Die Tochter - Martina Cole - E-Book
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Die Tochter E-Book

Martina Cole

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Beschreibung

Dieser Mörder hat sich den falschen Mann zum Feind gemacht … Auch ein Gangster hat einen wunden Punkt – und ist gnadenlos, wenn die, die ihm am nächsten stehen, angegriffen werden … Das wird Polizistin Kate Burrows klar, als sie den Unterweltboss Patrick Kelly befragt. Nicht als Täter, sondern als den Angehörigen eines Opfers: Denn seine über alles geliebte Tochter wurde von einem eiskalten Serienkiller vergewaltigt und halbtot geprügelt. Patricks Lage weckt Kates Mitgefühl. Entschlossen, den Mörder schnell zu finden lässt sie sie sich auf eine Zusammenarbeit mit dem Mann ein, der eigentlich ihr Gegner sein müsste. Doch als sie das Netz um den Täter enger ziehen, zeigt sich, dass sie unterschiedliche Ziele haben: Kate will den Killer festnehmen – Patrick will ihn selbst zur Rechenschaft ziehen, so langsam und schmerzhaft, wie es nur geht … »Martina Cole ist die Königin des harten Frauenthrillers.« Sunday Express Fesselnde Spannung der britischen Bestsellerautorin, die Fans von Sandra Brown, Lisa Jackson und Louise Jensen begeistern wird. »Ich konnte diesen fesselnden, einmaligen Thriller nicht aus der Hand legen.« Amazon-Leserin

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Seitenzahl: 1070

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

Auch ein Gangster hat einen wunden Punkt – und ist gnadenlos, wenn die, die ihm am nächsten stehen, angegriffen werden … Das wird Polizistin Kate Burrows klar, als sie den Unterweltboss Patrick Kelly befragt. Nicht als Täter, sondern als den Angehörigen eines Opfers: Denn seine über alles geliebte Tochter wurde von einem eiskalten Serienkiller vergewaltigt und halbtot geprügelt. Patricks Lage weckt Kates Mitgefühl. Entschlossen, den Mörder schnell zu finden lässt sie sie sich auf eine Zusammenarbeit mit dem Mann ein, der eigentlich ihr Gegner sein müsste. Doch als sie das Netz um den Täter enger ziehen, zeigt sich, dass sie unterschiedliche Ziele haben: Kate will den Killer festnehmen – Patrick will ihn selbst zur Rechenschaft ziehen, so langsam und schmerzhaft, wie es nur geht …

Über die Autorin:

Martina Cole ist eine britische Spannungs-Bestsellerautorin, die bekannt für ihren knallharten, kompromisslosen und eindringlichen Schreibstil ist. Ihre Bücher wurden für Fernsehen und Theater adaptiert und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Martina Cole hält regelmäßig Kurse für kreatives Schreiben in britischen Gefängnissen ab. Sie ist Schirmherrin der Wohltätigkeitsorganisation »Gingerbread« für Alleinerziehende und von »Women's Aid«.

Die Website der Autorin: martinacole.co.uk/

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/OfficialMartinaCole/

Bei dotbooks veröffentlichte Martina Cole ihre Thriller »Die Gefangene«, »Die Tochter«, »Kidnapped«, »Perfect Family«, »The Runaway« sowie die Spannungsromane »Eine irische Familie«, »Die Ehre der Familie«, und »Die Abgründe einer Familie«.

***

eBook-Neuausgabe Januar 2025

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1993 unter dem Originaltitel »The Ladykiller« bei Headline Book Publishing PLC, London.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1993 by Martina Cole

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2008 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von © Aperture Eleven/Adobe Stock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3-98952-643-3

***

dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. In diesem eBook begegnen Sie daher möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Diese Fiktion spiegelt nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Martina Cole

Die Tochter

Thriller

Aus dem Englischen von Jens Plassmann

dotbooks.

Widmung

Ich widme dieses Buch Les und Christopher

Bedanken möchte ich mich bei meinem Agenten Darley Anderson für seinen Glauben, sein Vertrauen und vor allem für seine Freundschaft.

Vielen Dank an Sergeant Steven Bolger vom Windmere Police Department, Florida, für all seine Hilfe während meiner Recherche für dieses Buch.

Ein kleines Dankeschön auch an Julie für das Tippen und Tippen und Tippen.

Und ein ganz besonderer Dank an meinen Mann und meinen Sohn, die schon wissen wofür.

Buch eins

»Von all dem Leid, der Mühsel’ge erfährt,

Keins bittrer trifft denn höhn’scher Spott;

Nie das Schicksal hohen Herzen Wunden reißt,

So tief wie des Toren vergifteter Pfeil.«

– Samuel Johnson, 1709–84

»Ich habe dich geprüft im Glutofen des Elends.«

– Jesaja 48, 10

»Blut ist obligatorisch – immer fließt Blut, Sie verstehen.«

– Tom Stoppard, Rosenkranz und Güldenstern

Prolog

»Alles, worum ich dich gebeten hatte, war, deine matschigen Schuhe auszuziehen. Herrgott noch mal, George, bist du schwer von Begriff oder was? Kapierst du nicht mal die einfachsten Dinge?«

Elaine Markham sah in das ausdruckslose Gesicht ihres Mannes und bezwang den Drang, ihm ihre Faust hineinzuschlagen. Unwillkürlich biss sie die Zähne zusammen und unternahm einen konzentrierten Versuch, sich zu entspannen. Erneut wanderte ihr Blick zu der feuchten Erde, die überall auf dem Küchenboden verschmiert war.

Mit einem tiefen Seufzer holte sie den Scheuerlappen unter der Spüle hervor, knallte die Tür des Küchenschranks zu und füllte einen Plastikeimer mit Wasser. George Markham beobachtete, wie seine Frau ein paar Spritzer Domestos ins Wasser gab. Dann ließ er sich auf einem der Küchenstühle nieder und begann seine Gartenschuhe auszuziehen, wobei er sorgsam darauf achtete, den Boden nicht noch mehr zu beschmutzen.

Elaine drehte sich mit dem Wassereimer in der Hand um und kreischte ihn an: »Kannst du das nicht über einem Blatt Zeitungspapier machen? Bist du so blöd, dass du nicht einmal an so etwas Simples denken kannst?«

George starrte seine Frau einige Sekunden lang an und kaute auf seiner Unterlippe.

»Es tut mir leid, Elaine.« Seine Stimme war leise und verunsichert. Ihr Klang ließ seine Frau die Augen zusammenkneifen.

George streifte seine Schuhe ab, ging zur Küchentür und stellte sie nach draußen. Vorsichtig schloss er die Tür und wandte sich zu seiner Frau.

»Gib schon her, Elaine. Ich mach die Sauerei selbst weg.« Er lächelte sie traurig an und rief damit ein Schnaufen hervor. Verärgert schüttelte sie den Kopf.

»Nein. Du machst es nur noch schlimmer. Mein Gott, George, kein Wunder, dass du auf der Arbeit nicht weiterkommst. Fällt einem ja schon schwer zu verstehen, warum sie dich überhaupt jeden Tag hinkommen lassen.« Sie stellte den Eimer mit dem dampfenden Wasser auf den Boden und kniete sich nieder. Während sie anfing, den Boden zu schrubben, schimpfte sie weiter.

»Ehrlich, du schaffst es wirklich, einen zur Weißglut zu bringen. Nichts kannst du anpacken ... überhaupt nichts ..., ohne es irgendwie zu vermasseln. Erinnere dich nur an letzte Woche ...«

George beobachtete, wie die üppigen Pobacken seiner Frau sich unter ihrem Kittel bewegten, während sie arbeitete und redete. Die Fettrollen an ihren Hüften schwabbelten bedenklich, als sie den Boden schrubbte. Vor seinem geistigen Auge sah er sich von seinem Stuhl aufstehen und sie mit aller Kraft in den Hintern treten, sodass sie mitsamt ihrem Wassereimer durch die Küche flog. Die Vorstellung brachte ein Grinsen auf seine Lippen.

»Was grinst du denn so?« Es fiel ihm schwer, in die Wirklichkeit zurückzukehren und sich auf Elaines Gesicht zu konzentrieren. Sie starrte ihn über ihre Schulter hinweg an. Ihr knallgrüner Lidschatten und die rubinroten Lippen leuchteten grell im Licht der Neonröhre.

»Nichts ... nichts, Liebling.« Er klang verlegen.

»Ach, hau einfach ab, George. Geh mir aus den Augen.«

Er starrte weiter seine Frau an, ihre starken Arme und Hände, die den Putzlappen auswrangen, ihre Finger, die zudrückten, bis der letzte Tropfen Wasser entwichen war. Er wünschte sich, es wäre Elaines Hals, den er so zudrückte. Stattdessen wandte er sich zur Hintertür.

»Wohin gehst du denn jetzt?« Ihre Stimme war hoch und gereizt.

George blickte sie an.

»Ich muss noch ein paar Dinge im Schuppen erledigen.«

Elaine drehte ihre Augen zur Decke.

»Prima, und warum um alles in der Welt bist du dann überhaupt schon reingekommen, verdreckst hier den Boden und richtest so ein Chaos an?« Sie breitete ihre Arme zu einer fragenden Geste aus.

