Die Thannhäuser-Trilogie - Band 2: Der Stein des Luzifer - Helga Glaesener - E-Book
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Die Thannhäuser-Trilogie - Band 2: Der Stein des Luzifer E-Book

Helga Glaesener

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Beschreibung

Eine abenteuerliche Suche: „Der Stein des Luzifer“ – Band 2 der Thannhäuser-Trilogie von Helga Glaesener jetzt als eBook bei dotbooks. Um seinen König zu schützen, hat Minnesänger Mack vor vielen Jahren einen magischen Stein versteckt. Nun muss er seine geliebte Nell verlassen und erneut in die Stadt Cividale reisen, um den Stein zu vernichten – denn dieser scheint düstere Kräfte zu besitzen, die in den falschen Händen großes Unheil anrichten könnten. Als Mack bei seiner Mission in größte Gefahr gerät, begegnet ihm die geheimnisvolle Lilith, die ihm ihre Hilfe anbietet. Aber kann er ihr wirklich vertrauen? „Der Stein des Luzifer“ ist der zweite Teil einer Fantasyserie voller Abenteuer und Intrigen um den Minnesänger Mack Thannhäuser. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Der Stein des Luzifer“ von Helga Glaesener. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Um seinen König zu schützen, hat Minnesänger Mack vor vielen Jahren einen magischen Stein versteckt. Nun muss er seine geliebte Nell verlassen und erneut in die Stadt Cividale reisen, um den Stein zu vernichten – denn dieser scheint düstere Kräfte zu besitzen, die in den falschen Händen großes Unheil anrichten könnten. Als Mack bei seiner Mission in größte Gefahr gerät, begegnet ihm die geheimnisvolle Lilith, die ihm ihre Hilfe anbietet. Aber kann er ihr wirklich vertrauen?

„Der Stein des Luzifer“ ist der zweite Teil einer Fantasyserie voller Abenteuer und Intrigen um den Minnesänger Mack Thannhäuser.

Über die Autorin:

Helga Glaesener, 1955 in eine Großfamilie hineingeboren, studierte Mathematik in Hannover. Mit ihrem Roman Die Safranhändlerin landete sie 1996 einen Bestsellererfolg. Seitdem hat sie zahlreiche historische Romane sowie mehrere Fantasy- und Kriminalromane veröffentlicht. Heute lebt sie in Niedersachsen und unterrichtet Kreatives Schreiben, wenn sie nicht gerade an einem neuen Werk arbeitet.

Die Website der Autorin: www.helga-glaesener.de

Die Autorin im Internet: http://www.facebook.com/helga.glaesener

Ebenfalls bei dotbooks erscheinen der Fantasy-Roman Der Schwarze Skarabäus sowie Der indische Baum und Der falsche Schwur, Band eins und drei der Fantasy-Trilogie Thannhäuser.

***

Neuausgabe März 2015

Copyright © der Originalausgabe 2003 by Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Carlos Caetano

ISBN 978-3-95824-115-2

***

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Helga Glaesener

Der Stein des Luzifer

Die Thannhäuser-Trilogie: Band 2

dotbooks.

Für Johanna,

mit Dank für all das Schöne,

Ein boum stet in Indian, groz, den will si von mir han. Minen willen tuot si gar, seht, ob ich irz alles her gewinne. Ich muoz bringen ihr den gral, des da pflac her Parzival, und den apfel, den Paris

1. Kapitel

Der Tod tanzte durch den Saal.

Sein bleicher Finger winkte ein Mädchen mit honigfarbenen Flechten heran. Er verbeugte sich, die Zähne berührten die makellose Hand, als sie sich ihm lachend zuwandte – und Augenblicke später sank das Kind auf die Fliesen. Der Tod sprang weiter. Ihm wuchs eine Fiedel aus der Hand, so elfenbeinfarben wie seine Knochen, und ein Mönch, der eben noch schläfrig in einer Ecke an einer Honigwabe gesogen hatte, erhob sich und begann sich im Kreis zu drehen. Voll Übelmut stupste der Tod ihn mit dem Fiedelbogen an. Er suchte … und fand …

Ich brauche nicht mehr zu saufen, dachte Mack. Mich suchen die Gespenster nüchtern heim. Er wandte das Gesicht von der Festhalle fort, in die er hinabgeschaut hatte, und drückte die Stirn gegen die Knie, um die Bilder zu verscheuchen.

