Die Töchter des Bärenjägers - Anneli Jordahl - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Töchter des Bärenjägers E-Book

Anneli Jordahl

0,0
19,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

 Ein einzigartiger Roman über das ungezähmte Leben von sieben Schwestern in den Weiten der Wildnis  Die sieben Töchter des Bärenjägers wachsen auf einem entlegenen Bauernhof in den finnischen Wäldern auf. Von ihrem Vater lernen sie, wie man Fallen aufstellt und in der Wildnis überlebt; in die Schule schickt er sie nicht. Als ihre Eltern sterben, beschließen die Schwestern, sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Sie streunen durch die Wälder, sammeln Pilze und Waldfrüchte und handeln auf einem kleinen Markt mit Bärenfellen. Mit Zigaretten, Alkohol und derber Herzlichkeit halten sie einander warm. Doch wie lange werden sie, ganz auf sich allein gestellt, in der Wildnis bestehen – und welche Wege in eine andere Zukunft werden sie für sich entdecken? »Mutig, großartig, rebellisch!« Aftonbladet

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 479

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Anneli Jordahl

Die Töchter des Bärenjägers

Roman

Aus dem Schwedischen von Nina Hoyer

Hoffmann und Campe

solange du nur einen Wald und

einen Wasserlauf um dich herum hast

kommst du schon an Nahrung!

 

SARA LIDMAN in Kropp och själ

 

 

Wer also zur Kenntnis der Natur gelangen will,

übe seinen sittlichen Sinn,

handle und bilde dem edlen Kerne seines Innern gemäß,

und wie von selbst wird die Natur sich vor ihm öffnen.

 

NOVALIS in Die Lehrlinge zu Sais

 

 

Nackt und glühend heiß

gingen sie von der Sauna in die Stube,

und ihre Körper waren rot wie

sonnenversengte Birkenrinde.

 

ALEKSIS KIVI in Sieben Brüder

Der Bauernhof

Erstes Kapitel

Sie fielen sofort auf. Zwar sahen sie von Weitem beim Verkauf von Brennholz, Pilzen und getrocknetem Hasenfleisch aus wie alle anderen. Meist erschienen sie zu zweit oder zu dritt auf den Märkten, gekleidet in Flanellhemden und schwarze Lederjacken. Kam man jedoch näher, war es ihr Geruch, der hervorstach und sich einem aufdrängte. Eine Mischung aus Baumharz, Schweiß und ungewaschenem Unterleib.

Mein Blick richtete sich auf ihre Jackenrücken; ein von Hand gemaltes Raubtierauge, darüber ein Gewehr. Unter dem Auge die Sieben als römisches Zahlzeichen. Ich schaute mir die Mädchen genauer an. Ob diese hier Drillinge waren? Sie sahen gleich aus: eine breite Stirn und rotbraunes zottiges Haar, das keinen Friseur kannte. Nein, eine unterschied sich von den anderen dadurch, dass ihre Nase im Profil betrachtet deformiert wirkte – vermutlich infolge einer Erfrierung.

Der Marktplatz war an diesem Tag von munterem Stimmengewirr erfüllt; ein Gemüseverkäufer erklärte seinen skeptischen Kunden gerade, dass Garten-Senfrauke tatsächlich dasselbe wie Rucola sei. Ein junges Paar erkundigte sich am Stand der örtlichen Bäckerei nach der Backweise des beliebten Rindenbrots – eine Spezialität, die von den Älteren verschmäht wurde, davon hatten sie im Krieg nun wirklich genug gehabt!

Ich konnte den Blick nicht von den drei Schwestern wenden. Sie zogen mich an, so diskret wie möglich umkreiste ich ihren Stand. Notierte ihre groben, von Kratzern und Wunden übersäten Hände, ihre langen Finger und die Schmutzränder unter den Nägeln, als sie ihren Kunden Pilze in Papiertüten reichten. Wie viele eingefleischte Tierfreunde aus der Stadt sie mittlerweile wohl als Kunden verprellt hatten, indem sie ihren Stand mit glänzenden Schwänzen frisch erlegter Tiere schmückten?

Jetzt ließen die Schwestern Fuchsschwänze vor der Menschenschar baumeln, um gleich darauf ihren Nutzen zu demonstrieren: Sie hängten sie sich um die Hüften und ließen sie obszön schwingen. Die Männer, die heute von ihren Frauen zum Marktbesuch überredet worden waren, machten amüsierte Mienen, die offenbarten, dass dieser Ausflug ihnen doch nicht so reizlos schien wie zunächst erwartet.

Auf den krakelig geschriebenen Verkaufstafeln der Mädchen wimmelte es vor Rechtschreibfehlern, als hätten sie eine Siebenjährige dafür angeheuert. Bären fleisch.Süß Walthimbeeren. Ich fotografierte die Mädchen aus einigem Abstand, als sie Bärenfelle auf den Marktstand legten, und richtete den Fokus auf die Glut; die von Hand gedrehten, dünnen Zigaretten wippten in ihren Mundwinkeln. Manchmal zogen sie so lange an der Kippe, dass sie sich die Lippen verbrannt haben müssten. Ich näherte mich ihrem Stand und lugte zwischen zwei breitschultrigen Männern hindurch, die von den Händlerinnen bestätigt haben wollten, dass die Bärenbestände in den letzten Jahren gewachsen seien. Als ich die Mädchen fragte, wie viel sie für das Holz nehmen würden und ob man bei ihnen mit Karte zahlen könne, wurde mir unwirsch mitgeteilt, dass sie nur Bargeld akzeptierten, wobei sie ihre dunkelbraunen Augen nicht von den behaarten Armen der Männer abwandten. Die Scheine und Münzen, die sie nach jedem Geschäft kassierten, verschnürten sie in einem braunen Lederbeutel. Sobald ihre Waren ausverkauft waren, zogen sie ihre Flachmänner hervor und tranken ein paar Schlucke daraus, wobei sie theatralisch das Gesicht verzogen. Die Zuschauer lachten. Es wurde zu einer richtigen Showeinlage.

Manchmal boten sie den Männern in der ersten Reihe einen Schluck an. Um den Stand der Schwestern scharten sich immer die meisten Kunden, und es herrschte ein hoher Lärmpegel: Auch heute ertönten wieder Pfiffe und Applaus. Schließlich stand ich direkt neben den breitschultrigen Männern und hob die Kamera, um das Foto des Jahres zu schießen, den Fokus auf die Narbe eines der Mädchen gerichtet, die in Form eines Regenwurms vom Augen- bis zum Mundwinkel verlief. Im Nu schlug die gerade noch ausgelassene Stimmung in Feindseligkeit um. Zwei Schwestern sahen auf, ihre Blicke hefteten sich jäh auf mein Gesicht. Meine Erinnerung an diesen Moment läuft stets wie in Zeitlupe vor meinem inneren Auge ab: wie ihre Pupillen schwarz wurden, wie aus Flirt Feindseligkeit wurde. Vier düster klaffende Löcher richteten sich auf mich. Das Mädchen mit der Narbe ließ demonstrativ einen Finger über ihre Kehle gleiten. Meine Beine zitterten, mein Herz wummerte, weshalb hatte ich sie nicht um Erlaubnis gefragt? Das tat ich sonst immer, bevor ich andere fotografierte. Ich schraubte den Objektivdeckel auf die Linse und hängte mir die Kamera über die Schulter. Die Mädchen widmeten sich wieder der Belustigung ihres Publikums und tranken den allerletzten Tropfen Schnaps. Ohne dass ich danach gefragt hätte, wurde mir der letzte Fuchsschwanz zu einem extrem günstigen Preis angeboten. Das Narbenmädchen schlenkerte ihn demonstrativ vor meinem Gesicht hin und her. Die unsichtbare, aber spürbar knisternde Energie der Händlerinnen sprang auf mich über, und zu meinem eigenen Erstaunen legte ich mit bebender Hand einen Schein hin.

Ich weiß nicht, wie oft ich sie so beobachtet habe. Die Frage, wie ihr Leben wohl aussah, ließ mich nicht los. Sie gingen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Was sie wohl zum Frühstück aßen? Was taten sie, wenn sie einmal Zahnschmerzen hatten? Ich kaufte mir ein Notizbuch und schrieb meine Beobachtungen auf; wenn man mit der Hand schreibt, werden die Worte erst richtig wahr. Mit der Zeit fand ich mehr über die Mädchen heraus, indem ich Bekannte und verschiedene Leute aus der Stadt über sie befragte. Ich erstand ein weiteres Schreibheft und fuhr ein wenig besessen fort, erkundigte mich bei Angestellten in verschiedenen Instanzen der Gemeindeverwaltung nach ihnen. Was wussten sie über die Schwestern? Die Antworten der Leute waren widersprüchlich.

Ein paar traurige Gestalten, die mit der Gesellschaft nicht klarkämen, erwiderten die meisten. Um Himmels willen, ohne Fernseher, Computer oder Handy seien sie aufgewachsen! Hätten in den letzten zehn Jahren nicht einmal ein Telefon gehabt. Könnten vermutlich kaum lesen, weil sie nie eine Schule besucht hatten. Es kursierten Gerüchte: Demnach hatte eine Lehrerin (die ihre Anstellung verlor, nachdem sie einen Schüler mit dem Messer bedroht habe) einen gewissen Draht zu ihnen finden und das Vertrauen der Schwestern insoweit gewinnen können, als die jüngste zumindest eine Schulfibel angenommen hatte. Ein wissbegieriges Mädchen, flink im Kopf. Aber sie brach, nachdem sie die Kunst des Lesens gelernt hatte, den Kontakt zur Lehrerin ab, und diese konnte das Mädchen danach nicht mehr erreichen.

