Die toten Seelen von Koserow - Werner R.C. Heinecke - E-Book

Die toten Seelen von Koserow E-Book

Werner R. C. Heinecke

0,0

Beschreibung

Die Angst geht um auf der Ostseeinsel Usedom. Der Polizeiposten von Koserow hat alle Hände voll zu tun. Die Ereignisse in dem 1500 Seelen-Dorf fordern Tore Althusen heraus. Hauptkommissar Ole Hansen hat den, kurz vor seiner Pensionierung stehenden urigen Polizisten, in das Team der gebildeten Soko geholt. Das Urgestein kennt die Verbrecherszene. Auch einige der vielen kriminellen Situationen zu DDR Zeiten auf der beliebten Urlaubsinsel. Gibt es eine Verbindung von der jetzigen Mordserie zu einem früheren Verbrechen? Führt ein Todesengel einen Rachefeldzug?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 221

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Tot ist nur, wer vergessen ist.

Spannende Unterhaltung mit dem USEDOM-Krimi.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Wenig später

Kapitel 2

Am nächsten Tag

Kapitel 3

Wenig später

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Bansin

Wenig später

Kapitel 7

Auf dem Fährschiff von Peenemünde nach Gager

Einige Monate später

Kapitel 8

Einige Wochen später

Zur gleichen Zeit

Einige Tage später

Am Abend

Am nächsten Tag

Berlin

Greifswald

Schwerin

Kapitel 9

Einige Monate später

Einige Tage später

Kapitel 10

Am nächsten Tag

Kapitel 11

Am nächsten Tag

Kapitel 12

Etwas später

Bansin

Kapitel 13

Am nächsten Tag

Wenig später

Ahlbeck

Kapitel 14

Etwas später

Ahlbeck

Kapitel 15

Etwas später

Am Abend

Etwas später

Am nächsten Morgen

Kapitel 16

Wenig später

Ein Tag später

Heringsdorf

Kapitel 17

Kapitel 18

Wenig später

Zur gleichen Zeit

Kapitel 19

Zur gleichen Zeit

Zur gleichen Zeit

Zur gleichen Zeit

Wenig später

Kapitel 20

Kapitel 21

Etwas später

Swinemünde

Einige Stunden später

Am späten Abend

Wenig später

Kapitel 22

Wenig später

Zur gleichen Zeit

Kapitel 23

Zur gleichen Zeit

Koserow

Am nächsten Tag

Zur gleichen Zeit

Kapitel 24

Einige Stunden später

Kapitel 25

Heringsdorf

Kapitel 26

Wenig später

Kapitel 27

Zur gleichen Zeit

Etwas später

Zur gleichen Zeit

Kapitel 28

Wenig später

Zur gleichen Zeit

Koserow

Kapitel 29

Zur gleichen Zeit

Kapitel 30

Glossar

Nutzen Sie bitte die Möglichkeit, in meine aktuellen Titel hineinzulesen

Kapitel 1

Etwas später

Buchempfehlung DER TOD SCHREIBT MIT

Kapitel 1

Zur gleichen Zeit

Etwas später

Buchempfehlung DAS VERSPRECHEN

Kapitel 1

Kapitel 2

Buchempfehlung TAGEBUCH DES GRAUENS

Am nächsten Tag

Buchempfehlung DIE ABRECHNUNG

Anmerkung

Übersicht der Charakteure

Tore Althusen

Ole Hansen

Wiebke

Nele

Meike

Cordula Steiner

Tim Berger

Stefan Reuter

Sabine Reuter

Thorsten Reuter

Tom Fiedler

Olivia Schön

Horst Bender

Johann Baumann

Karl Jahnke

Kai Feldtmann

Igor Strehlow

Jonas Fiedler

Gerda Ziegler

Erwin Müller

Elke Reiners

Georg Mahler

Tim Berger

Stefan Kreye

Rolf Schomann

Ingrid Schubert

Malte Schröder

Richard Simon

Gisela Schreiber

Hagen Walter

Beate Jung

Gregor Piplica

Gerhard Uhle

Prolog

Mit über 5 Millionen Übernachtungen ist Usedom nach Rügen die zweitbeliebteste deutsche Urlaubsinsel.

Über 1900 Sonnenstunden verwöhnen die Feriengäste, aber auch die rund 77.000 Einwohner, davon 45.000 im polnischen Teil der Insel. Außergewöhnlich sind die vielen Seen, ein feiner über 42 Kilometer sich erstreckender Sandstrand an der Ostküste, die Steilküste, die touristischen Seebäder mit den bekannten und beliebten Seebrücken. Auf dem Flughafen Heringsdorf können Flugzeuge bis zu einem AIRBUS A320 landen. Von den Seebrücken legen die Bäder-Schiffe ab.