Das Lied des Todes verstummte augenblicklich. Es war niemals erklungen. In dem muffigen Saal unterhalb des Balkons, auf dem er sich ein Plätzchen gesucht hatte, trugen Knechte Schragengestelle für das Festmahl herein. Sie brüllten einander Anweisungen zu und beschwerten sich lauthals über das Holz, das voller Späne war, die sie sich in die Haut rissen. Eine Frau mit einem scharfen Kleibergesicht nuschelte vor sich hin, während sie einen Riss im Wappentuch des Hausherrn ausbesserte. Jemand rief um Hilfe, weil er es nicht schaffte, das Feuer unterm Schlot in Gang zu bringen. Der Einzige, der sang, war Marcabrus, der wie ein Gockel durch die Halle spazierte und mit seiner brüchig gewordenen Stimme den Platz suchte, an dem das Spiel seiner Musikanten am besten zur Geltung kommen würde.

Mack rutschte ein Stück zurück, als der alte Mann sich dem Balkon näherte. Die Töne, die Marcabrus aus der Kehle presste, machten ihn nervös, so wie ihn alles in dieser verdreckten, rattenverseuchten Burg nervös machte. Der Tod! Wär’s nicht so traurig, er hätte gegrinst. Der Tod brauchte nicht in einer Zollburg am Ende der Welt mit den Knochen zu klappern. Er spielte zu des Kaisers Strafgerichten in Sizilien auf, wo ihm das Volk in Hundertschaften folgte. Hier wurde man vom Mief des Winters erstickt.

»Mack!«, wisperte ein Stimmchen. Er seufzte und schlug die Stirn erneut gegen die Knie.

Das Mädchen, das durch einen Vorhang zu ihm hinter die Balustrade geschlüpft war, kicherte, als es sich zwischen ihn und die Wand quetschte. »Ich habe dich gefunden«, gab sie überflüssigerweise zu verstehen. Ihre Hand rutschte in die Beuge zwischen seinem Bauch und seinen Oberschenkeln und einen Moment fragte er sich, ob sie lüsterne …

Aber nicht Lisette. Sie war zwar fast erwachsen – zwölf oder dreizehn Jahre alt –, aber ihr Körper und vor allem ihr Geist waren die eines sehr viel jüngeren Kindes: Er fand das bestätigt, als sie ihn ungeschickt in die Bauchfalte kniff.

»Du versteckst dich immer.«

»Vor den kleinen Quälgeistern, die mich verfolgen, ja.«

»Du versteckst dich, weil du Angst vor dem Wettsingen hast«, widersprach Lisette und kniff ihn erneut. Sie lachte, als er ihre Hand beiseite schob. »Giraut sagt das. Du hast Angst, weil du dich diesmal mit richtig berühmten Sängern messen sollst. Wusstest du, dass einer von ihnen Spielmannsgraf in Arras war? Giraut sagt, du hast allen Grund zu zittern, weil deine Musik neben seiner wie Katzenjammer klingt. Liebst du mich, Mack?«

»Ich finde dich grässlich.«

»Weil ich so klein bin?«

»Weil …« Er musste lachen und fuhr ihr durch das ungekämmte Haar, das sich in Locken um ihr pausbäckiges Gesicht kringelte. »Es schadet nichts, klein zu sein.«

»Giraut sagt, ich krieg nie einen Mann.«

»Brüder sagen solche Sachen zu ihren Schwestern. Das macht ihnen Spaß. Aber sie meinen es nicht so.«

