Die Suggestion und ihre Heilwirkung - Hippolyte Bernheim - E-Book

Die Suggestion und ihre Heilwirkung E-Book

Hippolyte Bernheim

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Beschreibung

Die Vorlage des E-Books ist: 'Hippolyte Bernheim: Die Suggestion und ihre Heilwirkung. Übersetzt von Sigmund Freud. Zweite, umgearbeitete Auflage besorgt von Max Kahane. Leipzig und Wien 1896.' Es ist ein medizinhistorisches Pionierwerk zur Rolle der Suggestion in der Medizin. Bernheims Werk inspirierte Freud zur Theorie des 'Unbewussten'.

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Impressum

Hippolyte Bernheim: Die Suggestion und ihre Heilwirkung Nach der Übersetzung von Sigmund Freud Medizingeschichte. Band 2 © heptagon Verlag, Berlin 2015 ISBN: 978-3-934616-33-2 Das vollständige Programm des heptagon Verlags finden Sie unter:www.heptagon.de

Die Vorlage des E-Books ist: »Hippolyte Bernheim: Die Suggestion und ihre Heilwirkung. Übersetzt von Sigmund Freud. Zweite, umgearbeitete Auflage besorgt von Max Kahane. Leipzig und Wien 1896.« Das vorliegende E-Book ist der 2. Band unserer Reihe zur »Medizingeschichte«.

Vorwort zur zweiten deutschen Auflage

Der ersten Ausgabe dieses Buches in deutscher Sprache war ein Vorwort des Übersetzers beigegeben, welches wieder abzudrucken heute unnötig geworden ist. Die wissenschaftliche Situation, in welche damals das Erscheinen der Übersetzung von Bernheims »Suggestion« fiel, findet sich heute gründlich verändert; die Zweifel an der Realität der hypnotischen Phänomene sind stille geworden; die Ächtung hat aufgehört, welche damals jedem Neuropathologen sicher war, der dieses Erscheinungsgebiet für bedeutsam und ernster Bemühung würdig erachtete. Es ist diese Wandlung nicht zum kleinsten Anteil das Verdienst eben dieses Buches gewesen, welches in unübertrefflich überzeugender und eindringlicher Weise die Sache des wissenschaftlichen Hypnotismus vertreten hat.

Als das Bedürfnis sich geltend machte, dieses grundlegende Werk des Nancyer Arztes zum zweiten Male für deutsche Leser zugänglich zu machen, haben Herausgeber und Verleger im Einvernehmen mit dem Autor sich entschlossen, es um jene Kapitel zu verkürzen, in denen nur Kranken- und Heilungsgeschichten enthalten waren. Sie konnten sich nicht darüber täuschen, dass nicht gerade in dieser die starke Seite von Bernheims Werk gelegen war. Herr Dr. M. Kahane hatte dann die Güte, dem Unterzeichneten die Arbeit der Revision der neuen Ausgabe abzunehmen und deren Text mit der letzten französischen Auflage in Einklang zu bringen.

Der Übersetzer möchte aus dem Inhalt des Vorwortes zur ersten Ausgabe nur eine Bemerkung wiederholen, an der er heute wie damals festhält. Er vermisst in der Darstellung Bernheims durchwegs den Gesichtspunkt, dass die »Suggestion« (besser: das Gelingen der Suggestion, die Suggerierung) ein pathologisches psychisches Phänomen ist, welches zu seinem Zustandekommen besonderer Bedingungen bedarf. Diese Auffassung braucht sich weder durch die Häufigkeit und Leichtigkeit der Suggestion, noch durch deren große Rolle im Alltagsleben beirren zu lassen. Bei Bernheim nimmt die tatsächliche Feststellung der letzteren Verhältnisse einen so breiten Raum ein, dass er darüber versäumt, das psychologische Problem aufzustellen, wann und warum die normalen Weisen psychischer Beeinflussung unter den Menschen durch die Suggestion ersetzbar werden. Und während er alle Phänomene des Hypnotismus durch die Suggestion erklärt, bleibt die Suggestion selbst völlig unerklärt, umhüllt sich aber mit dem Schein, keiner Erklärung zu bedürfen. Diese Lücke haben wohl alle jene Forscher verspürt, die im Gefolge Forels um eine psychologische Theorie der Suggestion bemüht sind.

Wien, im Juni 1896.

Dr. Sigm. Freud.

Vorrede des Autors zur dritten Auflage

Jedes Mal wenn fremde Kollegen mir die Ehre schenken, meine Klinik zu besuchen, um sich durch den Augenschein von der Wahrheit der Tatsachen zu überzeugen, von denen dieses Buch berichtet, zeigen sie sich aufs Äußerste erstaunt über die Leichtigkeit, mit welcher bei uns die weitaus überwiegende Mehrzahl aller Personen ohne Unterschied des Alters, des Geschlechtes und des Temperaments der Hypnose unterworfen wird. Sie hatten gemeint, dass die Fähigkeit hypnotisch zu werden das ausschließliche Vorrecht weniger neuropathisch veranlagter Menschen sei, und nun sehen sie alle oder fast alle Kranken eines Krankenzimmers der Reihe nach der Hypnose verfallen. Wie war es möglich, fragen sie dann, dass man jahrhundertelang an einer Wahrheit Vorbeigehen konnte, welche so leicht zu entdecken ist?

Unter den Personen, welche man der Hypnose unterzieht, verfallen die Einen in einen tiefen Schlaf ohne Erinnerung beim Erwachen. Wir heißen sie somnambul. Nach Liébault betragen die Somnambulen ein Sechstel bis ein Fünftel aller Hypnotisierten. Auf unserer Klinik, welche natürlich besonders günstige Bedingungen für die Entfaltung der ärztlichen Autorität bietet, und auf welcher der Trieb zur Nachahmung und die Verlockung durch zahlreiche Vorbilder recht eigentlich eine Atmosphäre von Suggerierbarkeit entwickelt haben, stellt sich die Verhältniszahl der Somnambulen noch höher, und wir bringen es zeitweise dahin, die Hälfte – und darüber – von unseren Kranken in den somnambulen Zustand zu versetzen.

Andere erfahren eine verschieden weit gehende Beeinflussung, wenn sie sich auch nach dem Erwachen an alles erinnern, wenn sie sich auch einbilden mögen, dass sie nicht geschlafen haben. Die suggestive Katalepsie, die erzwungenen Kontrakturen, die automatischen Bewegungen, die Unterdrückung von Schmerzen und ähnliche Erfolge bekunden diese Beeinflussung in unwidersprechlicher Weise.

Diejenigen, welche in den tiefen Schlaf geraten sind, ohne Erinnerung nach dem Erwachen, schlafen ruhig und unbewegt wie natürliche Schläfer weiter, so lange man sie in Ruhe lässt. Nichts unterscheidet diesen künstlichen Schlaf von einem natürlichen. Erscheinungen von Seiten der Sensibilität und Motilität, der Denktätigkeit und Phantasie, Sinnestäuschungen und Halluzinationen treten bei ihnen nicht eigenmächtig auf, sondern müssen durch die Suggestion hervorgerufen werden. Dieselben Erscheinungen kann man an diesen Personen auch erzeugen, wenn man es dahin bringt, mit ihnen während ihres natürlichen Schlafes in Rapport zu treten. Dieselbe Passivität der Gliederhaltung, sogenannte Katalepsie, die nämlichen automatischen Bewegungen, Sinnestäuschungen und Halluzinationen aktiver oder passiver Natur entstehen unter dieser Bedingung auch im natürlichen Schlaf. Die Halluzinationen sind nichts anderes als suggerierte Träume, die Träume nichts anderes als eigenmächtige Halluzinationen. Diese Halluzinationen, freiwillige wie suggerierte, bleiben zunächst passiv, d.h. der Träumer verhält sich regungslos wie beim gewöhnlichen Träumen; sie werden erst dann aktiv, d.h. sie bestimmen den Schläfer, sich zu bewegen, zu gehen, eine tätige Rolle in dem ihm aufgedrängten halluzinatorischen Vorgang zu spielen, wenn man ihn durch die Suggestion aus seiner Betäubung reißt. In derselben Art werden bei manchen Personen die Träume des natürlichen Schlafes aktiv und geben so die Erscheinung des natürlichen Somnambulismus. Alle Leistungen, die eine Person in ihrer Hypnose zeigt, können von ihr in unveränderter Form auch im natürlichen Schlaf erzielt werden.

Es muss mit aller Entschiedenheit gesagt werden: Der hypnotische Schlaf ist kein pathologischer Zustand. Der Hypnotismus ist keine Neurose analog der Hysterie. Man kann freilich bei den Hypnotisierten Äußerungen von Hysterie erwecken, man kann eine echte hypnotische Neurose bei ihnen entwickeln, welche sich bei jedem Versuch, sie in künstlichen Schlaf zu versetzen, wiederholen wird. Aber diese Erfolge fallen nicht der Hypnose zur Last, sondern der Suggestion des Arztes oder in einigen Fällen der Autosuggestion einer besonders erregbaren Person, deren Phantasie, erschüttert durch die Vorstellung, dass sie magnetisiert worden ist, alle jene funktionellen Störungen schafft, gegen welche eine beruhigende Suggestion allemale hilfreich sein wird. Die angeblichen physischen Phänomene der Hypnose sind nichts anderes als psychische Phänomene; die Katalepsie, der Transfer, die Kontrakturen sind nichts als Wirkungen der Suggestion. Mit der Feststellung, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Menschen suggerierbar ist, ist die Lehre von der neurotischen Natur der Hypnose aus dem Feld geschlagen. Man müsste denn annehmen wollen, dass die Nervosität etwas ganz Allgemeines ist, und dass das Wort »Hysterie« mit jeder Art von nervöser Erregbarkeit zusammenfällt. Da wir Alle Nerven haben, und da es eine allgemeine Eigenschaft der Nerven ist, erregbar zu sein, wären wir demnach alle hysterisch.