Ja, ja, zweifellos sei alles so richtig den Bach runtergegangen, seitdem die Mädchen sich um den verstümmelten Leichnam ihres Vaters gekümmert hätten, meinten einige. Ein Bär hatte ihn getötet. Ein scheußlicher Anblick müsse das gewesen sein: Das Tier habe schwer verletzt, aber noch lebend neben dem toten Jäger gelegen, Blut sei ihm aus dem Maul geströmt. Der schrecklich zugerichtete Körper des Mannes und sein entstelltes Gesicht zeugten von einem grauenhaften, erbitterten Kampf. Die älteste Tochter habe den Bären dann erschossen und ihn so von einem langen Leiden erlöst.

Der Vater hatte sich einen Ruf als geschickter Bärenjäger erworben. Viele bewunderten ihn für seine Ausdauer: Welch lange Wanderungen durch die tiefen Wälder er auf sich nahm, schleppte er doch einiges an Übergewicht mit sich herum und sei mit den Jahren immer beleibter geworden. Die wenigen Leute, die ihn bei der Jagd hatten beobachten können, meinten, dass er dennoch leichtfüßig wie ein Orientierungsläufer über Wurzeln, Stock und Steine gesprungen sei. Irgendwann aber sei dem Mann sein Ruhm zum Verhängnis geworden. Er wurde der Wilderei bezichtigt, und die Polizei suchte ihn mehrmals auf, aber er fand sich nie zu den Gerichtsverhandlungen ein. Das älteste Mädchen sei zu jener Zeit in die Schule gekommen, aber die Eltern hätten es einfach wieder abgemeldet, tja, so war das. Von da an habe die ganze Familie jeden sozialen Kontakt vermieden. Die Nachbarin, die Witwe Niskanpää, deren Hof zehn Kilometer von dem der Familie entfernt lag, übernahm einige Erledigungen für sie, so war es doch? Kaufte die nötigen Waren ein, füllte Benzinkanister und war bei Geburten behilflich, war sie doch von ihrer Mutter, einer Wildnissamariterin, angelernt worden. Ja, so erzählten die Leute.

Es wurde auch behauptet, der Vater der Mädchen habe sich vor seinem Tod manchmal vor wirklichen und eingebildeten Verfolgern im Wald versteckt. Sei vermutlich nachts heimgekommen und habe sich morgens wieder fortbegeben. Noch lange nach seinem Tod hätten seine Töchter in verfallenen Hütten und ausgedehnten Höhlen tief im Wald Spuren von ihm gefunden.

Die alleinerziehende Mutter und die trauernden Töchter seien nach der bestürzenden Todesnachricht nicht mehr miteinander ausgekommen, hieß es. Die Abneigung habe auf Gegenseitigkeit beruht, es sei zu Aggressionen gekommen, die wiederum führten zu noch mehr Gewalt. Nicht einmal Frau Niskanpää sei da noch ins Haus gelassen worden. Waldarbeiter hätten die Schwestern abgemagert und blau geprügelt im Wald umherirren gesehen.

Beim Begräbnis des Vaters dann, als Mutter Louhi, die Nachbarin Niskanpää mit ihrem Sohn John und der Bruder der Mutter, Veikko Huovinen, gemeinsam mit den sieben Töchtern Abschied nahmen, sei Simone die Einzige von ihnen gewesen, die die Hände zum Gebet faltete und alle Kirchenlieder auswendig mitsang, erfuhr ich vom Pastor. Als die Mädchen der Reihe nach mit einer Zichorienblüte zum Sarg gingen, habe keine von ihnen geweint, auch wenn sie ihre tiefe Trauer nicht verhehlen konnten. Die älteste Tochter Johanna hielt am längsten vor dem Sarg inne, streichelte den Deckel und gab ein ersticktes Geräusch von sich. Nach dem Ende der Zeremonie hatte der Pastor Johanna und ihre Schwester Tanja beiseitegenommen und gesagt: Macht euch bewusst, dass ihr privilegiert seid. Ihr habt eine Mutter und einen Hof. Ich habe im Lauf der Jahre von vaterlosen Kindern gehört, die wie schmuddelige Marder im Wald gehaust haben. Da seid ihr besser dran.

Doch diese mahnenden Worte hätten nichts gebracht, erzählte mir der Pastor, als ich später auf seine Einladung hin mit meinem Notizbuch bei ihm auf dem Pfarrhof saß. Wie er mir im Vertrauen erzählte, habe er nach dem Tod des Vaters einen gewissen Kontakt zu der Mutter und einer der Töchter gehalten, welche ihr Treffen jedoch vor dem Rest der Familie hätten geheim halten wollen. Während dieser Zeit sei ein Stellungskrieg zwischen der Mutter und ihren Töchtern entbrannt. Der Pfarrer berichtete mir von Gewalttaten, und die lebhaften Gesten des sonst so seelenruhigen Mannes unterstrichen, dass er ebenso fasziniert von den sieben Schwestern war wie ich. Sie waren ein Mysterium, das man von verschiedenen Seiten beleuchten konnte. Aber wann immer wir dachten, ihre erbärmliche Existenz zu fassen bekommen zu haben, war es, als entwischten sie wieder.

Die Mutter habe ihren Nachkommen nicht länger beigestanden und von da an zeitweise dreißig Kilometer entfernt vom Hof bei ihrem Bruder gelebt, teilte mir der Pastor weiter mit. Als sie starb, habe sie sich daheim befunden; und so seien die Mädchen in dem heruntergekommenen, von Schimmel befallenen elterlichen Hof mit dem kaputten Dach allein ihrem Schicksal überlassen gewesen.

Will man das Leben der Töchter beschreiben, muss man sich vieler Negationen bedienen, vieles war eben nicht. Rechnungen beispielsweise waren nicht bezahlt, im Küchenofen hätten sich Inkassoschreiben und Pfändungsandrohungen des Gerichtsvollziehers getürmt.

Er habe die Mädchen aufgesucht und sie mit stoischer Geduld dazu bewegen wollen, Haltung anzunehmen und sich um die Beisetzung von Mutter Louhi zu kümmern, erzählte mir der Pastor. Als er jedoch die große Bauernküche betrat, habe sich ihm ein Anblick geboten, von dem er wusste, dass er ihn sein Lebtag verfolgen würde: Die Verstorbene lag auf der Küchenbank. Putzeimer fingen Regentropfen auf. Berge von Tellern mit eingetrockneter Hafergrütze und Makkaroni stapelten sich auf der Spüle und in einer Ecke Pizzakartons vom Boden bis zur Decke. Zwei Hühner trippelten auf dem Teppich aus Hundehaaren umher, der den einst gewiss schönen Holzfußboden aus breiten Dielen bedeckte.

Und ja, der dort vorherrschende Gestank wäre wohl noch schlimmer gewesen, hätten in der Küche nicht behagliche Schwaden von Pfeifen- und Zigarettenrauch gehangen. Sie weckten in dem Pastor herrliche Erinnerungen an genussvolle Züge, die er getan hatte, bevor er von Atembeschwerden heimgesucht worden war und ihm sein Arzt vermittelt hatte, wie gesundheitsschädlich es wäre, weiterhin Rauch in seine angegriffenen Lungen zu inhalieren.

Im Dämmerlicht seien sieben blasse Gesichter zu sehen gewesen, wirre braunrote Haarmähnen, die von Weitem wie ein Feld von wehendem Roten Straußgras aussehen konnten. Die Schwestern saßen am Küchentisch, in ihrer Mitte lag ein Gewehr. Der Pastor gab mir genauestens die Unterredung wieder, die er mit den Mädchen geführt hatte.

»Wo zum Teufel kommen Sie denn her?«, fuhr Tiina ihn an, als er in die Küche trat.

Simone war bedeutend höflicher: »Guten Tag auch, kommen Sie herein und nehmen Sie Platz. Möchten Sie eine North State? Wir haben welche von den verbotenen ergattert.«

Sie streckte dem Pastor eine grüne Zigarettenschachtel entgegen.

Begierig sah der Pfarrer sie an, sein Arm zuckte, aber er widerstand der Versuchung. Sein Blick fiel auf den Leichnam der Mutter. Ihre Miene war sanft, der Mund erstarrt in einem schwachen Lächeln. Die wenigen Male, die er sie zuvor getroffen hatte, war ihre Miene niedergeschlagen gewesen, ihr Körper gebeugt. Nun lächelte sie also ausnahmsweise einmal.

Milde streckte er den Schwestern die gewölbte Hand entgegen und sagte: »Ihr müsst eure Mutter in geweihter Erde beisetzen.«

Die Schwestern starrten einander wütend an. Zogen heftig an den Zigaretten.

Aune ergriff das Wort: »Wir werden sie in den Wald tragen, sie soll ihre letzte Ruhe am Moor finden. Der letzte Wunsch unsrer Mutter ist der erste, den wir ihr erfüllen wollen.«

»Dann müsst ihr sie kremieren lassen«, sagte der Pfarrer.