»Heiratest du mich?«

»Damit ich ständig blaue Flecken habe?«

»Ich muss dich ja nicht kneifen.« Sie schmiegte sich an ihn. Wenn er sie in die Arme genommen hätte, hätte sie sich in seinem Schoß zusammengerollt wie ein Kätzchen, davon war er überzeugt. »Du singst schöner als alle, Mack. Giraut ist nur neidisch. Bevor du zu uns gekommen bist, war er Marcabrus’ Liebling.« Sie überlegte. »Mama sagt, Marcabrus sollte sich besinnen, wer seine Familie ist. Aber ich mag dich auch lieber. Du bist so lustig.«

»Du bist auch lustig. Die Leute lachen sich krumm, wenn du dein Schweinchen springen lässt.«

»Dann heirate mich. Ich kann mit den Hüften wackeln, wusstest du das?« Sie plapperte weiter, während Mack wieder durch die Geländerstreben lugte.

Marcabrus hatte die Stelle gefunden, die ihm am besten behagte. Er begann eines der Lieder zu singen, mit denen er früher die Zuhörer hingerissen hatte – und musste schon nach wenigen Tönen wegen eines Hustenanfalls abbrechen. Es klang wie Schläge mit einem verrosteten Schwert. Der Glanz ist dahin, er sollte das lassen, dachte Mack.

In seinem Kopf echote dieser Gedanke wie ein Wort, das in einen Talkessel gerufen wird. Wie Schläge mit einem Schwert. Schläge mit … Schläge mit …. Mack krümmte sich plötzlich nach vorn und Lisette blickte ihn erstaunt an.

»Was ist? Kannst du nicht mehr sitzen?«

Der Tod kehrte in den Raum zurück. Es war, als zöge eine Windbö durch die staubige Luft, die Frost und eisiges Wetter hereintrug. Mack blinzelte.

»Sieh mal!« Lisette bohrte ihr Knie in seine Leiste, als sie über ihn hinwegkroch und ihr Gesicht gegen die Holzsäulen drückte. »Die anderen Spielmänner sind gekommen.« Sie kicherte. »Er hat einen richtigen, lebendigen Vogel, sagt Giraut. Der mit der gelben Mütze. So einen wie Lasterbalg. Kannst du dich an ihn erinnern? Er hat Mama gehört.« Sie wartete nicht auf eine Antwort. »Ich musste die ganze Nacht weinen, als sie ihn an die Scheune genagelt … Was ist, Mack?«

Er hatte sie von seinem Schoß geschoben und kniete nun selbst hinter den Säulen. Der Mann mit dem Vogel interessierte ihn nicht. Nervös spähte er durch den Raum. Die Frau, die das Wappentuch geflickt hatte, gab einem Halbwüchsigen Anweisungen, wie er es an der Fahnenstange befestigen sollte. Der Mann, der für das Feuer zuständig war, mühte sich noch immer vergeblich, indem er Feuersteine gegeneinander schlug.

»… bringen vielleicht einen Bären mit. Bären mag ich, aber nur wenn sie nicht zu dicht …«

Mack legte dem Mädchen die Hand auf den Mund.

Zwei Spielmänner standen vor Marcabrus und schienen mit ihm in ein Gespräch vertieft zu sein. Sie trugen die bunten, mit Glöckchen versehenen Zipfelröcke, die beim Publikum am sichersten Aufmerksamkeit weckten. Einer war zusätzlich in einen Pelzumhang gewickelt. Er zog ihn vor der Brust zusammen, als verspüre er ebenfalls den eisigen Luftzug. Von ihren Schultern hingen Felltaschen, in denen sie ihre Instrumente verstaut hatten. Gewöhnliche Musikanten, wahrscheinlich ebenfalls auf dem Weg nach Cividale, wo der Patriarch von Aquileja den berühmten Musikantenwettstreit ausrichtete. Vom Tod war kein Knöchelchen zu sehen.

Alles Dreck, fluchte Mack still und lehnte sich gegen die Wand zurück.

