Die Thannhäuser-Trilogie - Band 3: Der falsche Schwur - Helga Glaesener - E-Book
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Die Thannhäuser-Trilogie - Band 3: Der falsche Schwur E-Book

Helga Glaesener

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Beschreibung

Eine gefährliche Flucht: „Der falsche Schwur“ – Band 3 der Thannhäuser-Trilogie von Helga Glaesener jetzt als eBook bei dotbooks. Der Minnesänger Mack hütet einen magischen Stein. Die Häscher der Inquisition würden alles dafür geben, dieses mächtige Artefakt in ihre Hände zu bekommen. Sie spüren Mack auf – und als dieser im letzten Moment entkommen kann, nehmen sie seine geliebte Nell gefangen und drohen mit ihrer Hinrichtung. Mack ist verzweifelt: Wie kann er sie bei dieser Übermacht retten und gleichzeitig verhindern, dass die Magie des Steins zur tödlichen Bedrohung wird? Es gibt nur einen Ausweg: Mack muss um Hilfe von höchster Stelle erbitten: dem Papst. Doch die Reise nach Rom birgt zahlreiche Gefahren … „Der falsche Schwur“ ist der dritte Teil einer Fantasyserie voller Abenteuer und Intrigen um den Minnesänger Mack Thannhäuser. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Der falsche Schwur“ von Helga Glaesener. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Der Minnesänger Mack hütet einen magischen Stein. Die Häscher der Inquisition würden alles dafür geben, dieses mächtige Artefakt in ihre Hände zu bekommen. Sie spüren Mack auf – und als dieser im letzten Moment entkommen kann, nehmen sie seine geliebte Nell gefangen und drohen mit ihrer Hinrichtung. Mack ist verzweifelt: Wie kann er sie bei dieser Übermacht retten und gleichzeitig verhindern, dass die Magie des Steins zur tödlichen Bedrohung wird? Es gibt nur einen Ausweg: Mack muss um Hilfe von höchster Stelle erbitten: dem Papst. Doch die Reise nach Rom birgt zahlreiche Gefahren …

„Der falsche Schwur“ ist der dritte Teil einer Fantasyserie voller Abenteuer und Intrigen um den Minnesänger Mack Thannhäuser.

Über die Autorin:

Helga Glaesener, 1955 in eine Großfamilie hineingeboren, studierte Mathematik in Hannover. Mit ihrem Roman Die Safranhändlerin landete sie 1996 einen Bestsellererfolg. Seitdem hat sie zahlreiche historische Romane sowie mehrere Fantasy- und Kriminalromane veröffentlicht. Heute lebt sie in Niedersachsen und unterrichtet Kreatives Schreiben, wenn sie nicht gerade an einem neuen Werk arbeitet.

Die Website der Autorin: www.helga-glaesener.de

Die Autorin im Internet: http://www.facebook.com/helga.glaesener

Ebenfalls bei dotbooks erscheinen der Fantasy-Roman Der Schwarze Skarabäus sowie Der indische Baum und Der Stein des Luzifer, die ersten zwei Bände der Fantasy-Trilogie Thannhäuser.

***

Neuausgabe März 2015

Copyright © der Originalausgabe 2005 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Carlos Caetano

ISBN 978-3-95824-116-9

***

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Helga Glaesener

Der falsche Schwur

Die Thannhäuser-Trilogie: Band 3

dotbooks.

Für Anne und Martin, für Maren und Kristin,

1. Kapitel

Nell saß im Gras. Die Sonne brannte, ihr braunes, langes Haar glänzte wie ein Rehfell. Sie hatte den Rock bis zu den weißen Oberschenkeln hochgezogen – was völlig in Ordnung war. Nichts an ihrer Pose wirkte aufreizend oder gar vulgär. Nell war Nell. Sie hatte keine Ahnung, wie man sich verstellte. Eher hätte sich die Sonne in eine Steckrübe verwandelt, als dass Nell Verführungsmethoden ersonnen hätte. Allmächtiger, wie ich sie liebe, dachte Mack mit Inbrunst und bedauerte, dass es ihm – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich war, zu ihr zu gelangen.

Er mochte es, wie Nell lachte, mit diesem dunklen Ton in der Stimme, diesem Kollern. Er mochte auch, wie sie den Mund dabei verzog, obwohl sie ihm einen Knuff versetzt hätte, wenn er es erwähnt hätte. Mein Mund ist wie ein Scheunentor, hatte sie einmal gesagt, in diesem Tonfall, in dem man eine ewige Wahrheit verkündet. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn er etwas an ihr lobte, was ihr selbst nicht gefiel.

