Die Abgründe einer Familie - Martina Cole - E-Book
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Die Abgründe einer Familie E-Book

Martina Cole

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Beschreibung

Machtkämpfe, Intrigen und unverzeihliche Grausamkeiten … Zwei Männer, die das Gleiche wollen, sind wie eine Ladung Sprengstoff neben einer Feuerstelle … Die Familie Jackson regiert die Londoner Unterwelt. Während der unkontrollierte Freddy Jackson für seinen Boss ins Gefängnis wandert, arbeitet sich sein Cousin, der brillante Jimmy, immer weiter hoch und wird zum Nachfolger des Familienoberhaupts bestimmt. Er verlässt das Sozialbauviertel, heiratet die schöne und kluge Maggie und führt erfolgreich die Geschäfte der Familie. Doch damit zieht er den abgrundtiefen Hass von Freddy auf sich, der sich um seinen Platz in der Familie – und in Maggies Bett – betrogen sieht. Wird die Rivalität der Cousins das Ende der Jacksons einläuten? »Beängstigend, packend und absolut kompromisslos.« Daily Express Eine düstere Familiensaga der britischen Bestsellerautorin, die wie gemacht ist für alle Fans von Peaky Blinders und Jeffrey Archer! »Gut recherchierte Milieu-Studie, ungeschminkt und hart dargestellt.« T. Häcker auf Amazon.de

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EPUB
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Seitenzahl: 899

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

Zwei Männer, die das Gleiche wollen, sind wie eine Ladung Sprengstoff neben einer Feuerstelle … Die Familie Jackson regiert die Londoner Unterwelt. Während der unkontrollierte Freddy Jackson für seinen Boss ins Gefängnis wandert, arbeitet sich sein Cousin, der brillante Jimmy, immer weiter hoch und wird zum Nachfolger des Familienoberhaupts bestimmt. Er verlässt das Sozialbauviertel, heiratet die schöne und kluge Maggie und führt erfolgreich die Geschäfte der Familie. Doch damit zieht er den abgrundtiefen Hass von Freddy auf sich, der sich um seinen Platz in der Familie – und in Maggies Bett – betrogen sieht. Wird die Rivalität der Cousins das Ende der Jacksons einläuten?

Über die Autorin:

Martina Cole ist eine britische Spannungs-Bestsellerautorin, die bekannt für ihren knallharten, kompromisslosen und eindringlichen Schreibstil ist. Ihre Bücher wurden für Fernsehen und Theater adaptiert und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Martina Cole hält regelmäßig Kurse für kreatives Schreiben in britischen Gefängnissen ab. Sie ist Schirmherrin der Wohltätigkeitsorganisation »Gingerbread« für Alleinerziehende und von »Women's Aid«.

Die Website der Autorin: martinacole.co.uk/

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/OfficialMartinaCole/

Bei dotbooks veröffentlichte Martina Cole »Die Gefangene«, »Die Tochter«, »Kidnapped«, »Perfect Family«, »The Runaway«, »Eine irische Familie«, »Die Ehre der Familie«, und »Die Abgründe einer Familie«.

***

eBook-Neuausgabe Januar 2025

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »The Take« bei Headline Book Publishing, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Die Schwester« bei Heyne.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2005 by Martina Cole

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2008 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House

Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3-98952-669-3

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Martina Cole

Die Abgründe einer Familie

Thriller

Aus dem Englischen von Bea Reiter

dotbooks.

Widmung

Für

Mr and Mrs Whiteside Christopher und Karina

Mit herzlichen Grüßen an euch beide.

Und für

Lewis und Freddie, meine beiden kleinen Kahuna-Burger!

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir in den langen

Nächten des Schreibens Gesellschaft geleistet haben.

Beenie Man, David Bowie, Pink Floyd, Barrington Levy, Usher, 50 Cent, Free, Ms Dynamite, The Stones, The Doors, Oasis, The Prodigy, Bob Marley, Neil Young, Otis Redding, Isaac Hayes, Janis Joplin, Ian Dury, Clint Eastwood & General Saint, Bessie Smith, Muddy Waters, Charles Mingus, Edith Piaf, Canned Heat, Steel Pulse, Peter Tosh, Alabama 3 ... und viele andere.

Prolog

1984

Lena Summers sah ihre älteste Tochter ungläubig an. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«

Jackie Jackson lachte dröhnend. Sie hatte ein lautes Lachen, das sie sehr fröhlich klingen ließ. Und sehr glücklich. Es war ein Lachen, das über die dahinter verborgene Rachsüchtigkeit hinwegtäuschte.

»Es wird ihm gefallen, Mum, und nach sechs Jahren im Knast ist eine Party genau das Richtige für ihn.«

Lena schüttelte den Kopf und seufzte. »Bist du übergeschnappt? Du willst eine Party für ihn geben, nach allem, was er sich in den letzten Jahren geleistet hat?« Jetzt klang ihre Stimme wütend. »Der ist den Flittchen doch noch hinterhergestiegen, als sie ihn schon längst eingebuchtet hatten!«

Jackie kniff die Augen zu, als könnte sie dadurch die Wahrheit ausschließen, die ihr ihre Mutter an den Kopf warf. Sie kannte ihn besser als alle anderen, ihr brauchte man nicht zu sagen, wie ihr Mann war.

»Hör auf, Mum. Er ist mein Mann und der Vater meiner Kinder. Jetzt, nachdem er seine Lektion gelernt hat, werden wir uns schon wieder zusammenraufen.«

Lena schnaubte empört. »Bist du wieder auf Drogen?«

Jackie seufzte laut und musste sich beherrschen, um die Frau vor sich nicht anzuschreien. »Jetzt sei doch nicht albern. Ich will ihn doch nur zu Hause willkommen heißen, das ist alles.«

»Ohne mich.«

Jackie zuckte die breiten Schultern. »Mach, was du willst.«

Joseph Summers steckte den Kopf hinter seiner Zeitung hervor und brummte: »Rede nicht so mit deiner Mutter.«

Jackie verzog in gespielter Überraschung das Gesicht und sagte in sarkastischem Ton, als würde sie mit einem Baby reden: »Ah, verstehe, Dad. Du brauchst mal wieder ein paar Pfund, stimmt’s?«

Lena unterdrückte ein Lächeln. Trotz ihrer vielen Fehler hatte Jackie ein fast schon unheimliches Gespür dafür, stets den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf zu treffen. Ihr Mann versteckte sein Gesicht wieder hinter der Zeitung, und Jackie grinste ihre Mutter an.

»Jetzt sag schon Ja, Mum. Seine Familie wird jedenfalls vollzählig erscheinen.«

Lena schob das Kinn vor und griff nach ihren Zigaretten. »Noch ein Grund mehr, nicht hinzugehen. Mit diesen verdammten Jacksons hat man nur Ärger. Du weißt doch, was passiert ist, als wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte sie trotzig.

Jackie wurde schon wieder wütend, was ihr deutlich anzumerken war. Ihre groben Gesichtszüge verzerrten sich, als sie mit sichtlicher Anstrengung versuchte, sich zu beherrschen.

»Daran bist du selbst schuld gewesen, Mum, und das weißt du auch«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, und Lena starrte ihre älteste Tochter an, während sie sich über ihre unbändige Wut wunderte. Jackie war schon als Kind so gewesen, ein Wort genügte, um einen Wutanfall bei ihr auszulösen.

In den Augen ihrer Tochter standen Tränen. Lena wusste, dass sie ihre Tochter jetzt beruhigen musste, ansonsten hatte sie die Konsequenzen zu tragen. Und offen gestanden war sie müde, müde und mehr als nur ein bisschen daran interessiert, was das Gefängnis aus ihrem Schwiegersohn gemacht hatte.

»Also gut. Und jetzt krieg dich wieder ein.«

»Ich geh da jedenfalls nicht hin.« Joe stand auf und verließ laut polternd das Zimmer. Sie hörten, wie er in der Küche den Kessel aufsetzte.

»Ich bringe ihn schon dazu, dass er mitkommt. Mach dir keine Sorgen.«

Sie bereute ihre Entscheidung jetzt schon.

»Jetzt seht ihn euch an. Man könnte meinen, er wäre gerade aus dem Gefängnis gekommen!«

Die Männer lachten.

Sie konnten den pickligen Hintern ihres Freundes sehen, als dieser die zierliche Asiatin bearbeitete, die sie am Abend vorher für ihn gekauft hatten. Genau genommen war er gestern aus Shepton Mallet entlassen worden, wo er die letzten sechs Wochen verbracht hatte. Es war ein offenes Gefängnis, und seine Freunde hatten ihn mit einer großen Limousine, seiner Freundin Tracey und jeder Menge Alkohol abgeholt. Tracey war schon völlig erschöpft gewesen, als sie noch nicht einmal den Straßentunnel in Dartford erreicht hatten, sodass er sie sehr zu ihrem Verdruss vor dem Crossways Hotel aus dem Wagen geworfen hatte. Dann waren sie nach London weitergefahren, wo er alles gebumst hatte, was einen Puls besaß. Er hätte schon längst zu Hause sein sollen, aber keiner von ihnen hatte den Mut, ihn darauf hinzuweisen. Er war betrunken, aggressiv betrunken, und niemand wollte ihn reizen. Freddie Jackson war jemand, der einem das Leben ganz schön schwer machen konnte, und so sehr sie ihn auch mochten, er war außerdem auch noch ein Scheißkerl.