Der Schlaf ist selbst nur die Wirkung einer Suggestion. Ich habe behauptet: Niemand kann gegen seinen Willen hypnotisiert werden, und Herr Ochorowitz hat diesen Satz lebhaft bekämpft. Er hat mich vielleicht nicht ganz richtig verstanden. Es ist unbestreitbar, dass jede Person, die nicht hypnotisiert werden will, und die weiß, dass sie nur hypnotisiert werden kann, wenn sie will, allen Bemühungen mit Erfolg widerstehen kann. Es ist ebenso richtig, dass manche Personen keinen Widerstand leisten können, weil ihr Wille durch die Vorstellung oder durch die Furcht vor einem stärkeren Willen, der sie auch widerwillig beeinflussen kann, gelähmt wird. Man darf sagen:  Niemand kann hypnotisiert werden, der nicht daran glaubt, dass er hypnotisiert werden wird, und in dieser Fassung ist der Satz unanfechtbar. Die Vorstellung bedingt die Hypnose, es ist ein psychischer, nicht ein physischer Einfluss oder ein fluidistischer, der diesen Zustand herbeiführt. Seltsam genug, waren es gerade Psychologen, wie Herr Janet und Herr Binet, welche die rein psychische Natur dieser Erscheinungen verkannt haben, während Herr Delboeuf diesen Irrtum vermieden hat.

Die Suggerierbarkeit besteht auch im Wachen, aber sie ist im Wachen durch die Vernunft, die Aufmerksamkeit, das Urteilsvermögen aufgehoben oder in Schranken gehalten. Im natürlichen oder provozierten Schlaf sind diese Geistesvermögen geschwächt und betäubt, die Phantasie herrscht ohne Einrede, alle anlangenden Sinneseindrücke werden ohne Prüfung aufgenommen und vom Gehirn in Handlungen, Empfindungen, Bewegungen und Sinnesbilder umgesetzt. Dieser neue Bewusstseinszustand, diese Veränderung des psychischen Wesens macht das Gehirn einerseits gefügiger, bildsamer, suggestionsfähiger, andererseits steigert es dessen Vermögen, auf dem Weg der Hemmung und Bahnung die Funktionen und Organe des Körpers zu beeinflussen. Dieses durch die Suggestion gesteigerten Vermögens bedienen wir uns nun in der ausgiebigsten Weise, um Heilwirkungen zu erzielen.

Dies sind die Hauptgedanken, welche der Leser in diesem Werk auseinandergesetzt finden wird. Ich spreche hier weder von der psychischen Suggestion, noch von der Gedankenübertragung aus der Ferne, noch auch von den halluzinatorischen Vorahnungen. Die Erscheinungen, welche die Gesellschaft für psychologische Untersuchungen in London mit großem Eifer und in planvoller Weise erforscht, gehören in ein anderes Gebiet. Ich selbst verfüge hier nicht über genügend sichere Beobachtungen, welche mich zum Aussprechen einer eigenen Ansicht berechtigen würden. Sowohl in diesem Buch als in dem bald erscheinenden Werk: »Hypnotisme, Suggestion et Psychotherapie«, welches eine Ergänzung dieses Buches bilden soll, beschäftige ich mich nur mit der Suggestion durch die Rede und mit der Anwendung derselben zu Heilzwecken.

Der Schule von Nancy kommt das Verdienst zu, diese Anwendung des Hypnotismus, seine nutzbringendste und fruchtbarste, geschaffen zu haben, indem sie die Hypnose auf ihre wirkliche Grundlage, auf die Suggestion zurückführte. In dieser Anwendung liegt auch die Existenzberechtigung meines Buches. Herr Liébault war der Bahnbrecher auf diesem Weg und hat sich damit ein Verdienst erworben, das ihm Niemand schmälern kann. Ich war unter den Ersten, die ihm gefolgt sind, und die erste Auflage dieses Buches wirkte – ich bedenke mich nicht, es auszusprechen – wie eine Offenbarung auf eine große Anzahl von Ärzten, welche seither ihrerseits begonnen haben, in dieser Richtung zu arbeiten.

Die überzeugende Macht der Tatsachen wird schließlich auch die heftigsten Widersacher zur Anerkennung zwingen, und die suggestive Therapie wird, von Allen angenommen und ausgeübt, die zeitgenössische Medizin als eine ihrer wertvollsten Erwerbungen bereichern.

Im August 1890.

H. Bernheim.

Erster Teil

Erstes Kapitel

Methode des Hypnotisierens. – Schlaf und hypnotische Beeinflussung. – Variieren der Beeinflussbarkeit bei verschiedenen Personen. – Verschiedene Abstufungen des Schlafes nach Liébault: 1. Betäubung, 2. suggestive Katalepsie, 3. automatische Drehbewegungen, 4. ausschließlicher Rapport mit dem Hypnotiseur vermittelst des Gehörs, 5. leichter Somnambulismus, 6. tiefer Somnambulismus. – Einteilung des Autors: A. Zustände mit erhaltener Erinnerung: 1. Suggerierbarkeit bloß für gewisse Akte, 2. Unfähigkeit, die Augen zu öffnen, 3. suggestive Katalepsie, noch durch einen Willensakt aufzuheben, 4. unaufhebbare Katalepsie, 5. suggestive Kontraktur, 6. automatischer Gehorsam. B. Zustände mit Amnesie (Somnambulismus): 7. ohne Halluzinationsfähigkeit, 8. mit Halluzinationsfähigkeit während des Schlafes, 9. mit hypnotischen und posthypnotischen Halluzinationen. Varianten dieser Stufen. – Suggestion ohne Schlaf. – Definition des Hypnotismus. – Die Faszination. – Das Erwachen. – Verhältniszahlen der hypnotisierbaren Personen.

Wenn ich einen Kranken habe, bei dem ich mir von der Anwendung der Suggestion eine heilsame Wirkung erwarte, gehe ich auf folgende Weise vor, um ihn in Hypnose zu versetzen: Ich sage ihm zunächst, dass er durch die Hypnose der Heilung oder der Besserung entgegengeführt werden kann, dass es sich dabei um keine schädliche oder außergewöhnliche Beeinflussung handelt, sondern um einen einfachen Schlaf- oder Betäubungszustand, der sich bei jedermann hervorrufen lässt, dass dieser Zustand einer wohltätigen Ruhe das Gleichgewicht im Nervensystem wieder herstellt und ähnliches mehr. Wenn es notwendig ist, hypnotisiere ich vor ihm eine oder zwei Personen, zeige ihm, dass die Hypnose weder Gefahren noch unangenehme Empfindungen mit sich bringt, und es gelingt mir so in der Regel, das Vorurteil zu brechen, welches sich bei ihm an die Vorstellung des Magnetismus knüpft, und die Furcht zu zerstreuen, die er vor diesem geheimnisvollen Unbekannten empfindet. Hat er überdies Kranke gesehen, welche ich durch dieses Verfahren geheilt oder gebessert habe, so gewinnt er Zutrauen und liefert sich mir in die Hände. Ich sage ihm dann: »Schauen Sie mich fest an und denken sie ausschließlich ans Einschlafen. Sie werden gleich eine Schwere in den Augenlidern fühlen, dann eine Müdigkeit in den Augen; Ihre Augen blinzeln schon, sie werden feucht; Sie sehen nicht mehr deutlich, jetzt fallen die Augen zu.« Bei einigen Personen tritt dies sofort ein, sie schließen die Augen und versinken in Schlaf. Bei anderen Personen muss ich diese Versicherungen wiederholen und mit Nachdruck wiederholen; ich füge noch eine Manipulation hinzu, die von verschiedener Art sein kann. Ich bringe z.B. zwei Finger meiner rechten Hand vor die Augen der betreffenden Person und lasse dieselben fixieren, oder ich streife mit meinen beiden Händen mehrmals in der Richtung von oben nach abwärts über ihre Augen, oder ich fordere sie auf, fest in meine Augen zu schauen, während ich gleichzeitig alle ihre Gedanken auf die Vorstellung des Einschlafens zu richten suche. Ich tue dies etwa mit folgenden Worten: »Ihre Lider schließen sich, Sie können sie nicht mehr öffnen; Sie verspüren eine Schwere in den Armen und in den Beinen; Sie hören nichts mehr; Ihre Hände sind wie gelähmt; Sie können nichts mehr sehen, der Schlaf kommt über Sie,« und dann füge ich mit gebieterischem Ton hinzu: »Schlafen Sie!« Häufig entscheidet dieser Befehl; der Kranke schließt die Augen, schläft oder ist wenigstens beeinflusst.

Ich bediene mich des Wortes »Schlafen«, weil mir daran liegt, eine möglichst tiefgehende suggestive Beeinflussung, wo möglich mit Schlaf gepaart, herbeizuführen. Es gelingt aber nicht immer, einen Schlaf im eigentlichen Sinn zu erreichen; wenn die Versuchspersonen nicht das Gefühl des Schlafes haben und sich in diesem Sinn äußern, pflege ich ihnen zu sagen, dass der Schlaf nicht unbedingt notwendig ist, dass die heilsame hypnotische Einwirkung auch ohne Schlaf zu Stande kommt, und dass es viele Personen gibt, die der Einwirkung des Magnetismus unterliegen, ohne dabei in Schlaf zu versinken (vgl. weiter unten).

Wenn die Versuchsperson die Augen nicht schließt oder nicht geschlossen hält, pflege ich die Fixation meiner Augen oder meiner Hände nicht lange fortsetzen zu lassen. Denn es gibt Personen, welche im Stande sind, die Augen unbestimmte Zeit lang aufgesperrt zu halten, und die so, anstatt sich der Vorstellung des Einschlafens hinzugeben, bei dem Vorsatz, ausdauernd zu fixieren, stehen bleiben. Ich ziehe es in solchen Fällen vor, ihnen die Augen zu verschließen. Nach ein oder zwei Minuten Fixation drücke ich ihnen die Augenlider zu oder ziehe die Lider sanft und langsam über die Augen herab, so dass ich den allmählichen Lidschluss beim natürlichen Einschlafen nachahme; am Ende halte ich die Lider geschlossen und setze dabei meine Suggestionen fort: »Ihre Augen sind wie verklebt. Sie bringen dieselben nicht voneinander; Ihre Schläfrigkeit nimmt immer mehr zu, Sie können ihr nicht mehr widerstehen.« Ich senke allmählich die Stimme, wiederhole den Befehl »Schlafen Sie« und zumeist stellt sich nach zwei bis drei Minuten der Schlaf oder irgend ein Grad von hypnotischer Beeinflussung wirklich ein. Ich erzeuge so den Schlaf selbst durch Suggestion, ich suggeriere dem Kranken die Vorstellung des Einschlafens, führe das Bild des Schlafes in sein Gehirn ein.

