltete die Deckenbeleuchtung ein.
Zu ihren Füßen saß Rambo, Professor Alteros schwarzer Kater. Der Forscher hatte ihn nach einem amerikanischen Leinwandhelden getauft, dem Florinda persönlich nicht viel abgewinnen konnte. Sie hielt nichts von Männern mit viel Muskeln und wenig Hirn.
Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb sie sich so sehr zu ihrem Verlobten Julio hingezogen fühlte. Der vierunddreißigjährige Mann wirkte stets ein wenig unscheinbar. Er war ein Büromensch, wie er im Buche stand. Seine schlichte Kleidung, die ihm nie so recht zu passen schien, und seine einfallslose Brille ließen ihn auf den ersten Blick harmlos und uninteressant erscheinen.
Nur Florinda wußte, daß in Julio Salvatori, der in einer Textilfabrik als Abteilungsleiter der Lohnbuchhaltung arbeitete, jede Menge verborgener Fähigkeiten schlummerten. Das Sprichwort ›Stille Wasser sind tief‹, traf auf ihren Verlobten voll und ganz zu. Doch darüber schwieg sie wohlweislich, damit nicht eine andere Frau ihre Fühler nach ihm ausstreckte.
Florinda Giacobini erblickte die Vase, die Rambo umgeworfen und deren Zerspringen das scheppernde Geräusch verursacht hatte.
Vorwurfsvoll schaute sie den Kater an. »Wenn dein Herrchen das sieht, setzt es was.«
Das Tier hatte inzwischen erkannt, daß es sich bei der Person in der Halle um keine Bedrohung handelte und das Fauchen eingestellt. Zärtlich schmiegte sich Rambo an Florindas Beine und strich um sie herum.
Doch sie hatte keine Zeit für Schmusereien. Sie machte, daß sie wieder die Treppe hochkam, denn sie wollte sich endlich Gewißheit verschaffen.
Als nach mehrmaligem Klopfen niemand antwortete, riß sie die Tür zum Schlafzimmer des alten Mannes auf.
Was sie sah, traf Florinda Giacobini wie ein Schlag ins Gesicht.
Fortunato Altero lag neben seinem Bett auf dem Teppich und rührte sich nicht mehr. Seine Augen waren geschlossen, und sein Kopf wies eine blutende Wunde auf.
*
Nachdenklich schaute Sofia Tozzi aus dem Fenster ihres Apartments auf die Straße hinab. Sie sah im Schein der Laternen eine noch nicht näher erkennbare Gestalt auf ihr Haus zukommen.
Die sechsundzwanzigjährige Frau war eine Schönheit, die ihresgleichen suchte. Ihre traumhafte Figur und ihre langen schlanken Beine hatten ihr schon so manchen Vertrag als Mannequin eingebracht. Sie liebte es, auf dem Laufsteg und vor der Kamera in extravaganten Sachen zu posieren.
Dabei hatte Sofia, die auch privat modische Kleidung bevorzugte, es eigentlich gar nicht nötig zu arbeiten. Dank einer elterlichen Erbschaft, die sie bereits vor Jahren günstig angelegt hatte, nannte sie ein kleines Vermögen ihr eigen. Es war nicht genug, um damit in Saus und Braus zu leben, aber Grund zu übermäßiger Bescheidenheit gab es ebenfalls nicht. Standen größere Anschaffungen, beispielsweise ein neues Auto, ins Haus, dann verdiente sich die schöne Frau als Fotomodell etwas hinzu..
Ihr Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an, als sie die Person auf der Straße erkannte. Es war Florinda Giacobini, die da auf ihre Haustür zukam.
Sofia betätigte den elektrischen Türöffner, noch bevor Florinda klingeln konnte.
Wenig später saßen sich die beiden jungen Frauen in bequemen Sesseln gegenüber und nippten an ihren Drinks, die Sofia gemixt hatte. Kater Rambo hatte sich unter der Couch zusammengerollt und schlief.