Bunte Punkte erschienen am Waldrand und kamen rasch näher. Sie begannen Nell zu umflattern. Nell fuchtelte mit den Händen, aber dann merkte sie, dass sie von Schmetterlingen umschwärmt wurde, und wieder ertönte ihr hinreißendes Lachen. Einer der Schmetterlinge flog auf ihre ausgestreckte Hand, ein anderer setzte sich auf ihr weißes Häubchen. Eigentlich hübsch, die bunten Tupfen, dachte Mack.

Er wollte aufstehen und plötzlich störte es ihn, dass er sich nicht rühren konnte. Was zum Teufel war mit ihm los? Als hätte man ihm Blei in die Glieder gegossen. Als hätte …

Er blickte zu Nell. Immer mehr Falter sammelten sich und ließen sich auf ihr nieder. Inzwischen war ihr ganzer Körper von ihnen bedeckt. Rote, bläuliche, grüne Schmetterlinge – sie sah aus wie eine fremdartige Blume. Nell, zur Hölle, warum lässt du zu, dass sie auf deinen Lippen sitzen?

Man muss sie warnen!

Einige Falter, die keinen Platz mehr bei ihr fanden, lösten sich aus dem Schwarm – wer hätte je von einem Schmetterlingsschwarm gehört? – und schaukelten zu dem Platz, an dem Mack kauerte. Sie hatten brandrote Flügel, und als sie sich näherten, merkte er, dass sie Hitze ausströmten wie kleine glühende Hufeisen. Erschrocken riss er den Kopf hoch. Dass Nell nichts merkte! Dass sie immer noch lachte und ihren verletzlichen Körper den Faltern darbot!

Die Schmetterlinge berührten Mack nicht. Sie umkreisten ihn und schienen auf etwas zu lauern. Funken sprangen von ihren Flügeln. Sie stierten ihn an und alles Leichtflüglige fiel von ihnen ab.

Mack begann zu schreien.

Nell brannte. Nell … Nell …

Es war dunkel. Er lag auf dem Rücken und starrte benommen an die … genau, an die Decke der kleinen Fischerhütte, die er und Nell in Besitz genommen hatten. Die Sterne, die ihm vor den Augen tanzten, konnten durchaus ebenfalls als Schmetterlinge durchgehen. Er schüttelte sich, ohne das Bild wirklich loszuwerden. In seinem Mund haftete ein ekliger Geschmack. Ungelenk erhob er sich und blinzelte in den Raum, bis seine Augen sich an das düstere Licht gewöhnt hatten.

Die Hütte bestand nur aus einem einzigen Zimmerchen. Ihr Erbauer hatte keinen Wert auf sorgfältige Arbeit gelegt, wahrscheinlich hatte der Unterstand nur einen Sommer halten sollen und so drang durch etliche Ritzen Sonnenschein. Mack konnte den Tisch erkennen, an dem Nell ihre Mahlzeiten vorbereitete, und die provisorische Feuerstelle in der Mitte des Raums, die er ihr aus Steinen zusammengebaut hatte. Die Scheite vom vergangenen Abend waren ausgeglüht, trotzdem machte er einen misstrauischen Bogen um sie, als er zur Tür ging.

Sie hatten sich einen hübschen Ort ausgesucht als Zuflucht für die Zeit, bis Nell wieder reisen konnte. Eine Lichtung in einem Waldstück. Sie lag so weit von der nächsten Straße entfernt, dass bisher noch niemand ihre Ruhe gestört hatte. Einen Steinwurf entfernt glitzerte ein kleiner See, in dem Mack fischte, wenn die nächste Mahlzeit anstand. Es ist vollkommen, dachte er, auch wenn er selbst lieber im Freien geschlafen hätte. Eine Hütte zog die Blicke auf sich. Wer im Unterholz schlief, war nahezu unsichtbar. Aber nun lebte er mit einer Frau und einem Säugling zusammen und da musste man sich umgewöhnen.