Das Streichen mit den Fingern, das Fixieren der Hände oder der Augen des Hypnotiseurs ist zwar vorteilhaft, um die Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen, aber nicht unbedingt zur Hypnose erforderlich.

Kinder sind sehr leicht und schnell zu hypnotisieren, wenn sie so weit geistig entwickelt sind, dass sie zuhören und verstehen. Es genügt mir oft, ihnen die Augen zu schließen, durch einige Momente geschlossen zu halten, ihnen dann zu sagen, dass sie schlafen sollen, und dann zu behaupten, dass sie schlafen.

Auch Erwachsene lassen sich mitunter auf so einfache Weise, durch das bloße Zudrücken der Augen einschläfern. Bei vielen Personen kann ich so die Hypnose ohne alle Vorbereitungen herbeiführen; ich erspare mir Striche und Fixieren, schließe ihnen die Augenlider, halte sie sanft zugedrückt, fordere die Versuchspersonen auf, die Lider geschlossen zu halten und suggeriere ihnen die Empfindungen des Einschlafens. Viele Personen verfallen dann in der Tat schnell in einen mehr oder minder tiefen Schlaf.

Bei Anderen stößt man auf einen größeren Widerstand. Ich setze dann häufig meine Absicht durch, wenn ich den Patienten die Augen durch längere Zeit geschlossen halte, ihnen Stillschweigen und Unbeweglichkeit auferlege und unausgesetzt dieselben Redensarten vor ihnen wiederhole: »Jetzt verspüren Sie eine Betäubung, ein Gefühl von Schläfrigkeit; Ihre Arme und Beine sind bereits ganz unbeweglich, Ihre Lider werden warm; Ihr Nervensystem beginnt sich zu beruhigen, Sie haben keine Lust mehr, sich zu bewegen, Ihre Augen bleiben geschlossen, jetzt ist der Schlaf da usw.« Nachdem ich diese eindringliche Suggestion vom Gehör aus durch einige Zeit fortgesetzt habe, kann ich meine Finger entfernen; die Augen des Patienten bleiben geschlossen; ich erhebe seine Arme, sie bleiben in der Luft stehen: der kataleptische Schlaf ist erreicht.

Andere Personen zeigen sich noch widerspenstiger, sie sind in ihrer Voreingenommenheit unfähig sich hinzugeben, beobachten und stören sich fortwährend und behaupten, dass sie nicht einschlafen können. Solche nötige ich zur Ruhe und spreche ihnen immer von Betäubung und Müdigkeit. »Das genügt,« pflege ich zu sagen, »um eine wirksame Suggestion zu erzielen. Es bedarf dazu keines eigentlichen Schlafes. Bleiben Sie ruhig und rühren Sie sich nicht.« Ich versuche bei solchen Personen nicht, kataleptische Erscheinungen zu erzeugen, denn ich weiß, dass sie bloß zur Ruhe gebracht und nicht eingeschläfert sind, und dass sie sich bei jedem Versuch aufraffen und mit Leichtigkeit aus ihrer Unbeweglichkeit herausreißen würden. Ich begnüge mich in solchem Fall oft damit, die Person in einem Zustand von zweifelhafter Einschläferung zu belassen, und fordere sie auf, eine Zeit lang in dieser Ruhe zu beharren ohne zu prüfen, ob eine Beeinflussung wirklich stattgefunden hat. Manche Personen halten sich auch wirklich ziemlich lange regungslos, ohne dass sie sagen könnten, ob sie es freiwillig oder unfreiwillig getan haben. Gewöhnlich gelingt es durch diese Art von Schulung, in einer zweiten oder dritten Sitzung einen höheren Grad einer nicht mehr zweifelhaften Hypnose, begleitet von suggestiver Katalepsie oder selbst von Somnambulismus, zu erreichen.

Bei verschiedenen Personen führt verschiedenes Vorgehen zum Ziele. Bei den Einen genügt die milde Suggestion, bei Anderen bedarf es einer Art von Überwältigung, eines herrischen Gebarens, um die Neigung zum Lachen oder die unwillkürliche Widerstandslust zu unterdrücken, welche bei derartigen hypnotischen Versuchen auftreten.

Viele Personen zeigen sich schon durch die erste Hypnose beeinflusst, bei Anderen bedarf es einer zwei- bis dreimaligen Wiederholung. Der hypnotische Einfluss zeigt sich nach mehreren Sitzungen ungemein gesteigert. Es genügt dann oft, die Betreffenden anzusehen, ihnen die Finger vorzuhalten und zu rufen: »Schlafen Sie!«, auf dass in wenigen Sekunden sich ihre Augen schließen und der Schlaf mit allen seinen Begleiterscheinungen sich einstellt. Andere Personen erlangen die Fähigkeit, rasch einzuschlafen, erst nach einer gewissen, aber in der Regel nicht großen Anzahl von Sitzungen.

Es gelingt mir oft, dass ich sieben oder acht Personen nacheinander, je in einem Moment, hypnotisiere. Nach diesen kommen mehrere Andere, welche widerspenstig oder schwer zu beeinflussen sind. Ich halte mich bei solchen nur wenige Minuten auf; was das erste Mal nicht gelungen ist, gelingt gewöhnlich in einer zweiten oder dritten Sitzung.

Personen, bei denen die hypnotische Suggerierbarkeit stark entwickelt ist, bedürfen zum Einschläfern keiner so lebhaften Betonung der Vorstellung des Schlafes. Man kann solche Leute schriftlich hypnotisieren, indem man ihnen mitteilt, dass sie in Hypnose verfallen werden, sobald sie den betreffenden Brief gelesen haben, man kann sie mit Hilfe des Telephons hypnotisieren, wie es Herr Liégeois getan hat; kurz, die Suggestion erreicht jedes Mal ihren Zweck, auf welchem Weg immer sie ihnen zukommt.

Es gibt Personen, welche sich unter dem Einfluss des Chloroforms hypnotisieren, ehe sie chloroformiert sind. Jeder Chirurg wird sich an Patienten erinnern, welche nach wenigen Atemzügen des Schlafmittels plötzlich und ohne ein Aufregungsstadium eingeschlafen sind, sicherlich ehe das Chloroform seine Wirkung getan haben konnte. Ich habe selbst diese Beobachtung an Clienten gemacht, welche ich für den Zahnarzt zu chloroformieren hatte, und lasse sie seither niemals unausgenützt. Jedes Mal, wenn ich eine Narkose einleite, suggeriere ich dem Kranken vom ersten Atemzug an, dass er rasch und sanft einschlafen wird. Mitunter kommt dann wirklich der hypnotische Schlaf vor dem Chloroformschlaf und kann so tief sein, dass er zur Vornahme der Operation ausreicht. Ist dies nicht der Fall, so setze ich die Einatmung des Chloroforms bis zur völligen Unempfindlichkeit, welche durch die Beihilfe der Suggestion früher eintritt, fort und kann sagen, dass ich durch dieses Verfahren das Stadium der Erregung in der Chloroformnarkose häufig vermeide.

* * *

Man darf nicht glauben, dass bloß neuropathische Personen. Schwachköpfe und Hysterische der Hypnose unterliegen oder dass nur Frauen hypnotisierbar sind; die Mehrzahl meiner Beobachtungen bezieht sich im Gegenteil auf Männer, welche ich mit Absicht ausgesucht habe, um dem obigen Einwurf zu begegnen. Es ist wahr, die hypnotische Beeinflussbarkeit zeigt große Verschiedenheiten, und ich habe wie Herr Liébault gefunden, dass Leute aus dem Volk, alte Militärs, Handwerker, kurz, Leute mit gefügigen Gehirnen, die an passiven Gehorsam gewöhnt sind, die Suggestion besser aufnehmen, als voreingenommene und überbildete Personen, die häufig auch unabsichtlich der Hypnose einen gewissen moralischen Widerstand leisten. Geistesgestörte, melancholisch oder hypochondrisch Verstimmte sind oft schwer oder gar nicht zu beeinflussen; es bedarf eben zur Hypnose der Mitwirkung, der zustimmenden Erwartung der Versuchsperson, es ist notwendig, dass Letztere sich ohne inneres Widerstreben der Beeinflussung des Hypnotiseurs überlässt, und die Erfahrung zeigt, dass die große Mehrzahl der Menschen dieser Bedingung mit Leichtigkeit nachkommen kann.

Unter den Personen, die ich hypnotisiert habe, befanden sich viele von großer Intelligenz, die den höheren Ständen der Gesellschaft angehörten und keineswegs nervös waren, wenigstens nicht in dem gewöhnlichen Sinn des Wortes. Freilich, wenn Jemand eine Ehre darein setzt, zu beweisen, dass er nicht hypnotisierbar ist, dass Suggestionen an ihm nicht haften, und dass sein Gehirn in festerem Gleichgewicht ist als das anderer Leute; bei einem solchen schlägt oft die Beeinflussung fehl, denn er versteht es nicht, sich in den für die Annahme der Suggestion erforderlichen Zustand zu versetzen, er sträubt sich bewusst oder unbewusst gegen dieselbe, er macht sich sozusagen eine Gegensuggestion, unter deren Herrschaft er steht.

* * *

Der Grad von Beeinflussung, welchen man durch die Hypnose erzielt, fällt bei verschiedenen Personen verschieden aus. Herr Liébault hat eine Einteilung der verschiedenen Grade der Hypnose aufgestellt, welche ich in Folgendem wiedergebe.