Johanna blies Rauch aus und sah ihn mit gerunzelter Stirn an: »Kremieren?«

»Den Leichnam verbrennen und die Asche verstreuen. Alles andere wäre ungesetzlich.«

»Übernehmen Sie das Verbrennen?«, fragte Tiina.

Der Pastor schüttelte den Kopf.

»Das tun die Leute, die solche Öfen betreiben.«

Johanna reagierte halsstarrig: »Wir verbrennen, wenn uns danach ist. Hier im Haus ist das unsre Sache.«

»Und ihr meint, das geht gut?«

Elga brach in schallendes Gelächter aus und sah den Pastor anerkennend an. Tiina funkelte sie an und begriff nicht, weshalb sie so feixte.

Johanna mischte sich ein: »Sie können den Leichnam ja morgen abholen, dann können wir uns noch von ihr verabschieden.«

»Um zehn. Danke für den Kaffee«, sagte der Pastor aus alter Gewohnheit und verließ eilig – und nach Kaffee lechzend – den schaurigen Hof.

 

Als er mir so den Dialog aus dem Gedächtnis wiedergab, wirkte er hochzufrieden über sein schauspielerisches Talent und sein detailliertes Erinnerungsvermögen, weshalb ich beschloss, meine Interviews künftig aufzuzeichnen. Die Dialoge sollten so authentisch und lebendig klingen wie möglich, den Rest müsste ich mir erdichten. Ich glaubte – und hoffte inständig –, wenigstens eine der Schwestern zu einer Zusammenarbeit mit mir bewegen zu können, damit sie mir von ihrem Leben erzählte. Als ich später eine von ihnen treffen durfte, war sie erstaunlich wortgewandt dafür, dass sie nie eine Schule besucht hatte, doch wie ich feststellte, hatte sie nichts Besonderes beizutragen. Nichts, das meine Geschichte wahrheitsgetreuer gemacht hätte. Ihr wisst schon, diese Einzelheiten, die einer Erzählung Leben einhauchen.

Inspiriert von den Schwestern trinke ich ein paar Porter, während ich so an meinem Schreibtisch sitze und meiner Phantasie freien Lauf lasse. Versuche, den Kern der Geschichte in einen mitreißenden Prolog zu gießen. Wie kann ich die körperliche Gewalt, die Derbheit der Schwestern oder auch die Schönheit und Unberechenbarkeit der Natur in Worte fassen? Wie mit widersprüchlichen Angaben umgehen? Viele derer, die ich über sie befragt habe, haben mir ganz andere Sichtweisen vermittelt als jene Version von den Sorgenkindern. Sie haben bezeugt, dass die Mädchen zwielichtige Geschäfte trieben und völlig gewissenlos seien, so hartgesotten, dass sie nicht zögerten, zu roher Gewalt zu greifen, ja sogar zu töten, wenn sie sich bedroht fühlten. Sämtliche Leute, die ich gefragt habe, haben mich gewarnt und erzählt, wie geschickt sie im Umgang mit Schusswaffen seien – es werde sogar gemunkelt, dass sie zwei kolossale Hunde hätten … Manche haben gar behauptet, die Bestien seien darauf abgerichtet, anzugreifen – und nach dem Schritt zu schnappen.

Weshalb hatte die Gemeinde irgendwann resigniert und die Schwestern aufgegeben? Die Antworten, die ich bekam, ähneln Legenden: Gerüchten zufolge seien zwei Sozialarbeiter, nachdem sie – nach dem Tod des Vaters, des Bärenjägers also – Kontakt zu den Mädchen aufgenommen hätten, von ihnen in einen Schuppen gesperrt worden, der als Schlachtraum diente. Dort sollen sie angekettet und mit mittelalterlichen Folterwerkzeugen traktiert worden sein. Es heißt, die Mädchen hätten sogar einen abgehackten Penis gegrillt und zum Abendessen verspeist.

 

Mittlerweile unternehmen die Behörden keine Anstrengungen mehr, die Schwestern dazu zu bewegen, sich in der Gemeinde wohnhaft zu melden. Damit haben sie den Verlust dringend benötigter Steuereinnahmen für diese von Abwanderung betroffene Gegend und mittellose Kleinstadt akzeptiert, deren Hauptstraße von leeren Ladenlokalen gesäumt wird.

Bisher konnten die Töchter des Bärenjägers die Schätze des Waldes unbehelligt auf den Märkten feilbieten. Warum? Vermutlich aus verschiedenen Gründen – eine gewisse Feigheit der Entscheidungsträger spielt eine Rolle, Mitgefühl und die Tatsache, dass wir den Blick von den Schwestern aus Schaulust nicht abwenden können.

Leute erzählen mit leuchtenden Augen vom Leben der sieben Schwestern, blühen regelrecht auf dabei. Selten habe ich in dieser Kleinstadt Menschen so begeistert gesehen. Das Interesse an ihnen ist derartig groß, dass es dumm von mir wäre, ihre Lebensgeschichte nicht aufzuzeichnen und mir meinen größten Traum zu versagen – Schriftstellerin zu werden.

 

Will man Grundlegendes über einen Menschen erfahren, ist die Kindheit entscheidend. Wie kann man etwas über eine andere Person, ein anderes Lebewesen wissen, ohne die Eltern, die häusliche Umgebung und die gesellschaftliche Stellung der Familie zu kennen? Der Kindheit kannst du nicht entrinnen, sie ist dir ein Leben lang auf den Fersen, schnappt mit den spitzen Zähnen eines Wolfsjungen nach dir. In manchen Lebensphasen blickt man zurück, und alles erscheint einem in hellem Licht, in anderen ist alles von abgrundtiefer Finsternis durchdrungen. Ihr versteht sicher, dass die Kinderjahre der Schwestern ein schwer zusammenzufügendes Puzzle für mich waren, nachdem die Familie so isoliert lebte und der geliebte Onkel der Mädchen, der Seemann Veikko Huovinen – aus einer Ironie des Schicksals heraus ein Namensvetter des bekannten finnischen Autors –, nach meinem einzigen Gespräch über die Schwestern mit ihm verstarb. Der Bruder der Mutter galt als talentierter Geschichtenerzähler und wurde auf seine alten Tage alljährlich zum Kaffeeklatsch anlässlich des Treffens des Heimatvereins angeheuert.

Was ich als Hobbyethnologin mit Sicherheit über die ersten Lebensjahre der sieben Mädchen sagen kann? Nicht viel. Doch, dies: Ihre Welt war von Wald umgeben. Von hohen Kiefern und dichten Fichten. Zarten Birken mit kreideweißen Stämmen, die bis dicht an den Hof reichten. Die tiefen Wälder waren ihr eigentliches Zuhause, nicht das Roggenfeld. Sie verabscheuten jeden Moment des Pflügens, Eggens, Säens und Erntens; jener Schufterei, die sie mit den schweren Schritten, den geschwollenen Waden und der grimmigen Miene ihrer Mutter assoziierten.

Dachse hielten sich unbekümmert in der Nähe der Mädchen auf, wenn sie in Waldseen badeten, im Moor herumtollten oder ihren Durst mit klarem Bachwasser stillten. Die Tauben und die Eichhörnchen dagegen, wie auch die Otter und die Marder, lernten mit der Zeit, sich vor ihnen zu hüten.

Nun will ich euch aber endlich die Schwestern vorstellen. Sie lassen sich nicht als Typen charakterisieren – wie: die Mürrische, die Scheue, die Fröhliche und so weiter –, ziemlich menschenscheu sind sie nämlich alle sieben. Und fröhlich sind sie, wenn sie hemmungslos Selbstgebrannten und selbstgebrautes Bier saufen. Was fürwahr häufiger geschieht. Branntwein – der einzige weiße Wein von Wert!, tönen sie im Chor, als wäre das ihr persönlicher Trinkspruch. Johanna skandiert immer am lautesten von allen, sie verträgt den meisten Alkohol, bis schließlich auch sie der Länge nach sturzbetrunken hinschlägt. Als Älteste der Geschwisterschar ist sie dieser Tage zwanzig geworden. Obwohl sie ein ziemlicher Schluckspecht ist, kann man sie dennoch als recht tüchtig und fürsorglich bezeichnen – wenn die Jüngeren sie auch für altklug, ja besserwisserisch halten. Sie hassen es, wenn sie predigt: Jetzt machen wir das hier aber mal ordentlich, Mädels. Gemeinsam finden wir schon eine Lösung! – zumal Johanna nicht sonderlich helle ist. Elga, die Jüngste und Scharfsinnigste der Schwesternschar, ließ sie das immer wieder auf schnippische und vorpubertär-nervige Art wissen. So gerieten die beiden häufig in Streit und lebten in ständiger Fehde miteinander. Ja, die Erst- und die Letztgeborene haben nie die bitter nötige Friedenspfeife geraucht.

Tanja und Aune sind sich nicht so ähnlich, wie man es bei eineiigen Zwillingen erwarten würde. Tanja ist die praktisch Veranlagte, Selbstsichere, während Aune ungeschickte Hände hat, in ihrer eigenen Gedankenwelt lebt und in der Tradition ihres Onkels Veikko Geschichten erzählt – selbst erfundene, aber auch bekannte Volksmärchen. Die anderen Zwillinge, Tiina und Laura, unterscheiden sich ebenfalls voneinander, aber ihre Unbeholfenheit haben sie gemeinsam. Tiina ist zwar ausdauernd und stark wie ein Preisboxer, scheint allerdings motorische Beeinträchtigungen zu haben. Sie stellt sich oft tölpelhaft an, während die kurzsichtige Laura mit ihrer schlaftrunkenen Körpersprache auf eigenen Pfaden wandelt. Nachdem die Eltern das irdische Leben verlassen hatten, war Laura die stärkste treibende Kraft dahinter, in die Wildnis zu ziehen und den elterlichen Hof aufzugeben. Sie hat eine so enge Beziehung zu Fichten, als wären diese ihre wahren Eltern.