Er versuchte, nach dem Stand der Sonne die Zeit zu schätzen. Es musste später Nachmittag sein. Der Weg zum Dorf und zurück dauerte seine Zeit, aber trotzdem wurde er unruhig. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Nell sich aus dem Wald nicht fortgerührt. Doch Nell etwas vorzuschreiben war fast unmöglich, das hatte er rasch gelernt. Sie brauchte Windeln für das Kind und sehnte sich vielleicht auch nach menschlicher Gesellschaft. Da war sie eben gegangen.

Mack kehrte in die Hütte zurück und blieb unschlüssig stehen. Sein Blick fiel auf die Feuerstelle. Er kniete davor nieder, schob die Scheite beiseite und begann ein Loch zu graben. Die Erde war festgetrampelt und Schmutz setzte sich unter seine Fingernägel. Zum Glück musste er nicht lange wühlen. Nach kurzer Zeit fühlte er den Stoff und zog das provisorische Säckchen mitsamt Inhalt ans Licht.

Der Stoff war von der Erde schwarz geworden. Mack betrachtete ihn unschlüssig, dann schlug er ihn auseinander. Er hielt den Atem an. Es war, als zöge der pflaumengroße, tropfenförmige Stein sämtliche Lichtstrahlen an, die durch die Ritzen, den Rauchabzug und die offene Tür fielen, als konzentrierte sich jeder Funken Helligkeit auf seinen gelben Kern.

Mack rührte sich nicht. Lange Zeit starrte er auf den Stein in seiner hohlen Hand. Er wartete darauf, dass er etwas fühlte, aber da war nichts. Nicht einmal Abneigung.

»Du liegst nicht gern so dicht am Feuer, stimmt’s?« Mit einer Art grimmiger Freude nahm er diesen Tatbestand wahr. Das Teufelsding hasste sein Versteck. Nur gut so.

Bœuf hatte den Stein Luzifers in der Pranke gehalten und vor Begehren gezittert. Er hätte jeden umgebracht, der versucht hätte, ihn ihm fortzunehmen. Und nun war Bœuf tot. Eule hatte sich nach dem Stein verzehrt und war gestorben. Der König hatte ihn gestohlen und sich deshalb mit seinem Vater überworfen.

Alles Narren!

Mack hatte genug. Er wickelte den Stein wieder in den Stoff, legte ihn in das Loch zurück, schaufelte die Erde darauf und verteilte sorgfältig die angekohlten Scheite auf dem Versteck.

Nell besaß unzählige Vorzüge. Die Fähigkeit, sich lautlos zu bewegen, war nicht darunter. Mack hörte die Zweige unter ihren Schritten knacken, lange bevor sie in Sicht kam. Ihre Haube saß schief auf ihrem Kopf und die braunen Flechten lugten hervor wie neugierige Kinder hinter der Schürze ihrer Mutter. Sie schien schlechter Laune zu sein, denn sie fegte ungestüm beiseite, was ihr in den Weg kam. Als sie ihn sah, lief sie schneller.

»Himmel, war das ein Weg! Nimm die Kleine.« Ungeduldig drückte sie ihm Felicita in den Arm. Sie zog eine Korbtasche über den Kopf, die sie wohl im Dorf erstanden hatte, und kramte einen kleinen Eisentopf und mehrere Tücher hervor, sicherlich die begehrten Ersatzwindeln für Felicita. »Endlich kochen wie ein Mensch. Es gibt die nächsten Tage Suppe, verlass dich drauf. Aber Leute, sag ich dir! Das reinste Babel. Wie ein Ameisenhaufen. Schlimmer! Hast du schon mal gesehen, dass eine Ameise eine andere Ameise anrempelt? Pack die Windeln …«

»Ein Ameisenhaufen?«

»Der Topf macht alles wett. Ich wusste nicht, dass man auf Stein gebackenen Fisch …«

»Du warst nicht im Dorf. Nell, du warst in Mailand!«

»Was blieb mir übrig? Die Bauern haben selbst nichts, und wenn sie etwas verkaufen, ist es Plunder. Du verstehst das nicht, Mack. Ich kann viel entbehren und es ist auch nicht so, dass ich … dass ich mich hier nicht wohl fühle, aber … manchmal hat man doch das Bedürfnis, richtig zu kochen und … und …«

»Nell.«

»Ich weiß. Es tut mir selbst schon Leid, dass ich dort war. Ich sag ja – ein Gewimmel wie ein Ameisen… Halte sie aufrecht. Sie mag nicht, wenn sie liegen soll.«

Gehorsam packte Mack den Säugling so, dass er über seine Schulter schauen konnte. »Du schätzt das nicht richtig ein. Was ist, wenn der Wirt Arnulfs Leiche gefunden hat? Dann werden sie in Mailand nach der Frau und dem Mann suchen, die das Zimmer bewohnt haben. Was, wenn du jemandem über den Weg läufst …«

»Ich weiß. Ich tu’s ja auch nicht wieder.« Nell gab ihm lächelnd einen Kuss. Sie huschte in die Hütte und er folgte ihr.