Er hatte gerade sechs Jahre einer neunjährigen Gefängnisstrafe für unerlaubten Waffenbesitz, versuchten Mord und Körperverletzung abgesessen und war stolz darauf. Im Knast hatte er mit Männern verkehrt, die für ihn die Crème de la Crème der Unterwelt waren, und jetzt, wo er wieder draußen war, hielt er sich für einen von ihnen.

Dass die anderen alle mindestens fünfzehn Jahre abzusitzen hatten, war ihm egal. Seiner Meinung nach war er Sonny Corleone. Er war ein Mann, mit dem nicht zu spaßen war.

Freddie Jackson hatte Sonny geradezu vergöttert und nie verstanden, weshalb man seinen Charakter im Film hatte sterben lassen. Er war der Boss gewesen und hatte weitaus bedrohlicher gewirkt als dieser zu kurz geratene Arsch Michael. Freddie hielt sich für den Paten von South East London.

Mit dem Herumgammeln war jetzt Schluss. Er wollte den Hauptgewinn und war fest entschlossen, ihn zu bekommen.

Er rollte sich von dem schwitzenden Mädchen herunter. Sie war hübsch, und ihr leeres Gesicht bestätigte ihm wieder einmal, wozu Frauen gut waren.

Freddie sah auf die Uhr und seufzte. Wenn er jetzt nicht seinen Hintern in Bewegung setzte, würde ihm Jackie die Eier abreißen. Er lächelte das Mädchen an, dann sprang er vom Bett und sagte laut: »Los, Jungs, zack, zack, ich muss mich mit jemandem wegen einer Zeugenaussage unterhalten.«

Danny Baxter stöhnte innerlich, doch nach außen hin tat er so, als wäre er hellauf begeistert. Er hatte vergessen, wie hektisch und gefährlich das Leben mit Freddie Jackson sein konnte.

Freddies Cousin Jimmy Jackson lächelte wie die anderen Männer. Er war eine verwässerte Version von Freddie und wollte so sein wie er. Seinen Cousin hatte er regelmäßig im Gefängnis besucht, und Freddie war ihm dankbar dafür. Er mochte den Jungen, schließlich war er ja kein Unmensch. Außerdem war Jimmy nur neun Jahre jünger als Freddie. Sie hatten vieles gemeinsam.

Heute wollte er Jimmy zeigen, zu was er fähig war.

Maggie Summers war vierzehn, wirkte aber wie achtzehn. Sie sah aus wie ihre ältere Schwester, aber in einer kleineren, zierlicheren Version. Ihre Haut hatte noch den makellosen Schimmer extremer Jugend, und ihre regelmäßigen weißen Zähne trugen noch nicht die unschönen Spuren, die nach Jahren des Rauchens oder der Vernachlässigung auftreten. Ihre großen blauen Augen lagen weit auseinander und wirkten freundlich. Wie ihre ältere Schwester war sie in der Lage, selbst auf sich aufzupassen; doch im Gegensatz zu dieser war das bei ihr nicht oft notwendig. Noch nicht.

Bei einer Größe von einem Meter zweiundfünfzig hatte sie sehr lange Beine. Sie war sich gar nicht bewusst, wie hübsch sie war. In ihrer Schuluniform, die aus einem schwarzen Minirock, einer weißen Bluse und einem marineblauen Pullover bestand, sah sie aus, als würde sie gerade von der Arbeit und nicht aus der Schule kommen. Genau dieser Eindruck war auch beabsichtigt.

Lisa Dolan, die mal Freundin, mal Feindin war, sagte fröhlich: »Stimmt das, dass deine Schwester heute Abend eine Party gibt?«

Maggie nickte. »Ich helfe ihr dabei. Willst du mitkommen?« Lisa grinste glücklich. »Ja, klar!«

Wenn sie mithalf, bekam sie mit Sicherheit auch eine Einladung. Sie passten ihre Schritte an, sodass sie nebeneinander hergingen. Lisa, ein dunkelhaariges Mädchen mit hervorstehenden Zähnen, sagte leise: »Gina hat behauptet, Freddie Jackson sei gestern schon rausgekommen. Das kann doch nicht stimmen, oder?«

Maggie seufzte. Gina Davis war Tracey Davis’ Schwester, und das bedeutete, dass an dem, was sie sagte, etwas Wahres dran sein konnte. Es bedeutete auch, dass Jackie ausrasten würde, wenn sie davon erfuhr. Tracey hatte Freddie im Gefängnis besucht, aber sie hatte immerhin so viel Verstand besessen, dem Prozess fernzubleiben. Maggie war davon ausgegangen, dass die Affäre im Sand verlaufen war, aber da hatte sie sich wohl geirrt. Ihre Mum hatte immer wieder davon angefangen, weil sie es hasste, dass ihre Schwester ständig von ihrem Mann gedemütigt wurde. Lena war selbst zu dem Mädchen gegangen und hatte sich von Traceys gereiztem Vater versichern lassen, dass alles vorbei sei. Tracey war damals erst fünfzehn gewesen. In den vier Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte sie Zwillingsjungen bekommen, die aber mit Sicherheit nicht von Freddie stammen konnten, da sie erst achtzehn Monate alt waren. Ehrlich gesagt hatte selbst Tracey keine Ahnung, wer der Vater war, aber sie war Freddie Jacksons Typ – groß, atmend und mit zwei Brüsten. Lena zufolge war das alles, was Freddie erwartete.

Maggie hatte dank ihrer Mutter gute Kenntnisse über alles und jeden in ihrer Umgebung. Lena hatte gegen jeden etwas in der Hand, und was sie nicht wusste, konnte sie mit ihrem untrüglichen Gespür herausfinden. Doch bis jetzt hatte Maggie noch nichts darüber gehört, dass Freddie früher aus dem Gefängnis gekommen war.

»Ich hasse diese Gina. Sie ist eine Lügnerin, und wenn meine Schwester wüsste, was sie gesagt hat ...«

Maggie sprach den Satz nicht zu Ende. Sie brauchte gar nicht deutlicher zu werden. Lisa war bestimmt nicht scharf darauf, von Jackie ins Kreuzverhör genommen zu werden, und würde diese Information hoffentlich für sich behalten.

Lisa, die jetzt etwas blasser, aber vorgewarnt war, wechselte schnell das Thema.

Leon Butcher war ein kleiner, rundlicher Mann mit Tabakflecken auf den Zähnen und einem Bierbauch. Er lebte mit seiner Mutter und jeder Menge Gerümpel in einer Zweizimmer-Sozialwohnung. Anders ausgedrückt, er war Pfandleiher und borgte den Leuten kleinere Geldsummen für Wertsachen, in der Regel Schmuck. Heute sah er sich einen Memoire-Ring aus achtzehnkarätigem Gold mit Brillanten an. Der Ring war ein Prachtstück, mit lupenreinen Diamanten und einer schönen Fassung. Er lächelte das junge Mädchen vor sich an, das den Ring mit Sicherheit einer Verwandten gestohlen hatte. Sie hatte die eingefallenen Augen einer Heroinsüchtigen, und er sagte freundlich: »Ein Fünfziger, das ist alles.«

Der Ring war zehnmal so viel wert, und das wusste sie auch.

Er warf ihn auf den schmierigen Küchentisch und legte seine Juwelierlupe weg, dann zündete er sich eine Zigarette an und machte einen tiefen Zug. Er konnte warten. Dieses Spiel hatte er schon oft gespielt.

»In Ordnung«, sagte das Mädchen nach einer halben Ewigkeit leise.

Er zog eine Küchenschublade auf und nahm ein Bündel Geldscheine heraus. Als er sich wieder umdrehte, sah er, dass Freddie Jackson in der Tür stand.

»Hallo, Leon.« Freddie grinste betrunken. »Ist das Geld für mich?«

Das Mädchen stand zögernd auf. Es spürte, dass etwas nicht in Ordnung war.

»Her damit. Das ist meine Entschädigung.«

Leon gab es ihm mit zitternden Händen.

Schnell zählte Freddie fünf Zwanziger ab und gab die Scheine dem Mädchen. »Ist das dein Ring, Schätzchen?«

Sie nickte.

»Nimm ihn wieder mit, und vergiss, dass du hier gewesen bist, in Ordnung?« Er lächelte sie an, und plötzlich sah sein attraktives Gesicht freundlich und zugänglich aus.

Das Mädchen nahm den Ring und verließ fluchtartig die Wohnung.

»Ganz allein, Leon?« Freddie ging drohend auf den kleineren Mann zu.