Oh, einen Moment! Ich habe Simone vergessen. Sie ist die Einzige, die buchstäblich an Gott Vater und die Bibel glaubt. Die Einzige, die sich – heimlich – an die Mutter hielt. Die anderen sechs juckt es gewaltig, wenn Simone Gottesworte um sich herum verstreut und behauptet, Jesus und der Teufel höchstpersönlich seien ihr erschienen. Dennoch hören sie alle gern Geschichten aus der Bibel – die ihnen wie grausige Märchen und wilde Abenteuererzählungen vorkommen –, in denen vor allem Frauen übel mitgespielt wird.

Über die Kindheit der Eltern gibt es nicht viel zu sagen. Sie litten Hunger und schufteten, seit sie zehn waren. Wie sich ausgerechnet Heikki und Louhi kennenlernten und Lust bekamen, ihre nackten Körper aneinanderzureiben, ist den meisten Menschen ein Rätsel. Und dass dies erwiesenermaßen mindestens fünfmal geschehen war, ein noch viel größeres. Doch werfen nicht die meisten Paarkonstellationen Fragen auf? Heikki und Louhi teilten sich zwar ein Heim, verrichteten jedoch nichts harmonisch miteinander. Die Arbeiten auf dem kleinen Bauernhof mit Land- und Forstwirtschaft, Milchkühen auf der Weide und den Roggenfeldern in dem ertragreichen Tal waren streng zwischen ihnen aufgeteilt. Ohne die Töchter wäre ihr Dasein sehr still gewesen, doch das laute Gelächter und Gejohle der Mädchen schallte regelmäßig über die Baumwipfel, ja, ihr Geschrei war manchmal gar über zehn Kilometer weit zu hören, bis zum Busbahnhof am Rande der Stadt! Wie die Katzen balgten sie sich im Gras, wobei es so hart zuging, dass rote Haarbüschel in die Luft flogen und Blut aus den Nasen troff. Als der Sohn der Nachbarsfrau, John Niskanpää, noch daheim wohnte, schlich er häufig zum Hof der Schwestern und beobachtete sie im Unterholz verborgen durchs Fernglas. Johns Beobachtungen waren für meine Arbeit von unschätzbarem Wert.

Wann immer die Eltern sie dazu bewegen wollten, mit dem ohrenbetäubenden Geschrei aufzuhören, griff derselbe Trick wie bei Hunden: Ablenkung. Da konnte es geschehen, dass der Vater in der Diele das Gewehr von der Wand nahm und hinausging zu seinen sich prügelnden Töchtern – nur die jüngste beteiligte sich nicht, sie führte Buch und kürte die Siegerin. Er nahm die Kiefernwipfel ins Visier und traf ins Schwarze; ein Eichhörnchen fiel langsam von Ast zu Ast zu Boden. Daraufhin erhoben sich sechs vor Schweiß dampfende, lehmverschmierte Schwestern mit Beulen auf der Stirn und blutigen Kratzern an den Armen. Sie folgten dem Vater, rangen um den dichtesten Platz an seiner breiten Brust, seinem kräftigen Männerkörper, umarmten ihn innig vertraut, während er sanft die schmutzigen Mädchenleiber beiseiteschob, sich hinabbeugte und den Schwanz des toten Tieres packte, um den noch immer warmen Tierkadaver ins Sonnenlicht zu halten.

»Wenn es Krieg gibt oder irgendeine Seuche, dann könnt ihr das hier essen. Viel Fleisch hat es nicht auf den Rippen, aber das Hirn des Eichhörnchens ist fett und schmackhaft.«

Die ihn umringenden Mädchen hörten ihm aufmerksam zu, sogen jede seiner Bewegungen in sich auf; ahmten alles nach, was ihr Vater tat, wie sieben junge Füchse. Nein, sechs. Laura lief wie üblich nebenher, hörte nur zerstreut zu, sah in den Himmel, als hätte sie etwas Interessantes in den Baumwipfeln erblickt, obwohl doch alles vor ihren Augen verschwommen war. War es wieder einmal Zeit für die Ausbildung der Töchter, rief er Laura mit einem Pfeifen herbei. Dann gehorchte sie träge und mit blasierter Miene. »Auf Eichhörnchen zu zielen ist eine gute Übung, mit ihnen ist es am schwersten. Eichhörnchen sitzen nie still.«

Ein jedes Mädchen musste daraufhin das Gewehr halten und den Kiefernzweig ins Visier nehmen, auf dem der Nager gesessen hatte, selbst die Kleinste sollte es versuchen. Beim Halten der schweren Waffe bekam sie Hilfe von ihrem Vater. »Ziele etwas tiefer«, sagte Heikki dann mit seiner ruhigen väterlichen Stimme, »sonst schießt du drüber weg. Aber auch nicht so tief, dass du den Körper pulverisierst.«

Das Fell des Tieres musste unversehrt bleiben, wäre es doch sonst unverkäuflich. Elga feuerte einen Schuss ab. Eine Elster fiel vom Himmel.

Manchmal erschien die Mutter, wenn sie so trainierten, um ihre Töchter mit unterdrücktem Zorn zum Melken abzukommandieren. Vergebens. Wenn sie in zusammenhanglosen Sätzen sprach, vereinzelte Worte ausstieß, wurde dies stets mit siebenstimmigem Hohngelächter quittiert, während der Vater der Mädchen brüllte: »Verdammich, Weib, ich bring den Mädels gerade das Überleben bei!«

*

Im Lauf der Jahre griff die Mutter zu immer gewaltsameren Mitteln, um ihre Kinder zur Mitarbeit bei den täglichen Aufgaben zu zwingen, zumindest aber die Kühe zu melken. Als der Vater wieder einmal in den Wäldern auf Bärenjagd war, zischte Laura nur »Weiberarbeit!« auf das Flehen der Mutter hin. »Ich will Künstlerin werden, nicht Dienstmagd«, schrie sie und stampfte mit dem Fuß auf. Elga wiederholte sogleich, was ihre Schwester über typische Frauenarbeit geäußert hatte, und meinte, sie würde eh Professorin werden. Da ergriff der Teufel von der Mutter Besitz. Sie packte Elga, zwang sie zu Boden, ließ sich selbst auf die Knie herab und gab dem Mädchen sieben kräftige Hiebe mit einem Holzscheit auf das Hinterteil. Die Wangen der Mutter waren gerötet, sie japste laut, putschte sich anscheinend selbst an der Rohheit auf. Dann ging sie weiter und verabreichte den älteren Kindern Schläge mit dem Kochlöffel – kurze, harte Schläge in einem schnellen Rhythmus ins Gesicht, bis der Stiel abbrach und Blut von Lauras Ohr rann. Johanna und Tiina gaben sich dann aus reinem Trotz stoisch und lachten die Mutter weiterhin ungeniert aus, während Elga heulte; sie hatte noch nicht gelernt, die Tränen zu unterdrücken.

Doch der Tag würde kommen, an dem sie alle die geistige Stärke besäßen, ihren Schmerz bewusst auszublenden.

 

»Er kommt, Vater ist wieder da!«, rief Johanna von der Vortreppe aus, und sechs Schwestern kamen mit strahlenden Augen angerannt. Der Vater verströmte einen herrlichen Geruch nach Nadelwald, Schweiß und Bärenblut. Er marschierte geradewegs in die Küche, setzte sich in den wackeligen Sessel an der Feuerstelle, warf seine Jacke und den Pullover auf einen Stuhl und zog sich die Stiefel aus. Nadeln, Sand und Birkenlaub schüttete er einfach auf den Küchenfußboden. Sogleich krabbelte das Nesthäkchen Elga auf seinen Schoß und setzte sich auf den blutigen Hosen zurecht, lehnte ihr Köpfchen gegen sein gelbschweißiges Unterhemd, aus dem raues Brusthaar hervorquoll, und schnupperte nach dem beruhigenden Schweißgeruch seiner Achselhöhle. Er vermischte sich mit der herben Ledernote seiner Stiefel. Der Vater stopfte seine Pfeife und zog begierig daran, während er das Streichholz an den Tabak hielt. Dann packte er das kleine Mädchen, setzte es auf seinen rechten Fuß und ließ es auf dieser selbstgemachten Wippe auf und ab hüpfen. Jetzt spürte Elga ihren von den Hieben der Mutter so geschundenen Hintern kaum mehr, als sie immer wieder hoch in die Luft gewirbelt wurde.

Hoppe, hoppe, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er, fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben.

Und damit war die lieblose Behandlung der Mutter für diesmal vergessen.