In der Saison muss man sich schon anstrengen, um einen der typischen Strandkörbe zu ergattern oder eines der vielen Fahrräder ausleihen zu können, für eine Tour auf dem fast 12 Kilometer durchgängigen Radweg an der Küste.

Usedom war schon in Vorkriegszeiten ein beliebter Urlaubsort. Prächtige Hotels in herrschaftlichen Villen, wunderschöne Orte. Der Krieg hatte Folgen für die Insel: die Teilung. Der östliche Teil mit dem schwer zerstörten Swinemünde ging an Polen, der westliche Teil an die DDR. Schon in den 50ern suchte die FDJ geeignete Ferienlager an der Küste, aber auch im Hinterland. Die Lager wurden auch als Treffpunkt der internationalen sozialistischen Jugend genutzt. „Treffen der Nationen!“

Die Zeltlager waren durchorganisiert, das unbeschwerte Ferienvergnügen blieb unter „Kontrolle“.

Der Spaß und die Unterhaltung hatte immer einen politischen Hintergrund. „Urlaub unter Argusaugen“. Der Flair verflog, wenn schwer bewaffnete Soldaten den Strand abschritten, wenn dort Soldaten mit geschultertem Gewehr spazieren gingen. In Doppelposten liefen die Soldaten der „Grenzbrigade Küste“ auch auf der Strandpromenade entlang und über die Dünen, patrouillierten. Hilfe bekamen sie von der Volkspolizei sowie der örtlichen Polizei.

Viele Gemeinden sanierten sich mit der Freigabe von Standorten für Betriebsferienlager. Ein Platz in den Ferienheimen war begehrt, galt als Privileg. An der gesamten DDR-Ostküste waren die Hotels, Pensionen, Gaststätten, Häuser und Wirtschaftsbetriebe durch Enteignung in den Besitz des Zentralkomitees der SED, der Volkspolizei und vor allem dem FDGB.

Sie erlebten jenen Flair vergangener Jahre. In Heringsdorf, wo früher die Bleichröders, Delbrücks und Oppenheims, Bankiers, Unternehmer und Kunstsammler in prächtigen Villen mit Seeblick nebeneinander, mit weitläufigen Parks Distanz hielten.

In die Villa Oppenheim zog Stasi-Chef Erich Mielcke ein, in die Villa Bleichröder Harry Tisch vom DDR-Gewerkschaftsbund. Die Villa von Hitlers Leibarzt Morell nutzte die DDR als Wilhelm-Pieck-Heim für höhere Funktionäre.

Die NVA stationierte auf dem Flughafen Peenemünde das Jagdfliegergeschwader 9 (JG-9.)

Die Einstufung des Strandes als Grenzgebiet, der nach 22 Uhr, in Abschnitten sogar ab 20 Uhr, nicht mehr betreten durfte und die Reglementierung über die Nutzung von Wasserfahrzeugen spielten insbesondere für den kollektiven Sozialtourismus eine Rolle.

Nicht am 8. August 1988 für sechs junge Angehörige der NVA. Nur so konnte es zu den, später als Unglück vertuschten, Todesfällen dreier jungen Mädchen im Alter von 17 bis 18 Jahren kommen. Wiebke, Nele und Meike.

Was für die drei Mädchen aus Rostock als Ferientraum begann, nahm ein tödliches Ende.

Was geschah wirklich?

Fast 30 Jahre später sollte Usedom einen seiner größten Kriminalfälle bekommen. Die erst im Jahr 2021 fertiggestellte neue Seebrücke in Koserow stand mehrfach im Mittelpunkt.

Wer übt Rache aus? Wer ist der Todesengel von Usedom?

1

Koserow

Tore Althusen hatte seine Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen. Sein starker Arm lenkte locker sein altes blaues Fahrrad.

Der schmale Feldweg war holprig und schüttelte den Polizeiposten von Koserow richtig durch. An diesem heißen Sommertag gaben die wenigen Baumgipfel nur wenig Schutz vor der Sonne.

Der kleine, sonst eher verschlafene Ort auf Usedom, wurde seit Tagen von dem für alle unfassbaren Verschwinden des 63-jährigen Stefan Reuter wachgehalten.

Wenige Monate vor seiner Pensionierung hatte „Polpo“, so nennen ihn in der Gegend viele, alle Hände voll zu tun.

Er ist bekannt für seine Geduld, egal, ob es sich um „Besoffene“ Einheimische oder „Bekiffte“ Touristen handelte.