»Was willst du, Freddie?«

Freddie sah ein paar Sekunden auf ihn hinunter, bevor er ganz ruhig sagte: »Was ich will, Leon? Ich will dich.«

Als er Leon einen Kopfstoß verpasste, sank der Mann auf die Knie. Dann stieß ihm Freddie sein Knie ins Gesicht, was Leons Kopf nach hinten gegen die Küchenschränke aus Melamin krachen ließ. Leon fiel zur Seite, rollte sich zu einem Ball zusammen und steckte die Fußtritte Freddies ohne einen Laut ein. Als Freddie müde war, starrte er die blutige Masse zu seinen Füßen an und sagte: »Du hinterhältiges Arschloch. Wie kannst du es wagen, mich anzuzeigen? Und jetzt sag schon, wo der Schmuck ist.«

Leon hatte Schmerzen, und ein schneller Tritt in den Unterleib ließ ihn laut aufschreien. »Im Schlafzimmer.«

Freddie riss den Mann unsanft hoch und warf ihn quer durch die Küche. »Geh ihn holen.«

Er folgte Leon in das kleine Schlafzimmer und sah zu, wie es diesem nur mit Mühe gelang, einen Kasten aus Holz unter dem Bett hervorzuziehen.

Als Freddie ihn aufmachte, sah er, dass er bis zum Rand mit Geldbündeln und einem kleinen Vermögen an Schmuck gefüllt war. Er nahm den Kasten und klemmte ihn sich unter den Arm.

»Du hast mich sechs Jahre meines Lebens gekostet, Leon. Ich würde dir raten, möglichst bald von hier wegzuziehen, andernfalls komme ich wieder. Ist das klar?«

Leon hielt sich immer noch auf den Beinen, und insgeheim bewunderte ihn Freddie dafür. Er hatte ihm eine gehörige Tracht Prügel verabreicht, und der Mann würde wochenlang Blut pissen. Aber Freddie hatte sich durchgesetzt.

Leon war nur Zeuge gewesen, und dafür konnte er eigentlich nichts. Die Bullen hatten ihn zu der Aussage gezwungen, was Freddie auch wusste, aber das war keine Entschuldigung für Leons Verrat. Er hätte seine Zeit im Knast absitzen sollen, anstatt sich dafür zu entscheiden, Freddie ans Messer zu liefern.

Als Freddie die Wohnung verließ, pfiff er vor sich hin. Es war in jeder Hinsicht ein erfolgreicher Tag gewesen.

Danny Baxter sah, wie er mit dem Kasten unter dem Arm auf den Wagen zukam, und musste grinsen, als Freddie stehen blieb, um ein Mädchen mit einem Baby in einem Kinderwagen anzusprechen. In dieser Wohnsiedlung gab es viele Mädchen wie sie, und sie entsprachen genau Freddies Beuteschema, da sie eine kleine Wohnung und kein richtiges Leben hatten. Wenn er ihnen ein paar Pfund zusteckte, waren sie ihm ewig dankbar.

»Er hört einfach nicht auf, anderen Frauen nachzusteigen.«

Danny seufzte. Mit seinen neunzehn Jahren hatte Freddies Cousin Jimmy noch eine Menge über Freddie Jackson zu lernen. »Das hat nichts mit Ficken zu tun, Freddie ist schon immer so gewesen. Früher haben wir ihn immer ›Mr-allzeit-bereit‹ genannt. Er hatte absolut keine Hemmungen, auch die hässlichsten Schnepfen zu bumsen!« Freddie stieg in den Wagen und sagte laut: »Das habe ich gehört, Danny. Aber ich habe dir ja schon gesagt, dass die Hässlichsten die Besten sind – sie zeigen sich erkenntlich, wenn ihr wisst, was ich meine.«

Sie lachten alle.

»Auf in den Pub, Jungs!«

»Fred, solltest du nicht nach Hause zu Jackie und den Kindern gehen?«

Freddie Jackson lachte laut über die Bemerkung seines jungen Cousins.

»Nein, das sollte ich verdammt noch mal nicht, Jimmy. Schließlich wird das bald alles sein, was ich morgens, mittags und auch noch nachts zu sehen kriege! Ab in den Pub, Junge, und zwar schnell!«

Es war 19.30 Uhr, und das Haus der Jacksons füllte sich allmählich mit Gästen. Die Banner mit den Willkommensgrüßen waren aufgehängt, die Sandwiches und gebratenen Hühnerbeine warteten darauf, verspeist zu werden.

Im ganzen Haus roch es nach Rive Gauche, billiger Seife und Krautsalat.

Die Kinder waren frisch gebadet und trugen ihre besten Sachen, genau wie Jackie, doch Freddie Jackson ließ sich immer noch nicht blicken.

Die alte Stereoanlage spielte »Use It Up And Wear It Out« von Odyssey. Maggie dachte, dass der Titel des Songs wie die Faust aufs Auge auf die Heimkehr ihres Schwagers passte.

Wo war er? Und wo war eigentlich Jimmy?

Maggie sah, wie ihre Mutter die Augen in Richtung ihres Vaters verdrehte, und wusste sofort, dass Jackie es auch gesehen hatte. Jackie sah in ihrem taubenblauen Oberteil mit dicken Schulterpolstern und einem langen schwarzen Rock sehr hübsch aus, und obwohl alles ein wenig eng war, wirkte es sehr elegant. Die Haare fielen ihr locker geföhnt ins Gesicht, und sie hatte wie immer zu viel Make-up aufgelegt, doch das war schon immer ihr Stil gewesen. Der Glitzerlidschatten auf ihren Augenlidern ließ sie sexy aussehen. Sie hatte sehr schöne Augen. Wenn ihr doch nur endlich klar werden würde, wie toll sie aussehen könnte.

Außerdem leerte sie ein Glas Wein nach dem anderen, was kein gutes Zeichen war.

»Wo zum Teufel ist der Kerl?« Die Stimme ihres Vaters war laut und trotz der Musik gut zu verstehen.

»Jetzt hör schon auf, Joe.« Lenas Stimme war leiser. Sie versuchte, eine Szene zu verhindern.

»Du hast mich hierhergeschleppt, da darf ich ja wohl noch fragen, wo der Ehrengast steckt.«

»Er ist grade erst aus dem Kittchen gekommen, er wird mit seinen Freunden in den Pub gegangen sein. Das hast du auch immer gemacht, wenn sie dich rausgelassen haben.«

»Ich bin immer erst nach Hause gekommen, Lena, das musst du fairerweise sagen.«

Da sie ihn auf dem falschen Fuß erwischt hatte, und er wusste, dass seine Frau dazu neigte, wegen ein paar schlecht gewählter Worte einen Riesenstreit vom Zaun zu brechen, trat er schnell den Rückzug an, so, wie sie das auch von ihm erwartete. Aber er hasste es, wie Freddie Jackson sein ältestes Kind behandelte. Er nutzte sie doch nur aus, er hatte sie sitzen gelassen, mit drei Kindern und so vielen Schulden, dass man damit die Titanic versenken könnte, und sie behandelte ihn immer noch so, als wäre er etwas Besonderes. Wann würde dieses dumme Ding endlich zur Vernunft kommen? Jackson nutzte jeden aus bis aufs Blut, er war ein verdammter Schmarotzer.

Allein war Jackie schon schlimm genug, aber wenn sie erst wieder unter Freddie Jacksons schlechten Einfluss geriet, würde sie zum Alptraum werden. Sie liebte ihn nicht nur, sie versuchte, ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Freddie war wie Krebs, der in seiner Tochter wuchs, und ihre Eifersucht war grenzenlos, wenn es um ihn ging.

Jetzt würde alles wieder von vorn anfangen, nach sechs Jahren, in denen es relativ ruhig gewesen war, und er war sich nicht so sicher, ob er es noch einmal verkraften konnte.

Maddie Jackson war eine kleine Frau mit grünlich blauen Augen und einem kleinen, herzförmigen Mund. Ihre zierliche Figur täuschte über einen unbeugsamen Willen und einen Hang zur Gewalttätigkeit hinweg, und davor hatte sogar ihre robust gebaute Schwiegertochter einen gewaltigen Respekt. Ihr einziger Sohn war ihr erklärter Liebling, und sie ließ nicht zu, dass auch nur ein schlechtes Wort über ihn gesagt wurde. Sie hatte bei zahllosen Gelegenheiten für ihn gelogen und Meineide geleistet, von der Schule bis hin zum Gericht, und jetzt, da ihr Goldstück nach Hause kam, konnte sie ihre Aufregung kaum noch in Zaum halten.

Sie sah sich in dem kleinen Haus um, das in einer städtischen Wohnsiedlung lag, und registrierte jedes Detail. Es war zwar alles nicht nach ihrem Geschmack, aber man musste Jackie zugutehalten, dass sie sich Mühe gab. Das würde sie ihr natürlich nie sagen. Nachdem sie ihr Glas aufgefüllt hatte, ging sie ins Wohnzimmer zurück und seufzte innerlich, als sie dort ihren Mann bemerkte, der sich mit einem jungen Mädchen unterhielt. Er würde sich nie ändern. Sein Gehirn wurde von seinem Schwanz gesteuert, wie ihre Mutter früher immer gesagt hatte, und im Laufe der Jahre war ihr das viel zu oft bestätigt worden. Er hatte drei uneheliche Kinder gezeugt und mit ihrer Schwester und ihrer besten Freundin geschlafen, aber sie liebte ihn immer noch. Was natürlich die Frage aufwarf, wer von ihnen beiden der größere Narr war.

Nachdem sie ein paar Häppchen für ihren Mann auf einen Teller gehäuft hatte, ging sie zu ihm und stellte erleichtert fest, dass das Mädchen die Gelegenheit genutzt hatte, um die Flucht zu ergreifen.