 

Sowie sie morgens aufwachte, gesellte Johanna sich zu ihrem Vater auf die Vortreppe, der dort in einer Wolke aus Pfeifenrauch saß. Wie so oft war sein Blick auf die Baumwipfel und den blaugrauen Berg in der Ferne gerichtet. Er nahm die Pfeife aus dem Mund und witterte wie ein Raubtier in verschiedene Himmelsrichtungen; dann nickte er Johanna zu. Sie wusste, dass er ein inneres Gespür besaß, das ihm sagte, wo sich ein Bär aufhielt, selbst wenn er noch kilometerweit entfernt war. Kann ich mit? Kann ich mit? Ja, das kannst du. Es waren Momente wie diese, in denen sie beide ihre Jagdtasche packten und Johanna ihren sechs eifersüchtigen Schwestern zum Abschied winkte, dass sie ein herrliches Kribbeln im Bauch verspürte, weil ihre Macht in der Geschwisterschar dadurch doch zunahm. Johanna war mit dem Recht der Erstgeborenen besonders für die Rolle der Anführerin und als Oberhaupt geeignet, wie sie selbst fand; dazu bestimmt, in die Jagdgeheimnisse des Vaters eingeweiht zu werden und seine telepathische Verbindung zu Bären zu erlernen. Der Vater kam immerhin so häufig mit einem erlegten Petz nach Hause, dass das grobfaserige, wohlschmeckende Fleisch die Körper der Mädchen aufbaute und ihnen kräftige Armen und breite Schultern bescherte. Nur bei Elga wirkte der hohe Eiweiß- und Fettgehalt nicht, sie blieb schmächtig. Womöglich würde sich das in ein paar Jahren ändern, doch sie schien von einer anderen Art zu sein, wenn auch mit derselben Haarfarbe beschenkt. Ob sie überhaupt denselben Vater hatte?

 

Das Jagdglück des Vaters führte dazu, dass sich seine ganze Welt irgendwann nur noch um die Bärenjagd und die damit zusammenhängenden praktischen und mentalen Vorbereitungen drehte: Strategien, um eine gereizte Bestie zu überlisten. Würde er dieses Wochenende wieder mit einem erlegten Tier nach Hause zurückkehren? Immer häufiger vergaß er seine geliebten Mädels während der kurzen Zeit, die er auf dem Bauernhof zubrachte. Weder sah noch hörte er sie, wenn sie im Kreis um ihn herumsaßen, während er die Büchsen reinigte, sie mit Luchsfett schmierte und Porter, das beliebte Starkbier, in sich hineingoss. Schon am nächsten Tag war er wieder fort.

Nachts lagen die Mädchen auf ihren Bärenfellen, wimmerten, sehnten sich und riefen im Schlaf nach ihrem Vater. In ihren Träumen kehrte er auf einem riesigen Braunbären reitend heim. Tanja und Aune lagen dicht beieinander und hielten sich an den Händen. Wenn Johanna nicht einschlafen konnte, legte sie sich in das Bett ihres Vaters und sog den Geruch seines Kopfkissens ein. Die Eltern hatten schon lange getrennte Schlafräume; die Mutter besaß ihren eigenen Winkel oben auf dem Dachboden. Dorthin aber wollte keine der Schwestern gehen, hing doch ihr penetranter, beißender Körpergeruch in der kleinen Kammer. Erstickte Laute waren von dort oben zu vernehmen. Schrie sie etwa im Schlaf?

An Elgas zwölftem Geburtstag war der Vater auf der Jagd. Seinen Töchtern hatte er gesagt, er würde den verdrießlichsten Bären herausfordern, auf den er jemals gestoßen sei, und das unter solch gefährlichen Umständen, dass sie ihn diesmal nicht begleiten könnten. Erst recht nicht, da sie ihn ja instinktiv nachahmen würden. Daheim auf dem Hof verfielen sie in einen trübseligen Gang. Während des langen Wartens wurden ihre Spiele von Tag zu Tag rauer. Elga wurden Beine gestellt, Knüffe verpasst, Schnittwunden zugefügt, und sie wurde in eigens für sie bereitete Fallen gelockt. Als sie einmal die Tür zum Kuhstall öffnete, ergoss sich ihr eine demütigende Kanne Wasser über den Kopf. Klitschnass und frierend wurde sie von ihren Schwestern ausgelacht, und Johanna ätzte: »Geschieht dir recht, du widerliches kleines Hurenbalg!«

Nach dem tödlichen Unfall des Vaters verstummte das Freudengeheul auf dem Hof, es gab keine Ringkämpfe, kein Kuhfladen-Bingo mehr. Der Elchstutzen lag wie eine Reliquie mitten auf dem Küchentisch, die zentrale Präsenz der Waffe repräsentierte den Geist des Vaters im Raum. Keine der Töchter wollte das Bärenfleisch vom letzten Kampf des Vaters essen, so als handelte es sich um seinen eigenen Leib; stattdessen wurde es auf dem Markt verkauft. Das mit dem Blut des Vaters getränkte Bärenfell bewahrten sie auf. Der große Schädel des Bären mit dem kampflustigen Blick, die scharfen, gekrümmten Krallen an den Tatzen, all dies stand gleichzeitig für den größten Verlust ihres Lebens. Die grimmige Miene des Bären gab den Schwestern Orientierung für den Rest ihres Daseins.

Nach diesem Verlust konnte sie nichts mehr schrecken.

 

 

Trauer lag ihnen einige düstere Jahre lang schwer auf der Brust. Schleppend gingen sie auf dem Hof umher, für Spaß und Spiel hatten sie keine Kraft mehr. Nur wenn Onkel Veikko zu Besuch kam, um Sagen und Geschichten zu erzählen, hoben sich die Mundwinkel der Mädchen zu einem Lächeln, und sie lauschten ihm aufmerksam; ja, ihm gelang es sogar, ihre Mutter zu besänftigen. Zwischen der Mutter und ihren Töchtern stellte sich dann eine dringend erforderliche Feuerpause ein.

Veikko war schon weit über sechzig und nahezu blind; humpelnd stützte er sich auf einen kräftigen Stock. Doch erkannte er die Stimmen seiner Nichten wieder, wie sie durcheinanderredeten, meist ohne einander zuzuhören. Er begrüßte sie stets von der ältesten zur jüngsten: Johanna, die Zwillinge Tanja und Aune, Simone, danach die Zwillinge Tiina und Laura und schließlich die junge Elga. Wann immer Veikko es sich auf dem mit Biberfellen bedeckten Holzkasten in der Küche bequem machte – dort saß er stets, wenn er erzählte –, wurde seine Stimme klar.

»Castor«, sagte er und tätschelte das Fell. »Biber heißt auf Lateinisch castor.« Ja, das war wichtig zu wissen.

Die Schwestern legten Holz in den Ofen, und Tanja entfachte ein Feuer, das ruhig und ohne zu flackern brannte. Bärenfelle wurden ausgelegt; im Halbkreis saßen sie um ihren Onkel. Als er zu erzählen begann, klang es wie Gesang aus einer jungen Kehle. Der wohltönende Bariton, rhythmisch, wortlustig, und dann kam sie:

Die Geschichte. Sie trug sie davon.

Aune strahlte beim Zuhören immer die höchste Konzentration von allen aus; sie setzte sich ihrem Onkel stets gegenüber, ganz dicht, um sicherzugehen, auch ja jedes Wort, jede Betonung und jede die Spannung steigernde Kunstpause mitzubekommen. Genauestens verfolgte sie die untermalenden Gesten der von Adern durchzogenen Hand mit dem blauen Daumennagel und dem verstümmelten Mittelfinger. Johanna lauschte, dann schloss sie die Augen. Ob sie schlief? Tiina saß im Schneidersitz und schnippte mit den Fingern, bevor sie die Beine ausstreckte und sich auf den Bauch legte. Böse glotzte Elga sie an. Als Tiina einen Liegestütz machte, versetzte Tanja ihr einen Schubs.

Jetzt zog ihr Onkel einen handgelenkbreiten Birkenstock aus seiner Tasche und begann rhythmisch zu schnitzen, während er sprach. Bären und Elche entstanden unter seinen Händen, nach seinem Tastgefühl; verinnerlichtes Wissen über Form und Maße, während er zu einer weiteren Geschichte ansetzte, die seine Nichten schon häufiger gehört hatten – den Mythos von der jungen Aino, die sich ertränkte, um nicht den bärtigen alten Barden Väinämöinen heiraten zu müssen, erbaten sich die Mädchen jedes Mal von ihm, wie kleine Kinder, die immer wieder nach demselben Märchen verlangten. Nun waren seine Zuhörer jedoch Teenager, von Elga – die noch keine dreizehn war – und Johanna – die ja bereits ihren zwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte – einmal abgesehen.

Wenn Veikko ihnen etwas Neues erzählte, baten sie ihn in der Regel vor seinem Aufbruch darum, ihnen noch eine ihrer Lieblingsgeschichten vorzutragen. »Wir möchten von Hagar hören, die man in die Wüste Sinai verbannt hat«, wünschten sich die Mädchen. Am besten aber gefiel ihnen die Erzählung von Lemminkäinens Mutter aus dem Kalevala-Epos, die den schönen Körper ihres ertrunkenen Sohnes wieder zusammenflickt und zum Leben erweckt hatte. »Es war einmal am Ufer des Flusses von Tuonela … Dort saß sie mit ihrer heilenden Mutterhand auf dem leblosen nackten Leib, wo …« In diesem Moment kam die wirkliche Mutter in die Küche und brach den Bann. Die Schwestern seufzten gereizt. »Louhi, setz dich doch ein Weilchen zu uns«, bat Veikko seine Schwester mit sanfter Stimme. Doch sie schüttelte den Kopf; die strengen Falten in ihrem Gesicht aber glätteten sich, als sie ihren Bruder ansah. »Der Milchwagen kommt gleich«, erwiderte sie kurz angebunden.