»Ich wußte nicht, wohin ich mit ihm sollte«, erklärte Florinda. »Da fiel mir zum Glück ein, daß Sie nur ein paar Straßen vom Haus des Professors entfernt wohnen, Signorina Tozzi. Ich dachte mir, als seine Nichte wären Sie vielleicht bereit, das Tier bei sich aufzunehmen. Ich würde Rambo ja selber behalten, aber die Vermieterin meiner Wohnung erlaubt keine Haustiere.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, entgegnete Sofia Tozzi freundlich. »Und bitte nennen Sie mich nicht ›Signorina‹, sondern reden Sie mich ruhig beim Vornamen an.«
»Danke, Sofia. Nach allem, was ich gerade erlebt habe, tut es gut, daß jemand nett zu mir ist. Ich hatte schon befürchtet, Sie wären mir böse, weil ich hier mitten in der Nacht unangemeldet aufkreuze.«
»Halb so schlimm. Ich war noch wach, weil ich über etwas Wichtiges nachdenken mußte. Außerdem rechtfertigten die besonderen Umstände Ihr Verhalten, Florinda. Wenn ich Sie recht verstanden habe, ist mein Onkel nicht mehr am Leben. Was ist denn geschehen?«
»Er wurde getötet«, antwortete Florinda mit ernster Miene. »Vermutlich von jemandem, der nicht von dieser Welt stammt.«
»Nicht von dieser Welt?« wunderte sich Sofia. »Wie meinen Sie das? Sie sprechen genauso in Rätseln wie mein Onkel im letzten Jahr, nach der Rückkehr von seiner Himalaya-Expedition. Er erzählte mir nie etwas Genaues, machte immer nur Andeutungen. Soviel ich aus ihm herauslocken konnte, bereiteten ihm ein paar ungewöhnliche Todesfälle große Sorgen. Anscheinend fühlte er sich sogar selbst bedroht. Sie waren doch damals mit ihm in Nepal, Florinda. Wollen Sie mir nicht erklären, was passiert ist? Wieso war mein Onkel nach dieser Reise so verändert? Und wie hängt das mit seinem Tod zusammen? Haben Sie eigentlich die Polizei benachrichtigt?«
»Selbstverständlich habe ich sie angerufen«, erwiderte die Assistentin des Professors. »Gleich nachdem ich festgestellt hatte, daß Ihr Onkel nicht mehr lebt. Aber ich habe nicht gewartet, bis die Beamten eingetroffen sind, sondern bereits vorher mitsamt dem Kater das Haus verlassen. Was sollte ich den Polizisten auch erzählen? Mir ist selber noch nicht alles klar.«
»Zumindest wissen Sie mehr als ich, Florinda, und können mir daher sicherlich einiges berichten«, beharrte Fortunato Alteros Nichte. »Als wir beide uns das letzte Mal gesehen hatten, standen Sie gerade kurz vor der Abreise. Wenn ich mich recht besinne, waren außer Ihnen und meinem Onkel noch vier Männer mit von der Partie. Einen von ihnen kannte ich sogar persönlich, wenn auch nur flüchtig. Er hieß Giorgio Ferrara, wenn ich nicht irre. Stimmt es, daß er in Nepal geblieben ist?«
Florindas Giacobini nickte. »Allerdings nicht freiwillig. Er ist dort auf furchtbare Weise umgekommen.«
»Das ist ja schrecklich! Und die anderen? Ist ihnen ebenfalls was zugestoßen? Waren das etwa die Todesfälle, von denen mein Onkel gesprochen hatte?«
Die nächtliche Besucherin seufzte. »Sie sind sehr hartnäckig, Sofia. Ehrlich gesagt, ich möchte jetzt lieber nicht über die ganze Sache reden, aber ich denke mir, Sie haben ein Recht darauf, alles zu erfahren.«
»Verschweigen Sie mir nichts«, bat Sofia Tozzi, »auch wenn es noch so furchtbar ist. Ich kann die Wahrheit vertragen. Schildern Sie mir bitte jede Einzelheit. Fangen Sie ganz von vorn an. Was geschah, nachdem mein Onkel und die anderen zur Expedition in den Himalaya aufgebrochen waren?«
»Also gut. Ich will Sie nicht länger im ungewissen lassen. Vielleicht wird Ihnen der eine oder andere Vorfall unglaublich oder sogar zu phantastisch erscheinen – aber ich versichere Ihnen, daß alles, was ich Ihnen erzähle, die reine Wahrheit ist…«
*
Wir waren zu sechst, als das Flugzeug von der Landebahn abhob.
Es handelte sich um keine Passagiermaschine, sondern um einen geräumigen Privatjet. Er gehörte Carlo Morricone, einem vierzigjährigen Geschäftsmann, der die ganze Aktion finanzierte.