»In den Städten fackeln sie nicht lange. Besonders mit Ausländern.« Er legte das Kind auf dem Heubett ab und sah zu, wie Nell mit einem Feuerstein hantierte und geschickt den Birkenzunder in Brand setzte. »Du bist leichtsinnig.«

»Hast du was gefangen? Komm, Mack! Mach nicht so ein Gesicht.« Sie lachte ihn an. »Einen Fisch. Nun lauf schon. Es soll Suppe geben. Mit Wiesenkümmel.« Als er nicht reagierte, richtete sie sich auf, trat zu ihm und legte beide Arme um seinen Hals. »Tut es dir Leid?«

»Was?«

»Dass du dich mit mir rumplagen musst?«

Sein Ärger verflog auf der Stelle. »Nell«, sagte er, »du bist das dümmste Wesen auf Gottes Erde.« Er zog sie an sich und erwiderte ihren Kuss erst zärtlich und dann mit steigender Leidenschaft, bis ihm das Feuer in die Lenden stieg.

Zu anderen Zeiten hätte der Kuss vielleicht auf dem Bett geendet, aber dort lag Felicita und starrte sie aus weit geöffneten Augen an. Atemlos machte Nell sich frei und deutete in Richtung See.

Mack spürte, dass Nell nicht schlief. Sie lag dicht neben ihm, den Kopf auf seinem Arm gebettet, und er fühlte ihren Atem in seiner Halsbeuge. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber er hatte geschlafen und fühlte sich ausgeruht, es musste also auf den Morgen zugehen.

Nell schmiegte sich dichter an ihn. Sie wärmte ihn mit ihrer weichen, nach Zärtlichkeit duftenden Haut und er hätte glücklich sein sollen. Er wäre es auch gewesen, wenn ihm nicht immer noch die Sorgen durch den Kopf geisterten, die mit Nells gestrigem Ausflug in sein Bewusstsein zurückgekehrt waren. Sie hätte nicht nach Mailand gehen dürfen. Er hatte angenommen, das wäre ihr so klar wie ihm selbst. Andererseits: Wie sollte er erwarten, dass Nell ebenso wie er bei jedem Schritt bewusst oder unbewusst sicherte und nach Feinden Ausschau hielt? Nicht Nell, er selbst war es, der sich absonderlich verhielt. Und wenn, es auch tausendmal angebracht schien …

»Was bist du unruhig«, murmelte Nell und schauderte leicht wie ein Mensch, der ungern seine Träume hinter sich lässt.

»Wir haben uns zu lange hier aufgehalten, Nellie. Wir wollten nur warten, bis du nach der Geburt wieder bei Kräften bist, und nun sind ein paar Monate daraus geworden. Wir müssen … woanders hin – wo auch immer wir in Zukunft zu Hause sein wollen.«

»Gunther hat gesagt, er will uns helfen, wenn wir nach Deutschland kommen«, erinnerte Nell ihn und ein Stich der Eifersucht durchzuckte Mack, wie immer, wenn er an seinen Freund dachte, der doch nicht mehr getan hatte, als Nell beizustehen, während sie ihn in Italien suchte. Er kam sich undankbar vor und versuchte das durch besonderen Nachdruck in seiner Antwort zu verschleiern.

»Dann auf nach Deutschland.«

»Gleich heute, ja?«

Mack musste lächeln. »Erst wolltest du gar nicht fort und jetzt kann es dir nicht schnell genug gehen.«

»So ist das eben bei mir. Ich schieb nichts auf.« Sie räkelte sich.

»Wir müssen noch zum Meer.«

»Warum?«

Er war sicher, dass sie es nicht vergessen hatte. Niemand vergaß den Stein Luzifers, wenn er einmal in sein Licht geschaut hatte. Sie begehrten ihn beide nicht, was ein seltsamer Zufall und ein großes Glück war, aber während er glaubte, den Stein vernichten zu müssen, wollte Nell ihn einfach vergessen.