Nachdem die Mädchen der rhythmischen Erzählstimme ihres Onkels zwei Tage lang unentwegt gelauscht hatten, von früh bis spät, ob mit Grillwurst in der Hand oder in der Sauna schwitzend, begleiteten sie ihn über eine Abkürzung durch den Wald nach Hause. Langsam tasteten sie sich voran; es war eine weite Strecke, und man konnte einen alten Mann nun mal nicht zu größeren Schritten bewegen. Dort, wo die Wege mit Stolperwurzeln übersät und die Hügel glatt und matschig vom Regen waren, trugen sie ihn abwechselnd über die Hindernisse. Wenn sie sich auf Baumstümpfen oder trockenen Grasbüscheln im Moor niederließen, damit er ausruhen konnte, spann er seine Geschichten weiter. Erzählte von Höhlen in dunklen, moosbewachsenen Felsblöcken, in denen früher Menschen gehaust hatten – flüchtige Gefangene und Landstreicher, ledige Frauen mit ihren unehelichen Kindern. Ja, er habe selbst mit dem Sohn der Waldhure gespielt und erinnerte sich noch lebhaft daran, wie sie sich ins tiefste Innere der kalt-feuchten pechschwarzen Dunkelheit einer Grotte gesetzt und darum wettgeeifert hätten, wer von ihnen die schrecklichste Spukgeschichte zum Besten geben könne. In so einem Fall müsse man entsetzliche Einzelheiten zusammenfabulieren, bläute er den Mädchen ein.

Die Mutter des Jungen indes sei nicht etwa »Waldhure« genannt worden, weil sie gegen Bezahlung Männer empfangen habe, berichtete er, sondern weil sie schwanger vom Rektor der Dorfschule gewesen sei; sie war die Kammerjungfer seiner Frau. Als das herausgekommen sei, habe man sie hinausgeworfen, und sie sei überall auf Ablehnung gestoßen, als sie eine Mietwohnung in der Stadt suchte. Niemand wollte so eine Frau zur Nachbarin haben, wer könne schon wissen, ob das uneheliche Balg nicht womöglich ansteckend sei und andere Kinder gefährde! Deshalb also habe sie sich mit ihrem Sohn – wie so viele unverheiratete Mütter zuvor – in einer Grotte niedergelassen.

»Wollt ihr Sagen zum Besten geben, müsst ihr euch in Höhlen versammeln«, sagte Veikko, als sie ihre Wanderung wieder aufnahmen und er wie ein Junge auf Tiinas starken Schultern ritt, mit atemloser, hüpfender Stimme weiter von den freundlichen Wesen des Waldes erzählend, von Trollen, Kobolden und Elfen. Man bekomme sie selten zu Gesicht, doch wahre Freunde des Waldes begegneten ihnen gelegentlich. Der Wald könne natürlich auch todbringend sein, wenn ein Feuer oder ein Sturm darin wüte oder Meister Petz einen anfalle, aber eines sei gewiss, die Natur zumindest verurteile einen nicht wie die Menschen.

Auf dem langen Rückweg vom Haus des Onkels versuchte Aune die Erzählkunst Veikkos nachzuahmen und wurde von ihren Schwestern sogleich mit Flüchen bedacht. Nach zehn Kilometern protestierten sieben knurrende Mägen im Chor. Seit dem Frühstück hatten sie nichts mehr gegessen, und selbst das hatte nur aus einem gekochten Ei und einem steinharten Brotkanten bestanden. Der Gedanke, wie weit der Weg war, den sie immer noch vor sich hatten, quälte sie. Versuchte ihre Mutter sie etwa durch Hunger in die Knie zu zwingen? Das Leben als Witwe schien sie noch knauseriger gemacht zu haben.

Als die Geschwister schließlich wieder daheim ankamen, muhte das Vieh beunruhigt und stand im Mist, in der Küche stapelte sich kunterbunt das schmutzige Geschirr, und hohes Farnkraut hatte sich überall auf dem Grundstück ausgebreitet. Eine lange nicht mehr gewässerte gelb gewordene Monstera auf der Fensterbank klammerte sich an die feuchte Scheibe, als wollte sie sich durch das Glas pressen, nach draußen, als gierte sie nach frischer Luft und Regen. Ihr Elternhaus wirkte verlassen, fremd, ja sogar bedrohlich. Laura, die nur selten mit Entschlossenheit ihre Meinung kundtat, kam mit einem drastischen Vorschlag: »Das Gemecker der Alten ist Gift für uns. Wir hauen ab in den Wald.«

»Ja, sie stürzt uns noch alle ins Verderben«, sagte Tanja. »Wir versammeln uns zum Widerstand! Wenn wir alles gründlich planen, können wir …«

Tiina hieb die Faust auf den Tisch.

»Jaaa, wir gehn weg!«

»Was würde Veikko wohl dazu sagen?«, bemerkte Aune zaghaft.

»Vielleicht fi-finden wir ja Spuren unseres Vaters«, sagte Johanna, die nach dem Tod des Vaters zu stottern begonnen hatte. »Er hat mir einmal ein-ne K-Karte gezeichnet, auf der er unsre Rastplätze markiert hat.«

Das Stottern ärgerte sie, untergrub es doch ihre Autorität als Anführerin. Sie merkte sofort, dass sie den Respekt ihrer Familie, ihres Stammes einbüßte. Wie spöttisch die verfluchte Elga schon wieder grinste!

»Vater ist im Wald und beschützt uns«, sagte Simone eifrig. »Ich spüre, dass er uns Zeichen hinterlassen hat. Auf uns niederblickt. Gib uns göttliche Kraft, Vater!«

Elga sorgte wie üblich dafür, das letzte Wort zu behalten: »Die Kraft muss schon aus uns selbst kommen.«

Zweites Kapitel

Du kennst Finnland erst, wenn du in seinen tiefen Wäldern gewandert bist, wo die schön gealterten Coloradotannen hoch oben mit Porlingen bewachsen sind. Deshalb träumten die Schwestern davon, die prächtigen Wälder im hohen Norden zu sehen, in die sich nur eingefleischte Kenner des Waldes oder todesmutige Abenteurer wagen. Ich dagegen bin viel zu bequem und urban, um das spartanische und beschwerliche Leben der Schwestern zu führen – besonders das, was nun bevorstand. Um darüber schreiben zu können, habe ich mich intensiv mit der dortigen Flora und Fauna beschäftigt und vor allem die überlieferten Lebensschilderungen alter Samen studiert – sie wussten alles darüber, wie man sich die Schätze des Waldes für sämtliche Lebensnotwendigkeiten zunutze macht, wussten, wie man in Schnee und Kälte überlebt, und natürlich, wie man sich Tiere zum Freund macht oder aber sie als Nahrung erjagt.

Johanna hatte eine Wasserflasche und Reispiroggen in den Rucksack gepackt, Tanja trug eine Thermoskanne mit Kaffee, einen Becher und Sauerteigknäckebrot. Tiina einen Flachmann, Streichhölzer, Birkenrindenstreifen und Schlingen.

Zehn Kilometer vom Hof entfernt erreichten sie Niskanpääs Hühnerstall, wo Johanna der jungen, gelenkigen Elga befahl, ins Hühnerhaus zum Federvieh und dem erstickenden Hühnermistgeruch zu kriechen, um so viele Eier zu stehlen, wie sie nur konnte, während die Älteren Schmiere standen. Die Kartons holten sie sich aus einem Schuppen direkt neben dem Stall.

Die Spätsommerhitze war selbst im dichten Fichtenwald zu spüren. Obwohl die Schwestern sich mit Kienöl eingeschmiert hatten, plagten sie die Mücken. Sie liefen und liefen, bis Laura und Elga jammerten und rasten wollten. Ihre Stirnen waren schweißüberströmt, und Elga beschwerte sich, dass sich ihre Beine wie zwei Besenstiele anfühlten. In diesem Augenblick breitete sich eine Lichtung vor ihnen aus, und ein großer, sonnenbeschienener Fels schien ihnen von dort zuzurufen: Lasst mich eure Ofenplatte sein, Mädchen! Die Hitze, die der Stein ausstrahlte, war ihre Rettung, hätte ein offenes Feuer sie doch möglichen Verfolgern verraten. Aune schlug die Eier an der Seite auf, wo der Stein eine flache, gleichmäßige Vertiefung aufwies. Sie würden sicher auch dann satt machen, wenn man sie in Waffenfett briet! Johanna verlangte von den anderen, ein Stück des Steines sauber zu reiben, die Eier zuzubereiten und sie ihr zu servieren, während sie eine Fichte von überflüssigen Ästen befreite und ein prächtiges Lager daraus errichtete. Sie schien der Auffassung zu sein, dass sie in ihrer Eigenschaft als Anführerin der Truppe ohnehin für zwei arbeite und ihr deshalb mehr Ruhepausen zustünden als den anderen. Auf dem Rücken liegend sah sie zu, wie die Wolken über den Fichtenwipfeln rasch dahinzogen, während sie auf ihr Sauerteigknäcke mit Ei wartete.