Der erste Grad von Beeinflussung besteht nach Liébault darin, dass die Betreffenden eine mehr oder minder deutliche Betäubung, Schwere in den Lidern und Schläfrigkeit empfinden; es ist dies aber der seltenste Fall. Die Schläfrigkeit kann verschwinden, sobald der Arzt mit der Beeinflussung aufhört; sie kann bei manchen Personen einige Minuten darüber anhalten, bei anderen noch längere Zeit, so eine halbe Stunde lang, sich fortsetzen. Die Versuchspersonen verhalten sich dabei häufig regungslos; es gibt aber auch andere, die, ohne aus ihrer Somnolenz zu erwachen, sich rühren und ihre Stellung verändern. Dieser Zustand kann bei einer nächsten Sitzung einem höheren Grad von Hypnose weichen oder sich unverändert erhalten. So kenne ich eine Dame, bei welcher ich mehr als hundertmal eine Somnolenz von halb- bis einstündiger Dauer hervorgerufen habe, ohne dass es mir gelungen wäre, darüber hinaus zu kommen.

Manche Personen geraten nicht in eine eigentliche Somnolenz, sondern halten bloß die Lider geschlossen und sind unvermögend sie zu öffnen, dabei sprechen sie, antworten auf Fragen und sagen aus, dass sie nicht schlafen. Ihre Augenlider sind aber wie kataleptisch; wenn ich ihnen sage: »Sie können die Augen nicht öffnen,« strengen sie sich vergebens an, die Augen bleiben geschlossen. Ich habe den Eindruck bekommen – ich bin aber nicht sicher darin – dass diese Form der Hypnose bei Frauen häufiger beobachtet wird als bei Männern. Eine dieser Frauen machte in diesem Zustand die unerhörtesten Anstrengungen, die Lider voneinander zu bringen, dabei lachte sie und redete ganz geläufig. Ich sagte ihr wiederholt: »Versuchen Sie doch die Augen aufzumachen«; sie brachte es nicht zu Stande, obwohl sie all ihre Willenskraft zusammennahm, bis ich den Zauber durch die Versicherung hob: »Sie können jetzt die Augen öffnen.«

Ich betrachte diesen Zustand als eine Unterart des ersten Grades.

Im zweiten Grad der Hypnose halten die Versuchspersonen gleichfalls die Lider geschlossen, ihre Glieder sind ganz schlaff, sie hören alles, was man ihnen sagt, und was in ihrer Nähe gesprochen wird, sie sind aber dem Willen des Hypnotiseurs unterworfen, ihr Gehirn befindet sich in dem Zustand, den die Magnetiseure Hypotaxie oder »Charme« heißen.

Für diesen zweiten Grad charakteristisch ist die suggestive Katalepsie, worunter ich folgende Erscheinung verstehe: die Person sei mit erschlafften Gliedern eingeschlafen; ich hebe nun einen Arm auf, er bleibt stehen; ich hebe ein Bein auf, es bleibt gleichfalls in der Luft, kurz, die Glieder behalten jetzt die Stellung bei, die man ihnen erteilt. Ich heiße diese Art von Katalepsie »suggestiv«, weil sie, wie man sich leicht überzeugen kann, eine rein psychische ist; sie rührt von der Passivität der Person her, welche eine ihr gegebene Stellung automatisch ebenso festhält, wie sie eine ihr eingegebene Vorstellung bewahrt. Man sieht nämlich, dass dieses Phänomen bei einer und derselben oder bei verschiedenen Personen mit der Tiefe der Hypnose und mit der psychischen Empfänglichkeit für die Hypnose in seiner Ausbildung Schritt hält. Dieser kataleptiforme Zustand kann fürs erste nur schwach angedeutet sein; das erhobene Glied bleibt dann nur wenige Sekunden in der Luft stehen und sinkt mit einer gewissermaßen zögernden Bewegung herab. Oder es bleibt nur der Vorderarm stehen; sobald man den Arm als Ganzes, Ober- und Vorderarm erhebt, fällt er herab; oder die einzelnen Finger behalten die ihnen gegebene Stellung nicht bei, während die Hand als Ganzes und der Vorderarm steif bleiben.

Bei einigen Personen kann man folgendes Phänomen beobachten: Wenn man einen Arm rasch in die Höhe hebt und dann auslässt, fällt er zurück. Wenn man ihn aber einige Sekunden lang gehoben hält, gleichsam um die Vorstellung von der Lage dieses Armes im Gehirn des Hypnotisierten zu befestigen, so wird er in der Tat auch weiterhin erhoben gehalten. In anderen Fällen erhält man die Katalepsie nur, wenn man sie ausdrücklich in der Suggestion verlangt. Man muss dem Hypnotisierten sagen: »Jetzt bleiben Ihre Arme oder Beine so stehen, wie ich sie stelle,« und nur in dem Fall bleiben sie es wirklich. Es kommt auch vor, dass Personen die ihnen gegebenen Stellungen ruhig beibehalten, so lange man ihnen nichts sagt, dass sie sich aber so zu sagen zusammennehmen, ihren eingeschläferten Willen wecken und das erhobene Glied senken, sobald man sie dazu herausfordert; häufig wachen sie bei dieser Anstrengung auf. Fälle dieser Art nehmen eine Mittelstellung zwischen dem ersten und zweiten Grad der Hypnose ein, sie bilden aber nicht die Mehrzahl; vielmehr ist es Regel, dass die Hypnotisierten mit all ihrer Anstrengung die ihnen verliehene Stellung nicht zu ändern vermögen.

Man kann an dem Verhalten der Katalepsie die allmähliche Ausbildung der Suggestionsfähigkeit verfolgen. Bei einer großen Reihe von Personen ist die Katalepsie aber schon von Anfang an voll ausgebildet; bei solchen bleiben die Glieder schon bei der ersten Hypnose spontan in der ihnen gegebenen Stellung, ohne dass es erforderlich wäre, die Suggestion besonders darauf einzurichten, und zwar bleiben sie so, entweder so lange als die Hypnose dauert, oder sie sinken langsam und allmählich im Verlauf von Minuten, von einer Viertelstunde oder eines längeren Zeitraumes herab.

Wenn man nicht über den zweiten Grad der Hypnose hinausgekommen ist, geschieht es oft, dass die aus der Hypnose Erwachten behaupten, sie hätten gar nicht geschlafen, weil sie sich erinnern können, alles gehört zu haben. Sie glauben dann, dass ihr Benehmen ein Ausfluss ihrer freiwilligen Fügsamkeit war. Wiederholt man aber den Versuch, so tritt die suggestive Katalepsie wieder auf und beweist, dass es sich, wenn nicht um einen Schlaf, so doch um einen ganz besonderen psychischen Zustand gehandelt hat, in dem die Widerstandsfähigkeit des Gehirns verringert und dasselbe für die Suggestion zugänglich geworden ist.

Im dritten Grad der Hypnose ist die Betäubung eine weit tiefere, die taktile Sensibilität kann herabgesetzt oder aufgehoben sein; außer der suggestiven Katalepsie zeigen sich die automatischen Bewegungen in folgender Art: Ich fasse die beiden Arme des Hypnotisierten und drehe sie umeinander, dann sage ich: »Ihre Arme laufen jetzt so fort, Sie können sie nicht aufhalten.« Dies geschieht auch durch kürzere oder längere Zeit. Bei einigen Personen bedarf es für diese automatische Drehbewegungen nicht einmal der wörtlichen Suggestion; es genügt, dass man den Armen die entsprechende Bewegung verleiht und sie darauf frei lässt. Im dritten Grad der Hypnose kann man auch die suggestive Kontraktur erzeugen. Der Hypnotisierte hört aber noch alles, was um ihn gesprochen wird.

Der vierte Grad der Hypnose charakterisiert sich außer durch die vorhin beschriebenen Erscheinungen durch den Verlust der Beziehungen zur Außenwelt. Der Hypnotisierte hört noch, was der Hypnotiseur zu ihm spricht, aber nicht was andere Personen zu ihm sagen, oder was in seiner Nähe gesprochen wird. Seine Sinne stehen nur mehr in Rapport mit dem Hypnotiseur, können aber vom Hypnotiseur in Beziehung zur übrigen Welt gesetzt werden.

Der fünfte und sechste Grad der Hypnose sind nach Liébault charakterisiert durch die Amnesie für alles, was sich während des Schlafes zugetragen hat; sie machen den Somnambulismus aus. Der fünfte Grad ist der leichte Somnambulismus, bei dem noch eine unbestimmte Erinnerung bestehen bleibt; die Hypnotisierten haben wenigstens in gewissen Momenten undeutlich gehört, und einzelne Erinnerungen tauchen von selbst in ihnen auf. Die Aufhebung der Sensibilität, die suggestive Katalepsie, die automatischen Bewegungen, die suggestiven Halluzinationen, kurz, alle die Erscheinungen, von denen wir bald ausführlich handeln werden, gelangen auf dieser Stufe der Hypnose zur vollsten Ausbildung.

Im tiefen Somnambulismus (im sechsten Grad der Hypnose) ist die Erinnerung für alles während des Schlafes Vorgefallene vollkommen erloschen und kann auch von selbst nicht wach werden. Wir werden hören, dass man diese Erinnerung jedes Mal künstlich hervorrufen kann. Der Hypnotisierte bleibt so lange eingeschläfert, als es dem Hypnotiseur beliebt, und ist ein Automat geworden, der all seinen Befehlen gehorcht.

Die hier vorgebrachte Einteilung der Hypnose in mehrere Grade hat einen gewissen theoretischen Wert; sie gestattet, den Zustand jeder durch die Hypnose beeinflussten Person mit wenig Worten zu beschreiben und einzuordnen. Es bestehen auch Zwischenstufen zwischen den einzelnen Graden; es kommen eben alle möglichen Übergänge von der einfachen Betäubung und von der zweifelhaften Einschläferung bis zum tiefsten Somnambulismus zur Beobachtung.