»Ich wollte nur eine Tasse Tee. Aber ich seh ja, dass du beschäftigt bist ...«

Hastig stürzte er aus der Küche und zog sich draußen vor der Hintertür wieder seine Gartenschuhe an. Elaine starrte ein paar Sekunden lang die geschlossene Tür an. Wie immer, nachdem sie sich George ›vorgeknöpft hatte‹ – wie sie es insgeheim nannte –, fühlte sie sich schuldig. Schuldig und erschöpft. Er war einfach zu nichts zu gebrauchen. Sein träges Einverständnis mit der Art und Weise, wie sie lebten, machte sie nach all den Jahren wahnsinnig. Seufzend fuhr sie damit fort, den Boden zu wischen.

Im Schuppen verriegelte George die hölzerne Tür und lehnte sich für einen Moment dagegen. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er schloss die Augen, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und atmete tief durch.

Eines Tages würde Elaine einen Schlaganfall bekommen. Sie würde ihren Mund einmal zu oft aufreißen. Er konnte spüren, wie sein Herz gegen die Rippen hämmerte, und legte seine Hand darüber, als wollte er es damit beschwichtigen.

Er ging zur gegenüberliegenden Seite der Hütte, nahm einen Stapel Gartenmagazine von einem ausrangierten Schulpult und klappte dessen Deckel hoch. Im Innern des Pults lagen ein paar schmuddelige Pullover – seine Gartenpullover. Mit einem Lächeln zog er sie heraus. Darunter kamen seine Hefte zum Vorschein. Seine richtigen Hefte, mit richtigen Frauen darin. Frauen, die nicht herumnörgelten, schimpften und Forderungen stellten. Frauen, die einfach ruhig dalagen und lächelten. Was auch immer man mit ihnen anstellte.

Er nahm das oberste Heft in die Hand. Das Titelbild zeigte eine Frau von etwa zwanzig Jahren. Ihre Arme waren hinter dem Rücken zusammengebunden, und um ihren Hals schlang sich ein Lederband. Die langen blonden Haare hingen ihr über die Schultern und verdeckten teilweise ihre Brüste. Die behaarte Hand eines Mannes riss ihren Kopf nach hinten und brachte die lieblichen Locken mit männlichem Griff in Unordnung. Sie lächelte.

George betrachtete eine Weile das Bild. Er lächelte schwach, und seine kleinen, ebenmäßigen Zähne wurden sichtbar. Während er auf seinem Sessel Platz nahm, fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. Bedächtig, als wäre es das erste Mal, schlug er das Heft auf. Er wollte jedes Bild in Ruhe genießen.

Er blickte das Mädchen vor ihm an. Diesmal war es ein anderes Mädchen, orientalisch aussehend, mit winzigen spitzen Brüsten und dichtem schwarzem Haar. Sie kniete auf allen vieren. Das Lederband um ihren Hals war mit ihren Füßen verbunden. Man konnte erkennen, dass sie sich erwürgen würde, sobald sie sich gegen die Fessel wehrte. Hinter ihr befand sich ein Mann. Er trug eine schwarze Ledermaske und stand kurz davor, seinen erigierten Penis in den Anus des Mädchens zu schieben. Ihr Rücken war gewölbt und sie sah direkt in die Kamera. Ein glückseliges Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

George seufzte vor Zufriedenheit. Langsam durchblätterte er das Magazin. Hier und da hielt er inne und streckte das Heft etwas von sich, um die Bilder aus einem anderen Winkel zu betrachten. Er spürte das vertraute Gefühl der Erregung in sich aufsteigen. Seine Hand schob sich in die Polsterfalte des Sessels. Einen Moment tastete er dort herum, dann fand er das Armeemesser, nach dem er gesucht hatte. Sorgfältig breitete er das Magazin über seinen Knien aus, dann ließ er das Messer aus der Scheide gleiten. Es war ein großes Messer mit einer achtzehn Zentimeter langen, gezackten Klinge. Er drehte das Messer in dem Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel, und bewunderte sein Funkeln. Dann sank sein Blick auf das Mädchen, dessen Bild die Mittelseiten des Magazins füllte. Mit einer Mischung aus Leiden und Verzückung sah sie zu ihm auf, während ein Kapuzenmann in ihr Gesicht ejakulierte und der Samen an ihrem Kinn hinunter bis auf die Brüste lief.

Gewissenhaft und präzise begann George sie zu zerstückeln. Er zog das Messer über ihren Hals und schlitzte dabei das Papier auf. Danach ritzte er an ihren Brüsten und an ihrer Vagina. Die gesamte Zeit über blickte sie ihn an. Lächelte ihn an. Ermunterte ihn. Er spürte, wie seine Erektion wuchs, spürte den kalten Schweiß unter seinen Armen und auf seinem Rücken und fing an, auf das Heft einzustechen, das Messer in das Papier zu rammen. Es rauschte in seinen Ohren, als würde er unter Wasser schwimmen, und schließlich steigerte sich das Rauschen zum Crescendo, und die schwungvollen, beinahe ekstatischen Wellen des Orgasmus erfassten ihn.

Zurückgelehnt hing George in seinem alten bequemen Sessel und atmete in keuchenden, kleinen Schüben. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder. Er schloss seine Augen. Nach und nach nahm er die alltäglichen Geräusche und Ereignisse um sich herum wieder wahr.

Er hörte den Rasentrimmer seines Nachbarn neben seinem Schuppen und die Geräusche der Kinder, die nebenan in ihrem Planschbecken spielten. Ihr piepsiges Babylachen drang in sein Bewusstsein. Eine salzige Schweißperle tropfte in sein Auge, und er blinzelte sie fort. Bedächtig schüttelte er seinen Kopf und sah in seinen Schoß hinunter. Da bemerkte er das Blut.

Einige Sekunden lang blinzelte er hektisch. Das Mädchen war blutüberströmt. Der Körper, den er zerstückelt hatte, färbte sich langsam purpurrot. George starrte gebannt auf das Heft.

Dann schob er das Magazin von sich fort, und all seine Nerven vibrierten vor Schock.

Er hatte sich selbst aufgeschlitzt! Er sah auf den Schnitt in seinem Oberschenkel hinunter. Blut quoll daraus in alle Richtungen. In seiner Panik sprang er vom Sessel auf. Das Messer hatte seine Jeans zerschnitten und war in sein eigenes Fleisch gedrungen!

Er musste es Elaine erzählen. Sie musste ihn ins Krankenhaus bringen. In blindem Entsetzen humpelte er zur Schuppentür.

Dann erinnerte er sich an die Hefte.

Während er mit einer Hand das verletzte Bein umklammerte, sammelte er die Magazine vom Boden auf. Zusammen mit den anderen stopfte er sie in das Kinderpult, quetschte die Pullover darüber und schloss den Deckel. Inzwischen konnte er fühlen, wie das Blut sein Bein hinablief.

Er hob den Stapel Gartenzeitschriften auf und warf ihn auf die Platte des Pults. Jetzt war überall Blut.

Sobald er den Riegel an der Oberkante der Schuppentür zurückgeschoben hatte, stolperte er ins Sonnenlicht hinaus. Das Planschen und Kreischen, das über den blickdichten Lärchenzaun drang, bohrte sich in seine Ohren. George rannte den Weg zur Hintertür hinauf und riss sie auf.

Elaine bereitete gerade das Gemüse für das Abendessen zu. Erschrocken drehte sie sich zu ihm um. Blutüberströmt stand er vor ihr.

»Ich ... ich hab mich geschnitten, Elaine.« Er weinte fast.

»Oh mein Gott, George!« Sie packte ein Geschirrtuch, schlang es um sein Bein und zog es fest. »Komm rasch. Ich fahr dich ins Krankenhaus.«

George lag in einer Behandlungskabine der Notaufnahme des Grantley Hospital. Ihm war schlecht. Eine junge Krankenschwester versuchte ihm die Hose auszuziehen.

»Bitte, Mr Markham. Ich muss sie ausziehen.« Ihre Stimme klang jung und rauchig.

»Nein! Nein, das dürfen Sie nicht. Schneiden Sie das Hosenbein ab oder so etwas.«

George und die Krankenschwester blickten einander an. Dann sahen beide zum Vorhang, der zurückgezogen wurde. Die junge Krankenschwester atmete erleichtert auf. Es war der Stationsleiter Joey Denellan.

»Was gibt’s denn, Schwester?« In seiner Stimme lag jene gekünstelte Heiterkeit, die für männliche Krankenpfleger so typisch ist.

»Mr Markham lässt mich nicht seine Hose entfernen.«

Der Mann lächelte George an. »Na, wir sind wohl einer von den Schüchternen, wie? Also gut, kein Problem. Ich werde das für Sie übernehmen.«

Die Krankenschwester ging, und bevor George protestieren konnte, hatte der junge Mann ihm die Jeans heruntergezogen. George versuchte noch, den Hosenbund zu packen, aber der Pfleger war zu stark. Die Jeans waren weg.

George schluckte schwer und wandte seinen Kopf vom Gesicht des jungen Mannes ab.

Joey Denellan betrachtete das verletzte Bein mit erfahrenem Auge. Ein tiefer Schnitt, der aber keine wichtige Arterie getroffen hatte. Sein Blick huschte über den Mann vor ihm und blieb dann abrupt hängen. Kein Wunder, dass der alte Junge sich so gesträubt hat, als Jenny ihm die Hose ausziehen wollte. Die Flecken waren ganz frisch und noch feucht. Was hatte er bloß getrieben, wobei er sich solch einen klaffenden Schnitt ins Bein zugezogen hatte? Joey zuckte mit den Achseln. Ihr Job war es nicht, nach den Gründen zu fragen.