Lisette kletterte wieder auf seinen Schoß. Sie nahm seinen Kopf zwischen die beiden pummligen Hände. »Ich kann, was Männer glücklich macht.«

»Du kannst eins auf den Hintern …«

»In der Stadt mit der großen Brücke hat ein Trommler mich in seinen Wagen gezogen. Ich weiß, wie’s geht.«

Er war einen Moment sprachlos. »Du … du verschwindest jetzt und hilfst deiner Mutter.«

Lisette zog einen Schmollmund. »Du verschwindest jetzt …«, äffte sie ihn nach. »Pah! Ich will gar nicht heiraten. Ich werde einmal die Begleiterin von einer Prinzessin, wie Alheit, die Fiedlerin. Dann esse ich den ganzen Tag Honigkü… Autsch! Du tust mir weh.«

Mack hatte sie wieder von seinen Beinen gestoßen. Er starrte in den Saal, in dem es langsam dunkel zu werden begann. Das Feuer war endlich in Gang gekommen. Flammen züngelten aus dem feuchten Holz und fauchten in den Schlot hinauf. Angespannt blickte er sich um. Der Herr der Burg Mels, ein zartgliedriges, schnakenhaftes Männlein, das durch ein Zollprivileg reich – und stolz – geworden war, rief jemanden mit einem Kopfnicken zu sich, der sich außerhalb von Macks Gesichtskreis befand. Der Heranbefohlene trat zu ihm. Ein weiterer Spielmann, dieser aber ganz in Rot gekleidet. Sein Rock leuchtete, als hätte man ihn ins Feuer getaucht und der Glanz der Flammen wäre daran haften geblieben.

»Der Spielgraf aus Arras«, wisperte Lisette. Marcabrus hatte sich zu der Gruppe gesellt. Er sagte etwas, eine kurze Bemerkung, die Mack nicht verstand. Von der Antwort des roten Mannes drang nur ein daunenweiches Lachen zu ihnen hinauf.

Der Burgherr lachte ebenfalls. »Wir werden sehen, wie viel davon Anmaßung ist, Alter!« Er wedelte mit der Hand, als verscheuche er Ungeziefer, und die Spielleute traten hastig – wie gescheuchtes Ungeziefer eben – beiseite.

»Er singt sicher nicht so schön wie du«, tröstete Lisette und schmiegte ihre Wange an Macks Gesicht. Ihre Augen waren auf den Roten gerichtet. Als hätte er ihr Wispern vernommen, drehte der Mann sich plötzlich um. Sein Blick wanderte zur Galerie und Mack zog das kleine Mädchen vorsichtig in den Schatten.

»Ich mag ihn nicht.«

Mack nickte und starrte auf die geraden, buschigen Brauen des roten Sängers, die wie ein schwarzer Kohlestrich über den tief liegenden Augen hingen. Der Mann schien immer noch die Galerie abzusuchen.

»Mir ist kalt. Ich will zu Mama. Kommst du mit, Mack?«

»Nicht jetzt.« Geistesabwesend schob er Lisette hinter den Vorhang mit den Samttroddeln. Er wusste plötzlich, wer der Fremde war. Er erinnerte sich.

Der Mond schien auf den Fluss und dort, wo sein Licht über die Mühlenmauer fiel, streute er lustig tanzende Sprenkel auf die Wellen. Das Wasser aus den Bergen schoss reißend zwischen zwei Bergrücken ins Tal – ein Auftritt, grandios wie der eines Gladiators in einer Arena. Doch Mack hatte weder für den Fluss noch für etwas anderes in seiner Umgebung Augen. Er lehnte an einem geborstenen Mühlstein, den man neben einem Speicher abgestellt hatte, und starrte auf die andere Seite des Flusses, wo am Berghang die Zinsburg des Herrn von Mels klebte.

Im Festsaal des Palas hatten sie die Bretter von den Fenstern entfernt. Dünnes, weißes Licht drang ins Freie, und da Mack ein ausgezeichnetes Gehör hatte, konnte er Fetzen der Musik auffangen. Sie spielten im Alta-Ensemble: Posaunen, Trompeten, Pommern, alles, was laut war und als edel galt. Giraut hatte seinen Auftritt mit der Posaune, wobei er nicht eben einfallsreich die Melodie in Bordunspielweise abwechselnd mit dem Grund- und dem Quintton unterlegte. Ungeduldig wartete Mack auf den Tusch, der das Spiel beendete.