Ich muss hinzufügen, dass die Tiefe des Schlafes nicht jedes Mal in direktem Verhältnis steht zur Gefügigkeit gegen die Suggestion und zur Möglichkeit, die vorhin aufgezählten Erscheinungen hervorzurufen.

Es gibt Personen, die nicht ordentlich schlafen, auf Fragen Antwort geben, sich nach dem Erwachen auf alles besinnen und doch trifft bei ihnen alles: Kontraktur, Unempfindlichkeit, automatische Bewegungen auf Befehl oder nach Einleitung, endlich therapeutische Suggestionen in vortrefflicher Weise zu. Dies wird leicht zu begreifen sein, wenn wir die Suggestion im wachen Zustand behandelt haben werden.

Dagegen gibt es Andere, die in einen schweren und tiefen Schlaf verfallen und sich nach dem Erwachen an nichts erinnern. So lange sie schlafen, nützt es nichts, sie mit Fragen zu bestürmen; sie bleiben regungslos. Es ist schwer, die suggestive Katalepsie bei ihnen zu erhalten, ihre Arme bleiben nur kurze Zeit erhoben. Suggestionen, Handlungen, Wahrnehmungen und Befehle, die man ihnen für die Zeit nach dem Erwachen aufträgt, werden nicht angenommen und nicht durchgeführt; man sollte meinen, sie ständen nicht in Rapport mit dem Hypnotiseur. Aber ein solcher Rapport besteht doch, denn es genügt, die Worte »Wachen Sie auf« auszusprechen, um sie zum Erwachen zu veranlassen. Ich habe bei mehreren Personen, deren Schlaf die oben beschriebenen Eigentümlichkeiten zeigte, also ein toter Schlaf zu sein schien, sofortige therapeutische Wirkungen durch die Suggestion vom Gehör aus erzielt, so: Wiederkehr der Sensibilität, Nachlass von Schmerzen, Steigerung der am Dynamometer gemessenen Muskelkraft, was doch beweist, dass diese Personen trotz der scheinbaren Lethargie während des ganzen Schlafes in Rapport mit mir geblieben waren.

Endlich gibt es Personen, welche bis auf den Verschluss der Augen vollkommen wach scheinen; sie antworten auf alle Fragen, sprechen recht geläufig, sind gar nicht oder nur sehr wenig kataleptisch, lassen weder Halluzinationen noch Illusionen hervorrufen, und – zeigen doch beim Erwachen vollkommene Amnesie.

Jeder Schläfer hat sozusagen seine Eigenart, seine besondere hypnotische Reaktion. Vor allem aber will ich zunächst hervorheben, dass die Tauglichkeit für die Erscheinungen der Suggestion nicht immer der Tiefe des Schlafes parallel läuft.

* * *

Die vorstehende Einteilung der Hypnose in mehrere Grade habe ich in der ersten Auflage dieses Buches wiedergegeben, wie ich sie von meinem Kollegen Liébault überkommen habe; ich konnte die Richtigkeit der scharfsinnigen Beobachtungen Liébaults nur vollinhaltlich bestätigen. Ich glaube aber, dass es von Interesse sein wird, diese Tatsachen der Beobachtung von einem weiteren Gesichtspunkt aus zu betrachten, und dem Begriff »Hypnose« eine ausgedehntere Bedeutung zu geben, als die des »künstlichen Schlafes«. Die Bemerkungen, die ich hierbei vorzubringen gedenke, werden der Grundidee Liébaults keineswegs widersprechen; vielmehr werden sie dieselbe bekräftigen, indem sie zeigen, dass die Suggestion der Grundstein aller hypnotischen Erscheinungen ist.

Die Beobachtung lehrt also Folgendes:

Unter den Personen, welche durch die Hypnose beeinflusst werden können, gibt es eine Gruppe, die nach ihrer Wiederkehr zur Norm keinerlei Erinnerung an das Vorgefallene bewahrt; für sie ist alles wie ausgelöscht.

Eine zweite Gruppe bewahrt eine teilweise, unsichere oder unvollständige Erinnerung; einige Dinge sind ausgelöscht, andere in der Erinnerung erhalten. Sie haben reden gehört, wissen aber nicht, was gesprochen wurde, oder sie haben behalten, was der Hypnotiseur, und vergessen, was andere Personen gesprochen haben.

In einer dritten Gruppe ist die Erinnerung an alles, was sich während der Hypnose zugetragen hat, erhalten. Von den hierher gehörigen Personen haben die Einen das Bewusstsein, eingeschläfert und betäubt gewesen zu sein, obwohl sie alles gehört haben; sie waren ja nicht im Stande, sich zu rühren und aus ihrer Betäubung aufzuraffen. Andere sind sich keiner Betäubung bewusst, sie machen geltend, dass sie in voller Klarheit über die Situation und wachen Geistes alles aufgenommen haben, was während der Hypnose gesagt oder getan wurde, sie stellen den Schlaf in Abrede, und es ist in der Tat schwer, den eigentümlichen Zustand, in dem sich solche Personen befunden haben, als Schlaf zu bezeichnen; man kann zum mindesten nicht beweisen, dass es sich um einen wirklichen Schlaf gehandelt hat.

Bei den Personen, die zur ersten Gruppe gehören, die also alle oder fast alle Erinnerung an die Vorgänge während der Hypnose verloren haben, ist auch die Suggestionsfähigkeit am besten ausgebildet. Man kann bei ihnen häufig Katalepsie, automatische Bewegungen, Analgesie, Sinnestäuschungen, Halluzinationen während der Hypnose und mitunter selbst posthypnotische Halluzinationen hervorrufen – häufig, aber doch nicht jedes Mal. Ich habe Personen gesehen – ein Beispiel werde ich später anführen – welche in tiefen Schlaf verfielen oder zum mindesten so weit beeinflusst waren, dass ihnen nach dem Erwachen jede Erinnerung fehlte, bei denen doch weder Katalepsie noch Anästhesie, noch Halluzinationen zu erzielen waren. Die Amnesie nach dem Erwachen war in diesen Fällen das einzige Symptom, welches den Schlaf zu bezeugen schien. Diese Amnesie trat sogar bei Personen auf, welche während der Hypnose ohne Schwierigkeit hatten sprechen können.

Ich habe andererseits Personen gefunden, die in der Hypnose Katalepsie, Anästhesie und Halluzinationen erzeugen ließen und nach ihrer Wiederkehr zum normalen Zustande eine lückenlose Erinnerung bewahrt hatten. Doch sind das im Ganzen Ausnahmen. Im Allgemeinen geht die Amnesie nach dem Erwachen mit einem hohen Grad von Suggerierbarkeit einher.

Nicht alle Hypnotisierten schlafen, bei Einigen darunter ist der Schlaf nur partiell, unvollständig oder zweifelhaft. Ich meine daher, es dürfte zur richtigen Auffassung der Erscheinungen beitragen, wenn man die Bezeichnung »hypnotischer Schlaf« durch die andere, »hypnotische Beeinflussung« ersetzen und etwa sagen würde: Der hypnotische Einfluss äußert sich bei verschiedenen Personen durch verschiedenartige Symptome, je nach dem Grad und der Art und Weise ihrer Suggerierbarkeit.

Da sich jede Person sozusagen als eine besondere suggestive Individualität zeigt, könnte man eine unbestimmte Anzahl von Arten oder Abstufungen der Hypnose unterscheiden, welche diesen verschiedenen hypnotischen Beeinflussungen entsprechen. Weil man aber auf den Anhaltspunkt nicht verzichten kann, welchen eine, wenn auch schematische, Anordnung bietet, werde ich die folgende Einteilung der verschiedenen Abstufungen des hypnotischen Zustandes annehmen, welche mir der Mehrheit der Tatsachen Rechnung zu tragen scheint.

Erste Stufe: Die Person zeigt weder Katalepsie noch Anästhesie, noch die Fähigkeit, sich Halluzinationen zu fügen; auch ist sie nicht eigentlich in Schlaf versenkt; sie behauptet, dass sie gar nicht geschlafen, oder dass sie bloß einen größeren oder geringeren Grad von Betäubung verspürt hat. Wenn man ihr den Schlaf suggeriert hat, so bleibt sie ruhig mit geschlossenen Augen; man darf sie aber nicht herausfordern, sie zu öffnen, denn dann öffnet sie die Augen wirklich. Die erzielte Beeinflussung kann unerheblich oder zweifelhaft erscheinen, aber sie besteht doch; wenn man auch weder Schlaf noch Katalepsie, noch andere Erscheinungen hervorrufen kann, so kann sich die Suggerierbarkeit doch durch andere Tatsachen bezeugen. Man kann z.B. eine Empfindung von Wärme an einem bestimmten Körperteil erwecken, man kann manche Schmerzen aufheben und unzweifelhafte therapeutische Wirkungen erzielen.

Bei manchen Personen, welche sich in der oben geschilderten Weise scheinbar ablehnend gegen alle klassischen Symptome der Hypnose verhielten, ist es mir gelungen, lang bestehende Muskel- oder Nervenschmerzen durch Suggestion verschwinden zu machen; ein schlagender Beweis dafür, dass eine Suggerierbarkeit für manche physische Phänomene tatsächlich bestand.

Zweite Stufe: Die Person zeigt dasselbe Ansehen wie auf der vorigen Stufe und dieselben negativen Symptome. Wenn man ihr suggeriert zu schlafen, so verbleibt sie ruhig mit geschlossenen Augen, ohne eigentlich eingeschläfert zu sein, oder sie ist bloß betäubt. Der Unterschied dieser Stufe von der vorigen besteht eben darin, dass die Person nicht mehr aus eigenem Willen die Augen öffnen kann, wenn man sie dazu herausfordert. Die Beeinflussung ist bereits unverkennbar.