»Wir gehen zum Meer, werfen den Stein hinein und dann sind wir frei.«

»In Deutschland gibt es auch ein Meer.«

»Aber das ist weit. Sogar von Nürnberg aus ist es noch eine lange Reise.«

Nell antwortete nicht. Stattdessen kehrte sie ihm den Rücken zu und schlang die Arme um ihre Brust. Mack verstand das Zeichen. Er seufzte. Es war besser, das Thema zu vertagen.

Wenn er mit Nell in solcher Stimmung stritt, war er immer der Unterlegene.

»Ich glaube, er ist in Mailand.«

»Wer?«

»Der Mann, von dem du erzählt hast. Dieser grässliche Mönch, der dich in Cividale in den Kerker geworfen hat. Johannes. Der dir wegen des verfluchten Steins auf den Fersen ist.«

»Aber … Nell, das ist unmöglich. Woher sollte er wissen, wo ich bin?«

»Keine Ahnung. Die Mächtigen bekommen alles heraus, wenn es ihnen nur wichtig genug ist. Hier oben gibt’s nicht viele Städte. Vielleicht hat er Reiter ausgeschickt, die überall nachforschen.«

»Nach was? Nach einem Fremden, der durch die Gegend stromert? Mailand ist groß, Padua ist groß, Vicenza ist groß … Nell, es gibt hier Fremde wie Sand am Meer.«

»Die Reiter würden nach einem Sänger Ausschau halten. Mit einer ungewöhnlichen Stimme. Ich habe dich auch gefunden.«

»Das stimmt nicht. Ich habe dich gefunden.«

Sie lachte. Ihre Anspannung wich, aber nur für einen kurzen Moment. »Johannes ist da, Mack! Ich denk mir das nicht aus. Ich habe die Leute davon sprechen hören. Der Kaplan des Patriarchen von Aquileja ist in der Stadt. Glaub mir, er sucht diesen verdammten Stein. Und er sucht dich.«

»Niemand hat mich in Mailand als Sänger …«, kennen gelernt, hatte Mack sagen wollen. Er verstummte. Wenn seine Hand nicht auf Nells Bauch gelegen hätte, er hätte sie an die Stirn geschlagen. Natürlich! Als er das erste Mal die Stadt betreten hatte, völlig verzweifelt, weil er Nell finden musste und ihm die Zeit durch die Finger rann, hatte er den Wächtern seinen erbärmlichen Zustand mit einer Wirtshausschlägerei erklärt. Ein Sänger, der mit seinen Liedern zu vorlaut gewesen war. Sie hatten herzlich gelacht. Und sie hatten ihn als Sänger wahrgenommen.

»Woher weißt du von Johannes?«

»Seine Spione sitzen in den Schenken und schlendern über die Marktplätze. Es heißt, er hat eine Belohnung ausgesetzt für den, der ihm dein Versteck verrät. Ist er reich, Mack?«

»Glaube ich nicht.«

»Dann muss jemand mit einem Haufen Geld hinter ihm stehen. Sonst könnte er sich die Suche nicht leisten. Und diesem Jemand muss die Sache sehr wichtig sein«, folgerte Nell nüchtern.

Dem Kaiser, dem der Stein für kurze Zeit gehört hatte? Dem Papst, der von ihm wusste und ihn begehrte?

»Und du bist sicher, dass es wirklich Johannes …«

»Mack!«

»Schon gut.«

»Und wenn du ihm den Stein einfach gibst?«

»Was?« Mack schüttelte den Kopf. »Das … das geht nicht, Nell.«

»Warum nicht? Denk nach. Hat jemand schon mal Rücksicht auf dich genommen? Hat irgendjemand mal gefragt, wie es dir ergeht, wenn dies oder das geschieht? Gunther hat mich verrückt gemacht mit seinem König, dem er dient, nichts sonst ist wichtig und Ehre und was er alles daherbetet. Ich war immer froh, dass du nicht bist wie er. Leute wie wir müssen schauen, wo sie bleiben. Weil sonst niemand es tut.«

»Johannes geht es nicht um den Stein. Nicht um den Stein allein. Er …« Mack zögerte. »Er ist vor allem hinter mir her, verstehst du, Nell?«

»Warum?«

Tja, und genau das kann ich dir nicht verraten, wenn ich mich nicht unglücklich machen will. Mack zog Nell dichter an sich heran. Er schwieg und auch Nell sagte nichts mehr. Vielleicht war sie beleidigt, weil sie spürte, dass er Geheimnisse vor ihr hatte.