Sein verschmitztes Lächeln brachte Kriminalhauptkommissar Ole Hansen aus Anklam gleich beim ersten Kontakt, dem ersten dienstlichen Treffen zur Weißglut.

„Hier wurde der Mann zuletzt gesehen!“ Die beiden Männer betreten die Seebrücke von Koserow.

„Eine Frau hatte telefonisch den Standort gemeldet. Sprach auf meinen Anrufbeantworter. Sie sagte, die Beschreibung passt auf den vermissten Mann. Der Mann wartete erst, dann ging er in Begleitung von zwei Männern in Richtung des dreieckförmigen Überbaues.“

Tore Althusen hat seit dieser Information kein gutes Gefühl. Er reibt seinen über die Hose hängenden Bauch. „Eine Verabredung?“

„Dann werden wir wohl irgendwann eine Wasserleiche bekommen.“

„Sie meinen? Oh mein Gott.“ Ole Hansen schaut den dicklich wirkenden Polizisten an. „Sehr windig hier. Da habe ich es schwerer mit dem Gleichgewicht halten.“

Gesprochen wurde in den nächsten Minuten nicht mehr. „Wie kommen sie eigentlich in ihre Badewanne?“ Tore Althusen lachte. „Ich dusche.

Kaum zu glauben, aber da passe ich rein.“

Wenig später vergingen den beiden Männern das Lachen und die gespielte gute Laune. Dicht an der Anlegestelle lag eine Leiche im Wasser.

„Ich hatte es befürchtet. Der Mann ist Stefan Reuter. Scheiße!“

Ole Hansen ist entsetzt. „Wer macht denn so etwas?“

„Denken sie das gleiche?“

„Die Tat sollte vertuscht werden.“

„Täter und Opfer kannten sich?“

„Durchaus möglich.“

„Aber woher?“

„Das ist doch wohl eher ihr Job, oder?“

Es dauerte etwa eine halbe Stunde. Mit einem Schlauchboot fuhren zwei Polizeikräfte an die Seebrücke heran, dann hoben zwei Männer Stefan Reuter aus dem Wasser. „Der Mann wurde erschlagen. Eine Eisenstange. Irgend so etwas.

Dann hier ins Wasser gestoßen.“

Die beiden Männer schauen sich an. Tore Althusen sah den Kommissar aus Anklam nach Gegenständen suchen. „Es muss doch irgendetwas geben!“

„Ja, vielleicht das Tatwerkzeug. Wir brauchen einen Taucher.“

„Du Schwein. Dich kriegen wir. Also, was hast du hier gelassen?“ Ole Hansen sah etwas Helles.

„Könnte dem Opfer oder dem Täter gehören.“

Gehörte das gefundene Taschentuch dem Täter?

Immerhin etwas für die KTU. Es wird eine DNA genommen werden können. In seinem Kopf kreisen sich seine Gedanken. „Was bedeuten die Initialen CS?“

Die Reuters betreiben einen kleinen Laden im Dorf.

So alles, was man braucht, um nicht in den doch ziemlich entfernt gelegenen Supermarkt zu müssen.

„Hat........?“

„Ja, eine Frau und einen Sohn. Die Frau wird im Geschäft sein um diese Zeit.“

„Wir müssen die Familie benachrichtigen.“

„Wir? Schon gut, ich mache das.“

Wenig später

„Stumpfe Gewalteinwirkung. Das war aber wohl nicht die Todesursache.“ Das Ergebnis der Obduktion muss abgewartet werden. „Der Mann ist dem ersten Eindruck nach ertrunken.“ Was war auf der Seebrücke geschehen? Was war das Motiv?

Sabine Reuter bediente gerade die Kasse.

Lächelte die Kundin freundlich an. „Lassen Sie es sich schmecken.“

„Ja, danke. Bis zum nächsten Mal. Wir sind noch eine Woche hier auf dem Campingplatz.“

Als Tore Althusen in den kleinen Laden trat, verdunkelte sich das Gesicht der Frau.

„Sabine, das ist Hauptkommissar Ole Hansen von der Kripo Anklam.“

„Hallo Frau Reuter, wir haben leider keine gute Nachricht.“

„Haben sie Stefan gefunden? Ist er tot?“

„Es tut uns sehr leid. Ja.“

„Wir haben ihren Mann an der Seebrücke in Koserow gefunden. Wussten sie, was er da wollte?“

„Nein. Er ging oft abends noch mal raus. Brauchte das. Den Blick aufs Meer. Den frischen Wind.“

Sabine Reuter bekam einen Weinkrampf. Neben den noch mehr gewordenen Schaulustigen war auch die Presse schon vor Ort, belagerte das kleine Ladengeschäft. „Wir ermitteln in alle Richtungen.