Dritte Stufe: Die Person, ob sie nun die Augen offen oder geschlossen hält, eingeschläfert oder wach ist, zeigt suggestive Katalepsie von verschieden hoher Intensität. Für diese Stufe charakteristisch ist, dass die Person in der ihr gegebenen oder durch die Rede suggerierten Stellung verbleibt, so lange man sie nicht herausfordert, dieselbe zu verändern. Wenn man dies tut, ist es ihr möglich, sich aufzuraffen, und die suggerierte Stellung durch eine Willensanstrengung zu überwinden. Auch hierbei könnte die Beeinflussung einem oberflächlichen Beobachter zweifelhaft erscheinen; sie wird aber sichergestellt, wenn man den Versuch wiederholt und zeigt, dass die verliehene Stellung jedes Mal beharrt, solange man nicht den bloß eingeschläferten und noch nicht ohnmächtigen Willen der Person wachruft.

Vierte Stufe: Hier ist die suggestive Katalepsie stärker ausgebildet und trotzt allen Anstrengungen der Person. Die Beeinflussung ist unzweifelhaft und kann der hypnotisierten Person selbst bewiesen werden, indem man sie der Unfähigkeit überführt, die verliehene Stellung zu verändern. Zu dieser suggestiven Katalepsie gesellt sich mitunter die Möglichkeit, besonders an den Armen automatische Drehbewegungen hervorzurufen, welche sich längere Zeit oder unbestimmt lange fortsetzen. Bewegungen dieser Art treten bei den Einen auf, wenn man bloß den Anstoß dazu erteilt. Bei Anderen bedarf es der mündlichen Suggestion, damit die Bewegung anhalte. Wie bei der Katalepsie ist es auch hier den Einen möglich, diese Drehbewegung, wenn sie herausgefordert werden, durch eine Willensanstrengungen zu unterdrücken; Andere bringen es trotz all ihrer Bemühungen nicht zu Stande.

Fünfte Stufe: Außer der Katalepsie mit oder ohne automatische Bewegungen zeigt die Person die Fähigkeit, durch Suggestion in einen höheren oder geringeren Grad von Kontraktur versetzt zu werden; man darf sie dann herausfordern, den Arm zu beugen, die Hand zu öffnen, den Mund zu öffnen oder zu schließen, ohne dass sie diese Bewegungen auszuführen vermag.

Sechste Stufe: Die Person zeigt überdies einen höheren oder geringeren Grad von allgemeiner Gefügigkeit, von automatischem Gehorsam. Sie ist unbeweglich, solange man sie sich selbst überlässt; auf Suggestion erhebt sie sich und geht, sie bleibt auf Befehl stehen und steht wie angenagelt fest, wenn man ihr sagt, dass sie keinen Schritt mehr nach vorwärts tun kann etc.

Sinnestäuschungen und Halluzinationen lassen sich auf dieser Stufe der Hypnose ebenso wenig hervorrufen, wie auf den früheren.

Die Personen, welche in diese verschiedenen Kategorien gehören, haben beim Erwachen die volle Erinnerung, selbst wenn man ihnen suggeriert hat, zu schlafen. Eine Reihe von Personen hat das Bewusstsein, geschlafen zu haben; solche verbleiben auch gänzlich passiv und aller Initiative beraubt, solange man sie nicht aus ihrer Betäubung weckt, oder bis sie durch spontanes Erwachen ihrer geistigen Regsamkeit diesen Zustand selbstständig abschütteln. Andere sind sich nicht klar darüber, ob sie geschlafen haben, und noch Andere behaupten aufs Bestimmteste, dass sie nicht geschlafen haben. Den Personen, welche sich auf einer der drei letzten Stufen befunden haben, kann man jedes Mal beweisen, dass sie zum mindesten beeinflusst waren, wenn schon nicht eingeschläfert.

Es gibt alle Übergänge vom Wachen durch Betäubung und Somnolenz bis zum tiefen Schlaf. Bei manchen Personen der verschiedenen Kategorien bleiben Intelligenz und Sinnestätigkeit während der ganzen Zeit der Beeinflussung unzweifelhaft wach. Bei Anderen zeigen sich überhaupt nur gewisse Symptome des Schlafes: Unbeweglichkeit, Mangel an eigenen Bewegungsantrieben, Empfindungen von Betäubung, Verschluss der Augen. Es kommt auch vor, dass die Geistestätigkeit der Betreffenden wach bleibt für den Hypnotiseur, dem sie gehorchen und antworten, während sie mit Rücksicht auf andere Personen sich wie Schlafende benehmen, dieselben nicht hören und ihnen nicht Antwort geben.

Es ist oft sehr schwer, den psychischen Zustand der beeinflussten Personen zu durchblicken. Beobachtung und Analyse sind hier heikle Aufgaben; manche Fälle bleiben überhaupt zweifelhaft. Simulation ist möglich und leicht durchzuführen; noch leichter ist es, an Simulation zu glauben, wo sie nicht bestellt. Manche Personen z.B. halten ihre Augen geschlossen, so lange der Hypnotiseur sie beeinflusst, sie öffnen die Augen, sobald dieser den Blick von ihnen wendet, und schließen sie manchmal von Neuem, sobald er sie wieder ansieht. Das macht ganz den Eindruck einer absichtlichen Verstellung. Die Zuschauer glauben den Betrug entdeckt zu haben, sie bedauern die naive Leichtgläubigkeit des Hypnotiseurs: die Person betrügt ihn oder benimmt sich ihm zu Gefallen.

So geht es mir täglich vor meinen Schülern; aber ich zeige ihnen, dass die Person mich nicht täuscht, und dass ich mich auch nicht täusche. Denn ich rufe den hypnotischen Zustand von Neuem hervor und erzeuge jetzt Katalepsie oder Kontraktur, wobei ich die Person auffordere, mir keinen Gefallen zu tun, sondern sich, wenn sie kann, davon frei zu machen.

Dies eigentümliche Verhalten, welches den Eindruck eines plumpen Betruges macht, ich meine nämlich die Neigung, aus der Betäubung zu erwachen, sobald der Hypnotiseur die Beeinflussung aussetzt oder unterbricht, findet sich am häufigsten bei Kindern, kommt aber auch bei manchen Somnambulen zur Beobachtung. Es scheint, dass die Betreffenden nur auf den Moment lauern, in dem sich der Hypnotiseur entfernen oder seine Aufmerksamkeit von ihnen abwenden wird, um die Augen aufzuschlagen; man meint, man könne die Simulation beschwören, und dach fehlt denselben Personen nach ihrem Erwachen jede Spur von Erinnerung.

Ich muss allerdings sagen, dass die große Mehrzahl der beeinflussten Personen eine ziemlich lange Zeit mit geschlossenen Augen in einem Zustand verbleibt, der die äußere Erscheinung des Schlafes hat, wenn er nicht wirklich Schlaf ist; sie öffnen die Augen erst lange Zeit nachdem man aufgehört hat, sie zu beeinflussen, oder erst dann, wenn man ihnen das Erwachen suggeriert.

Angesichts all dieser Tatsachen muss ich von Neuem nachdrücklich hervorheben, dass eine Person in Hypnose sich nicht wie ein Leichnam, oder wie ein in Lethargie versenktes Wesen verhält. Sie hört und erfreut sich ihres Bewusstseins, selbst wenn sich nichts an ihr rührt; aber sie gibt auch häufig Zeichen des Lebens von sich, man kann bemerken, dass sie lacht oder Anstrengungen macht, um ihr Lachen zu unterdrücken; sie ist im Stande, über ihren eigenen Zustand Betrachtungen anzustellen, und kommt sich dabei mitunter selbst vor, als ob sie simulieren oder dem Arzt zu Gefallen handeln würde. Wenn der Arzt weggegangen ist, prahlt sie häufig im guten Glauben, dass sie nicht geschlafen, sondern sich bloß schlafend gestellt hat. Sie weiß eben nicht immer, dass sie nicht simulieren kann, dass ihre Gefälligkeit erzwungen und von der Schwächung ihres Willens oder ihrer Widerstandskraft abhängig ist. In der Mehrheit der Fälle indes gelangen die Betreffenden dazu, sich über den Zwang, dem sie unterliegen, klar zu werden; sie fühlen, dass sie beeinflusst waren und geschlafen, haben, selbst wenn sie nach dem Erwachen die volle Erinnerung bewahren.

* * *

Auf den nun zu beschreibenden Stufen der Hypnose wird die Beeinflussung offenkundig, denn es besteht nach dem Erwachen Amnesie, welche bald vollkommen, bald mehr oder weniger unvollkommen sein kann.

Die Person kann eine teilweise Erinnerung bewahrt haben; sie weiß, dass sie sprechen gehört hat, aber nicht, was gesprochen wurde, einige Ereignisse ihres Lebens in der Hypnose sind verlöscht, andere erhalten. Alle die Stufen der hypnotischen Beeinflussung, bei denen nach dem Erwachen die Erinnerung fehlt, nennen wir Somnambulismus.1 Man darf hierbei offenbar von Schlaf sprechen, wenn man unter Schlaf einen Zustand des Gehirns versteht, während dessen alle vorkommenden Wahrnehmungen ohne Erinnerung verbleiben. Unter diese Kategorie, zum somnambulen Zustande, gehören alle die Personen, die empfindungslos, halluzinationsfähig gemacht werden und zu allen Handlungen suggeriert werden können; die Suggerierbarkeit erreicht hier ihren Höhepunkt. Es gibt aber verschiedene Abstufungen auch von diesem Zustand.

Siebente Stufe. Ich betrachte als hierher gehörig jene Fälle, welche Amnesie beim Erwachen zeigen, aber keiner Halluzinationen fähig sind. Bei fast allen in dieser Weise Somnambulen kann man auch die Erscheinungen, welche den früheren Stufen zukommen, hervorrufen als: Katalepsie, Kontrakturen, automatische Bewegungen und automatischen Gehorsam. Doch kommt es auch vor, dass das eine oder andere Phänomen aus dieser Reihe ausfällt. Nur sehr selten trifft es sich, dass, wie bereits erwähnt, alle solche Erscheinungen fehlen, und dass somit die Amnesie als charakteristisches Merkmal des Somnambulismus vereinzelt bleibt. Auf dieser Stufe wie auf den folgenden können die Augen offen oder geschlossen sein.