Die anschließende Pause war lang: Vermutlich wurde das Essen aufgetragen. Zeit verrann. Mack, der die Hände unter die Achseln geklemmt hatte, merkte plötzlich, wie kalt ihm geworden war. Staubfeiner, eisiger Nebel lag in der Luft. Die Hose klebte ihm an den Beinen, der Stoff schien daran festzufrieren. Er stampfte ein paarmal mit den Füßen auf, um das Blut wieder in Schwung zu bringen, und lief zitternd an der Speichermauer entlang.

Da – er hielt inne. Der leicht zitternde Klang einer einzelnen Laute ertönte. Das Wettmusizieren schien zu beginnen. Mack hauchte in die Fäuste und spitzte die Ohren, um keinen der spinnwebenfeinen Töne zu verpassen. Das Murmeln des Wassers, das ihn bis jetzt eher beruhigt hatte, ärgerte ihn nun. Der Mann sang passabel, nein, er sang gut. Die Leute lachten und klatschten zwischendurch, aber wohl nicht, weil sie seine musikalischen Fähigkeiten zu würdigen wussten, sondern weil er sich über die Feinde des Burgheim lustig machte. Ein billiges Kunststückchen, das stets Beifall garantierte.

Wieder trat eine Pause ein. Mack lief im Kreis und stampfte im gefrorenen Schnee. Erneut die Laute. Dann Giraut, der diesmal auf der Sackpfeife, seinem Lieblingsinstrument, etwas vortrug. Er bekam wenig Applaus, sicher würde er sich darüber beklagen.

Als die Fiedel ansetzte, hob Mack den Kopf. Widerwillig blieb er stehen. Die Töne, die jetzt aus den Fenstern perlten, zeugten von keinerlei Anstrengung mehr. Kein Eifer, kein verängstigtes Bemühen, kein Buhlen um Zustimmung. Wie Flaumfedern schwebten sie den Hang hinab, rein, makellos, fast durchsichtig. Der Meister spielte und sandte tiefe, schmerzliche Gefühle in die Nacht. Ohne dass ein einziges Wort gesungen wurde, war klar, dass er die Liebe beschwor. Mack wehrte sich dagegen, aber er konnte nicht verhindern, dass ihm Tränen in die Augen schossen.

Nell.

Als wehte mit der Melodie des roten Fiedlers ein Zauberspruch über das Tal, stand das Mädchen, das ihm alles bedeutete, plötzlich vor seinen Augen. Sein fester Vorsatz, nicht mehr an sie zu denken, sie aus seinem Gedächtnis zu verbannen, schmolz dahin wie ein Einzapfen, den eine Flamme berührt. Nells großer, skeptischer Mund, den er über alles liebte, ihre dunkle, kehlige Stimme, die schwarzbraunen Augen, in denen Sprenkel aufglitzerten, wenn sie sich freute oder sich über etwas aufregte, die Art, wie sie ihr Kinn hochriss … Alles wurde greifbar.

Er vergaß die Kälte. Traumwandlerisch begann er sich zu der verhexten Musik zu bewegen. Nell lag in seinen Armen und wärmte ihn. Er roch den Duft ihrer Haut und weinte, ohne es zu merken. Die eine Melodie endete und eine zweite fügte sich ohne Pause an. Nell, die ihn anlächelte … Nell, die ihm vertraute und sich an ihn schmiegte … Nellienell …

Ein vereister Stein, über den er stolperte, ließ den Zauber erlöschen. Mack landete mit den Knien im angefrorenen Matsch und blickte zu den Sternen auf. Nell entglitt ihm. Die Melodie des Fiedlers schmiegte sich immer noch den Winden an, aber sie schien plötzlich eine hässliche Gegenstimme bekommen zu haben.

Wechselbalg.