Zurzeit kann ich ihnen nichts sagen.“

„Komm Sabine, du schließt den Laden heute. Ich bringe dich nach Hause.“ „Schon gut Tore, das kann meine Schwiegertochter machen. Die kommt gleich zurück von ihren Besorgungen.“

Unvorstellbar. Usedom hat einen Mordfall. „Wir sehen uns auf der Dienststelle. Hauptstraße 31. Ich bin auch gleich da. Lassen sie sich schon mal einen Kaffee machen.“

Tore Althusen radelte los. Trat kräftig in die Pedalen, um seinen korpulenten Körper vorwärtszubringen. HK Hansen stieg in sein Auto. Mit seinem Smartphone rief er seine Frau in Anklam an. „Gibt hier Arbeit. Ich nehme mir in Bansin ein Zimmer. Ein paar Tage werden es wohl sein. Ich liebe dich.“ Dann informierte er seine Dienststelle in Anklam. Tore Althusen stellte sein blaues, altes Fahrrad ab.

Richtete sein verschwitztes, über den Bauch hängendes Hemd. Straffte die Hosenträger.

„Die Kollegen in Heringsdorf sind zuständig.“

„Ich weiß. Aber mir ist ihr Eindruck wichtig. Wie lange sind sie schon in Koserow Polizeiposten?“

„Ach, na ja. Ich habe hier zwei Leben. Das vor der Wende und das danach. Also lassen sie mich überlegen.“

„Schon gut. Sie kennen hier jeden und wissen so alles, was hier so passiert.“

„Ja, an den guten und schlechten Tagen.“ „Was meinen sie? Es bringt doch nicht zufällig jemand einen 63-jährigen Mann um. Da muss es doch eine Vorgeschichte geben.“

„Kannten sie Stefan Reuter näher?“

„Was heißt näher? Wir kennen uns alle schon sehr lange.“

„Seine Frau.“

„Sie meinen die Ehe?“

„Wie überall. Die hatten schon Silberhochzeit. Also mit der Ersten. Eine Polin.“ „Die ersten Stunden sind die wichtigsten.“

„Ich weiß. Sie denken an eine Beziehungstat. Oder im Umfeld?“

„Ich bitte sie, auch wenn es schwerfällt, halten sie die Augen auf, okay?“

„Klar. Mache meinen Dienst.“

„Noch einen Kaffee?“

„Danke, den nehme ich dann bei den Kollegen in Heringsdorf.“

„Waldbühnenweg 2. Großes braunes lang gezogenes Gebäude. Zweigeschossig.“

„Schon im Navi eingegeben.“

„Wir müssen den Tagesablauf von Stefan Reuter rekonstruieren. Das Datum vergisst man so schnell nicht. 8. August. Erst drei Tage her. Ein Sonntag.

Da ist jede Minute interessant. Was hat er wann gemacht? Wen getroffen? Der Mann war doch im Dorf so etwas wie eine Institution. Den kennt doch jeder. Ich versuche, einige Leute von Heringsdorf zu bekommen. Die sollen die Leute befragen.“

„Haben sie einen Plan über die Überwachungskameras?“

„Klar. Die Kollegen auch.“

„Alles muss geprüft werden.“

„Sie sind noch jung. Ihr erster Mordfall?“

Ole Hansen bleibt cool. „Einmal ist immer das erste Mal.“

2

Polizeirevier Heringsdorf

„Stefan Reuter und sein Sohn. Wir ermitteln seit einem Jahr. Ein Zugriff stand kurz bevor. Illegaler gewerbsmäßiger Drogenhandel.“

„Ja, und nun ist er tot!“

Ole Hansen hatte sich alles vorstellen können, damit nicht gerechnet. „Stefan Reuter ein Drogen-Dealer?“

„Uns ist sein Lebensstil aufgefallen. Das große Haus in Bansin. Reetgedeckt. Die Autos. Das alles mit einem Krämerladen verdienen?“

„Die Reuters haben die Kaiserbäder auf Usedom bedient, aber nicht nur die.“

„Sein Sohn soll eine Cannabis-Indoor-Plantage betreiben.“

„Von100 Pflanzen in einem professionellen Anbau ist die Rede.“

„Wer hat ihn verpfiffen?“

„Das Geschäft ist hart. Die Russen mischen kräftig mit. Die Kollegen in Ahlbeck sind daran.“

„Irgendetwas ist aus dem Ruder gelaufen.“

„Oder es soll so aussehen.“

„Wie meinen sie das, Herr Kollege?“

„Na ja, wir sollen sehen, was wir sehen sollen. Ich lege mich da nicht fest. Wir sollten in alle Richtungen ermitteln.“