»Mit was für einem Messer ist das passiert?« Joey war bemüht, den lockeren Ton in seiner Stimme beizubehalten.

»Oh, ein Schweizer Armeemesser.« George sprach leise, und der junge Mann empfand Mitleid mit ihm.

»Tja, ein paar Stiche werden wir da schon brauchen, aber machen Sie sich keine Sorgen, etwas Wichtiges haben Sie nicht durchtrennt. Möchten Sie, dass ich mal nachsehe, ob ich eine saubere Hose für Sie auftreiben kann?«

George bemerkte den »Von-Mann-zu-Mann«-Unterton in der Stimme des anderen. Er nickte. »Bitte. Ich ...«

»Alles Klärchen, bin sofort wieder zurück. Der Arzt wird auch gleich kommen, okay?«

»Danke. Ich danke Ihnen vielmals. Wären Sie so nett, äh ... meine Frau nicht hereinkommen zu lassen, bitte?«

Georges Augen flehten ihn an, und Joey nickte langsam.

»Okay. Keine Sorge.« Er verließ die Behandlungskabine und ging in den Empfangsbereich.

»Mrs Markham?« Er sah sich unter den Anwesenden um und war nicht überrascht, als die dicke Frau mit den gefärbten roten Haaren und dem knallgrünen Trainingsanzug aufstand und auf ihn zukam. Irgendwie hatte er gewusst, dass dies die Frau des armen Kerls sein musste.

»Ist er in Ordnung? Mein Gott, so etwas kann nur George passieren, sich zu schneiden, während er in einem dämlichen Gartenschuppen hockt. Ehrlich, Herr Doktor ...«

»Pfleger. Ich bin Krankenpfleger.«

Sobald Elaine anhob weiterzusprechen, unterbrach er sie.

»Wir werden Ihren Mann nähen, sobald der Arzt sich ihn angesehen hat. Vielleicht möchten Sie sich ja einen Kaffee oder sonst irgendwas besorgen. Am Ende dieses Gangs gibt es einen Automaten.« Er deutete auf die Schwingtüren zu seiner Rechten.

Elaine spürte, wenn man sie zum Schweigen bringen wollte, und ihre Augen nahmen jenen stählernen Glanz an, der sonst nur George vorbehalten blieb. Sie wandte sich ab, stapfte zu den Schwingtüren und stieß diese mit solcher Gewalt auf, dass sie gegen die Wände krachten.

Joey Denellan sah ihr nach. Kein Wunder, dass das arme Schwein einen derart geknechteten Eindruck machte. Eine Ehe mit ihr musste sein, als wäre man mit Attila dem Hunnen verheiratet. Dennoch stand Joey vor einem Rätsel. Wie war der alte Kerl bloß zu diesem Schnitt in seinem Bein gekommen? Was hatte sie gesagt? In einem Gartenschuppen. Wie erklärte das die Spermaspuren, die sich zweifelsfrei auf seiner Unterhose befanden? Er hörte, wie jemand ihn rief.

»Joey, Verkehrsunfall auf der M25.«

»Wie viele Verletzte?« Er trat an den Empfangsschalter.

»Vier. Ankunft voraussichtlich in sieben Minuten.«

»Okay. Unfallteam zusammenrufen.«

Joey begann Vorbereitungen für die Aufnahme der Unfallopfer zu treffen. George Markham wurde aus seinem Bewusstsein verdrängt.

»Kommst du mit, George?« Die tiefe, dröhnende Stimme von Peter Renshaw schien von den Wänden des Büros abzuprallen und George ins Gesicht zu schlagen.

»Wohin mit?« Er blickte Renshaw an.

»Eine Sause machen, Georgie. Die mordsmäßige Abschiedssause ... für Jonesy.«

»Ach ja. Jonesys Abschiedssause. Sicher, sicher. Ja, ich komme mit.«

»Braver Junge. Hab für ihn einen Stripperdienst bestellt. Mit allem Drum und Dran! Ich sag dir, Georgie, es wird eine irre Abschiedssause. Mords-mä-ßig geil!«

Peter Renshaw hatte die Angewohnheit, manche Wörter zu zerhacken, um sie zu betonen und so seinen Aussagen größeren Nachdruck zu verleihen. George konnte das nicht ausstehen.

Renshaw war Verkäufer in der Textilfirma, für die auch George arbeitete. Er überragte George an Körpergröße, eine Tatsache, die ihm offensichtlich Vergnügen bereitete. Peter Renshaw war Anfang dreißig und verdiente nach allgemeiner Einschätzung eine Menge Geld. Er galt als erfolgreichster Verkäufer im Haus. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund mochte er George und stellte stets sicher, dass auch dieser zu allen Abschiedsfeiern eingeladen war, die so auf dem Plan standen.

»Hab die Stripperinnen selbst ausgesucht, Georgieboy. Die größten Titten diesseits des Kanals. Kann’s kaum erwarten, das Gesicht von Old Jonesy zu sehen.«

George lächelte.

Old Jonesy ... Howard Jones war jünger als George selbst. Howard Jones mochte vielleicht fünfundvierzig sein. George war einundfünfzig. Es schüttelte ihn innerlich. Einundfünfzig. Sein Leben war fast vorbei. Peter Renshaws Stimme dröhnte weiter.

»Ist alles arrangiert. Zuerst ins Pig and Whistle. Zwanzig Kröten von je-dem in den Topf übrigens. Dann in diesen neuen Nightclub – wie heißt er noch? The Platinum Blonde, das war’s. Mal sehen, was die Täubchen dort so alles auf dem Kas-ten haben. Das wird eine Gaudi!«

George lächelte beharrlich.

»Tja, dann werd ich dich mal weitermachen lassen. Hab unten in der Rechnungsabteilung ein heißes Schneckchen sitzen, das ums Ver-recken nicht genug kriegen kann. Also dann, bis Freitag?«

George nickte. »Ja. Bis Freitag, Peter.«

Er verfolgte, wie der Mann sein Büro verließ. Old Jonesy ... Vermutlich nannten sie ihn Old Markham. Er sah auf seine Uhr. Es war fünf nach halb sechs. Er stand von seinem Stuhl auf, streifte sein Sakko über und machte sich auf in Richtung Ausgang.

Kortone Separates war trotz der Wirtschaftskrise ein gut gehendes Unternehmen. George arbeitete in der Buchhaltung der Rechnungsabteilung.

Er bog von dem schmalen Flur ab und ging zum Treppenhaus, das hinunter auf den Firmenparkplatz führte. Die Fahrstühle benutzte er nie. Auf dem Weg nach unten sah er Miss Pearson, die auf dem Boden kniete und ein paar Unterlagen aufhob. Sie war jung, allenfalls achtzehn, und erst seit einem Jahr bei Kortone. George hatte noch nie mit ihr gesprochen. Drei Knöpfe an ihrer Bluse standen offen, und vom Treppenabsatz über ihr konnte George die Wölbungen ihrer Brüste erkennen, während sie die Arme ausstreckte, um die Blätter einzusammeln.

Er starrte zu ihr hinunter. Das cremefarbene Fleisch wirkte fest und einladend. Das Mädchen sah zu ihm hinauf. Er sah ihr stark geschminktes Gesicht und zwang sich, weiter die Treppe hinabzusteigen. Dann bückte er sich, hob einige der Papiere auf und reichte sie ihr stumm.

»Danke, Mr Markham.«

Sie kannte seinen Namen! George durchströmte eine enorme Freude angesichts dieser banalen Tatsache.

»Gern geschehen.« Er stand auf und sah noch einmal auf sie hinab. In diesem Moment öffnete sich oben die Tür, und Peter Renshaws Stimme dröhnte zu ihnen herunter.

»Da bist du ja! Ich such schon überall nach dir. Du gerissener alter Fuchs, George. Hätte mir ja denken können, dass du da steckst, wo die hübschen Mädchen sind!«

Miss Pearson sah zu Peter und schenkte ihm ein breites Lächeln. George beobachtete ihr Gesicht aufmerksam.

»Ach, Peter.« Ihre Stimme war rau und atemlos. »Ich hab auf dich gewartet, aber ...«

George hörte, wie Peter Renshaw die Treppe hinabstieg. Rasch hob er die restlichen Blätter vom Boden auf und gab sie Miss Pearson.

Dann ging George fort, überzeugt davon, dass niemand sein Verschwinden bemerken würde. Er hatte recht. Keiner der beiden sagte ein Wort zu ihm. Er verließ das Gebäude und schloss seinen Wagen auf, einen 83er Orion, setzte sich auf den Fahrersitz und wartete.

Endlich trat das Pärchen aus dem Ausgang und steuerte Peters Auto an, wobei Renshaw den Arm über die Schulter des Mädchens gelegt hatte und mit der Hand ihre Brust drückte. Miss Pearson kicherte und stieß die Hand fort.

Noch so eine Schlampe. Noch so eine Nutte. Was hatte Peter gesagt? Kann ums Verrecken nicht genug kriegen? George schloss seine Augen und genoss die Vorstellung, die diese Worte in ihm hervorriefen.