Benommen stand Mack auf und berührte mit der Fußspitze einen seiner Abdrücke im Matsch. Er musste wie ein von Feen Verzauberter herumgehüpft sein. Angewidert stopfte er die Finger in die Ohren. Konrad Dors, der Inquisitor, der ihn so gern als Wechselbalg auf den Scheiterhaufen gebracht hätte, war tot. Doch die Anklage, die er vorgebracht hatte, blieb wie ein Schmutzfleck an ihm kleben. Der König hatte Mack deswegen von seinem Hof verjagt. Und Nell …

Nun, zumindest war Mack anständig genug gewesen, sie nicht mit seiner Liebe zu behelligen. Kein Schatten sollte auf Nells Leben fallen.

»Hör auf!«, brüllte er plötzlich in die Nacht.

Es war, als hätte der rote Sänger seinen Befehl gehört. Die Musik verstummte und die Stille eroberte die Nacht zurück. Gut. Gut so. Es war jämmerlich, sich Nell wie ein warmes Kissen an die Wange zu drücken. Jetzt galt es, sich um das Nächstliegende zu kümmern. Darum nämlich, wo er die Nacht verbringen würde. Er hatte keine Ahnung, wie Marcabrus reagiert hatte, als sein bester Musikant sich ohne Entschuldigung davonmachte. Mack siegte bei jedem Wettsingen. Zweifellos war der Preis, den der Burgherr für den Sieger des Abends ausgesetzt hatte, fest im Budget eingeplant.

Hühnerkacke.

Der Himmel war so klar, als hätten ihn die himmlischen Heerscharen blank geschrubbt. Eine bitterkalte Nacht stand bevor. Lieber ein paar Vorwürfe als erfrieren. Mack wischte sich über die Nase und stapfte los. Und hätte fast einen Satz gemacht, als sich plötzlich ein Schatten aus der Dunkelheit löste.

»Hier also?«

»Hier also was?« Er widerstand dem Verlangen loszubrüllen und grinste stattdessen.

»Hier also lungerst du rum. Schöne Kameradschaft! Marcabrus hat gedroht, dass wir bis Udine nichts zu fressen kriegen, wenn der Graf heute Abend seinen Beutel zuschnürt. Warum bist du nicht oben und singst?«

Bœuf, der französische Schaukämpfer, der sich ihnen in Lyon angeschlossen hatte und seitdem einen bedeutenden Teil ihres Unterhalts bestritt, spuckte griesgrämig aus. Er wirkte im spärlichen Mondlicht wie eine nachlässig geknetete Lehmfigur. Mack konnte sein Auge, das eine, das ihm nach den zahllosen Kämpfen geblieben war, glitzern sehen.

»Warum singst du nicht, Junge?«, wiederholte er mürrisch.

»Weil ich die Gesellschaft oben nicht mag.«

»Dafür kriegst du eins in die Fresse. Nicht von mir, von Marcabrus.« Bœufs schlechte Laune hielt nie lange an. Er lachte und hieb Mack die Pranke auf die Schulter. »Was gefällt dir nicht? Dass dich da oben einer überflügeln könnte? Der Kerl, der die Fiedel streicht? Aber du solltest dich nicht drum kümmern. Ich kämpfe auch, obwohl ich jedes Mal im Dreck lande.«

Das mit dem Dreck stimmte. Bœuf besaß zwar Riesenkräfte, aber er reagierte, seinem Namen entsprechend, so langsam wie ein Ochse, vielleicht weil sein Sehvermögen eingeschränkt war. Der tüchtige Marcabrus hatte auch das zu einem Vorteil ummünzen können, indem er sich mit Bœufs Gegnern absprach und ihnen für den leichten Sieg über den Koloss die Hälfte ihres Siegerlohns abknöpfte.