„Obduktionsergebnisse wohl in einer Woche. Der Bericht kommt aus der Rechtsmedizin Greifswald.“

„Einen ersten Hinweis haben wir aber schon bekommen. Der Schlag war nicht tödlich. Der Mann ist ertrunken.“

„Stefan Reuter hat noch gelebt, als er ins Wasser gestoßen wurde?“

„Ja, er hätte bei entsprechender Hilfe den Angriff überleben können.“

„Scheiße!“

„Also nehmen wir mal an, jemand steckt Stefan Reuter, dass ein Haftbefehl erlassen worden ist. Der trifft sich mit seinem Boss, wenn es denn geben sollte, die geraten in einen Streit. Klar, Stefan Reuter wollte dann Kohle bei einem Ausstieg. Der Boss, oder ein anderer Mann, schlägt ihn nieder.“

„Halt, jetzt wirds spannend. Geht er weg, weil er annimmt, Reuter sei tödlich verletzt, oder wie gehts weiter?“

„Nehmen wir an, der Täter entfernt sich. Wer hat dann ein Interesse, Reuter nicht zu helfen, sondern ihn ins Wasser zu schmeißen?“

„Wir haben ein Taschentuch und eine Eisenstange gefunden. Und vielleicht sind ja noch DNA-Spuren an Reuters Kleidung sicherzustellen. Das soll ja auch bei im Wasser gelegenen Leichen noch möglich sein.“

„Gut informiert, der Herr Kollege.“

„Man lernt nie aus.“

Der Staatsanwalt kommt dazu. „Hier der Haftbefehl für Reuters Sohn Thorsten.“

Am nächsten Tag

Polizei und Zoll hatten leichte Arbeit. Sie konnten neben den Cannabis-Pflanzen das ganze Equipment beschlagnahmen. Thorsten Reuter wurde festgenommen. Als Indoor-Plantage diente ein alter, stillgelegter Garagenhof.

Bei der gleichzeitig durchgeführten Wohnungsdurchsuchung wurden keine großen Mengen sichergestellt. Das ganze Haus wurde zwar auf den Kopf gestellt, aber nur zwei Tüten mit je 10 Gramm Kokain gefunden. Es wurde eine Langwaffe, Munition und über 25.000 EURO Bargeld beschlagnahmt.

HK Ole Hansen wird der gefundene Koks gebracht.

Er zeigt die Tüte Sabine Reuter. „Ich habe damit nichts zu tun.“ Thorsten Reuters junge Ehefrau hielt ihren Bauch. „Sie sind schwanger?“

„Ja, im 7. Monat.“

„Fürchte, das Kind muss für einige Zeit auf seinen Papa verzichten.“ Dann hatte der Einsatzleiter noch einen Trost für die Frau. „Was mit ihnen wird, also wegen der Schwangerschaft, entscheiden andere.

Erst mal bitte ich sie, Usedom nicht zu verlassen.

Es gibt sicherlich Fragen.“

„Der Stoff ist doch Eigenbedarf. Brauche ich einen Anwalt?“

„Besorgen sie einen für ihren Mann, aber einen guten wird er benötigen.“

Im Bundespolizeirevier in Ahlbeck wird Thorsten Reuter von einem Beamten des Drogendezernats befragt. Es ist auch ein Kollege aus dem Polizeipräsidium aus der polnischen Seite anwesend. Noch schweigt Thorsten Reuter. Aber wie lange noch? Sein Vater ist ermordet worden.

Kann er dazu Angaben machen?

Vor einigen Tagen

3

Koserow

Nur wenig Sonnenstrahlen schafften es durch den großen vor der Kirche stehenden Baum auf die hölzerne Sitzbank durchzukommen.

Der Frau scheint es nicht gestört zu haben. Sie beschäftigen andere Gedanken an diesem Sonntag, den 8. August 2021. Gerne hätte sie die fast immer verschlossene Kirche betreten. Den Weg zum Pfarramt sparte sie sich. Tief, ganz tief waren ihre Erinnerungen an den Tag gleichen Datums im Jahr 1988.

Die Frau wischte sich einige Tränen von der Wange.

Immer wieder schaute sie auf ein Farbfoto. Es zeigte vier junge Mädchen. Auf der Rückseite war ein Datum notiert. Darunter standen sechs Namen von Männern. Namen von ehemaligen MiG-29-Piloten. Die Männer kannten sich seit vielen Jahren, aus der Ausbildung in der NVA zum Piloten. Es begann mit der gemeinsamen zusätzlichen Berufsausbildung als Offiziersschüler bei der INTERFLUG, setzte sich fort mit einem Diplom-Studium an sowjetischen Fliegerschulen und endete mit der Umschulung auf den Jagdbomber MiG-23BN unmittelbar nach Rückkehr in die Heimat. Vorausgingen ein akribisch durchgeführtes Auswahlverfahren, einschließlich flugmedizinischer Untersuchungen in Königsbrück.

