Die Tour de France - Jürgen Löhle - E-Book

Die Tour de France E-Book

Jürgen Löhle

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Beschreibung

Dieses Buch zeigt das größte Radrennen der Welt, Die Tour de France, durch die schwarz-rot-goldene Brille. Der erfahrene Radsport-Autor Jürgen Löhle stellt hier alle deutschen Teilnehmer und deren Erfolge dar, wirft einen Blick auf die deutschen Austragungsorte und die Bedeutung der Tour in der deutschen Sport-Historie. Ein umfassendes Werk, genau beobachtet und exzellent beschrieben. • Alle Zahlen und Fakten zu deutschen Teilnehmern, Erfolgen und Orten • Geschichtliche Rolle, Kulturtransfer und Völkerverständigung im Rahmen der Tour • Brückenschlag von frühen deutschen Stars wie Kurt Stöpel bis Erich Bautz (vor dem zweiten Weltkrieg) bis hin zu den jungen Wilden der Gegenwart (Marcel Kittel, John Degenkolb, u. a.)

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INHALT

PROLOG

KAPITEL 1: DEUTSCHE RENNFAHRER BEI DER TOUR DE FRANCE

DIE FRÜHE ÄRA BIS 1938: VON JOSEF FISCHER BIS ERICH BAUTZ

DIE ERSTEN DEUTSCHEN ERFOLGE AB 1932

NACH DER RÜCKKEHR DER DEUTSCHEN 1955: JUNKERMANN, ALTIG, WOLFSHOHL, KUNDE

DIE 1970er-JAHRE MIT DIETRICH THURAU UND KLAUS-PETER THALER

DIE 1980er-JAHRE MIT ROLF GÖLZ

NACH DEM FALL DER MAUER

1996: JAN ULLRICH BETRITT DIE BÜHNE

1997: JAN ULLRICHS GROSSE TOUR

DIE DEUTSCHEN PROFIS IN ULLRICHS SCHATTEN

DER EWIGE VOIGT

STARKE AUFTRITTE AB 2011 UND PERSPEKTIVEN FÜR DIE ZUKUNFT

KAPITEL 2: DIE TOUR BESUCHT DEUTSCHLAND

DER AUFTAKT 1964 IN FREIBURG

DER ERSTE START IN DEUTSCHLAND: KÖLN 1965

FRANKFURT 1980 – DREI TAGE MIT GEMISCHTEN GEFÜHLEN

BERLIN 1987: DIE TOUR KRATZT AN DER MAUER

EINMAL QUER DURCHS LÄNDLE

DEUTSCHE ETAPPENORTE NACH DEM JAHR 2000

2017: DER KREIS SCHLIESST SICH IN DÜSSELDORF

KAPITEL 3: DEUTSCHE TEAMS BEI DER TOUR

DAS TEAM ROKADO

DAS TEAM TELEKOM/T-MOBILE

DAS TEAM GEROLSTEINER

DAS TEAM MILRAM

BORA – DER FRISCHE WIND AUS OBERBAYERN

DAS TEAM GIANT ALPECIN

KAPITEL 4: WAS DIE DEUTSCHEN MIT DER TOUR VERBINDET

DEUTSCHE UND FRANZOSEN – EIN NICHT IMMER EINFACHES VERHÄLTNIS

DEUTSCHE TUGENDEN BEI DER TOUR – DAS REGELHEFT

2018: DIE MACHER DER TOUR KOMMEN NACH DEUTSCHLAND

DEUTSCHE ERFOLGE

PROLOG

21. JULI 2004 BOURG D’OISANS

BERGZEITFAHREN EXTREM: JAN ULLRICH AUF DEM WEG IM JULI 2004 NACH ALPE D’HUEZ.

21. Juli 2004, Bourg d’Oisans. Die Tour de France brodelt, sie kocht vor Hitze und vor Emotionen. Noch vier Tage bis Paris, und heute soll die Entscheidung über den Gesamtsieg zementiert werden. Bergzeitfahren hinauf nach Alpe d’Huez. 14,5 Kilometer mit 1130 Metern Höhendifferenz stellen sich den Profis in den Weg, und an den 21 Kehren hinauf in die triste Skistation in Hochsavoyen drängen sich fast eine Million Menschen an den Straßenrändern. Eine unglaubliche Menschenmenge, ein Novum, so viele waren es hier noch nie. Fans aus der ganzen Welt stehen dicht an dicht, alle 50 Meter sieht man einmal einen Polizisten. Vielleicht. Wir Journalisten fahren Stunden vor dem Rennen mit dem Auto hinauf ins Ziel, vorbei an ungeheuer laut, aber friedlich feiernden Menschen, die trotz der Hitze und der Enge gut drauf sind. Die meisten wenigstens. Es sind auch viele Deutsche darunter; Jan Ullrich hat zwar kaum noch eine Chance auf den Gesamtsieg, kann aber hier und heute die Etappe gewinnen. Und Andreas Klöden liegt kurz vor Paris nur zwei Plätze hinter Lance Armstrong auf Position drei im Gesamtklassement. Zutaten für eine ganz große Show aus deutscher Sicht.