»Kennst du den roten Spielmann?«

Bœuf hob die Schultern. »Kennen, kennen … Hast du was zu essen?«

»Lisette sagt, er ist einmal in Arras zum Spielmannsgraf gewählt worden.«

»Ein Stück Brot? Mein Magen ist doppelt so groß wie deiner. Sie haben mich aus der Küche geworfen. Keiner hat Respekt.«

»Wenn er Spielmannsgraf war …«

»Dann muss er ein Meister sein. Ist er doch auch. Sperr die Ohren auf. Mack, ich weiß, dass du Brot hast, ich riech’s.«

»Du riechst deine eigenen Träume. Wenn er so erfolgreich ist, warum war er dann im letzten Frühling nicht in Arras?«

Das Treffen der europäischen Spielleute fand regelmäßig zur Fastenzeit in der Stadt im Norden Frankreichs statt, und im vergangenen Jahr, dem Jahr, in dem der deutsche König ihn seines Hofes verwiesen hatte, war Mack ebenfalls dorthin gereist. Marcabrus hatte ihn in einer Schenke aufgelesen und mitgenommen. Du hast eine schöne Stimme, hatte der alte Vagant ihm ins Ohr geflüstert, aber der vollkommene Klang entsteht durch Disziplin. Und Mack war ihm, fasziniert von dem Wort Disziplin, gefolgt. Er hatte den Umweg nicht bereut, denn die besten Musikanten Europas spielten und sangen in Arras und unterwiesen jeden, der bereit war zu lernen. Aber den roten Spielmann hatte er dort nicht getroffen, daran hätte er sich erinnert wie an einen Schnitt ins Fleisch.

»Erst fragst du, dann hörst du nicht zu«, beschwerte sich Bœuf. »Ich sag: Was hast du mit dem Kerl?«

»Nichts.«

»Es ist kalt«, murrte der Kämpfer.

»Es ist Winter«, gab Mack zurück. »Der Rote hätte Spielmannskönig werden können. Ich verstehe nicht …«

»In Arras war trotzdem keiner traurig, als er fern blieb.«

»Warum?«

Bœuf blies in die riesigen Hände. Er genoss es zu erzählen und legte Mack den bulligen Arm auf die Schulter, als sie sich auf den Weg zu Marcabrus’ Wagen machten. »Der Alte hat mir eine seltsame Geschichte erzählt. Um ein Haar hätte es nämlich einen gewaltigen Ärger mit der Stadt gegeben. Ein Schwarzrock – Magister, Wanderprediger, was weiß ich – hatte den Roten fiedeln hören und herausposaunt, ein Mann, der musiziert, ohne die Theorie der Musicae zu beherrschen … na, du kennst den ganzen hochnäsigen Dreck. Jedenfalls hat sich der Rote geärgert, dass er nicht besser sein soll als eine Sau. Eine Sau, hat der Schwarzrock gesagt. Nur leider nicht auf Latein, dazu war er zu besoffen. So hat ihn jeder verstanden.«

»Und?«

»Am nächsten Morgen sprang der Herr Magister mit nacktem Hintern durch die Gassen, grunzend wie ein Ferkelchen, und im Schlot des Hinterns steckte ein geringelter Haselzweig.«

Mack war nicht zum Lachen zumute. »Was geschah dann?«

»Die Stadt hat ihr Narrentürmchen.«

»Hat der Mann seinen Verstand wiederbekommen?«

»Genug davon, um sich aus dem Fenster des Turms zu zwängen, so dass er seinem eigenen tollwütigen Treiben ein Ende setzen konnte. Das geschah im süßen Licht des Mondes und der Spielmann fiedelte dazu.« Bœuf grinste. »So sagen sie jedenfalls.«

»Ich glaub’s. Er hätte auch gern zu meinem Tod aufgespielt.«

Bœuf kratzte eines seiner abstehenden Ohren. »Mein Kopf ist zu klein für die Sprünge, die deine Gedanken machen. Was hätte er gern?«

»Weißt du, ob er nach Cividale will?«

»Der Rote?«

»Der heilige Georg.«

»Wie soll ich wissen, was er vorhat? Wahrscheinlich. Dort ist schließlich das Musikantenfest. Mit seiner Stimme kann er ein Vermögen …«

»Ja.«

»Oder wenigstens ein Pferd oder einen neuen Rock …«

»Ja, schon gut.«

Als Mack später in seiner Ecke in dem von der Kälte knarrenden Ochsenwagen lag, dachte er über Bœufs Worte nach. Der Kämpfer hatte Recht. Cividale war kaum zwanzig Meilen entfernt. Jeder Musikant in Norditalien hatte die Stadt des musikfreundlichen Patriarchen zum Ziel.