Freddie Jackson Senior nahm ihr dankbar das Essen ab und musterte das Hühnerbein. Er biss ein großes Stück davon ab und sagte mit vollem Mund: »Es wäre besser, wenn er seinen Arsch endlich hierherbewegen würde. Ich werde bestimmt nicht den ganzen Abend auf ihn warten.«

Er meinte es nicht so; sie wusste, dass er sich darauf freute, seinen Jungen zu sehen. Schließlich war dieser ein Spiegelbild seiner selbst als junger Mann, und wer hätte dem widerstehen können? Wer wäre nicht geschmeichelt, wenn er eine jüngere Version von sich selbst sehen würde? Er liebte seinen Jungen, obwohl er ihm seine Jugend neidete. Seinen Charme hatte Freddie Senior zwar behalten, aber seine attraktiven Gesichtszüge hatten durch den Alkohol und sein ausschweifendes Leben gelitten. Sein Sohn musste allerdings ein paar Gene seiner Mutter geerbt haben, denn egal, was Freddie auch anstellte, er sah immer noch blendend aus.

Maddie fiel auf, dass Jackie innerhalb weniger Sekunden ein Weinglas leerte, und ihr war sofort klar, dass sie gerade die ersten Anzeichen für einen der spektakulären Wutausbrüche ihrer Schwiegertochter sah. Jackies Gesicht schien plötzlich einzufallen, als wäre alles Leben daraus gewichen, und ihre Lider wurden schwer. Sie sah aus, als hätte sie Drogen genommen, und da Maddie sie kannte, stimmte das wohl auch.

Maddie beobachtete, wie Jackie von ihrer Mutter, die sie zu beruhigen versuchte, in Richtung Küche geschoben wurde. In solchen Situationen tat ihr Jackie leid. Dann erinnerte sie Maddie an früher, als sie selbst eine junge Frau gewesen war. Nicht wegen ihres Aussehens, sondern wegen der Verwirrung darüber, wie sie von dem Mann, den sie vergötterte, behandelt wurde.

Ein Mann, der es nicht einmal fertigbrachte, nach Hause zu kommen und seine Kinder zu sehen, sondern es stattdessen vorzog, den Tag wie gewöhnlich mit seinen Freunden zu verbringen. Nach sechs Jahren Knast hatte sich eigentlich nichts geändert.

Der Pub war brechend voll, die Musik hämmerte dumpf, und jeder gab Freddie einen aus. Er war jetzt eine Berühmtheit. Er war achtundzwanzig Jahre alt, hatte ein Gastspiel im Gefängnis gegeben und war zudem noch ein anderer Mann als jener, der vor so vielen Jahren gegangen war. Er erzählte ihnen Geschichten über Leute, von denen sie lediglich gehört hatten, die jetzt aber – so versicherte er ihnen jedenfalls – seine Blutsbrüder waren.

Jimmy wurde unruhig, da die Zeit viel zu schnell verging, und sein Cousin so aussah, als hätte er nicht vor, überhaupt nach Hause zu gehen. Und schon gar nicht so früh, dass er noch rechtzeitig zu seiner eigenen Party kam.

»Komm schon, Freddie, wir müssen los. Bei dir zu Hause steigt eine Party, und du bist der Ehrengast.« Jimmy klang nervös. Es ging auf einundzwanzig Uhr zu, und er wusste, dass es ein Riesentheater geben würde. »Die ganze Familie wird da sein, und deine Mum brennt darauf, dich zu sehen.«

Er wusste, dass es Freddies Ärger besänftigen würde, wenn er dessen Mutter erwähnte.

Freddie starrte den jüngeren Mann eine Weile an, bevor er ihn fest umarmte und auf den Scheitel küsste. »Jimmy, du bist ein guter Junge.«

Jimmy strahlte, als er das hörte.

»Du bist der Boss, Freddie. Das weiß jeder hier.«

Das wollte Freddie hören. Das brauchte er.

»Kommt mit, Jungs, und nehmt ein paar Flaschen mit. Der Schrecken des Familienlebens wartet auf mich.« Auf dem Weg nach draußen kniff Freddie in einige wohlgerundete Hintern, während er alle paar Sekunden auf ein Mädchen zeigte und es anlächelte.

Jimmy sah, wie Donny Baxter ihm anerkennend zublinzelte, und zum ersten Mal verstand er, weshalb sein Cousin es genoss, so bekannt zu sein. Jimmy hatte einen sitzen, aber Jimmy war auch ein ein Meter neunundachtzig großer Mann, der viele Wünsche hatte.

Freddie war zu Hause. Jetzt war Jimmys Welt wieder in Ordnung.

Maddie sah, dass das Mädchen ihrem Mann schon wieder schmachtende Blicke zuwarf. Früher hätte sie jetzt eine Szene gemacht, doch heutzutage war sie im Grunde genommen sogar froh darüber, da es ihn davon abhielt, sie jede Nacht bis zur Erschöpfung zu beanspruchen. Allerdings wäre es ihr lieber gewesen, wenn er die jungen Dinger nicht vor ihren Augen angemacht hätte. Es war so demütigend.

Was machte diese Männer eigentlich so begehrenswert?

Ihre Gewalttätigkeit? Das Gefühl, nur lebendig zu sein, wenn man in ihrer Nähe war? Das Spiel mit dem Feuer, weil man wusste, dass sie nach wenigen Tagen, manchmal sogar Stunden, wieder verschwunden sein konnten?

Freddie war genauso. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Wieder eine der Redensarten ihrer Mutter.

Als hätten ihn Maddies Gedanken herbeigezaubert, fuhr ihr Sohn in einer großen weißen Stretchlimousine vor das Haus. Als er aus der Wagentür fiel, konnte sie sein heiseres Lachen hören. Er war betrunken. Fröhlich betrunken, aber nichtsdestotrotz betrunken.

Was man ihm allerdings nicht verübeln konnte, dachte sie, und entschuldigte damit auch gleich die Tatsache, dass er seine Familie hatte warten lassen. Schließlich hatte er nach der langen Zeit im Gefängnis erst einmal Dampf ablassen müssen.

Kimberley, Dianna und Roxanna beobachteten, wie ihr Vater über den mit Unkraut zugewachsenen Weg torkelte und ins Haus ging, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.

Kimberley, die Älteste, die alt genug war, um sich an die Streitereien und Auseinandersetzungen zu erinnern, sagte nicht viel. Die beiden Kleineren hatten vor Aufregung die Augen weit aufgerissen. Gerade war der Mann, von dem ihre Mutter pausenlos erzählte, an ihnen vorbeigerauscht, nach Brandy, Zigaretten und ungewaschener Kleidung riechend.

Ein kleines Gefolge von Freunden folgte ihm verlegen ins Haus. Im Gegensatz zu Freddie war ihnen sehr wohl bewusst, dass sie schon vor Stunden hätten hier sein sollen.

Jimmys Vater, James, beobachtete sie aufmerksam – wie seine Frau Deirdre hatte er noch nie viel von Freddie gehalten, und dass sein Sohn ihn geradezu vergötterte, machte ihnen Sorgen.

Jackie hörte die dröhnende Stimme ihres Mannes und rannte auf ihren hohen Absätzen aus der Küche. Ihr Gesicht war vor Wut und Aufregung gerötet.

»Freddie!« Sie fiel ihm um den Hals. Mit Mühe hob er sie hoch, umarmte sie fest und stellte sie dann recht unsanft wieder auf den Boden.

»Meine Fresse, Mädchen, du wiegst ja eine Tonne! Aber mach dir keine Sorgen, ich ficke dich schon wieder in Form.«

Zufrieden sah er sich um. Er war stolz auf seine witzige Bemerkung und hielt sich für unwiderstehlich. Schließlich waren sie ja alle nur seinetwegen hier.

Jackies Familie starrte ihn ungläubig an, während Jackie vor Glück strahlte.

Der König war zu Hause, Gnade Gott der Königin.

Buch eins

Die Frau, eine schöne, doch vergängliche Blüte,

Für Geschäft und Macht zu schwach von Gemüte,

Ehefrau in Fesseln oder verschmähte Maid,

Verachtet, wenn hässlich, ansonsten betrogen allezeit.

Mary Leapor, 1722-1746, »An Essay on Woman«

Du sollst keinen Ehebruch begehen,

Denn nur selten wirst du einen Gewinn darin sehen.

Arthur Hugh Clough, 1819-1861, »The Latest Decalogue«

Kapitel eins

Jackie wachte mit den stechenden Kopfschmerzen eines Katers auf. Ihre Augen fühlten sich an, als wären sie mit heißem Sand gewaschen worden, und ihre Zunge klebte am Gaumen.

Innerhalb von Sekunden war ihr klar, dass ihr Mann nicht neben ihr lag.

Schon nach der einen Nacht beherrschte er wieder ihr Leben. Nach seiner Verurteilung hatte sie lange gebraucht, bis sie akzeptiert hatte, dass er nicht zu ihr nach Hause kommen würde. Damals war sie hochschwanger gewesen, was seine Abwesenheit besonders schwer für sie gemacht hatte. Es war nicht leicht gewesen, ihn auf diese Weise zu verlieren, doch sie hatte auf ihn gewartet. Gewartet und sich nach ihm gesehnt. Während er im Gefängnis war, hatte sie nur an ihn gedacht, und kein Tag war vergangen, an dem sie ihn nicht vermisst und fast körperliche Schmerzen deshalb empfunden hatte.