Er sah Miss Pearson vor sich, ihr Körper offen für ihn, ihre Beine gespreizt und an die Pfosten eines Betts gefesselt. Ihre Hände waren hinter dem Rücken gebunden, und ihr stark geschminktes Gesicht lächelte ihm zu, als er sich ihr näherte. Sie verlangte danach. Verlangte danach und bettelte ihn an ...

»Mr Markham?« George riss die Augen auf.

»Alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen sehr blass aus.«

George starrte auf den Mann, der durch das Fenster seines Wagens sah. Es war der Parkplatzwächter.

»Ja, vielen Dank.« George lächelte schüchtern. »Ich war nur ein wenig müde, das ist alles.«

Der Mann tippte mit der Hand an die Mütze und richtete sich wieder auf.

George verfolgte, wie er fortging, während ihm das Herz in den Ohren hämmerte. Er versuchte, sich das Bild wieder in Erinnerung zu rufen, aber es funktionierte nicht richtig. Zitternd startete er das Auto und fuhr ins Stadtzentrum von Grantley. Die Hefte, die er bestellt hatte, sollten heute eintreffen. Er lächelte und genoss die Spätsommersonne und das köstliche Gefühl der Vorfreude.

Für einen kurzen Moment kam es ihm in den Sinn, dass sich sein ›Hobby‹ mittlerweile zur Obsession auszuwachsen begann, aber dann schob er diesen Gedanken beiseite. Sein Bein schmerzte noch immer ein wenig, und unbewusst rieb er darüber, während er fuhr.

Es war Ende September 1989.

Kapitel eins

Elaine Markham betrachtete ihren Mann, der das Fernsehprogramm verfolgte. Sein glänzender, immer kahler werdender Kopf wackelte auf und ab, so als würde er allem zustimmen, was der Nachrichtensprecher vortrug.

»Mein Gott, George! Hör doch endlich auf, dem Fernseher beizupflichten.«

Mit einem verletzten Ausdruck auf dem Gesicht wandte er sich ihr in seinem Sessel zu. Elaine schloss die Augen. Sie fühlte, wie ihre Hände sich zu Fäusten ballten, und mahnte sich zur Ruhe.

»Soll ich dir eine Tasse Ovomaltine machen, Liebling?«, fragte George mit seiner sanften Stimme.

»Ja, tu das.«

George ging in die unglaublich saubere Küche und begann die Gutenachtgetränke zuzubereiten. Er setzte einen Topf mit Milch auf, öffnete einen der Küchenschränke und nahm Elaines Schlaftabletten heraus. Nachdem er eine Tablette sorgfältig zwischen zwei Löffeln zermahlen hatte, schüttete er das Pulver zusammen mit der Ovomaltine in eine Tasse. Lächelnd goss er die dampfende Milch dazu und rührte das Ganze energisch um. Dann löste er noch zwei weitere Schlaftabletten aus der Packung und trug die Tasse samt Pillen zu Elaine.

»Bitte schön, Liebling. Ich habe dir auch gleich deine Pillen mitgebracht.« Sie nahm das Getränk und die Pillen entgegen.

»Danke, George. Sieh mal, ich weiß, dass ich manchmal etwas schroff bin ...« Sie verstummte.

»Das macht mir nichts aus, Elaine. Mir ist schon bewusst, dass ich dich ... nun ja, nerve ist wahrscheinlich das richtige Wort, oder?«

George sah sie mit jenem traurigen Lächeln an, das in ihr stets den Wunsch hervorrief, ihn am liebsten in Stücke zu reißen.

Sie legte die Schlaftabletten auf ihre Zunge, spülte sie mit der Ovomaltine herunter und verbrannte sich die Lippen dabei.

George lächelte noch immer.

»Das schmeckt bitter.«

Er hob seine Augenbrauen und nahm einen Schluck aus seiner eigenen Tasse.

»Also meine ist in Ordnung, Liebling. Könnte es vielleicht der Nachgeschmack der Tabletten sein?«

»Könnte sein. Ich denke, ich nehme die Tasse mit nach oben.« Sie erhob sich mühsam von ihrem Sessel.

»Gute Nacht, Elaine. Schlaf gut.«

Sie blickte ihren Mann an.

»Wenn ich einen guten Schlaf hätte, George, würde ich doch nicht die Schlaftabletten nehmen.«

»Ist doch nur so eine Floskel, Liebling. Mehr nicht.«

War es nur Einbildung oder benahm George sich in letzter Zeit anders? Obwohl sie nicht festzumachen wusste, was genau sich geändert hatte, wurde sie das deutliche Gefühl nicht los, dass sich das Gleichgewicht zwischen ihnen derzeit ein wenig verschob. Wenn sie ihren Mann etwa jetzt ansah, hätte sie auf einen Stapel Bibeln schwören können, dass er sie innerlich auslachte.

»Gute Nacht also, Liebling«, sagte er noch einmal.

Sie versuchte ihrem Mann zuzulächeln.

»Ja. Gute Nacht, George.«

Sie ging aus dem Raum, und sein Blick folgte ihr. Auf dem Weg die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer überkam sie erneut dieses Gefühl der Beunruhigung. Es war Anfang Dezember, und George benahm sich nun bereits seit ungefähr zwei Monaten ›anders‹. Nichts, worauf sie exakt den Finger hätte legen können, aber kleine, unauffällige Unterschiede. Zum Beispiel hatte er sich angewöhnt, abends Spaziergänge zu unternehmen. Zwar war er nur für eine Stunde oder so fort, aber ...

Sie zog ihren Frotteebademantel aus und setzte sich auf die Bettkante. Er war in den ganzen siebenundzwanzig Jahren ihrer Ehe nicht spazieren gegangen. Im Gegenteil, nichts hatte er mehr gehasst.

Sie streifte ihre mit Lammfell gefütterten Pantoffeln ab und massierte das Hühnerauge an ihrem Fuß. Ihre Beine waren ebenso fett wie der Rest ihres Körpers und von Krampfadern entstellt. Sie betrachtete sie und zuckte mit den Schultern.

Dann setzte sie sich gegen die Kopfkissen gelehnt ins Bett, nahm den neuesten Mills & Boon-Liebesroman zur Hand und las, während sie ihre Ovomaltine austrank und die Tabletten zu wirken begannen.

Die Wörter verschwammen vor ihren Augen. Sie blinzelte und versuchte sich zu konzentrieren. Die Pillen wirkten in letzter Zeit schneller und schneller.

Schließlich gab sie auf, drehte die Nachttischlampe aus und legte sich schlafen.

Zehn Minuten später steckte George seinen Kopf durch die Schlafzimmertür und grunzte zufrieden, als er das tiefe Schnarchen seiner Frau hörte.

George schlüpfte aus dem Haus. Er trug seinen wärmsten Mantel, da die Nachtluft kalt und feucht war. Im Licht der Straßenlaternen unterschied er sich äußerlich nicht im Geringsten von jedem anderen, der spätabends noch draußen unterwegs war. Er setzte sich die Schiebermütze auf, die er unlängst erstanden hatte, und schlenderte los.

Seit zwanzig Jahren hatte er sich nicht mehr so frei gefühlt wie bei seinem neuen Zeitvertreib. Kreuz und quer durchstreifte er Grantley. Er ging schweigend und systematisch. Heute Nacht hatte er beschlossen, an den Wohnblocks auf der anderen Seite der Stadt entlangzulaufen. Nach einem tiefen Atemzug begann er seine einsame Wanderung.

Beim Gehen hielt er die Augen offen nach Bewegungen und nicht zugezogenen Vorhängen. Er lief bis zum Ende der Bychester Terrace und bog dort nach rechts ab. Über die Peabody Street gelangte er zu einer unbefestigten Straße, die um den Außenbezirk von Grantley führte. Hier herrschte kaum Verkehr, nur vereinzelt traf man auf Wagen mit Liebespärchen. Fünfzehn Minuten später war George vor den Mietshäusern in Beacham Rise.

Gegenüber einem kleinen Apartmentblock bezog George unter einem mächtigen Kirschbaum Stellung und wartete. Es wurde Viertel nach elf, bevor er etwas sah, und wie immer war es die Frau, die im zweiten Stock wohnte. Die Häuser hier bestanden lediglich aus drei Stockwerken. In den vergangenen acht Wochen hatte George sie viele Male aufgesucht, und stets war es die Frau im zweiten Stock gewesen, die ihm seine Show lieferte. Dort, wo er unter dem Kirschbaum stand, war als Teil der städtischen Landschaftsplanung ein kleiner Hügel aufgeschüttet worden, der ihm einen idealen Aussichtspunkt gab, um in die Wohnung der Frau zu blicken. Er nahm das kleine Opernglas aus seiner Tasche und sah hindurch.

Leonora Davidson gähnte genussvoll. Dann streckte sie die Hände über ihren Kopf und hob dabei ihr dichtes schwarzes Haar hoch. Sie war todmüde. Sie würde mit diesen ständigen Überstunden aufhören müssen, die waren einfach mörderisch.

Langsam knöpfte sie ihre Bluse auf und ließ sie von ihren runden Schultern auf den Boden gleiten. Dann löste sie das Häkchen an ihrem BH und rieb die nunmehr befreiten Brüste heftig, da sofort der Juckreiz einsetzte. Während sie eine Brust anhob, betrachtete sie sich im Spiegel ihres Toilettentischs. Eine dicke rote Linie hatte sich in die empfindliche Haut geschnitten. Sie seufzte. Sie würde sich ein paar anständige Büstenhalter besorgen müssen.