Unvergessen ist die Absolvierung der Offiziershochschule in Bautzen, bei der insbesondere auch die russische Sprache und die physischen Qualitäten ausgeprägt wurden. Die fliegerische Anfangsausbildung erfolgte in Primorsko-Achtars am Asowschen Meer. Es war ein langer Weg bis nach Peenemünde.

Die Frau zog die Kapuze der Jacke tief ins Gesicht.

Es waren nur wenige Hunderte Meter Fußweg zu einem frei stehenden Haus.

Es lag wenig einsehbar hinter einer Reihe von hohen Bäumen. Die schmale Treppe führte zur Kellertür hinunter, die Frau schloss auf und begab sich am Ende des Kellerganges an einen großen, schweren Schrank aus echtem Eichenholz.

Sie schob mehrere Mäntel und Jacken beiseite, öffnete die Rückwand des Schrankes und gelang so in einen kleinen, aber komplett eingerichteten Raum, den sie als Büro nutzen konnte. Eine Wand des Raumes war mit einer riesigen Fläche aus Korkplatten bedeckt, auf den jede Menge ausgeschnittene Zeitungsartikel, Fotos, Porträts von vier jungen Frauen, Urlaubsbilder vom Strand, Bilder von Feierlichkeiten geheftet waren. Darunter waren sieben weiß gerahmte Flächen, die mit Fotos von Männern versehen waren. Jedes Feld jeweils mit zwei Fotos. Sie zeigten die Männer in Uniform und dem damaligen Alter von um die dreißig.

Daneben jeweils eines im Alter um die sechzig.

Unter den Fotos standen jeweils, in großen Buchstaben aufgeklebt, die Namen.

STEFAN REUTER

HORST BENDER

JOHANN BAUMANN

KARL JAHNKE

KAI FELDTMANN

IGOR STREHLOW.

Ein Rahmen war mit einem groß förmigen X aus schwarzem Klebeband versehen. Unter ihm stand der Name TOM FIEDLER.

Die Frau zündete eine Kerze an. Stellte auf den Tisch eine Vase mit einer roten Rose. Nele wäre heute 50 geworden. Die drei jungen Frauen wurden von Tom Fiedler betreut. Waren zehn Tage untergebracht in einem Feriendorf in der Nähe von Bansin. Es war der letzte Abend. Und es sollte gefeiert werden.

Das Gesicht der Frau wurde ernster. Sie erinnerte sich an die Zusammenhänge.

Es war Tom Fiedler. Er bot sich den jungen Frauen an, „paar Jungs zu organisieren“.

Solche, die Spaß haben wollen, etwas mehr Kohle haben. Gute Jungs, Offiziere.

NVA-Offiziere. Piloten.

Das war eine Hausnummer. Natürlich empfanden die Mädels das gut. Fanden das Klasse. Und dazu Neles Geburtstag feiern, es so richtig krachen lassen.

Die Frau wischte sich Schweißtropfen von der Stirn. Jahrelang hatte sie sich Vorwürfe gemacht.

Schweißgebadet nachts aufgewacht von schrecklichen Träumen.

Tom Fiedler organisierte damals eine Jagdhütte.

Etwas abgelegen im naheliegenden Wald bei Bansin. Es war eine tolle Stimmung unter den jungen Menschen. Bis, ja bis Koks ins Spiel kam.

Das veränderte alles.

Die jungen Frauen wurden Freiwild.

Sie waren nicht mehr in der Lage sich zur Wehr zu setzen, geschweige denn aus der Jagdhütte zu entkommen. Nacheinander, über Stunden vergewaltigten die Männer die jungen wehrlosen Frauen.

Total betrunken und voll gekifft torkelten sie aus der Jagdhütte. Schlossen die Tür ab.

Tom Fiedler, der FDJ-Betreuer, wollte am nächsten Morgen in der Jagdhütte nach dem Rechten schauen. Was er vorfand, war ein Desaster. Drei der Frauen waren an einer Kohlendioxidvergiftung gestorben. Wiebke, Nele und Meike. Aber wo war Cordula? Es war der Ofen. Die Fensterladen waren alle verschlossen. Dadurch kam keine Frischluft in den kleinen Raum.

Tom Fiedler telefonierte mit der Polizei.

Die herbeigerufenen Sanitäter bekamen den Befehl, die Leichnamen der jungen Frauen zur Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit zu fahren. Ein Ort, an dem normalerweise kein Toter hinkommt. Einige Tage später verbreitete das Fernsehen der DDR die Meldung von tot aufgefundenen unbekannten weiblichen Personen.