Achte Stufe: Hier besteht nebst der Mehrzahl der auf den früheren Stufen beobachteten Erscheinungen Amnesie beim Erwachen, und außerdem lassen sich während des Schlafes Halluzinationen erzeugen. Es ist aber nicht möglich, Halluzinationen für den Zustand nach dem Erwachen zu suggerieren.

Neunte Stufe: Hier tritt die Möglichkeit auf, außer den Halluzinationen in der Hypnose auch posthypnotische Halluzinationen hervorzurufen. Diese Halluzinationen können mehr oder minder vollkommen, mehr oder minder lebhaft ausfallen; sie können für gewisse Sinne, z.B. für den Geruch oder fürs Gehör gelingen, während sie für andere, z.B. für den Gesichtssinn, fehlschlagen. Man findet eine ganze Reihe von Personen, bei denen die reichhaltigsten Halluzinationen mit großer Vollkommenheit verwirklicht werden. Auch hierfür könnte man eine ganze Reihe von Abstufungen aufstellen, je nach der Art und Weise, wie die Phantasie der einzelnen Personen sich der Suggestion bemächtigt und dieselbe mit größerer oder geringerer Lebhaftigkeit und Treue zur Ausführung bringt.

Auf allen Stufen der Hypnose kann man eine mehr oder weniger ausgebildete suggestive Anästhesie oder Analgesie antreffen; im Allgemeinen ist dieselbe häufiger und hochgradiger bei den Personen, welche den tiefen Somnambulismus zeigen und sich gut für die Hervorrufung von Halluzinationen eignen.

* * *

Durch diese Anordnung der Tatsachen glaube ich den wirklichen Verhältnissen am besten Rechnung zu tragen. Die Hypnose gibt sich eben bei verschiedenen Individuen durch mannigfache Arten von Beeinflussungen kund. Die leichteste Beeinflussung zeigt sich darin, dass man eine einfache Betäubung oder verschiedenartige Empfindungen, wie ein Wärmegefühl, Stechen usw. hervorrufen kann. Ist die Suggerierbarkeit besser ausgeprägt, so ergreift sie die Motilität; es kommt zur Katalepsie, zur Bewegungslähmung, zu Kontrakturen und zu automatischen Bewegungen. Bei noch weiterer Steigerung beeinträchtigt die Suggerierbarkeit das Willensvermögen und erzeugt den automatischen Gehorsam. Dabei können alle diese psychischen Tätigkeiten, Motilität, Wille und selbst die Sensibilität durch die Suggestion beeinflusst werden, ob Schlaf besteht oder nicht, und zwar selbst dann, wenn die Suggestion unwirksam ist, den Schlaf selbst herbeizuführen. Bei noch weiterer Zunahme der Suggerierbarkeit erzeugt die Suggestion den Schlaf oder den Wahn zu schlafen; die Person hat die Überzeugung, dass sie eingeschläfert ist, und wird daher nach dem Erwachen keine Erinnerung an das im Schlaf Erlebte bewahrt haben. In diesem Zustand hat sich die Suggerierbarkeit des Vorstellungslebens, des Gedächtnisses und der Phantasie in großem Umfang bemächtigt; Wahrnehmungen können gefälscht, unterdrückt und neugeschaffen werden, die verschiedenartigsten Erinnerungsbilder lassen sich durch den Eingriff des Hypnotiseurs erwecken.

Ich muss auf ein Verhältnis nochmals zurückkommen: Es ist für die Verwirklichung der Suggestion nicht notwendig, dass Schlaf besteht; alle oder wenigstens manche Suggestionen können gelingen, ohne dass die Person eingeschläfert ist, und zwar selbst in dem Fall, wenn die Suggestion des Schlafes selbst unwirksam war; denn auch der Schlaf ist nur eine Suggestion. Er ist nicht bei Allen zu erreichen, er ist bei den guten Somnambulen nicht notwendig, um die verschiedenartigsten Phänomene hervorzurufen; man kann die letzteren sozusagen vom Schlaf dissoziieren. Katalepsie, Lähmung, Anästhesie, die reichhaltigsten Halluzinationen lassen sich bei vielen Personen verwirklichen, auch wenn man ihnen nicht die Erscheinungsreihe des Schlafes vorausgeschickt hat. Die Suggerierbarkeit ist unabhängig vom Schlaf, sie gilt auch im wachen Zustand.

Wenn man die Hypnose als einen provozierten Schlaf definiert, so engt man die Bedeutung dieses Wortes unnötiger Weise ein und trägt den zahlreichen, vom Schlaf unabhängigen Phänomenen keine Rechnung, welche die Suggestion erzeugen kann. Ich ziehe es vor, die Hypnose anders zu definieren, nämlich als die Hervorrufung eines besonderen psychischen Zustandes, in dem die Suggerierbarkeit gesteigert ist. Es ist allerdings richtig, dass der erzwungene Schlaf – wenn man ihn nämlich erzwingen kann – die Suggerierbarkeit unterstützt, aber er ist keine unerlässliche Vorbedingung für dieselbe. Der Kernpunkt, die Hauptsache der Hypnose, ist die Suggestion.

Dazu kommt, wie ich später zeigen werde, dass der suggerierte Schlaf sich in nichts von einem natürlichen Schlaf unterscheidet; man kann dieselben Erscheinungen der Suggerierbarkeit auch im natürlichen Schlaf erzielen, wenn es gelingt, sich mit einem Schlafenden in Rapport zu setzen, ohne ihn aufzuwecken.

Diese neue von mir vorgeschlagene Auffassung des hypnotischen Einflusses, dieser weitere Sinn, den ich dem Wort Hypnose gebe, gestattet, all die verschiedenen Methoden, welche durch ihre Wirkung auf die Phantasie einen psychischen Zustand von erhöhter Suggerierbarkeit mit oder ohne Schlaf erzeugen, unter denselben Begriff der Hypnose zu bringen.

Dahin gehört z.B. die Faszination durch einen glänzenden Gegenstand oder durch den Blick, welch letzteres Verfahren zuerst von Donato angewendet und nach ihm von Brémaud beschrieben wurde; auch Hansen hat sich desselben bedient. Donato, der besonders gern mit jungen Leuten Versuche machte, geht auf die folgende Art vor: Er fordert die betreffende Person auf, ihre flache Hand auf seine eigene horizontal ausgestreckte zu legen und sie mit all seinen Kräften gegen die seine zu stemmen. Während die ganze Aufmerksamkeit und die ganze physische Kraft der Person auf diese Tätigkeit gewendet sind, und während die Konzentrierung seiner Innervation auf diese Muskelleistung ihn sozusagen an der Zerstreuung seiner Vorstellungen hindert, blickt der Magnetiseur den jungen Mann plötzlich scharf und aus großer Nähe an und fordert ihn durch eine Gebärde – wenn nötig, auch mit Worten – auf, ihn mit aller Stetigkeit, deren er fähig ist, zu fixieren. Wenn dann der Magnetiseur nach rückwärts schreitet oder sich um seine Versuchsperson dreht, wobei er fortfährt, sie zu fixieren und mit dem Blick zu beeinflussen, so folgt ihm diese wie angezogen und fasziniert mit weit geöffneten Augen, die sie nicht mehr von ihm abzuwenden vermag. Wenn die Versuchsperson erst einmal in dieser Weise mitgerissen worden ist, dann reicht für eine Wiederholung die bloße Fixation der Augen aus; es ist nicht mehr nötig, vorher das Auflegen der Hände vorzunehmen.

Es handelt sich dabei nämlich um eine einfache Suggestion durch die Gebärde; die Versuchsperson schließt aus der Fixation von Seiten des Magnetiseurs, dass ihr Blick auf den Magnetiseur geheftet bleiben und ihm überall hin folgen soll; sie glaubt also von ihm angezogen zu werden; es ist aber eine psychische, suggestive Faszination und keineswegs eine physische. Ich habe denselben Versuch bei den besten Somnambulen misslingen sehen, wenn dieselben die Absicht verkannten, welche durch die Gebärde des Magnetiseurs ausgedrückt war. Dagegen gelingt der Versuch viel leichter, wenn er ein erstes Mal vor den Augen der Anwesenden mit Erfolg ausgeführt worden ist. Die Letzteren wissen dann eben, was geschehen soll, und die Suggestion kommt auf dem Weg der Nachahmung zu Stande.

Unter den in solcher Weise faszinierten Personen finden sich, genau so wie unter den durch andere Methoden Hypnotisierten, einige, welche der Beeinflussung unterliegen, ohne eingeschläfert zu sein. Diese haben die Suggestion in wachem Zustand angenommen, erinnern sich auch sofort an das, was sie getan haben, und können sich nicht erklären, warum sie ihren Magnetiseur fixieren und ihm folgen mussten. Andere erinnern sich an nichts; wenn ein Hauch auf ihre Augen oder ein einfaches Wort den Zustand von Faszination aufgehoben hat. wissen sie nicht, was mit ihnen vorgefallen ist; sie sind mit offenen Augen somnambul gewesen. Man kann sie in diesem Zustand der somnambulen Faszination kataleptisch machen, ihnen Halluzinationen eingeben usw. Dieselben Personen werden übrigens häufig kataleptisch oder nehmen Halluzinationen an, ohne vorher fasziniert gewesen zu sein in Folge eines Wortes, einer Gebärde oder einer Stellung, die man ihnen erteilt.

Die Faszination schafft also keineswegs einen besonderen Zustand, sie ist nichts anderes als Hypnose, d.h. gesteigerte Suggerierbarkeit, erzeugt durch eine Wirkung auf die Phantasie. Ob diese Wirkung durch das Auge, durch die Rede, durch das Getast oder auf eine andere Weise zu Stande kommt, der psychische Zustand, den man erreicht, ist immer derselbe, nämlich eine Steigerung der Suggerierbarkeit, die bei verschiedenen Personen verschieden groß ausfällt, und die Höhe derselben hängt weniger von der angewandten Methode, als von der eigentümlichen Reaktionsfähigkeit der Person ab.