Sie umschloss ihre Brüste mit ihren Händen und hob sie an, als wollte sie ihr Gewicht schätzen. Fraglos hatte sie zugenommen. Sie öffnete den Reißverschluss an ihrem Rock, ließ ihn zu Boden fallen, stieg aus ihm heraus und kickte ihn dabei zur Seite.

Leonora musterte ihren Körper im Spiegel. Gar nicht schlecht für ihr Alter. Ein bisschen schlaff mittlerweile, aber am Ende verlor halt jeder den Kampf gegen die Erdanziehungskraft. Automatisch zog sie den Bauch ein, doch stieß sie die Luft rasch wieder aus. Ach, Scheiße! Es gab doch sowieso keinen, der sie mehr hätte bewundern können. Warum also sich Gedanken machen?

Sie gähnte erneut, diesmal stärker, ging zu dem Stuhl, über dem ihr Nachthemd hing, und streifte es über. Es war aus Flanell und würde sie warm halten, wenn sonst schon niemand da war. Noch einmal streckte sie sich, dann schaltete sie das Licht aus und kletterte ins Bett.

George stand unter dem Kirschbaum und verfolgte die Szene gebannt. Als das Licht im Schlafzimmer gelöscht wurde, murmelte er einen Fluch vor sich hin und stopfte das Opernglas zurück in seine Manteltasche. Er schwitzte. Mit dem Taschentuch aus seiner Hosentasche wischte er sich die Stirn ab.

Dämliche Schlampe! Was würde er nicht dafür geben, jetzt in dieser Wohnung zu sein. Er würde ihr schon zeigen, was davon zu halten ist, Herrgott noch mal! Einfach so nackt rumzustehen. Die Leute quasi einzuladen, sie anzusehen. Dieses Flittchen! In seiner Erregung hatte George die Jugendlichen überhaupt nicht bemerkt, die ihm beim Zusehen zugesehen hatten.

»Was machst du denn da?« Die Stimme ließ ihn auf den Fußballen herumwirbeln.

»Was ... ähh, wie bitte?«, jaulte er überrascht auf. Zwei Jugendliche standen dort. Einer hatte struppige braune Haare und trug einen langen Ledermantel. Der andere hatte eine weite Lammfelljacke an und war das, was – wie George wusste – ein Skinhead genannt wurde.

»Hast schon verstanden, alte Schwuchtel. Was du da machst, Mrs Davidson beim Ausziehen zusehen? Wohl ein Perverser, wie?«

Der Junge im Ledermantel trat mit einem herausfordernden Gesichtsausdruck auf ihn zu.

»Haste Geld?« Das kam vom Skinhead. George nahm den deutlichen Geruch von Klebstoff und Kotze wahr.

Er starrte sie unschlüssig an.

Der Halbwüchsige im Ledermantel torkelte plötzlich auf ihn zu, und er wich flink ein paar Schritte zurück.

»Wenn Sie beide nicht weggehen, werde ich um Hilfe rufen.«

Der in Leder gekleidete Jugendliche äffte ihn nach.

»›Wenn Sie beide nicht weggehen, werde ich um Hilfe rufen.‹ Also, wir ...« – er deutete auf seinen Freund und sich – »könnten ja auch selbst die Bullen rufen. Immerhin bist du doch ein Scheiß-Spanner, oder? Also gib uns gefälligst deine Knete, dann kannste gehen. Ohne Ärger.«

Der Skinhead würgte, und George verfolgte mit Abscheu, wie ein Schwall Kotze aus dem Mund des Jungen schoss. Es landete direkt vor seinen Schuhen und spritzte diese voll. Der Gestank des Erbrochenen, das in der eisigen Nachtluft dampfte, zog in seine Nasenlöcher.

Der in Leder gekleidete Jugendliche lachte schallend über seinen Freund, der jetzt fest den Kirschbaum umklammert hielt.

George kramte in seinem Mantel und brachte zwei Fünf-Pfund-Noten zum Vorschein, die er dem Jungen reichte. Der Ledermantel packte sie und steckte sie in die Tasche seiner Jeans.

»Komm, Trev. Wir hauen dem Dreckskerl eine rein.«

Trevor war jedoch nicht in der Lage, den Kirschbaum loszulassen, und so stürzte sich der Ledermantel allein auf George. Als die ersten Schläge seinen Schädel und sein Gesicht trafen, hob George schützend die Arme. Er spürte, wie er gestoßen wurde, und nur das Wissen, dass er in dem Erbrochenen des Skinheads landen würde, hielt ihn aufrecht. Ein eisiger Stich durchfuhr ihn, als die Faust des Jungen sein Gesicht traf. Dann rollte er den kleinen Hügel hinunter, während der Ledermantel ihm Fußtritte verpasste.

»Hey! Was ist denn das da drüben für ein Radau?« Eine tiefe Männerstimme schallte über die Straße, woraufhin der Junge in die Richtung aufsah. Im dritten Stock brannte Licht, und ein massiger Mann in einem Netzhemd lehnte aus dem Fenster und schüttelte seine Faust. Überall im Häuserblock gingen nun Lichter an. George hörte die Jugendlichen davonlaufen, während er nach Luft ringend auf der kalten Erde lag.

Leonora Davidson hörte das Brüllen und sprang aus dem Bett. Sie zog ihren Morgenmantel und die Hausschuhe an und sah aus ihrem Schlafzimmerfenster. Der Körper eines Mannes lag am Fuß des kleinen Hügels unter einer Straßenlaterne. Sie konnte zwei Jugendliche wegrennen sehen. Der eine, in einem Ledermantel, zog seinen Freund hinter sich her. Sie knirschte mit den Zähnen. Niemand war heutzutage mehr sicher. Ganz offensichtlich war der arme Mann überfallen worden! Sie ging aus ihrer Wohnung, steckte auf dem Weg ihren Schlüsselbund ein und lief zu der kleinen Menschengruppe hinunter, die sich um den verletzten Mann gebildet hatte.

»Was ist passiert, Fred?« Ihr Atem dampfte in der kalten Nachtluft. Sie zitterte.

»Diese kleinen Arschlöcher gehören an die Wand gestellt. Haben doch glatt diesen armen alten Kerl überfallen, als er vorbeiging!«

George lag noch immer auf dem Boden und genoss geradezu die Aufmerksamkeit.

»Oh, der Arme.« Leonoras Stimme war voller Mitleid. »Ich habe die Polizei angerufen. Sie werden jeden Moment hier sein.«

Bei dem Wort ›Polizei‹ spitzte George die Ohren. In rekordverdächtiger Zeit sprang er vom Boden auf und klopfte sich ab.

»Es besteht wirklich kein Anlass, die Polizei einzuschalten. Die werden die sowieso nie schnappen. Und ich bin sehr in Eile.«

Er begann sich von der kleinen Ansammlung zu entfernen.

»Aber wenn Sie sie gesehen haben, könnten Sie wenigstens eine Beschreibung abgeben«, redete Fred ihm zu.

George schüttelte seinen nackten Schädel. Ihm war bewusst, dass er irgendwo seine Mütze verloren haben musste. Verzweifelt sah er sich nach ihr um.

Leonora trat zu ihm.

»Sie haben sicherlich einen furchtbaren Schock erlitten. Soll ich Ihnen eine schöne Tasse Tee machen?«

George konnte nicht glauben, was sie ihm anbot. Sie lud ihn zu sich nach Hause ein. Ohne sie wäre er überhaupt nicht in diese Situation geraten. Diese blöde Nutte!

»Alles völlig in Ordnung. Ich möchte nur nach Hause gehen.«

Seine Stimme hatte nun wieder ihren gewohnt devoten Ton angenommen, und er sah, wie sie ihn mitfühlend betrachtete.

Ein Polizeiwagen kam mit hoher Geschwindigkeit um die Ecke des Häuserblocks und hielt rasant quietschend bei dem Grüppchen. Entsetzt legte George sich eine Hand über das Gesicht. Genau das hatte ihm noch gefehlt.

»In Ordnung, in Ordnung. Beruhigen Sie sich. Was ist passiert?«

Alle begannen gleichzeitig zu sprechen.

Die Stimme von Sergeant Harris übertönte das ganze Durcheinander, und George schätzte, dass sie auch jene Anwohner wecken würde, die noch nicht aufgestanden waren.

Sergeant Harris sah Leonora an.

»Was ist passiert, Verehrteste?«

»Der arme Mann wurde überfallen. Dieser da.« Sie deutete auf George, der versucht hatte, sich fortzuschleichen.

Verdutzt blickte der Sergeant ihn an.

»Wohin wollen Sie denn?«

»Ich ... ich muss wirklich nach Hause. Meine Frau wird sich Sorgen machen ...«

Harris lächelte ihn an. Steht unter Schock, dachte er bei sich.

»Kommen Sie, Sir. Wir gehen zusammen auf die Wache, und ruckzuck ist die ganze Angelegenheit erledigt.«

»NEIN!« George war selbst erstaunt über den Klang seiner Stimme. »Ich ... ich ... Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe!«

Harris sah ihn unbewegt an. »Wir versuchen nur, Ihnen zu helfen, Sir.«

»Sie wissen doch, dass Sie die niemals schnappen werden. Ich möchte bloß nach Hause und die Sache vergessen.«

Er ging weg, so schnell er konnte.