Die Dunkelheit hinter den Ritzen verblasste. Die ersten Tagvögel hatten ihre Nester verlassen und vom See wehte ihr Gezwitscher herüber. »Ich liebe dich«, flüsterte Mack.

»Ich weiß. Ich dich doch auch.«

Felicita, die in einem mit Lappen ausgestopften Körbchen lag, bewegte sich. Sie weinte nicht, das tat sie fast nie, aber sie begann zu brabbeln und Nell nutzte das aus und befreite sich aus Macks Armen. Er sah ihr nach, wie sie zu dem Kind ging, es aus dem Körbchen hob und liebkoste. Da sie es aufrecht hielt, konnte Mack das kleine, runde Gesicht sehen, das über ihre Schulter lugte.

Felicita sabberte. Sie reckte sich und versuchte, den Kopf aufzurichten, was aber immer nur für einen Augenblick gelang. Als Nell ihr den Rücken rieb, gab sie einen gurrenden Laut von sich. Dabei verzog sie die dünnen Lippen zu einem O. Ihre Oberlippe wölbte sich vor und in diesem Moment sah sie aus wie Arnulf.

Mack fühlte sich, als hätte ihn ein Schlag getroffen. In den ersten Tagen, nachdem sie einander wiedergefunden hatten, hatte Nell ihn einige Mal gefragt, ob ihn das Kind störe. Jedes Mal hatte er ehrlich verneint. Felicita war Nells Tochter und der widerwärtige Wicht, der an ihrer Zeugung beteiligt gewesen war, vermoderte im Dachgebälk eines Mailänder Gasthauses. Man konnte ihn getrost vergessen. Nell liebte ihre Tochter und er hatte sich vorgenommen, sie ebenfalls zu lieben.

»Es kommt doppelt so viel unten heraus, wie oben hineingeht«, sagte Nell. »Und das ist das wahre Geheimnis des Universums. Bringst du mir die Windeln, Mack?«

Er erhob sich und tat ihr den Gefallen.

Nell legte das kleine Geschöpf auf den Tisch, beugte sich darüber und küsste ihm die Fußsohlen. Felicitas Lachen mischte sich mit ihrem eigenen. Die Ähnlichkeit des Kindes mit seinem Vater hatte sich wieder verloren. Von beiden unbeachtet zog Mack seine Pluderhosen und das Unterhemd an, nestelte die Strümpfe an der Hose fest und schlüpfte in das grüne Wams. Draußen umfing ihn würzige, mit Harz durchtränkte Morgenluft. Ich muss nachdenken, dachte er …

Nell hatte Recht. Sie mussten fort. Wenn Johannes tatsächlich nach ihm forschte, wenn er Macks Spur sogar schon bis nach Mailand verfolgt hatte, dann waren sie nicht mehr sicher. Was wussten sie schon, wie viele Leute sich vielleicht doch zu ihrem See verirrten oder bereits verirrt hatten? Wer sich wunderte? Wem ein Licht aufging, wenn er in Mailand von dem Sänger und der Belohnung hörte?

Mack hatte den See erreicht. Er warf einen Blick zum Haus zurück und sah Nell mit Felicita in der Tür stehen. Sie winkte ihm zu und er sah, dass sie lächelte.

Deutschland war … nun, nicht wirklich schlecht. König Heinrich hatte ihn verbannt, er musste also dafür sorgen, dass er und Nell ihm nicht unter die Augen kamen. Aber das konnte so schwer nicht sein. Ein abgelegenes Nest, vielleicht in den Bergen oder oben im Norden, wohin der König niemals reiste …

Mack zog das wollene Wams über den Kopf, nahm zwei Schritte Anlauf und stürzte sich kopfüber ins Wasser. Wirbelnde Perlen umgaben ihn, ein Schwarm grünsilbriger Elritzen stob auseinander. Er glitt zwischen den Fischen durch die Wellen, sah das Licht der Sonne, das sich in den Tropfen brach, und einen Moment lang war er von einem Hochgefühl erfüllt, das jede Sorge auswischte. Der See war so reichlich mit Fischen versorgt, dass sie von ihnen bis ans Ende ihrer Tage hätten leben können. Mack meinte, ihre kleinen, konturlosen Empfindungen zu spüren. Die Fische in seiner Nähe, die ihn als großen, gefährlichen Schatten wahrnahmen, fürchteten sich und flüchteten. Sobald sie einen gewissen Abstand gewonnen hatten, genossen sie wieder ihr schwereloses Dasein.