* * *

Das Erwachen kann ein freiwilliges sein. Personen, welche bei der ersten Sitzung nur leicht schlafen, zeigen häufig eine Neigung, bald zu erwachen; man muss sie unter dem Zauber erhalten, indem man ihnen die Lider geschlossen hält oder ihnen von Zeit zu Zeit wiederholt: »Schlafen Sie!« Aber sehr bald stellt sich die Gewöhnung an den Schlaf ein; der Hypnotisierte erwacht nicht mehr, so lange der Hypnotiseur in seiner Nähe ist. Es gibt Personen, welche wach werden, sobald sie die Nähe des Hypnotiseurs nicht mehr verspüren; die meisten aber schlafen, wenn man sie sich selbst überlässt, durch mehrere Minuten, bis zu einer und mehreren Stunden weiter. Einen meiner Kranken habe ich durch 15 Stunden, einen anderen durch 18 Stunden im Schlaf belassen.

Wenn ich ein rasches Erwachen herbeiführen will, bediene ich mich wie bei der Einschläferung der mündlichen Suggestion. Ich sage: »Jetzt ist’s genug, wachen Sie auf!« Diese Worte reichen bei bereits mehrmals hypnotisierten Personen, selbst wenn sie leise gesprochen werden, hin, um ein unmittelbares Erwachen zu veranlassen. Bei anderen Personen wird es nötig, die Aufforderung zu wiederholen, etwa: »Jetzt gehen Ihre Augen auf, Sie sind wach.« Wenn auch dies nicht wirkt, so braucht man nur ein- oder mehrmals auf die Augen zu hauchen, um den Schläfer zu wecken. Ich habe niemals andere Methoden, wie das Bespritzen mit kaltem Wasser, in Anwendung ziehen müssen; das Erwecken aus der Hypnose hat mir nie Schwierigkeiten bereitet.

Das Erwachen aus der Hypnose nimmt sich oft höchst sonderbar aus. Ich habe einen Mann in tiefem Schlaf vor mir, wir wechseln Rede und Antwort; wenn er von Natur gern spricht, kann es sein, dass er sich in ungehemmtem Redefluss ergeht. Mitten in seiner Rede sage ich plötzlich: »Wachen Sie auf!« Er öffnet die Augen und erinnert sich an nichts, was mit ihm vorgegangen ist; er weiß nicht, dass er mit mir gesprochen hat, während er doch vielleicht ein Zehntel Sekunde vor seinem Erwachen im besten Reden war. Wenn ich die Erscheinung noch auffälliger machen will, wecke ich ihn etwa in folgender Weise auf. Ich sage: »Zählen Sie bis zehn, wenn Sie mit lauter Stimme zehn gesagt haben, werden Sie wach sein.« In dem Augenblick, da er zehn ausspricht, öffnen sich seine Augen; er erinnert sich aber nicht, gezählt zu haben. Oder ich sage ihm: »Sie werden bis zehn zählen; wenn Sie bei sechs sind, werden Sie erwachen und dann bis zehn weiter zählen.« Bei sechs öffnet er wirklich die Augen und fährt zu zählen fort. Nachdem er aufgehört hat, frage ich ihn: »Warum zählen Sie denn?« Er erinnert sich aber nicht, gezählt zu haben. Es sind das Versuche, die ich an sehr intelligenten Leuten oft und oft wiederholt habe.

Es gibt Hysterische, bei denen man sehr vorsichtig sein und vermeiden muss, ihre schmerzhaften Punkte zu berühren oder die hysterogenen Zonen zu reizen, denn in diesem Fall kann ein hysterischer Anfall ausbrechen, der hypnotische Schlaf macht dem hysterischen Platz, und der Arzt verliert die Fühlung mit der Versuchsperson. Dann bleibt auch die Suggestion erfolglos.

Manche Personen sind auch nach dem Erwachen wie betäubt; man braucht aber dann nur einige Male mit den waagerecht gehaltenen Händen vor ihren Augen hin und her zu fahren, um diese Schläfrigkeit zu vertreiben. Mitunter beklagen sich die Erwachten über Schwere im Kopf, dumpfen Kopfschmerz und Schwindel; um diese verschiedenen Empfindungen hintanzuhalten, ist es gut, der Person vor dem Aufwecken zu sagen: »Sie werden jetzt erwachen und sich sehr behaglich fühlen, Sie werden keinen schweren Kopf haben und gar nichts Unangenehmes verspüren.« Wenn man dies tut, ist das Erwachen von keinerlei unerwünschten Empfindungen begleitet.

Es gibt Personen, die man durch Suggestion zu einem angesetzten Termin erwecken kann. Man braucht ihnen nur zu sagen: »Sie werden in fünf Minuten erwachen!« Das Erwachen geschieht dann genau zu dem suggerierten Zeitpunkt. Diese Leute haben eben ein richtiges Zeitmaß im Kopf. Andere, deren Zeitmaß ungenauer ist, wachen vor dem verlangten Moment auf; noch Andere endlich vergessen ans Erwachen, sie bleiben regungslos und scheinen sich nicht selbstständig aus ihrer Betäubung erheben zu können. Man muss ihnen sagen: »Wachen Sie auf!«, dann geschieht es.

Nach dem Erwachen reiben sich die Einen die Augen, schauen verwirrt um sich und haben die Empfindung, tief geschlafen zu haben. Andere öffnen die Augen plötzlich ohne Besinnung an das Vorhergegangene und wissen nicht, dass sie eingeschläfert waren. Wie den Epileptikern nach einer Absence entgeht ihnen die Lücke, die in ihren Bewusstseinsvorgängen platzgegriffen hat. Wenn ich frage: »Haben Sie geschlafen?«, so lautet die Antwort: »Ich weiß es nicht; ich muss es wohl glauben, da Sie es mir sagen.« Oder aber sie sind überzeugt, dass nichts Ungewöhnliches mit ihnen vorgegangen ist, und stellen jede Beeinflussung in Abrede.

* * *

Die folgende Tabelle, die Herr Liébault zusammengestellt und Herrn Dumont zur Veröffentlichung überlassen hat, gibt eine Vorstellung, in welcher Weise eine relativ erhebliche Anzahl von Personen jedes Alters, jedes Geschlechtes und Temperamentes sich auf die verschiedenen Kategorien des hypnotischen Schlafes verteilt.

1880. Unter 1011 der Hypnose unterzogenen Personen:

Widerspenstige ... 27 Leichte Betäubung ... 33 Leichter Schlaf ... 100 Tiefer Schlaf ... 460 Sehr tiefer Schlaf ... 229 Leichter Somnambulismus ... 31 Tiefer Somnambulismus ... 131

Man muss allerdings in Rechnung ziehen, dass Liébault vorwiegend mit Leuten aus dem Volk zu tun hat, welche zu ihm kommen, um sich einschläfern zu lassen, und die bei ihrer Überzeugung von seiner magnetischen Macht einen ziemlichen Grad von Gehirngefügigkeit mitbringen. Vielleicht würde sich die Anzahl der beeinflussten Personen geringer stellen, wenn diese günstigen Bedingungen wegfielen. Ich habe mich aber durch eigene Untersuchungen überzeugen können, dass die ganz und gar Widerspenstigen nur eine geringe Minderheit sind, und es ereignet sich täglich, dass ich gleich beim ersten Mal die Hypnose an Personen erzeuge, die in meine Ordination kommen, ohne eine Ahnung zu besitzen, was der hypnotische Schlaf ist.

Zufolge dieser Statistik, sowie einer anderen von Herrn Liébault gesammelten und von Herrn Beaunis publizierten, welche gleichfalls den Zeitraum eines Jahres umfasst, darf man annehmen, dass sich unter hundert ohne Auswahl hergenommenen Personen 15 bis 18 Somnambule finden werden. Als somnambul bezeichne ich alle hypnotisierbaren Personen, welche bei ihrem Erwachen keine Erinnerung an das während des Schlafes Vorgefallene bewahren. Ich habe den Eindruck bekommen, dass man die Anzahl der Somnambulen erheblich steigern kann, wenn man es nicht versäumt, während der Hypnose zu sagen: »Sie werden sich nach dem Erwachen an nichts erinnern.« Man kann so bei einer gewissen Zahl von Personen die Amnesie durch Suggestion erzielen.

Aus derselben statistischen Übersicht von Beaunis geht hervor, dass die Verhältniszahlen der Hypnotisierbaren für Männer und Frauen beinahe gleich sind, und dass insbesondere im Gegensatz zur landläufigen Meinung das Verhältnis der Somnambulen für beide Geschlechter fast identisch ist, nämlich 18,8 unter 100 bei den Männern und 19,4 bei den Frauen.

Was die Abhängigkeit vom Alter betrifft, so ergibt sich dieselbe aus der von Beaunis nach derselben Statistik hergestellten Übersicht, in welcher die Verhältniszahlen für jedes Alter eingetragen sind; also unter 100 Kindern von 1 bis 7 Jahren so und so viel Fälle von Somnambulismus, von tiefem Schlafe usw.

Alter

Somnambulismus

Sehr tiefer Schlaf

Tiefer

Leichter Schlaf

Schläfrigkeit

Unbeeinflusst

Bis zu 7 Jahren

26,5

4,3

13

52,1

4,3

von 7 bis 14 Jahren

55,3

7,6

23

13,8

von 14 bis 21 Jahren

25,2

5,7

44,8

5,7

8

10,3

von 21 bis 28 Jahren

13,2

5,1

36,7

18,3

17,3

9,1

von 28 bis 35 Jahren

22,6

5,9

34,5

17,8

13

5,9

von 35 bis 42 Jahren

10,5

11,7

35,2

28,2

5,8

8,2

von 42 bis 49 Jahren

21,6

4,7

29,2

22,6

9,4

12,2

von 49 bis 56 Jahren

7,3

14,7

35,2

27,9

10,2

4,4

von 56 bis 63 Jahren

7,3

8,6

37,6

18,8

13

14,4

von 63 Jahren und älter

11,8

8,4

38,9

20,3

6,7

13,5

Herr Beaunis