Die Ermittlungen liefen ins Leere. Es gab keine Hinweise auf Fremdverschulden.

Wenige Tage nach dem „Unglücksfall“ wurde Tom Fiedler tot aufgefunden. Er hing an einem Seil an einem Baum. Die Polizei ging von Suizid aus. Seit dem Tag galt Tom Fiedler als der Schuldige. Er wurde identifiziert als anonymer Anrufer. Natürlich hatte sich Tom Fiedler nicht selbst getötet. Er wurde mit seinem Wissen zu gefährlich. Man hatte ihn beiseite geschafft. Die Stasi hatte weitere Ermittlungen angestellt. Aber NVA-Offiziere als Vergewaltiger? Das konnte und das durfte nicht sein. Cordula Steiner wurde seit ihrem Verschwinden von der Volkspolizei gesucht. Die Stasi hatte sich ebenfalls an ihre Fersen gehängt.

Die sechs Piloten der Flugstaffel in Peenemünde wurden zwangsversetzt. Dazu als 7. auch der eine Pilot, der der „Geburtstagsparty“ wegen einer Magenverstimmung fernblieb. Tore Althusen. Sie mussten nun Dienst im Mot.- Schützenregiment in Oranienburg bei Berlin leisten. Kein Zuckerschlecken. Die meiste Zeit verbrachten sie auf dem Truppenübungsplatz der NVA in Ückermünde. Unterkunft in Zelten. Bei jeder Witterung. Verpflegung aus Lebensmitteldosen, bekannt als Komplekte. Gelbe Erbsen, grüne Bohnen, Vollkornbrot, Schmalzfleisch, Mortadella, Rotwurst. Gefechtsloch buddeln, Sichttarnung basteln, Spirituskocher anheizen und den E-Fall im Kopf haben. Und Teetabletten lutschen. Dazu Kekskomprimat. VEB WIKANA machts möglich. Die Kekse mit Bohnerwachs darauf gaben ein schönes warmes Feuer. Kameradschaft ist wie ein Baum, die Zweige mögen in unterschiedliche Richtungen wachsen, doch die Wurzeln halten uns zusammen!

Bis zur Wende, aber dann wurde es ohnehin alles anders.

Die Frau schaute auf die Fotos. Heftete ein jeweils ein drittes Foto hinzu. Es zeigte 1. Stefan Reuter vor seinem Haus in Bansin.

2. Horst Bender vor der Frauen-Kirche in Dresden.

3. Johann Baumann hinter der Theke seiner Kneipe in Berlin-Köpenick. 4. Karl Jahnke vor dem Hotel seiner Eltern auf Rügen.

5. Kai Feldtmann vor seinem Taxi am Hbf in Magdeburg. 6. Igor Strehlow vor dem Recycling-Betrieb in Greifswald.

Ganz abseits an der Bildertafel waren mehrere Fotos angeheftet. Sie zeigen die siebenköpfige Fliegerstaffel.

Alle standen Piloten standen vor einem Jagdflieger.

Ein Pilot war mit einem Pfeil markiert.

Tore Althusen. Weitere Fotos von ihm als Jagdflieger und als später als Polizist. In Zivil und Dienstkleidung.

Ein Foto zeigte die Dienststelle, den Polizeiposten von Koserow.

Die Frau nahm einen schwarzen Klebebandstreifen und schnitt ihn zurecht. Klebte eine Hälfte des X, einen Schrägstrich auf das Foto von Stefan Reuter.

Sie nahm ein Prepaid-Telefon und rief in Polen an.

„Ja?“

„Euer Freund in Bansin wird morgen früh hochgenommen.“

„Wer ist da?“

„Eine Frau, die es gut mit euch meint.“

Gegen 22 Uhr machte sich die anonyme Anruferin selbst auf den Weg zum Haus der Reuters in Bansin. Sie war sich ganz sicher, die Polen werden reagieren.

Nach gut 30 Minuten tat sich etwas. Ein schwarzer BMW fuhr in die offen stehende Toreinfahrt. Ein Mann stieg aus und klingelte. Nach einem kurzen Gespräch stieg er wieder ins Auto.

Die Frau folgte dem Wagen bis Ende der Hauptstraße. Der Treffpunkt war also die Seebrücke in Koserow. Sie wartete und sah, wie drei Männer auf die Seebrücke gingen. Wenig später sah sie zwei Männer, die beiden Polen, von der Brücke kommen. Sie stiegen in den BMW und fuhren schnell davon. Die Frau schaute sich um, sah niemanden und ging selbst auf die Brücke.