Macks Jagdlust war gering. Er durchschwamm den See, kletterte an der anderen Seite ans Ufer und legte sich ins Gras. Der Blick zum Haus war ihm durch einige Büsche versperrt, aber wahrscheinlich war Nell sowieso schon verschwunden. Eine Weile döste er und dachte an seine kleine Familie und an das Haus, das er vielleicht an einem See wie diesem bauen würde. Jedes Stück Land hatte einen Besitzer. Er würde sich also mit jemandem einigen oder in eine völlig verlassene Gegend ziehen müssen. Gab es das in Deutschland? Nell würde vorschlagen, Gunther um einen Flecken Land zu bitten. Das würde er ihr ausreden. Aber natürlich würde sie auf einem Gegenvorschlag bestehen. Himmel, wie kompliziert das Leben wurde, wenn man für Frau und Kind zu sorgen hatte.

War Johannes ihnen wirklich auf der Spur?

Mack schüttelte die nutzlosen Gedanken ab. Er zog sein Hemd über den Kopf und verwandelte es in bewährter Manier, indem er nämlich die Ärmel zuknotete, in einen Käscher. Die Uferzone mit den Wassergräsern und dem Schilf steckte voller Plötzen. Er kniete nieder und starrte zwischen die Halme.

Die Sonne stand schräg hinter ihm. Er sah seinen eigenen Schatten in dem grünlichen Wasser zwischen den Gräsern. Vorsichtig ließ er das Hemd ins Wasser. Die Fische waren zu dumm, um eine Gefahr zu bemerken, die sich nur langsam näherte. Sie dachten nicht einmal an Flucht. Das würde sich ändern, sobald er die Falle zuschnappen ließ. Fünf, sechs Fische … würde das reichen?

Das Hemd senkte sich über zwei besonders fette Plötzen, die fächelnd ihre rötlichen Flossen bewegten. Im selben Moment stoben sie davon. Nicht das Hemd, Macks Schatten über dem Wasser hatte sie erschreckt. Er war plötzlich auf doppelte Größe geschwollen.

Und bewegte sich.

Mack ließ das Hemd fahren und fuhr herum. Er sah Beine … einen langen schwarzblauen Rock … und riss den Kopf hoch.

Etwas fuhr auf ihn nieder.

2. Kapitel

»Es tut mir Leid.« Die Stimme war dunkel und schnarrte ein bisschen wie eine Tür, die über Fliesen schabt. »Aber es hat keinen Sinn, sich zu wehren«, sagte sie warnend.

Mack versuchte es dennoch. Er bewegte den Kiefer, um in den Arm zu beißen, der sich auf seinen Mund presste. Gleichzeitig begann er sich zu winden. Beides blieb ohne Erfolg. Der Mann, der ihn hielt, saß hinter ihm auf dem Boden. Er hatte die Beine äußerst effektiv um Macks Leib geschlungen und presste dessen Kopf mit dem Arm an seine Brust.

»Sie sind mit neun Männern gekommen. Du wirst mir dankbar sein. Falls ein Geschöpf, dessen Gott aus einem Vorhang besteht und das ein Stück Gebackenes für die Personifizierung des Allweisen hält, überhaupt zu solch einem natürlichen Gefühl …«

Einen Moment hatte Mack geglaubt, sich dem schwatzenden Kerl durch eine rasche Bewegung doch noch entwinden zu können, aber sein Gegner hatte etwas von einer Krake. Schwitzend rangen sie miteinander. Ein magerer Bursche, nicht besonders groß, aber mit zähen Muskeln. Keiner von Johannes Soldaten, denn der hätte sich nicht entschuldigt. Es gab eine besondere Hunderasse, weiße gedrungene Tiere mit Haikiefern, extra für die Jagd abgerichtet, die ließen von keiner Beute ab, bis sie tot war. An diese Köter erinnerte ihn der Mann.

Mack riss wütend den Kopf zur Seite dann gab er auf. Er starrte in das Geäst einer Weide, das sich im Wind bewegte. Sonnenstrahlen flimmerten durch die seidig behaarten Blätter. Unter dem Baum platschte etwas, ein Fisch, der sich in die Uferregion vorgewagt hatte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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