Nachdem sie das Essen runtergeschlungen und Tiina laut gerülpst hatte, hörten sie in der Ferne Hundegebell, und ihre Namen schallten über die Wipfel: Die durchdringende Stimme der Mutter übertönte die dumpfen Männerstimmen. Jäh setzten sich die Schwestern auf und horchten; es klang, als würde eine ganze Schar nach ihnen suchen, aber es war schwer zu sagen, wie weit sie noch entfernt waren. Johanna versteckte ihr Reisiglager unter einer dichten Fichte, verwischte sämtliche Spuren und beorderte ihre Schwestern, gemeinsam die Flucht anzutreten. Dann liefen sie nacheinander geradewegs in den dunklen, kühlen Wald hinein. Sie passierten Moore und machten einen Umweg um einen Sumpf, wo ein Reiher aufflog und mit langgestrecktem Körper Kurs auf einen weniger bedrohlichen Ort nahm.

Vierzehn kraftlose Beine, vierzehn nackte Füße, die sich weigerten, weiter Dienst zu tun. Vier Stunden später sank Elga wimmernd auf die Knie, und Tiina streckte sich der Länge nach auf einem Moosbett aus. Schwarzspecht. Eichelhäher. Aber keine Spur irgendwelcher Verfolger. Hatten sie sich verhört? Sieben Paar junge Ohren können doch wohl nicht den Ruf eines Kauzes mit der tiefen Stimme der Mutter verwechselt haben?

Tanja und Johanna machten sich stolpernd auf die Suche nach einem geeigneten Rastplatz und entdeckten einige Hundert Meter entfernt einen Waldsee. Alle sieben warfen ihr Gepäck ab, rissen sich die Kleider vom Leib und sprangen hinein – sieben Fontänen. Tiina kraulte mit Simone um die Wette, sogar Laura machte mit bei dem Spiel. Die Mädchen planschten herum und prusteten genießerisch.

Mit frischer Kraft errichteten sie eine einfache Reisighütte und teilten sich die Piroggen, während es dämmerte und die Nachttiere im Unterholz zu rascheln begannen. Der Flachmann wanderte von Mund zu Mund, der Trank brannte und wärmte, der Halbmond leuchtete und spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. Erneut glitten weiße Leiber in dem pechschwarzen Wasser umher. Elga hielt sich die Nase zu und sprang hinein, und Tiina gab vor, ihr das Leben zu retten, nur um im nächsten Moment den Kopf ihrer kleinen Schwester zu packen und ihn lange unter die Wasseroberfläche zu drücken. Rohes Gelächter schallte der panisch Hustenden und nach Atem Ringenden entgegen.

Anschließend saßen sie fröstelnd zusammen, bis sie ihre matten Leiber im Moos ausstreckten; dicht beieinander, die eine hatte den Kopf auf dem Bauch, die nächste den Kopf auf den Schultern der anderen, sie waren miteinander verschlungen wie junge Hunde, die die Wärme der Welpengeschwister suchten. Die Schwestern fielen in einen tiefen Schlaf, wie sie ihn seit dem Tod des Vaters nicht mehr gekannt hatten. Kann man so tief schlafen, dass der Übergang zum Tod nahezu fließend ist?

Doch halt – nicht alle schliefen ein. Laura hatte mit ihrem Schnitzmesser eine Fichte abgeästet und sich an der Wurzel, wo die schweren, schützenden Zweige des dicht gewachsenen Baums ins Moos hinabtauchten, ein behütendes Lager bereitet. Sie lauschte den beruhigenden Geräuschen der Nacht: dem Zirpen der Fledermäuse und dem Geraschel von Füchsen und Hirschen.

Johanna wurde davon wach, dass jemand an die Tür klopfte. Ach nein, es war ein Grünspecht, der eine große Öffnung in eine Kiefer zimmerte sowie eine kleinere Höhle unter dem Nest der Erwachsenen. Die Älteren wollten offenbar ungestört schlafen. Schlaftrunken reckte sich Johanna, streckte die schmerzenden Beine aus, bis ihr bewusst wurde, dass sie im Wald und dicht neben der schwer atmenden Tiina lag, deren Achselhöhle widerwärtig stank. Der Specht klopfte weiter, ansonsten waren nur die Atemzüge der Geschwister und Tiinas Schnaufen zu hören; im Schlaf klang sie wie ein alter Mann. Johanna durchsuchte den Rucksack nach den letzten Reispiroggen. Kaute mit vollen Backen und ließ ihren Blick über den See schweifen, über dem die Libellen im Morgennebel spielten. Gierig starrte sie die letzte so lecker aussehende Pirogge an, zügelte sich jedoch, als sich in ihr ein seltener, gönnerhafter Gerechtigkeitssinn meldete – den Rest durften sich die Geschwister teilen. Der Hunger war wirklich ihre einzige Sorge an diesem schönen Ort. Johanna holte die Schlingen aus dem Rucksack. Wenn sie nach der Methode ihres Vaters vormittags Fallen auslegten, würden sie bestenfalls abends etwas zu essen haben. Dann würden sie allerdings ein verräterisches Feuer entfachen müssen.

Johanna tauchte in den See und weckte mit ihrem morgendlichen Bad die anderen. Tanja und Aune gähnten lautstark und schüttelten Simone. Elga, die kein Morgenmensch war, schnarchte weiter, während Tanja und Aune ins Wasser glitten und sich zu Johanna gesellten. Simone verschränkte die Hände und murmelte ein Morgengebet. Laura kroch aus ihrem Fichtenversteck, blickte zum See und zu den herumplanschenden Geschwistern. Schlüpfte in die Stiefel, steckte sich eine Zigarette an und stromerte für sich allein im Wald herum; manchmal beugte sie sich hinab und befühlte das Moos. Sie entdeckte dunklen Ton und wühlte darin herum, streifte sich den Pullover ab und füllte so viel Ton wie möglich hinein, drückte das Wasser aus, trug das Bündel ein Stück mit sich und setzte sich auf einen großen, flachen Stein. Unter ihren behutsam knetenden Fingern entstand aus dem Tonklumpen ein Mädchen mit Fuchsnase.

Die Arbeiten an diesem Spätsommertag – Vorbereitungen für das abendliche Lagerfeuer und das Präparieren der Schlingen – gingen ihnen leicht von der Hand. Johannas optimistischer morgendlicher Plan war von Erfolg gekrönt, zwei Tauben waren nämlich in die listig gelegten Fallen getappt. Wortlos gedachten die Schwestern ihres Vaters in seinem Himmel. Johanna machte es sich auf einem Moospolster bequem, spähte hoch zu den Fichtenwipfeln und trällerte einen Gassenhauer vor sich hin. Tanja stimmte summend ein, als sie den toten Vögeln die Federn ausrupften. Simone baute eine einfache Hütte aus Fichtenreisig, und ein paar Meter abseits loderte ein Feuer. Auf dem Kohlenbett rösteten Aune und Simone die zuvor auf Stöcke gespießten Vögel; ihre Wangen waren rußig, ihre Kleider zerrissen. Neben ihren Schwestern saß, versunken in ihre eigene Welt, Laura und formte einen Esel aus Ton.

Die Mücken fielen sie an. Fluchend schlugen die Schwestern um sich. Simone zündete einen Birkenporling an, dessen Rauch den Schwarm etwas auseinandertrieb. Während sie darauf warteten, dass das Fleisch durchgarte, erzählte Aune ihnen eine Geschichte – die von dem Mädchen Aino, das zur Heirat mit dem alten Helden Väinämöinen gezwungen wurde, jenen traurigen Mythos, den auch Veikko immer wieder zum Besten gab.

Die Schwestern brannten darauf, neue Details zu erfahren: »Aino lernte, dass es eine Gunst sei, einen so weithin angesehenen Mann zu ehelichen, diesen göttergleichen mit der betörend tiefen Gesangsstimme, die Scharen von Zuhörern in ihren Bann zog. Doch die junge Aino ertränkte sich lieber, statt das schrumpelige Glied eines alten Mannes in ihren Schoß einzulassen. Väinämöinen trauerte um seine Jungfer mit den langen, glänzenden Haaren; er ruderte hinaus auf den See zu dem Ort, an dem das Mädchen sich umgebracht hatte, und was sah er da? Einen starken Lichtschein auf der Wasseroberfläche. Er erhaschte einen Blick auf die junge Aino, die in der Tiefe in einen silbrig glänzenden Fisch verwandelt worden war. Das Boot wäre beinahe gekentert, als …«

»Hat’s sie wirklich gegeben?«, unterbrach Tiina Aune.

»Klar hat’s sie gegeben«, erwiderte Aune ruhig.

»Aber dass sie in einen Fisch verwandelt wurde … das glaubt ihr doch wohl nicht«, meinte Elga.

»Es gibt zu viele derartige Erzählungen, als dass ich nicht dran glauben würde«, sagte Simone. »Wie die von …« Und schon waren sie wieder mittendrin und erzählten.

Man merkte, dass der Herbst nahte. Früh setzte die Abenddämmerung ein, und der Waldsee wurde von Nebelschwaden umhüllt. Die Schwestern starrten in das Weiß. War das womöglich ein Zeichen, befand sich Ainos Geist in der Schwärze darunter? Jede gemeine Prachtlibelle, die auf der blanken Wasseroberfläche Muster hinterließ, war ein Gruß von ihr. Als es dunkel wurde, erhob sich ein dumpfes Summen, und wieder machten sich dichte Mückenschwärme über die Schwestern her.

»Kr-kr-kratzt nicht … Blut … dann kommen alle«, kommandierte Johanna.