„Helfe mir, ich bin schwer verletzt. Diese scheiß Polen.“

„He, was machst du?“

„Geh schwimmen, alter Mann. Gruß von Nele!“ „Nele? Was soll der Scheiß, spinnst du?“

„8. August. 1988. Vergessen? Gute Reise!“

Es dauerte nur wenige Minuten, dann war von Stefan Reuter nichts mehr zu sehen.

Wenig später

Genüsslich klebte die Frau den zweiten Klebestreifen auf das Bild von Stefan Reuter. Sie schank sich ein Glas Rotwein ein. Prostete dem X zu.

Noch lange saß sie an einem Schreibtisch. Nahm später wieder einen Würfel. Es kam die 3. „Wenn es so sein soll, Johann Baumann.

Auf bald in Berlin oder sonst irgendwo.“

Die Frau trank die Flasche Rotwein leer.

Währenddessen schaute sie immer wieder auf das Foto von Nele Schön. Sie fragte sich, was aus ihrer Schwester geworden sein könnte. Sie schnitt rote Klebestreifen zurecht und formte ein Herz um das Foto. Dann begab sie sich aus dem Raum, so wie sie hereingekommen war, wieder hinaus und ging durch die Eingangstür ins Haus.

Lange Zeit ging es ihr nicht so gut. Sie schlief schnell ein. Im Traum spürte sie den langen Atem von Nele.

4

Bansin

Ole Hansen wollte sich schnell ein Bild machen.

Er suchte Sabine Reuter in ihrem Haus in Bansin auf. Sabine Reuter hat fast die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Tief bewegt vom Tod ihres Mannes und der Festnahme seines Sohnes bewegte sie sehr, dass das Doppelleben ihres Mannes ihr verborgen geblieben war.

Einige Stunden gingen drauf, um wieder zumindest etwas Ordnung in die Wohnung zu bringen. Es ging bei der Hausdurchsuchung doch turbulent zu.

Sabine Reuter hörte das Klingeln, warf sich ihren Bademantel über und schlüpfte in ihn hinein, während sie die Treppe zur Eingangstür hinunterging. „Das ging ja schnell.“

„Ja, guten Morgen. Haben sie Zeit für paar Fragen?“

„Habe ich eine Wahl?“

HK Ole Hansen lächelt verschmitzt. „Man hat immer eine Wahl im Leben. Aber in dieser Situation?“

„Schon klar. Was wollen sie wissen?“

„Was für ein Mensch war ihr Mann?“

Sabine Reuter brauchte einige Zeit für die Antwort.

Dacht längere Zeit nach. Sie schaute den Hauptkommissar an, knabberte dabei an den Fingernägeln.

„Eigentlich weiß ich es gar nicht viel.“ Die Frau holte tief Luft. „Er und sein Sohn kamen vor drei Jahren in mein Leben. Mein erster Mann war gestorben. Ein Autounfall.“

„Das tut mir leid.“

„Ja, nie aufgeklärt. Fahrerflucht.“ Sie stockte ein wenig und sagte dann: „Ich war nie in Kneipen unterwegs. Beim ersten Mal lernte ich dann Stefan kennen. Er gab paar Drinks aus. Interessierte sich für mich. Irgendwie ist es dann passiert.“

„Bei der Liebe ist es oft so. Sie kommt angeflogen und sie fliegt wieder weg. Und wir wissen nicht, warum.“

„Vor drei Jahren, sagen sie. Was hat er davor gemacht? Wo gelebt?“

„Im polnischen Teil. Swinemünde, im Seebad Swinoujscie. Er hatte da eine Strandbar an der Promenade. Sein Sohn hat als DJ dort in der Hochsaison gearbeitet. Ich bin dann oft rüber. Wir verstanden uns gut. Dann musste eine Entscheidung her. Sie viel für mein Geschäft aus.

Stefan war eine große Unterstützung. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“

Ole Hansen verstand schnell. Die Szene, Strandbar und DJ, das läuft oft mit Drogen zusammen.

„Wie lange hat er das gemacht?“

„Oh, das weiß ich nicht. Wohl lange. Seit der Wende? Seine damalige Frau ist Polin, Alina. Mit ihr hat er den Sohn. Thorsten.“ „Was ist aus seiner Frau Alina geworden?“

„Die hat wieder ihren alten Namen angenommen, Wozniak. Alina Wozniak. Betreibt eine Diskothek.“

„Warum interessiert sie das?“

„Routinefragen. Aber sagen Sie, was haben sie am 8. August gemacht. So zwischen 22 und 24 Uhr?“

„Warum wollen sie das wissen? Denken sie......?