Die kleine Menschengruppe blickte dem sich entfernenden Rücken hinterher. Sergeant Harris nickte Constable Downes zu. Beide stiegen wieder in ihren Streifenwagen und fuhren ihm nach.

»Steigen Sie ein, Sir. Zumindest nach Hause bringen können wir Sie ja.«

George stieg in den Wagen, und das Herz rutschte ihm in die Hose.

»Na so was, Fred! Der bedauernswerte Mann hatte einen Schock, würde ich sagen.«

»Da dürftest du recht haben, meine liebe Leonora. Armer alter Kerl. Ist einfach nicht sicher, heutzutage durch diese Scheiß-Straßen zu laufen ...«

»Das stimmt, Fred. Ich hab sogar in meiner eigenen Wohnung Angst, wenn alle Türen abgeschlossen sind. Man hört so viel über Vergewaltigungen und Überfälle, es lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Und dann zu sehen, wie dieser arme alte Mann so zusammengeschlagen wird ...« Sie ließ ihren Satz unbeendet.

Sergeant Harris hielt die Unterhaltung den gesamten Weg bis zu Georges Haus in Gang.

»Sehen Sie, Sir. Sollten Sie Ihre Meinung ändern, springen Sie einfach kurz in der Wache vorbei.«

»Das werde ich, Officer. Aber alles, was ich im Moment möchte, ist nach Hause gehen. Wir sind da.«

Der Streifenwagen stoppte vor seinem Haus, und George verabschiedete sich hastig. Sobald er drinnen war, zog er seinen Mantel aus, legte ihn über das Treppengeländer und ging nach oben ins Badezimmer. Sein Gesicht war zwar leicht geschwollen, aber nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. Er seufzte erleichtert, stieg wieder die Treppe hinab und untersuchte seinen Mantel. Er war mit Erbrochenem verdreckt. Leise fluchend begann er, ihn zu säubern.

Fünfzig Minuten später gab es keinerlei Spuren seines Streifzugs mehr. Er brühte sich eine Tasse Tee auf, trug sie ins Wohnzimmer und goss einen großzügigen Schuss von dem Brandy dazu, den sie in dem Schränkchen mit den Bleiglasfenstern aufhoben. Dann setzte er sich auf das Sofa und trank genüsslich.

Als er die Tasse ausgetrunken hatte, fühlte es sich besser. Er stand vom Sofa auf, ging hoch ins Zimmer seiner Frau und steckte den Kopf durch die Tür. Ihr Schnarchen war laut und tief. Er lächelte vor sich hin. Drei Mogadon waren nötig gewesen, die alte Schachtel umzuhauen, aber es hatte sich gelohnt.

Wieder schlich er sich nach unten. Im Flur öffnete er den Schrank und schlug die eingelegte Matte um. Er nahm den Schraubendreher, den er für ebendiese wichtige Aufgabe dort deponiert hatte, und hebelte damit einen der Schrankböden hoch. Da lag sie und blickte zu ihm auf, seine Mandy!

Fast liebevoll nahm er das Video aus dem Versteck, bevor er Boden und Matte wieder an ihre Plätze rückte. Er brachte das Videoband ins Wohnzimmer, schüttete sich noch einen Brandy aus der Three-Barrels-Flasche in seine benutzte Tasse ein und sah sich den Film an. Nach einer Weile spürte er, wie die Anspannung und die Schmerzen der vergangenen paar Stunden aus seinem Körper wichen. Während Mandy immer und immer wieder von einem bunt gemischten Haufen von Degenerierten misshandelt wurde, konnte George Markham sich endlich entspannen.

Bilder von Mrs Davidson, die gerade ihre Brüste mit den Händen umschloss, kamen ihm immer wieder in den Sinn. Ihr energisches Massieren. Er verfolgte, wie Mandy den Penis eines Mannes in ihren samenverschmierten Mund nahm, und plötzlich war ihr Gesicht das von Mrs Davidson, und er war der Mann. Er fühlte seine Atmung heftiger werden.

Ein Gutes hatte der ganze Abend immerhin gehabt: zumindest kannte er jetzt ihren Namen.

Am nächsten Tag ging George nicht in die Firma. Sein Gesicht war geschwollen, und er erzählte Elaine, dass er einen Abszess am Zahnfleisch hatte. Pflichtschuldig rief sie in seinem Büro an, bevor sie selbst zur Arbeit ging.

Sie war in einem großen Supermarkt in der Innenstadt Grantleys beschäftigt. Sie war eines der ›Kassenmädchen‹ und hasste es.

Als George alleine zu Hause war, kam ihm eine Idee.

Er zog sich peinlich korrekt an, stieg in seinen Wagen und fuhr nach London. Während er das ländliche Essex bewunderte (selbst in der Kälte und Nässe sah es noch wunderschön aus), schmiedete George seine Pläne. Nach dem Fiasko der vergangenen Nacht beschloss er, sich eine anständige Ausrüstung zuzulegen.

Er schaltete Essex Radio an und sang mit den Carpenters, während er fuhr. Gut gelaunt und unbeschwert steuerte er das Londoner West End an.

Nervös betrat George das Geschäft in Soho. Es war sein erster Besuch in einem Sexshop. Bislang hatte er sich seine Hefte und Videos immer per Post schicken lassen. Aber sobald er eingetreten war, erschien ihm der Laden irgendwie wohlvertraut.

Hinter dem Tresen stand ein Mann etwa in seinem Alter, der ihm zulächelte, während er durch den Laden stöberte. Die einzige Enttäuschung war, dass die Zeitschriften und Videos harmlos waren. Harmlos und langweilig. Er suchte sich eine Ledermaske aus und brachte sie an den Tresen.

»Macht fünfundachtzig Pfund, Meister.«

Akkurat zählte George das Geld auf die Theke. Es würde sein Weihnachtsgeschenk an sich selbst sein. Ihm war beinahe fröhlich zumute.

»Stehst du auf Fesseln?«

George nickte schüchtern. »Ja.« Er lächelte sein heimliches Lächeln, das nur andeutungsweise seine Zähne zeigte. »Ja, das stimmt.«

»Hast du vielleicht nach harten Pornos gesucht? Ich meine, wenn du wolltest, könnte ich dir da nämlich helfen ...«

George nahm die Tragetüte mit der Maske in die Hand und lächelte erneut. Diesmal breiter.

»Ich hab Snuff Movies hier für zweihundert Flocken das Stück.«

George war irritiert. »Snuff Movies?«

Der Mann sah seine Verwirrung und nahm ihn beiseite, um es ihm zu erklären.

»Weißt du, das sind Filme mit Bräuten drin ... Bräuten, die so richtig fertiggemacht werden. Aber sie tun nicht nur so, verstehn Sie? Bei denen passiert’s tatsächlich. Deshalb nennt man sie halt auch Snuff Movies, Abkratz-Filme.«

Der Mann konnte sehen, dass George noch immer nicht verstanden hatte. Er seufzte. Seit dreißig Jahren war er jetzt in diesem Geschäft, ein ganzes Leben lang. Er erkannte einen Perversling, sobald er einen sah, und er würde auf den Kopf seiner Enkelin schwören, dass dieser Typ ein Perversling war. Ein la-Perversling.

»Also, die Amis haben sich das zuerst ausgedacht. Sie entführen irgendeine Braut, fesseln sie, vergewaltigen sie und all das, du weißt schon ... und ihre Schreie und ihr Stöhnen sind echt, kapiert? Echt. Es passiert tatsächlich. Ich hab gerade einen neuen Schwung reinbekommen, und die sind voll abgefahren, das kann ich dir sagen. Einer ist dabei, da ist die Alte bereits tot, und sie rammeln sie noch immer wie blöd. Treiben’s wie Backpulver, sag ich dir.«

Georges Augen leuchteten.

»Wie viel, sagten Sie, kosten die?«

»Zweihundert Talerchen, Kumpel. Und damit sind sie noch billig, kannste sicher sein.«

»Kann ich auch mit Kreditkarte zahlen? Barclay? Bloß weil ich nämlich nicht genug Bargeld eingesteckt habe.«

»Klaro kannste das, Chef. Wir nehmen hier alles. Selbst American Express. Solange du dich sonst noch irgendwie ausweisen kannst, ist alles in Butter.«

Der Mann lächelte, und George lächelte zurück. Er fühlte sich, als hätte er einen wahren Freund gefunden.

»Könnte ich Sie vielleicht dann und wann einmal anrufen, um zu hören, was so vorrätig ist, quasi ...«

Der Mann klopfte ihm auf die Schulter.

»Klar kannste das, alter Kumpel. Ich heb dir alles auf, was etwa in diese Richtung geht. Wie klingt das?« Einen Polizisten hätte der Mann auf dreißig Schritt Entfernung erkannt, und so beglückwünschte er sich zu diesem Fang. Der Typ war ein echter Volltrottel.

»Oh, ich danke Ihnen vielmals. Da wo ich wohne ...« Er spreizte hilflos seine Hände.

»Weiß schon, was du meinst. Die Leute verstehen uns echte Männer nicht, hab ich recht?«

Der Ladeninhaber beeilte sich, George die Kreditkarte abzunehmen, bevor der seine Meinung ändern konnte.