Aber war der Rote wirklich nur wegen des Wettstreits unterwegs?

Mack verschränkte die Hände unter dem Kopf und dachte an die Fiedelei des Spielmanns. Er hätte die Musik nicht überbieten können. War das vielleicht der Grund, warum er den Mann nicht leiden konnte? Neid?

Und doch blieb eine Tatsache bestehen. An jenem schrecklichen Tag, als Konrad Dors ihn vor König Heinrich als Wechselbalg verunglimpft hatte, als Nells Aussage ihn gerettet und der König ihn begnadigt hatte … An jenem Tag hatte der Rote im Gerichtssaal gestanden, bereit, mit der Trompete zu seiner Hinrichtung aufzuspielen. Das Gesicht mit den regen Zügen und den seltsam starren Brauen war unverwechselbar.

Wenn schon, dachte Mack, während er auf die schwarze Plane des Wagens starrte und seinem eigenen Magenknurren lauschte. Herausragende Musikanten suchten die Nähe der Reichen. Der Rote mochte dem König aufgespielt haben, und da er gerade zur Hand gewesen war, hatten sie ihn zum Gericht und für die bevorstehende Hinrichtung abgestellt.

Und jetzt wollte er sein Brot in Cividale verdienen.

Mack hätte sich kaum darüber gewundert, wenn er nicht … ja, wenn er nicht seinen eigenen, geheimen Grund gehabt hätte, in die Stadt des Patriarchen von Aquileja zu reisen, einen Grund, der ihn mit Furcht erfüllte, je näher er seinem Ziel kam.

Konnte es sein, dass der unheimliche Sänger von dem Stein erfahren hatte?

2. Kapitel

Es war ein Gedränge wie in einer Schlacht, nur dass scheinbar alle es für ein Gaudium hielten. Allein dafür hasste er die Stadt.

Gunther zwängte sich durch die Menschenmenge, jeden Augenblick einen anderen Ellbogen in den Rippen. Er hatte sich einiges ausgedacht, um nicht aufzufallen. Schlichte Kleidung, ausnahmsweise nicht in den Farben des Königs. Kaum Waffen. Kein Pferd. Aber die Vorsichtsmaßnahmen hatten sich als unnötig erwiesen. Selbst wenn er mit Flügeln und Heiligenschein umhergeflattert wäre, hätte kein Mensch von ihm Notiz genommen.

Die Gassen von Frankfurt platzten aus allen Nähten. Die Sorge, kein Stück Fleisch mehr für den Topf zu ergattern, Hoffnungen auf ein gutes Geschäft oder vielleicht auch nur Neugierde trieben die Menschen an. Da die Preise durch den immensen Bedarf des königlichen Hofes in die Höhe geschossen waren, wurde an den Marktständen erbittert gefeilscht. So wie in jeder Stadt, in der der deutsche König residierte. Hunderte von zusätzlichen verwöhnten Mäulern mussten gestopft werden, und die meisten Leute wünschten ihren Herrscher schon nach wenigen Tagen … nun, vielleicht nicht zum Teufel, aber wenigstens ein paar Tagesmärsche weiter.

Ein Fleischergeselle, der ein blutverschmiertes Schwein geschultert hatte, stürmte aus einem Haus und löste damit eine Welle aus. Gunther musste Acht geben, nicht in eines der Seitengässchen abgedrängt zu werden. Er zwängte sich durch ein Grüppchen Mönche, die an einem Honigstand einen Zwist diskutierten wenigstens sie unbeeindruckt von der allgemeinen Hetze , und musste im selben Moment dem Pferd eines Ritters in einer angerosteten Rüstung ausweichen.

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