Doch jetzt, wo er endlich draußen war, wusste er nicht einmal mehr, wo er zuhause war.

Mit einem Seufzer wollte sie sich aus dem Bett quälen, als sie Roxannas unverkennbares Lachen hörte. Es klang wie ein Nebelhorn, so laut wie das Lachen ihrer Mutter, doch erfüllt von ansteckendem Humor, wie das ihrer Großmutter mütterlicherseits.

Als das laute Lachen ihres Mannes auf das ihrer Tochter folgte, lächelte sie. Die Mädchen waren jetzt älter, und vielleicht fand er sie inzwischen interessanter. Vorher hatte er sie so gut wie gar nicht gekannt, und sie hoffte, dass sie jetzt, wo er endlich wieder zu Hause war, anfangen konnten, eine richtige Familie zu sein.

Kimberley kam mit einer Tasse Tee in das kleine Schlafzimmer. Sie war jetzt neun Jahre alt und ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten – die gleichen dunklen Haare, die gleichen blauen Augen. Auch seine Überheblichkeit hatte sie von ihm geerbt.

»Alles in Ordnung?«

Sie wussten beide, dass es mehr war als nur eine Frage.

»So, wie er sich gerade benimmt, könnte man meinen, er sei in einem Fünfsternehotel und nicht in einem staatlich finanzierten Ferienlager gewesen.«

Jackie wusste, dass sie das von ihrem eigenen Vater hatte, aber das war zu erwarten gewesen. Schließlich war Joseph den Mädchen mehr Vater gewesen als Freddie.

»Fang bloß nicht damit an, Kim. Es ist schwer für ihn gewesen, so lange weg zu sein.«

»Es ist für uns alle schwer gewesen, Mum, vergiss das bitte nicht. Und wenn er davon erzählt, könnte man meinen, er hätte sich im Knast großartig amüsiert.«

Mit ihren neun Jahren war sie verständiger als jemand, der zehnmal so alt war wie sie, was ihre Mutter manchmal wütend auf sie werden ließ. Kimberley akzeptierte einfach nicht, dass es manchmal besser war, den Mund zu halten.

»Aber jetzt ist er zu Hause.«

Kimberley rümpfte verächtlich die Nase und sagte: »Das ist ja wohl kaum zu übersehen.«

Freddie war überrascht darüber, wie viel Spaß er mit seinen Töchtern hatte. Sie waren hübsche, kluge Mädchen. Allerdings hätte er gern Söhne gehabt, und nach den Turnübungen der letzten Nacht hatte er das Gefühl, dass er vielleicht einen bekam, noch bevor das Jahr zu Ende war. Eines musste er Jackie lassen – sie war genauso scharf drauf wie er. Er hatte sie nur fragen müssen, wie es ihrem Vater ging, um ihren Zorn zu besänftigen. Ein paar Komplimente, ein bisschen Gefummel, und schon hatte sie ihn angehimmelt.

Wenn er sie geschwängert hatte, konnte er zu seinem alten Leben zurückkehren. Manchmal hatte die gute Jackie Scheuklappen. Egal, was er anstellte, sie verzieh es ihm. Sie verstand ihn, und zumindest dafür liebte er sie.

Doch selbst er sah ein, dass es klüger war, ein paar Tage zu Hause zu verbringen. Er wusste sehr gut, was geschah, wenn man eingebuchtet war. Die Leute schnüffelten herum, wollten ein Stück von dem, was einem gehörte. Soweit er wusste, war Jackie ein braves Mädchen gewesen, aber man konnte nie wissen, schließlich hatte sie eine Schwäche für Schwänze. Daher würde er ein wachsames Auge auf sie haben müssen.

Wenn sie ihn betrogen hatte, würde er sie umbringen.

»Dad, hast du im Kittchen kochen gelernt?«

»Nein, Herzchen, Daddy konnte schon vorher kochen. Warum fragst du?«

»Ich dachte, wir könnten Mummy da hinschicken, du kochst nämlich viel besser als sie«, sagte Roxanna mit der Unbefangenheit einer Sechsjährigen.

Freddie brach in schallendes Gelächter aus. Seine jüngste Tochter war das, was man gemeinhin einen Knaller nannte.

Er sah sich in der Küche um. Sie sah schäbig aus, war aber recht sauber. Jedenfalls vermutete er das. Wahrscheinlich würde er ein paar Pfund lockermachen müssen, um das Haus herrichten zu lassen. Er brauchte schließlich ein Zuhause, das zu seinem neuen Status passte.

Einige der Typen, mit denen er im Knast gewesen war, hatten richtige Villen! Riesige Grundstücke, Swimmingpools, und was hatte er? Eine beschissene Doppelhaushälfte in einer städtischen Wohnsiedlung. Ihre Kinder gingen auf Privatschulen und hatten Umgang mit feinen Leuten. Was hatte sein alter Kumpel Ozzy immer gesagt? »Es kommt nicht darauf an, was man kann, sondern wen man kennt.« Wie wahr, wie wahr.

Er hatte die anderen im Knast beobachtet, was ihm verdammt viel gebracht hatte. Sie wurden alle von hübschen, schlanken Tussis besucht, die wie die Frauen der englischen Fußballer angezogen waren und Diamantringe an den Fingern hatten. Manchmal hatte es ihn schon gewurmt, dass Jackie immer in ihrer alten Jeans und ihrem beschissenen Mantel aus Schaffell aufgetaucht war. Aber er musste fairerweise zugeben, dass sie sich anständige Klamotten gar nicht leisten konnte, schließlich hatte sie ja keine Entschädigung bekommen.

Aber sie hatte es verdient, sie hätte ein paar Pfund bekommen sollen, dann hätte sie nicht so knausern und von Sozialhilfe leben müssen.

Heute Nachmittag wollte er das alles regeln.

Lena Summers machte die Haustür auf und brüllte: »Jimmy, du hämmerst an die Tür wie die Bullen.«

Jimmy lächelte und ging in die Küche, wo er eine Tasse vom Geschirrständer nahm und sich Tee einschenkte.

»Ist sie fertig?«

Lena lachte. »Soll das ein Witz sein? Sie hat gerade erst geduscht.«

Sie war gerade dabei, Toast zu buttern, und drückte ihm automatisch eine Scheibe in die Hand. Jimmy kaute knirschend darauf herum.

»Wie ist es denn gestern Abend noch gelaufen?«

Jimmy, der viel zu groß für die kleine Küche wirkte, zuckte mit den Achseln. Er war seinem Cousin treu ergeben.

»Es war ein schöner Abend, Mrs Summer. Freddie war nur ein bisschen aufgeregt, das ist alles. Schließlich war er ja eine halbe Ewigkeit eingebuchtet ...«

»Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten sie ihn gleich dabehalten können«, meldete sich Joe zu Wort.

»Dich hat aber keiner gefragt«, sagte Lena an ihren Mann gerichtet.

Sie wandte sich wieder an Jimmy. »Ist mit Jackie alles in Ordnung? Ich meine, haben sie sich gestritten?«

Jimmy lächelte. »Alles bestens, ehrlich. Als ich gegangen bin, haben sie einen Stehblues getanzt, und die kleine Roxanna hat an Freddies Schulter geschlafen.«

Lena, deren Ängste sich jetzt wenigstens für ein paar Tage legen würden, lächelte. Die beiden würden sich mit Sicherheit wieder streiten, das wussten sie alle. Doch sie wünschte sich für ihre Tochter, dass sie vorher wenigstens noch ein paar glückliche Tage hatte.

Wenn es jemals zwei Leute gegeben hatte, die am besten die Finger voneinander gelassen hätten, dann waren das Freddie und Jackie Jackson. Sie waren schon in der Schule miteinander gegangen, und Lena hatte Freddie von Anfang an verachtet. Jackie war schon immer rebellisch gewesen, aber es war, als hätte er sie vom ersten Tag an in seiner Gewalt gehabt. Sie war besessen von Freddie, und am Anfang hatte dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruht. Mit seinen Frauengeschichten hatte er erst angefangen, als kurz hintereinander die Kinder gekommen waren. Und wie schon ihre Mutter vor ihr hatte Jackie die Frauen aufgespürt und ihnen die Schuld an der Untreue ihres Mannes gegeben. Wenn Lena ihr doch nur begreiflich machen könnte, dass es diese Frauen ohne Männer wie Freddie gar nicht geben würde. Doch sie wusste selbst, wie weh es tat, wie sehr das eigene Selbstwertgefühl darunter litt. Wie es das eigene Leben beeinflusste, bis man entweder unterging oder mit der Strömung schwamm.

Ihre Tochter würde nie schwimmen lernen. Sie würde jedes Mal noch ein wenig tiefer versinken, während sie immer verbitterter wurde und sich von ihrer Eifersucht auffressen ließ.

Maggie rauschte in die Küche, ein strahlendes Lächeln auf den Lippen und Make-up von Rimmel im Gesicht.