»Nein, da haben Sie recht.«

Zehn Minuten später verließ er den Laden mit seiner Maske und seinem neuen Film, beides verpackt in einer neutralen braunen Einkaufstüte, die er in seiner schweißnassen Hand trug.

Während er die Gesichter und Geräusche von Soho um ihn herum einsog, hatte George Markham das Gefühl, endlich zu Hause angekommen zu sein.

Als Elaine nach ihrem Arbeitstag die Eingangstür aufschloss, hatte George bereits das Abendessen auf dem Herd und eine Kanne Tee für sie warm gestellt.

»Nimm Platz, Liebling, du musst todmüde sein. Ich habe uns ein hübsches Steak mit Pommes gemacht.«

Elaine starrte ihren Mann an, als hätte sie ihn noch nie zuvor gesehen. Er wirkte beinahe glücklich.

»Danke schön, George. Ich muss gestehen, ich bin schon froh, dass du dir die Mühe gemacht hast zu kochen. Mir stand überhaupt nicht der Sinn danach.«

Er gab ihren einen kleinen Stups unters Kinn, als er die Tasse dampfenden Tee vor ihr abstellte.

»Für dich, meine Teuerste, mach ich doch alles!«

Er lächelte sie an, und Elaine lächelte zurück.

Irgendwas war zweifellos faul hier. Einen Stups unters Kinn hatte George ihr zuletzt vor über zwanzig Jahren gegeben, damals, als sie noch glücklich miteinander gewesen waren. Sie nippte an ihrem Tee und versuchte ihren Argwohn zu vertreiben. Das war gewesen, bevor sie hatten umziehen müssen. Bevor alles begonnen hatte schiefzugehen.

Elaine trank ihren Tee und sah George beim Kochen zu.

Sie schüttelte ihren Kopf. Es konnte kein Zweifel bestehen: Er war glücklich.

Aber warum?

Kapitel zwei

George saß an seinem Schreibtisch, ohne die vor ihm liegenden Akten überhaupt wahrzunehmen. Alles, was er sah, war der Film, den er in dem Sexshop in Soho erstanden hatte. Seit er ihn gesehen hatte, verspürte er immer wieder Anflüge von Realitätsverlust. Bisweilen ängstigte ihn dies sogar, wie etwa am Vorabend, als er sich zusammen mit Elaine eine Sendung über Riesenpandas angeschaut hatte. Er hatte vor dem Fernseher gesessen, seinen Tee getrunken, den Film angesehen – und dann war er plötzlich weg gewesen, in seinem Kopf einfach abgedriftet in jenen anderen Film. Und er selbst war in diesem Film gewesen. Als Hauptdarsteller. Er hatte alles unter Kontrolle gehabt.

Elaines Stimme hatte ihn schließlich wieder in die Realität zurückgeholt. Mit ihr konnte sie Glas zum Zerspringen und Milch zum Gerinnen bringen, alles in einem Aufwasch. Aber sein Abgleiten hatte ihn schon beunruhigt, denn in letzter Zeit vermochte er seine Gedanken häufig nicht zu beherrschen, zu jeder Tages- oder Nachtzeit liefen sie ihm plötzlich davon.

Er rüttelte sich wach und ermahnte seinen Kopf, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Erneut blickte er auf die vor ihm liegenden Abrechnungsunterlagen.

»Mr Markham, hätten Sie vielleicht fünf Minuten Zeit?«

Die Stimme von Josephine Denham unterbrach seine Überlegungen. Er wandte sich um und sah sie mit einem Lächeln auf den Lippen in der Tür stehen.

»Natürlich, Mrs Denham.« Seine Stimme war leise und höflich.

Josephine Denham drehte sich um und ging in ihr Büro zurück. George Markham war ihr unheimlich, und sie wusste nicht einmal warum. Er war stets höflich. Von einer eisigen Höflichkeit. Er fehlte nie grundlos, hielt sich ständig zu allen auf Distanz, überzog nie die Mittagspause oder versuchte sie – wie einige der anderen männlichen Kollegen – in einen neckischen Plausch zu verwickeln. Alles in allem war er ein vorbildlicher Arbeitnehmer. Dennoch musste sie sich eingestehen, dass ihr irgendetwas an diesem weichen, schwammigen Körper und diesen wässrig grauen Augen einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Sie saß an ihrem Schreibtisch und betrachtete den Mann vor ihr.

»Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

Sie beobachtete, wie George den Stoff seiner Hose zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und ein wenig hochzog, bevor er sich setzte. Selbst diese kleine Handlung irritierte sie. Sie bemerkte sein komisches leichtes Lächeln, das nur andeutungsweise seine Zähne zeigte, und fühlte ihre Abneigung weiter wachsen. George auf der anderen Seite musterte verstohlen Josephines enorme Brüste und beobachtete, wie sie sich bei jedem ihrer Atemzüge hoben und senkten.

In seinen Augen besaß Josephine Denham einen Brustumfang von olympischen Dimensionen.

Sein Lächeln wurde breiter, woraufhin Josephine sich zwang zurückzugrinsen.

»Es tut mir leid, Sie zu mir bitten zu müssen, George. Sie waren immer ein guter Mitarbeiter.«

Jetzt wuchs seine Aufmerksamkeit. Das Lächeln war verflogen.

»Doch in solch schwierigen Zeiten ... angesichts der allgemeinen Wirtschaftskrise ... nun ja, ich fürchte, wir werden uns von einem Teil unserer Mitarbeiter trennen müssen. Selbstverständlich werden Sie eine Abfindungszahlung erhalten.«

George hatte das Gefühl, als hätte jemand seine eigene, ganz persönliche Glücksblase zum Platzen gebracht.

»Ich verstehe.« Aber er verstand nicht. Er verstand überhaupt nicht. Er war seit fünfzehn Jahren bei dieser Firma.

»Wie viele werden gehen müssen?«

Josephine Denham atmete tief durch. Er konnte es genauso gut jetzt erfahren.

»Fünf. Johnson, Mathers, Davids und Pelham. Abgesehen natürlich von Ihrer werten Person.«

George starrte sie an. Sein ausdrucksloser Blick schien sie zu verschlingen. Ihr schauderte.

»Ich verstehe.« Also die Älteren mussten alle gehen. Die Jungen, die vermeintlichen Energiebündel, durften allesamt bleiben. George spürte den Drang, von seinem Stuhl aufzuspringen und dieser hochnäsigen Schlampe mit ihrem bemalten Gesicht, ihren blond getönten Haaren und ihren fetten, schwabbeligen Brüsten eine runterzuhauen. Diese dreckige, stinkende Nutte! Diese elende Hure! Hoffentlich stirbt sie jämmerlich schreiend an Krebs. Hoffentlich schneiden sie ihr die Brüste Scheibchen für Scheibchen ab. Hoffentlich ...

»Alles in Ordnung, Mr Markham?« Josephine Denham war nervös. Seit fünf Minuten saß er nun dort und starrte sie an. Kein Ausdruck auf seinem Gesicht, nicht der geringste. Er wusste genauso gut wie sie, dass er damit erledigt war. Mit einundfünfzig würde ihn keine andere Firma mehr einstellen. Dafür besaß er einfach nicht das, worauf es ankam. Er besaß keinerlei Ausstrahlung, keinerlei Persönlichkeit. George Markham besaß einfach keinerlei Vorzüge.

»Es tut mir wirklich schrecklich leid, George.« Zögernd und unsicher sprach sie seinen Vornamen aus.

Er sah sie an, bevor er sich zur Tür wandte. »Das wird es Ihnen noch.«

Seine Stimme war gedämpft, und Josephine hatte ihn nicht verstehen können. »Wie bitte? Ich konnte Sie nicht richtig ...«

George drehte sich zu ihr um und lächelte noch einmal.

»Ich sagte, es wird Ihnen noch leidtun.«

War er sarkastisch? Sie verfolgte, wie er aus ihrem Büro schlurfte, wobei seine Schultern noch gebeugter waren als bei seinem Eintritt.

Sie atmete erleichtert auf. Zumindest hatte sie dies hinter sich gebracht.

Sie griff nach ihren Zigaretten und zündete sich eine an. Aus irgendeinem unverständlichen Grund zitterte sie. Sie lächelte über sich selbst. Kaum zu glauben, sich von einem jämmerlichen Wicht wie George Markham nervös machen zu lassen!

Aber die leichte Beklommenheit wollte den ganzen Tag über nicht weichen.

George kehrte an seinen Schreibtisch zurück und blieb dort schweigend und reglos bis zur Mittagspause sitzen. Hinter seiner gelassenen Fassade rasten die Gedanken. Um fünf nach zwölf ging er in den kleinen Pub The Fox Revived und bestellte sich einen großen Brandy.

Die Frau hinter dem Tresen war ungefähr fünfundvierzig, hatte langes blondiertes Haar und gewaltige falsche Wimpern. Unter ihrem Leinentop zeichneten sich ihre kleinen, schlaffen Brüste ab. Voller Abscheu sah George sie an.

Noch so eine Schlampe. Allesamt waren sie verfickte Schlampen. Schockiert darüber, ein solches Wort auch nur gedacht zu haben, legte er sich rasch die Hand über den Mund.

»Das wären ein Pfund neunzig, bitte schön.« Die Barfrau wollte offenbar besonders kultiviert klingen und gab ihrer Stimme einen nasalen Beiklang.