»Genauso gut könntest du sagen, dass wir mit dem Saufen aufhören solln«, entgegnete Tiina.

Die Schwestern kratzten an ihren Mückenstichen, und der Mund wurde ihnen wässrig, als das Vogelfleisch über dem Feuer zischte und Simone das Essen unter ihnen aufteilte. Hungrig schnappten sie mit den Fingern nach den heißen Fleischstücken und verbrannten sich Gaumen und Daumen. Als sie die Tauben verspeist hatten, dachten sie, dass sie nie wieder Vogelfleisch essen könnten, nicht einmal Hunger danach bekommen würden. Johanna ließ die Branntweinflasche kreisen. Tiina rülpste, furzte eine Melodie und forderte die anderen auf, das Lied zu erraten, während Elga eine pubertäre Miene aufsetzte, die große Entfremdung ausdrückte. Sie wollte sich vom Rudel loslösen.

»Jetzt werd ich mir das Maul erfrischen.«

Sie riss sich die Kleider herunter, sprang in den See, sodass glitzernde Bläschen wie zu einem Schaumbad aufstoben.

Tiina folgte ihr.

»Ich will meinen Arsch abkühlen.«

Sie verschwand so lange unter der Wasseroberfläche, dass Johanna sich besorgt fragte, ob sie sich in den Seerosen verheddert hatte. Laura kletterte auf einen Felsen und tauchte die Füße ins kalte Wasser. Nachdem die anderen fertig gebadet hatten, ließ sie sich in den See gleiten und schwamm gemächlich hinüber ans andere Ufer. In einem Waldsee zu schwimmen ist aufregend, kann man doch nie wissen, was sich unter einem befindet. Mit Schädeln von Steinzeitmenschen und Skeletten von Selbstmördern ist immer zu rechnen. Mit Bärenschädeln. Einem Pferd, das eines Winters, als Veikko noch jung war, ins Eis eingebrochen war. Und nun durfte das Wasser die verschmutzten Kleider der Mädchen säubern, die anschließend am Feuer zum Trocknen aufgehängt wurden.

Nach dem Bad standen sie alle nackt um das Feuer und wärmten sich. Den älteren Geschwistern fiel auf, dass Elgas Schamhaar den Sommer über dicht geworden war und Tanjas Brüste gewachsen waren. Johanna ließ den Flachmann herumgehen. Als die Flasche leer war, verstummten sie. Johanna seufzte. Alle wussten, was das hieß. Sie hatten auf das Zeichen gewartet. Nun ließen sie sich im Kreis um das Lagerfeuer nieder. Johanna kletterte auf einen kleinen Hügel, erhob sich buchstäblich über die anderen. Laura setzte sich schräg hin und streckte die Beine aus dem Kreis.

»Wär’s nicht schön, die ver-verrückte Alte daheim los zu sein?«, sagte Johanna und sah ihre Geschwister auffordernd an.

»Willst du sie umbringen?«, fragte Elga mit einem schiefen Lächeln.

»Nee, aber für immer weglaufen«, erwiderte Johanna.

Die Schwestern im Chor: »Jaaa!«

Johanna bedeutete ihnen, ihr Geschrei zu dämpfen, und wurde ernst.

»Die Frage ist, ob wir auf Dauer das Vagabundenleben packen …?«

»Obdachlose schlafen auch unter freiem Himmel«, sagte Aune sanft.

»Die Haut härtet durch Herbststürme und Wolfswinter ab. Wir passen uns den Umständen an. Hasenherzig sind wir nicht. Dafür haben unsre werten Eltern gesorgt. Und Veikko hat uns auch allerhand beigebracht.«

»Bald setzen die ersten Frostnächte ein«, gab Tanja zu bedenken. »Der Herbstregen. Wir müssen uns auf eine Lösung einigen.«

»Die Fichten sind unser Schutz, unsere Schilde. Stellt euch bloß vor, hier mit Wölfen und Bären als Nachbarn zu hausen!«, sagte Aune.

Johanna ging in die Hocke; leise sprach sie weiter.

»Ich gl-gl-glaube … unser geliebter Vater … dort oben auf dem Gipfel des Berges, raucht Pfeife, umgeben von Engeln … Wisst ihr übrigens, was er mir sagte, als wir auf der Jagd in der Hütte übernachtet haben?«

»Nööö.«

»Ich habe das ewige Leben. Ich bin immer bei euch. Unsre Herrschaft wird niemals enden.«

»Aber kann er uns im Schneesturm beschützen?«, wandte Elga ein und brach so den Bann.

»Der Heilige Geist beschützt uns immer«, sagte Simone. »Das weiß zumindest ich, aber unsre liebe Mutter lebt jetzt sicher in Todesangst.«

»Die Olle brennt doch nur drauf, uns sämtliche Knochen im Leib zu brechen«, fauchte Tanja.

»Die Steine des Waldes sind zärtlicher, als es die Vettel jemals war«, sagte Tiina.

»Zu Hause erwa-wartet uns die P-Peitsche«, gab Johanna zu bedenken. »Sie macht Mus aus uns, wenn sie uns in die Klauen kriegt.«

Sogar die sonst so sanfte Aune wurde drastisch: »Die Alte ist das genaue Gegenteil von Lemminkäinens zärtlicher Mutter.«

»Die hatte einen Sohn, nicht sieben Tö-Töchter«, sagte Johanna.

Unsere siebenköpfige Schar verstummte und verfiel in Melancholie. Die Geräusche der Nacht regierten, Kälte packte die Mädchen, sie froren, und ihre Lippen wurden blau. Simone pulte nervös an ihren Zehennägeln, dann sagte sie zweifelnd: »Die Zeit ist knapp. Die Nächte sind schon frostig. Wir schaffen es nicht mehr, uns vor dem Herbst an die Kälte zu gewöhnen. Ich hab das Gefühl, dass der Teufel uns holt, wenn wir hierbleiben. Wir können genauso gut nach Hause wandern und unsre Strafe auf uns nehmen, es hinter uns bringen. Morgen früh – nachdem wir geschlafen und ein Bad im See genommen haben – machen wir uns auf den Rückweg.«

»Es geht uns ja auch recht gut zu Haus am Fluss und den Bächen des Tals«, sagte Johanna. »Dort haben wir alle nötigen Zutaten für Branntwein und Bier. Lasst uns unsre Flucht für das nächste Frühjahr planen, liebe Leute.«

»Erdkellerkalter Porter, das ist zu Hause für mich!«, schwärmte Tiina.

»Wir können Veikko bitten, bei uns zu leben, das besänftigt auch Mutter«, sagte Aune. »Lasst uns diese Tage im Schoß des Waldes als schöne Erinnerung behalten, von der wir zehren und noch erzählen werden, wenn wir alt sind.«

Simone sah zum Himmel und faltete fromm die Hände.

»Was unsre arme Mutter wohl vorhat?«, sagte sie. »Ob sie nach Hause zurückgekehrt ist und Leute für einen Suchtrupp zusammentrommelt?«

»Wir können ihr nicht entkommen«, sagte Aune.

»Wi…wir sind zäh. Gemeinsam sind wir unbesiegbar«, erwiderte Johanna.

»Wir gehn langsam heimwärts, nehmen aufrecht die Schläge hin«, sagte Simone.

»Dann müssen wir hier auch nicht mehr liegen wie eine Herde Lämmer«, meinte Tiina.

»Aber das Lamm geht nie frei…willig zur Schlachtbank«, wandte Johanna ein.

»Wir wurden ja auch nicht mit ’nem Schafspelz auf dem Buckel geboren«, sagte Aune.

»Wir beißen die Zähne zusammen und begeben uns standhaft heim. All unsre Argumente laufen auf diese Entscheidung hinaus«, meinte Simone.

Elga räusperte sich.

»Ich schlage vor, dass wir wenigstens noch einen Tag mit unsren noch unversehrten Buckeln darüber nachdenken. Oder was meinst du, Laura, da drüben in der Pfütze mit deinen Lehmbären?«

»Ich bleibe. Hier lässt sich’s gut arbeiten. Geht ihr nur.«

»Und wovon willst du dich ernähren? Willst du etwa Ton fressen?«, fragte Elga.

»Ja.«

»Und wenn der Frost kommt, was isst du dann?«, fragte Elga weiter.

»Schnee und Flechten.«

»O…okay. Einen Tag noch«, willigte Johanna ein. »Und was soll das sein, was hast du diesmal zusammengeschustert?«

Laura sah Johanna an.

»Mädchen mit Bär.«

 

 

Johanna wachte mitten in der Nacht auf; Aunes schmutziger Fuß lag an ihrem Mund. Ihr Schienbein juckte, wo die Mücken gesaugt hatten. Sie hörte ein Rascheln. War es nah oder fern? Ein Bär? Oder ein Vielfraß? Vielleicht Wölfe, die Blut gewittert hatten. Ihr Vater hatte sie alle davor gewarnt, mit blutiger Büx in der freien Natur zu schlafen. Tanja und Aune hatten immer gleichzeitig ihre Tage. Als sie das gegrillte Fleisch gegessen hatten, war ihnen das Blut an den Beinen heruntergelaufen.

Johanna setzte sich auf und horchte konzentriert, was war das? Ach, nur Laura, die pinkeln gegangen war. Sie war schwierig, Laura, aber nicht die Schlimmste. In dem Albtraum, aus dem