»Dein Fahrer wartet schon eine Ewigkeit«, sagte Joe Summer nachsichtig.

Sie grinste. »Mein Fahrer wartet immer eine Ewigkeit.«

Nachdem sie sich ein Stück Toast und eine große Tasse Kaffee genommen hatte, küsste sie ihre Mutter und ihren Vater und verließ schnell das Haus. Die Tasse ließ sie wie immer in Jimmys Wagen, und er brachte sie zurück, wenn er Zeit hatte. Sie waren beide nette Kinder.

Lena und Joe sahen zu, wie der große, schwerfällige Jimmy ihr aus dem Haus folgte.

»Er ist ein guter Junge, Joe.«

Joe zog laut die Nase hoch. »Sie hätte es schlechter treffen können. Er ist richtig vernarrt in sie. Und sie stellt es geschickt an, sie hält ihn ganz schön auf Trab.«

»Solange er sie nicht flachlegt, ist ja nichts dagegen einzuwenden.«

Joe warf seiner Frau einen abschätzigen Blick zu. »Hast du denn gar kein Vertrauen in sie? Dafür ist sie doch viel zu schlau.«

Lena setzte sich an den kleinen Tisch aus Kiefernholz und sagte traurig: »Sie ist noch so jung, Joe. Sie ist erst vierzehn.«

»Lena, du warst damals auch vierzehn.«

»Und jetzt sieh dir an, was aus mir geworden ist.«

»Du hast es doch gar nicht so schlecht getroffen. Schließlich hast du mich bekommen.«

Sie lachte verächtlich. »Ich habe das große Los gezogen, stimmt’s?«

Sie lachten zusammen, während sich Lena fragte, was er tun würde, wenn er wüsste, dass seine jüngste Tochter die Pille nahm.

Männer sahen nie das, was ihnen ins Gesicht starrte.

Micky Daltry war blendend gelaunt. Seine Frau hatte gute Laune, weil er ihr einen neuen Mantel und neue Schuhe gekauft hatte. Seine Kinder waren bei der Mutter seiner Frau, und jetzt wollten sie ausgehen, um bei einem schönen Abendessen ihren Hochzeitstag zu feiern.

Seine Sheila war eine gute Frau, und er war so vernünftig, das auch zu wissen. Sie hielt das Haus picobello in Ordnung, und die Kinder waren gut angezogen und gut erzogen. Vom Aussehen her kamen sie alle nach ihr – Gott sei Dank –, aber den Grips hatten sie von ihm. Eine unschlagbare Kombination.

»Jetzt komm schon, Sheila, das Taxi wird gleich da sein.«

Sie lachte, als sie die Treppe ihrer Doppelhaushälfte herunterkam. Es war innen in einem Farbton gestrichen, der »Magnolia« hieß, und ihr ganzer Stolz. Wie der langflorige, cremefarbene Teppich, der die Kinder wahnsinnig machte, weil sie ihre Schuhe an der Tür ausziehen mussten. Im Gegensatz zu ihren Freunden, die ihre Straßenschuhe auch im Haus trugen, bis sie ins Bett gingen. Dann und erst dann legten sie ihre Schuhe ab, zusammen mit ihren Mänteln.

Selbst ihr Vater hielt sich an diese Regel, und daher wussten sie, dass es für sie keine Ausnahme gab.

Sheila Daltry hatte lange blonde Haare und war sehr schlank, selbst nach drei Kindern. Sie war ein ruhiger Typ und stets gut gelaunt, das genaue Gegenteil ihres Mannes. Micky war laut, lustig und ein Geheimniskrämer.

Als jemand an der Tür hämmerte, öffnete er sie mit einer schwungvollen Gebärde.

Vor ihm stand Freddie Jackson, mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einem Baseballschläger in der Hand.

Instinktiv versuchte Micky, die Tür zu schließen, doch nach einem kurzen Gerangel stieß Freddie sie mühelos wieder auf.

Als er im Haus war, ließ er die Tür ins Schloss fallen.

Sheila sah ihren Mann an und schüttelte traurig den Kopf. Micky wirkte völlig verängstigt und konnte ihr nur flehentlich die Hände entgegenstrecken. Dann drehte er sich langsam zu Freddie, der gut gelaunt sagte: »Gehe ich recht in der Annahme, dass du mir keinen Tee anbieten willst?«

Maggie war glücklich, richtig glücklich. Sie war verliebt, was auch ihren Freundinnen auffiel.

Die Geschichte von Freddies Party machte bereits die Runde in ihrer kleinen Welt, und Freddie wurde als strahlender Held dargestellt. Allein schon über die Stretchlimousine unterhielten sich die Mädchen eine Ewigkeit, und in ernstem Ton wurde über die Dekadenz eines solchen Fahrzeugs gesprochen. Sie träumten alle davon, wie Filmstars oder Popköniginnen zu sein.

»Mags, bist du mitgefahren?«

Die Frage kam von Helen Dunne, Freundin oder Feindin, je nachdem, über wen die Mädchen gerade herzogen.

Maggie schüttelte den Kopf. »Nein, aber wenn ich gewollt hätte, hätte ich mitfahren können. Jimmy war den ganzen Tag drin, er war ganz begeistert davon. Er hat gesagt, dass ein Barfach drin ist.« Sie log, aber alle entschieden sich dafür, ihr zu glauben.

»Stimmt es, dass er Willy Planter zusammengeschlagen hat?«

Maggie nickte noch einmal. »Willy ist ausgeflippt. Er war völlig besoffen.«

Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Benson & Hedges-Zigarette. »Jackie hat toll ausgesehen. Ihr hättet sie sehen sollen.«

Maggies Stimme klang wehmütig. Sie liebte ihre Schwester. Sie sah zu ihr auf, war auf sie angewiesen.

Die Mädchen seufzten.

»Dieser Freddie ist schon toll.«

Das kam von Carlotta O’Connor, einem körperlich bereits gut entwickelten Mädchen, das für seinen Hang zu Alkohol, Haschisch und älteren Freunden bekannt war.

Sie lachten gespielt entrüstet, bis auf Maggie, die trocken sagte: »Wenn ich du wäre, würde ich das für mich behalten.

Wenn es um ihren Mann geht, versteht meine Schwester keinen Spaß.«

Es war eine Warnung, und alle wussten es. Maggie wartete geradezu darauf, dass jemand ihre Schwester beleidigte. Jackie hatte ihre Fehler, aber sie war ihre Schwester, und Maggie liebte sie heiß und innig.

Carlotta lächelte nur. Sie war kein Kind mehr, sie hatte vor niemandem Angst. Mit Jackie Jackson wollte sie sich allerdings nach Möglichkeit nicht anlegen.

»Jimmy scheint sich ja zu deinem ständigen Begleiter zu entwickeln.«

Maggie grinste. »Das will ich doch schwer hoffen.«

Sie wussten, was das bedeutete, und fingen an, sie damit aufzuziehen. Maggie hielt sich tapfer, doch insgeheim machte sie sich Sorgen. Jetzt, nachdem sie mit ihm geschlafen hatte, hatte sie Angst, dass er sie sitzenließ. Aber sie hatte ihm nicht länger widerstehen können, sie wollte ihn genauso wie er sie.

»Alles in Ordnung, Mags?«

Sie lächelte glücklich. »Na klar.«

Micky starrte Freddie Jackson in tiefster Verzweiflung an. Sheila stand immer noch auf der Treppe und sah sich resigniert die Szene in der Diele an.

Als der Taxifahrer vor dem Haus hupte, sagte Freddie zu Sheila: »Steig ins Taxi und fahr zu deiner Mutter. Ich und dein Alter haben noch was zu besprechen.«

Sie nickte, und beide Männer sahen zu, wie sie das Haus verließ.

»Nette Hütte, Micky. Du solltest mal mein Haus sehen. Ein richtiges Rattenloch, weil kein Geld reinkommt, du verräterischer Drecksack.«

Der Baseballschläger landete mit voller Wucht auf Mickys Schulter. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn und ließ ihn aufschreien. Er fiel auf die Knie.

»Freddie, hör zu ...«

»Halt dein verdammtes Lügenmaul. Meine Alte hat jeden Penny zweimal umdrehen müssen, während du mit deiner Brut im Luxus gelebt hast, und das auch noch von meinem Geld. Hältst du mich eigentlich für blöd?«

Micky weinte, was Freddie Jackson mehr in Rage versetzte als alles andere. Während er mit dem Finger auf den Mann zeigte, brüllte er: »Jetzt weinst du, du Wichser. Ich bin in den Knast gegangen, und dich habe ich aus der ganzen Sache herausgehalten, weil ich ein verdammt anständiger Kerl bin. Aber du, du hast meine Familie nicht dafür entschädigt, du hast ihnen nichts dafür gegeben, rein gar nichts. Mich haben sie wegen versuchtem Raub und unerlaubtem Waffenbesitz eingebuchtet, aber du hast dir mit der Knete ein schönes Leben gemacht! Du hast doch sicher damit gerechnet, dass ich irgendwann bei dir auftauche, oder nicht? Ich will meine Entschädigung.«

Micky hielt sich die schmerzende Schulter und stammelte unter Tränen: »Aber ich hatte doch nichts, um ihnen was zu geben, ich habe mich doch selbst kaum über Wasser halten können ... «

Freddie zerrte ihn ins Wohnzimmer hinüber. Es war in hellen Grün- und Cremetönen gestrichen und mit einer Eck-Sitzgruppe aus Leder, einem Farbfernseher und einem anständigen Lautsprechersystem eingerichtet. Er schleuderte seinen ehemaligen Freund auf die Couch und zertrümmerte systematisch die Einrichtung mit dem Baseballschläger, während er die ganze Zeit herumbrüllte und dem auf den Polstern kauernden Mann mit dem Schläger drohte.