»Haben Sie vielen Dank, meine Liebe. Schenken Sie sich doch auch einen ein.«

Sie beantwortete sein angedeutetes Lächeln mit einem breiten Grinsen, das ihre großen, vom Tabakrauch vergilbten Zähne zeigte.

George reichte ihr eine Fünf-Pfund-Note und wartete auf sein Wechselgeld. Dann nahm er seinen Drink, setzte sich an ein Tischchen in der Ecke und nippte an seinem Brandy.

Elaine würde völlig ausrasten, wenn er es ihr erzählte. Wieder eine Sache, die sie ihm ankreiden konnte. Oh, im Sammeln von Vorwürfen war Elaine hervorragend. Sie sammelte Vorwürfe wie andere Frauen Hüte oder Schuhe. Diese andere Geschichte hatte sie ihm bis heute nicht verziehen. Zwar erwähnte Elaine sie nie, oh nein, aber er wusste, dass diese Sache wie ein stummer Geist stets zwischen ihnen stand. Er nahm einen Schluck aus seinem Glas, und der raue, billige Weinbrand brannte in seinem Rachen.

Seine Schuld war es jedenfalls nicht gewesen. Er hatte ja kaum gewusst, was da überhaupt geschah. Eben hatten sie beide noch gelächelt und gelacht, und im nächsten Moment hatte das Mädchen schon geschrien. Oh, dieser Schrei! Er war ihm durch die Schädeldecke direkt ins Hirn gefahren. Dieses dämliche kleine Flittchen. Schließlich musste sie doch gewusst haben, was passieren würde, oder etwa nicht?

»Hallihallo, Georgieboy!«

Peter Renshaw stand ihm gegenüber, gute Laune und Kumpelhaftigkeit in Person. George spürte, wie ihn aller Mut verließ. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass dieser verfluchte Hohlkopf Renshaw ihm die Ohren vollquatschte.

»Hallo, Peter. Darf ich dich zu einem Drink einladen?«

»Nein. Das ist meine Runde, Georgie. Immerhin treffe ich dich nicht jeden Tag in meinem kleinen Liebesnest!«

Peter schnippte mit den Fingern und zwinkerte der blonden Monstrosität hinter der Theke zu.

»Vivienne, mein Engelchen. Bring mir ein G & T mit etwas Eis und einem Slice und dann, was immer mein guter Freund hier trinkt. Ach, und vergiss nicht einen für deine eigene holde Lieblichkeit.«

George sah, wie die Frau sich in Positur warf und ihm bestätigend zulächelte. Peter setzte sich neben George und flüsterte: »Sie ist zwar kein junger Hüpfer mehr, aber wenn ihr der Sinn danach steht, kann sie es einem Mann schon richtig kuschelig machen.«

Angewidert rümpfte George die Nase, und Peter lachte.

»Hör mal, Georgieboy, ein kleiner Rat so von Mann zu Mann.« Er gab George einen leichten Stoß in die Rippen. »Was kümmert einen, wie der Kaminsims aussieht, wenn drin ein anständiges Feuer prasselt? Du weißt, was ich meine, he?«

Da ihm nichts anderes einfiel, lächelte George ihn an. Er wünschte sich, Renshaw würde einen schweren Herzinfarkt bekommen und vor seinen Augen sterben, solange er auf diese Weise bloß zum Schweigen zu bringen war.

»Wenn du das sagst, Peter.«

»Pete! Pete, Herrgott noch mal, Georgieboy. Keiner nennt mich Peter, nicht einmal meine alte Mum, Gott schütze sie.«

Vivienne brachte ihre Drinks an den Tisch, und George sah, wie sie im Weggehen mit ihren Fingern Peters Nacken kitzelte. So ein mieses verdorbenes Luder!

»Wo starrst du denn hin, Georgie? Lust auf einen kleinen Quickie mit ihr, wie?« Peter lehnte sich in seinem Stuhl zurück und traf Anstalten, die Frau zurückzurufen.

Bestürzt über Peters Absichten zog er dessen Kopf herum, indem er den Kragen seiner Lammfelljacke packte.

»NEIN! Peter ... ich meine, Pete.« Er beruhigte seine Stimme. »Ich habe bloß nachgedacht, das war alles. Ich habe heute eine etwas schlechte Nachricht erhalten.«

»Haben sie es dir also gesagt?«

Verblüfft sah George ihn an.

»Mir was gesagt?« Peter bemerkte den scharfen Unterton in Georges Nachfrage nicht.

»Dass sie dich schassen. Ist doch schon seit Monaten allgemein bekannt.«

George war sprachlos. Alle wussten davon? Alle außer ihm. Jeder hatte ihn angesehen und ihn ausgelacht. Oh ja, ausgelacht. Sich vor Lachen über ihn wahrscheinlich in seine gottverdammten Hosen gemacht!

Peter beobachtete, wie sich der verdutzte Ausdruck in Georges Gesicht in bösartige Wut verwandelte. Der Wandel erschreckte sogar ihn. Er hatte geglaubt, George wüsste Bescheid. Jeder wusste doch Bescheid. Mitfühlend legte er jetzt seine Hand auf Georges Arm.

»Hey, tut mir leid, Alter. Herrgott, ich dachte, du wusstest Bescheid. Ich habe wirklich geglaubt, du wusstest Bescheid.«

George atmete tief durch.

»Nein, Pete. Ich habe nichts gewusst. Ehrlich nichts gewusst.«

Georges Stimme war nun wieder wie gewöhnlich. Leise und höflich. »Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet.«

»Keine Bange, Georgieboy. Ist doch eigentlich das Beste, was dir passieren konnte. Ich meine, wie alt bist du jetzt – achtundfünfzig? Neunundfünfzig?«

»Ich bin einundfünfzig, Peter. Einundfünfzig.«

»Oh. Na, ist ja auch egal. Geh halt in Frührente. Leb ein wenig. Besuch die Kinder.«

»Ich habe keine Kinder, Peter. Elaine und ich haben nie ...«

»Oh.«

Peter bereitete es zunehmend Schwierigkeiten, Dinge zu finden, die er hätte sagen können. Er selbst war verheiratet, hatte vier Kinder und eine Reihe von Geliebten über das ganze Land verteilt, die immer für einen One-Night-Stand gut waren. Leute wie George erstaunten und faszinierten ihn. Wie konnte jemand einundfünfzig Jahre lang leben und nichts haben, worauf er sich freute? Sich selbst sah er in späteren Jahren, wenn er ein wenig zu alt für Affären und Techtelmechtel sein würde, wie er gemeinsam mit seiner Frau das Großwerden der Enkelkinder verfolgte. Hunderte glücklicher Erinnerungen würden ihm dann den Lebensabend versüßen.

»Komm schon, Georgieboy, trink aus. Denk an die große Abschiedssause, die wir für dich geben werden! Na, das wird dich auf andere Gedanken bringen.« Wieder schnippte er mit den Fingern nach der Bedienung. »Noch eine Lage, Viv, wenn du so nett wärst.«

Der Pub begann sich zu füllen, und George sah, wie Peter Freunde und Bekannte begrüßte. Er nickte höflich, wann immer er vorgestellt wurde, und die ganze Zeit über arbeitete sein Gehirn fieberhaft.

Was zum Teufel nur würde er Elaine sagen?

Elaine saß in der Kantine des Supermarkts und rührte lustlos in ihrem Kaffee.

Mit George mochte etwas nicht stimmen, dennoch musste sie zugeben, dass sich das Zusammenleben mit ihm in den vergangenen paar Wochen erheblich gebessert hatte. Er war richtiggehend beschwingt. Wie vor all dem Ärger damals.

Sie verdrängte die unangenehme Erinnerung aus ihren Gedanken. George hatte seine Schuld gegenüber der Gesellschaft bezahlt. Er hatte eine weiße Weste. Gemeinsam hatten sie sich so etwas wie ein neues Leben aufgebaut. Nach zwanzig Jahren war es vielleicht an der Zeit, das Vergangene auf sich beruhen zu lassen.

»Oh, Elaine, ich hasse Freitage, du auch?«

Margaret Forrester setzte sich an Elaines Tisch und schlüpfte aus ihren Schuhen.

»Meine Füße werden eines Tages noch im Guinnessbuch der Rekorde erscheinen. Die geschwollensten Füße der Welt.«

Elaine lachte ihrer Freundin zu.

»Warum musst du auch immer unbedingt diese Stöckelschuhe tragen? Besorg dir doch ein Paar bequeme flache Schuhe.«

»Nein. Meine Beine sind mein ganzer Stolz. Ich lass sie an, bis es nicht mehr anders geht.«

Elaine schüttelte ihren Kopf. »Soll ich dir einen Kaffee holen?«

»Oh, ja bitte, Elaine. Und eine Schüssel mit kaltem Wasser, wenn sie eine haben.«

Elaine brachte ihrer Freundin einen Kaffee, und sie unterhielten sich noch eine Weile.

»Und wohin geht’s diesmal in den Urlaub?«

Elaine zuckte mit den Achseln.

»Wahrscheinlich wieder Bournemouth.«

»Ach, lass den Quatsch, Elaine. Heutzutage fährt doch keiner mehr nach Bournemouth, es sei denn, er sitzt im Rollstuhl. Warum fährst du nicht mit mir und den anderen Weibern nach Spanien? Sonne, Sand, Meer, Sex ...«

Margaret vollführte einen kleinen Tanz auf ihrem Stuhl.