»Das Geld, das du abgesahnt hast, hätte an meine Kinder gehen sollen. Dass du nicht im Knast gelandet bist, hast du mir zu verdanken, du Wichser, aber du hast es ja nicht mal für nötig gehalten, ihnen etwas zu Weihnachten zu schenken! Mich haben sie eingesperrt, und du hast hier mit deinen verdammten Bälgern gesessen und kein einziges Mal daran gedacht, dass die arme Jackie nicht gewusst hat, wie sie über die Runden kommen soll.«

Er schlug wieder mit aller Kraft auf den Mann ein. Das cremefarbene Ledersofa war voller Blut, und nachdem er ein paar Sekunden Pause gemacht hatte, sah er, dass Mickys Kopfhaut aufgeplatzt war. Es spritzte bis auf die Samtvorhänge und den Rauputz an der Decke.

Mit einem gewaltigen Hieb zerschmetterte Freddie das große Erkerfenster. Draußen standen die Nachbarn in den Hauseingängen, um die Auseinandersetzung zu verfolgen, doch die meisten hatten ihm bereits alles Gute gewünscht, sodass er nicht befürchten musste, dass jemand die Polizei holte.

Mit Genugtuung stellte er fest, dass er einen beträchtlichen Schaden angerichtet hatte. Er hatte es darauf angelegt, dass seine Erziehungsmaßnahme Schlagzeilen machte, er wollte allen zeigen, dass er wieder da war. Dass er wieder auf der Straße war und seine Rechnungen begleichen konnte, egal, ob alt oder neu. Freddie hatte vor, bei ein paar richtig großen Raubzügen mitzumischen, und dazu musste er von vornherein klarstellen, wer hier das Sagen hatte. Im Knast hatte er eine Menge gelernt, und dieses Wissen und seine neuen Kontakte wollte er so gut wie möglich nutzen.

Micky hatte ihn in den letzten Jahren nach Strich und Faden verarscht. Freddie musste dem ein Ende machen, er musste ihm zeigen, dass er sich nicht auf der Nase herumtanzen ließ.

Sie waren auf dem Weg zu einigen Freunden gewesen, mit dem Kofferraum voller Waffen. Micky war aus dem Wagen gesprungen, um sich eine Packung Rothmans zu kaufen, als Freddie von der Polizei kassiert worden war. Wie zu erwarten, hatte er sich gewehrt und standhaft geleugnet, dass Micky Daltry bei ihm gewesen war. Freddie hatte die obligatorischen neun Jahre für unerlaubten Waffenbesitz bekommen und sich ruhig verhalten, was ebenfalls zu erwarten gewesen war. Aber Micky hätte sich um seine Familie kümmern sollen. Micky hatte Glück gehabt, und Freddie hatte ihm das nicht übelgenommen. Warum auch? Es war besser, wenn nur einer von ihnen geschnappt wurde, und bedauerlicherweise war es dieses Mal er selbst gewesen. Das war für sie Berufsrisiko.

Aber Micky hatte keinen Finger gerührt. Er hatte nichts unternommen, um ihm zu helfen, hatte nicht einmal versucht, Kaution für ihn zu stellen, nichts, gar nichts. Freddie war damals noch grün hinter den Ohren gewesen und hatte es nicht besser gewusst.

Doch jetzt wusste er, wie es lief.

Im Gefängnis hatte er sich mit allen – egal, ob Aufseher oder Häftling – angelegt, die ihm seiner Meinung nach nicht den nötigen Respekt entgegengebracht hatten, und sich so einen Ruf als scharfer Hund erworben. Schließlich war er in den Hochsicherheitstrakt von Parkhurst verlegt worden, wo er mit der Crème de la Crème der Verbrecherwelt verkehrt hatte.

Einem Mann namens Ozzy, der auf eine beachtliche kriminelle Karriere zurückblicken konnte und in seinem Zellenblock das Sagen hatte, war Freddies Potenzial aufgefallen. Er hatte ihn unter seine Fittiche genommen und ihm nicht nur gezeigt, wie man seine Zeit im Gefängnis mit Anstand und Würde hinter sich brachte, sondern auch, wie man seine Stärken entsprechend einsetzen konnte.

Ozzy hatte ihm so einiges beigebracht, und Freddie war ein williger Schüler gewesen.

Jetzt, wo er wieder draußen war, wollte er für Ozzy arbeiten, als Dealer oder Schuldeneintreiber. Nach außen hin würde er erst einmal für die Clancys arbeiten, aber Ozzy hatte überall die Finger drin. Freddie war fest entschlossen, weiterzukommen im Leben. Er hatte seine Strafe ohne Trara abgesessen, und genau deshalb hatte Ozzy ihn auch ausgesucht.

Micky Daltry dagegen hatte ihn vergessen. Für ihn hatte Freddie aufgehört zu existieren, und Micky war der Meinung gewesen, dass er immer noch weggesperrt war. Sechs Jahre waren für die Leute draußen eine lange Zeit, und für die, die im Bau saßen, verging sie langsam und schmerzhaft und musste meist mit Drogen erträglich gemacht werden.

Doch auch diese Zeit ging vorbei, wie Micky gerade feststellte.

Jetzt mussten alte Rechnungen beglichen und Meinungsverschiedenheiten aus der Welt geschafft werden. Kurz gesagt, diesem Mann musste klargemacht werden, dass er falsch gehandelt hatte.

Micky musste begreifen, dass Freddie Jackson sich von niemandem, absolut niemanden auf der Nase herumtanzen ließ.

Und tanzen würde Micky Daltry sowieso nie wieder.

Lena sah zu, wie Jackie ein Steak und selbst gemachte Pommes frites für das Abendessen ihres Mannes herrichtete. Sie tat es zwar nicht gern, musste dann aber doch zugeben, dass Freddie, der ein paar Riesen für sie besorgt hatte, es zumindest versuchte.

Während Jackie Champignons und Tomaten schnitt, sah Lena den glücklichen Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Tochter. Am liebsten hätte sie sie umarmt, tat es dann aber doch nicht, weil sie wusste, dass ihre Tochter das nicht mochte.

Jackie goss sich noch ein Glas Wein ein und plauderte weiter, während ihr gar nicht auffiel, dass ihre Mutter fast nichts zu ihrem Gespräch beitrug.

»Er besorgt neue Möbel für uns, Mum. Der neue Fernseher kommt morgen, und die Einrichtung für die Kinderzimmer der Mädchen – oh, Mum, sie ist einfach toll.«

Die Begeisterung in Jackies Stimme drang durch die Tagträume ihrer Mutter.

»Neue Möbel für die Kinderzimmer?«

Jackie nickte. »Selbst Kimberley ist ganz aus dem Häuschen, und du weißt doch, wie patzig sie manchmal sein kann!«

Beide lachten.

»Seine Mutter spielt heute Abend den Babysitter, und wir gehen auf ein paar Drinks in den Pub. Ich kann es kaum erwarten, Mum. Ich bin ja so froh, dass er wieder zu Hause ist.«

Sie hörte auf, Gemüse zu schneiden, und sah ihre Mutter an. Dann sagte sie leise und ernst: »Ich habe ihn vermisst. Wenn er nicht da ist, habe ich das Gefühl, als würde ein Teil von mir fehlen.« Sie hatte Tränen in den Augen, als sie das sagte, und ohne nachzudenken nahm Lena ihre Tochter in den Arm.

»Jetzt ist er ja wieder zu Hause.«

Jackie, die es nicht gewohnt war, von ihrer Mutter umarmt zu werden, machte das Beste daraus und weinte sich ein bisschen an ihrer Schulter aus. Sie roch nach Blue Grass, ihrem Parfüm, und nach Zigarettenrauch. Es war ein tröstender, vertrauter Geruch, und sie genoss das Gefühl, geliebt zu werden, als plötzlich eine laute Stimme sagte: »Was zum Teufel ist denn hier los? Machen wir jetzt einen auf Familie?«

Freddie riss Jackie unsanft aus der Umarmung ihrer Mutter. Als er ihre Tränen sah, sagte er. »Was ist denn mit dir los? Warum weinst du, Schätzchen?«

»Was hast du mit ihr gemacht?«, brüllte er seine Schwiegermutter an.

Lena stieß einen tiefen Seufzer aus, während ihre Tochter unter lautem Schluchzen sagte: »Sie hat gar nichts gemacht. Ich bin nur ein bisschen durcheinander gewesen, weil ich so froh bin, dass du wieder zu Hause bist, das ist alles ... weil ich dich so vermisst habe, weil ich so lange gewartet habe und du jetzt endlich da bist ... «

Als Freddie seine Frau musterte, sah er die Liebe in ihrem Gesicht, zusammen mit einem Verlangen, das so stark war, dass sie für ihn getötet hätte. Plötzlich fühlte er sich, als wäre er wieder im Gefängnis, und ihm war, als würden die Wände auf ihn zukommen.

Er zog sie an sich und bemerkte, dass seine Schwiegermutter aus der Küche ging, ohne sich umzusehen. »Jetzt bin ich ja zu Hause, Jackie. Es ist alles wieder in Ordnung. Fang nicht dauernd damit an.«

Mit ein paar Worten löschte er all die Jahre aus, in denen sie mit den Kindern allein gewesen war, ihre Einsamkeit, ihre täglichen Kämpfe. Er sagte ihr, dass er nichts mehr davon hören wollte, und sie war nicht so dumm, weiter darüber zu reden, daher genoss sie einfach das Gefühl seiner Arme um sich.

Dianna brach die nervöse Spannung, als sie in die Küche kam und mit einem gespielten französischen Akzent sagte: »Oh là là!«

Jackie sah zu, wie ihr Mann seine Tochter auf den Arm nahm und sie küsste. Dianna war jetzt schon sein Liebling, und sie konnte ihren Vater um den kleinen Finger wickeln. Während sie die beiden beobachtete, musste Jackie ihre Eifersucht auf ein siebenjähriges Kind unterdrücken. Auf ihr eigen Fleisch und Blut.

Sie nahm ihm das Kind ab, gab ihm einen spielerischen Klaps auf den Po und sagte fröhlich: »Geh wieder zu deinen Schwestern. Sonst wird das Abendessen nie fertig.«

Als ihre Tochter unbekümmert aus der Küche hüpfte, drehte sie sich wieder zu ihrem Mann um, doch dieser war schon dabei, in dem alten Kühlschrank nach einem Bier zu suchen. Der Moment war vorbei.

Sie machte mit dem Kochen weiter und nahm sich vor, nicht so albern zu sein. Dianna war ein liebes Kind, und wenn sie es schaffte, ihren Daddy zu Hause zu halten, war das doch nur etwas Gutes.

Maggie und Jimmy waren schon im Pub, als Jackie eintraf. Die beiden waren früh gekommen und hatten einen Tisch neben der Theke besetzt. Es war bereits laut und verraucht. Maggie trank Southern Comfort mit Zitronenlimonade und fühlte sich selbst nach drei Gläsern noch nicht beschwipst. Sie war Alkohol gewöhnt, wie die meisten ihrer Freundinnen.

Jimmy sah sie unverwandt an, wie immer. Sein dunkles Haar und die blauen Augen waren in Maggies Augen eine unschlagbare Kombination, und sie lächelte zaghaft zurück. Wie ihre Mutter gesagt hatte, er sah sie an, als wäre sie ein großes Geschenk, das nur darauf wartete, von ihm ausgepackt zu werden. »Und pass bloß auf, dass er nicht zu viel auspackt, Mädchen«, hatte sie dann mit sarkastischem Witz gemeint.

Maggie hatte gelacht, doch jetzt, nachdem er sie im wahrsten Sinne des Wortes ausgepackt hatte, hatte sie Angst, ihn zu verlieren. Allerdings schien er inzwischen noch etwas mehr in sie verliebt zu sein, was ihre Befürchtungen fürs Erste etwas zerstreute.

Als sie ihre Schwester hereinkommen sah, winkte sie sie an ihren Tisch.

»Wo ist Freddie?«

Jackie zog ihre Jacke aus und sagte laut: »Darf ich mich vielleicht erst mal setzen?«

Maggie riss die Augen auf. Das war typisch für Jackie. Sie behandelte die Leute, als wären sie Dreck, und zum Glück für sie kam sie damit auch immer durch, was an Freddie und seinem Ruf lag. Doch Maggie tat es weh, weil es von ihrer großen Schwester kam, die sie geradezu vergötterte.

Jimmy runzelte schon die Stirn, daher sagte Maggie fröhlich: »Was hat dich denn gebissen?« Sie bewegte sich auf dünnem Eis, denn bei Jackie bestand immer die Gefahr, dass sie auf einen losging, doch Maggie wusste nicht, wie sie die Situation sonst entschärfen konnte.

Als sie ihrer Schwester in die Augen sah, bekam Jackie ein schlechtes Gewissen, doch gleichzeitig wurde sie wieder eifersüchtig auf sie, was inzwischen schon ein vertrautes Gefühl für sie war. Maggies makellose Haut, ihre weißen Zähne und ihre schlanke Figur hatten sie in letzter Zeit richtiggehend gestört. Sie beneidete ihre Schwester um ihr Aussehen und ihre Jugend, sie beneidete sie darum, dass sie keine Kinder und keine Verpflichtungen hatte. Jetzt, wo Freddie wieder zu Hause war, waren ihre alten Ängste wieder geweckt worden. Sie wusste, dass er sie betrügen würde, und sie wusste, dass sie wieder von Selbstzweifeln und Ekel vor sich selbst geplagt werden würde, und – das war das Schlimmste – sie wusste, dass sie seine Affären letztendlich akzeptieren würde, denn wenn sie es nicht tat, würde er sie verlassen.

Nicht gerade die besten Aussichten für eine Ehe.

»Tut mir leid, Maggie. Holst du mir was zu trinken?«

Jackie setzte sich, starrte auf die Tür und wartete auf ihren Mann, womit Maggie und Jimmy schon gerechnet hatten.

Jimmy fiel auf, dass ihre Hände zitterten. Als sie ihre Zigarette anzündete, stellte er überrascht fest, wie stark das Zittern war, aber er wusste, dass sie fast jeden Tag bis oben hin mit Medikamenten vollgestopft war, angefangen bei Schlankheitspillen und Dexedrin bis hin zu ein paar Mandrax. Allerdings nur, wenn sie nicht gerade Beruhigungsmittel in sich hineinschaufelte.

Die Katastrophe war eigentlich schon vorprogrammiert.

Er stand auf und ging nach draußen auf den Parkplatz. Es war bereits dunkel, und er konnte gerade noch die Umrisse Freddies in der Ecke des Parkplatzes erkennen, der sich zu der Tür eines dunkelgrünen Granada hinunterbeugte. Als er langsam hinüberging, konnte er hören, was gesagt wurde.

»Ozzy hat gesagt, Sie hätten einen Job für mich.« Die Unterwürfigkeit in Freddies Stimme war so deutlich herauszuhören, dass Jimmy abrupt stehen blieb.

»Traust du dir das wirklich zu, Freddie? Das ist eine große Sache.« Die Stimme des Mannes klang warm und freundlich, aber die versteckte Drohung war nicht zu überhören.

»Sie können sich auf mich verlassen. Ich weiß, wie der Hase läuft. Und ich werd’s mit Sicherheit nicht vermasseln.«

»Entspann dich, Mann, ist doch bloß ein bisschen Stoff.« Der Mann lächelte, das hörte Jimmy seiner Stimme an.

Er zog an seiner Zigarette und sagte dann: »Ich melde mich.«

Jimmy konnte sehen, wie Freddie die Schultern straffte, konnte fast spüren, wie seine Aufregung wuchs. »Danke, Mr Clancy. Vielen Dank.«

»Freddie, noch etwas ...« Der Mann wies auf Jimmy. »Gehört dieser neugierige Wichser da drüben zu dir?«

Freddie drehte sich um und winkte Jimmy zu sich. Als Jimmy vor ihm stand, umarmte er ihn stürmisch. »Das ist mein kleiner Cousin, Mr Clancy. Jimmy Jackson.«

»Klein? Mich laust der Affe. Was geben sie euch hier zu essen? Kunstdünger?«

Sie brachen in schallendes Gelächter aus.

Der Fahrer streckte seine Hand aus dem Wagenfenster, und Jimmy schüttelte sie nervös. Es war Siddy Clancy, und bis jetzt hatte er den Namen immer nur gehört. In South East London war so eine Begegnung gleichbedeutend mit dem Kennenlernen eines Hollywoodstars.

»Ich melde mich, okay?«

Freddie nickte noch einmal, und der Wagen schoss mit quietschenden Reifen aus dem Parkplatz. Als er die Heathway in Richtung der A13 hinunterfuhr, verursachte er fast einen Unfall.

Freddie hatte sich aufgeplustert wie ein Pfau. Grinsend nahm er Jimmy in den Polizeigriff und fing an, »We’re in the money« zu singen.

Jimmy ließ sich von seiner Begeisterung anstecken und sang mit.

»Mann, Fred – Siddy Clancy. Das ist eine ganz große Nummer!«

Freddie wurde plötzlich ernst.

»Er ist ein Arschloch. Aber ich werd’s ihm schon zeigen.«

Jimmy glaubte, sich verhört zu haben. Siddy Clancy war ein schwerer Junge und gefährlich. Niemand, der noch bei Verstand war, würde versuchen, ihn über den Tisch zu ziehen, aber diese Perle der Weisheit behielt Jimmy für sich.

Freddie legte einen Finger auf die Lippen und sagte: »Du behältst das für dich, dann kannst du für mich arbeiten, und ich zeige dir, wies läuft. Einverstanden?«