Wir halten mit dem Auto kurz an. Kurve 14, ein wunderbarer Blick hinunter auf den gewundenen Asphalt, wo sich in ein paar Stunden die Profis schinden werden, als gäbe es kein Morgen. Hinter den Absperrgittern steht ein von anderen Campern eingekeiltes Wohnmobil mit deutschen Kennzeichen, auf dem Dach wehen kleine schwarz-rot-goldene Fähnchen. Eine Familie aus dem Schwäbischen steht dort, schon seit vier Tagen, weil danach die Barrieren an den Straßenrand gerückt wurden. Allesamt Radverrückte, und der Vater sagt ganz beiläufig einen Satz, der trotz seiner Schlichtheit perfekt passt: „So etwas würde in Deutschland niemals funktionieren.“

»SO ETWAS WÜRDE IN DEUTSCHLAND NIEMALS FUNKTIONIEREN.«

Wie wahr – fast eine Million Menschen an eine Bergstraße strömen zu lassen, das Ganze ohne ausgewiesene Fluchtwege, ohne Ordnungshüter alle paar Meter, ohne etliche Rot-Kreuz-Stationen, ohne ein über Monate hinweg entwickeltes Müllkonzept und allerlei Notfallpläne – das wäre hierzulande schlicht unmöglich. Dafür gäbe es in Deutschland keine behördliche Freigabe. Niemals. Natürlich haben die Franzosen auch ein paar Vorkehrungen getroffen, einige Gendarmen an die neuralgischen Punkte gestellt und auch etliche Müllbeutel an den Leitplanken aufgehängt. Letztlich haben sie aber den Ansturm der Massen bei der Weltpremiere eines Zeitfahrens nach Alpe d’Huez mit einer Gelassenheit und Zuversicht zugelassen, die man unseren regelwütigen Behörden manchmal wünschen würde. Und so manifestiert sich Jahr für Jahr auf Frankreichs Straßen das Bild, das die zwei Nationen voneinander haben. Wir Deutschen schauen fasziniert auf das Laissez-Faire unserer Nachbarn – und die bewundern am Ende des Tages manchmal dann doch die straff-deutsche Organisation. Zum Beispiel dann, wenn sie beim Weg zurück vom Berg stundenlang im Stau stehen, weil im Tal einer vergessen hat, die Ampel an einer einspurigen Baustelle auszuschalten. C’est la vie.

LANGE ZEIT DAS DUELL DER TOUR: JAN ULLRICH GEGEN LANCE ARMSTRONG, HIER 2001 BEIM ANSTIEG NACH AX-LES-THERMES IN DEN PYRENÄEN.

Die Tour de France ist also auch ein Vehikel zwischen zwei Ländern, um sich besser kennenzulernen. Eher noch als über Regeln und Organisationsweisen gelingt das natürlich über Menschen. Deutsche Profis bei der Tour de France haben vielleicht mehr Brücken zwischen den einstigen Kriegsgegnern geschlagen, als man denkt. Beispiele dafür gibt es nach 1945 viele. Die Franzosen lieben ihr großes Sommerdrama ja vor allem deswegen, weil sie Heldengeschichten mögen, blumige Leidensberichte über Männer, die gegen jeden Verstand, mit großem Herzen und zähem Willen kämpfen – und die dabei vor allem nicht ständig rational und taktisch handeln, sondern sich von Gefühlen leiten lassen, vom Instinkt und von der Lust am Risiko, auch wenn das manchmal nüchtern betrachtet der schiere Wahnsinn ist. Aber eben so schön, dass die Grande Nation vor dem Fernseher oder an der Straße anerkennend in die Hände klatscht und auch mal ein Tränchen verdrückt, wenn wieder einmal einer der Helden, von der Härte des Rennens ausgespuckt, mit hängenden Schultern in den Besenwagen klettert.

Und solche franko-affinen deutschen Profis gab und gibt es: Athleten, die in den vergangenen 70 Jahren das lange vom Nazideutschland geprägte Bild der Nachbarn mindestens so nachhaltig korrigierten, wie Staatsbesuche mit schönen Reden. Dietrich Thurau war zum Beispiel in den 1970er-Jahren so einer, den die Franzosen ins Herz schlossen. „Blonder Engel“ nannte man links des Rheins den blutjungen Frankfurter Bub mit den semmelgelben Locken. Der hatte zu Beginn der Tour 1977 sein Herz in die Hand genommen, den kurzen Prolog gewonnen und stand zwei Tage später als 22-jähriger Tournovize im Gelben Trikot am Start der ersten Hochgebirgsetappe in den Pyrenäen. Aber anstatt sich ehrfürchtig an den großen Namen zu orientieren, gab Jung-Didi einfach Druck aufs Pedal, auch am Aspin, am Aubisque und am Tourmalet, allesamt Bergriesen, die er nur aus der Zeitung kannte. Am Ende siegte er in Pau vor allen großen Favoriten. Die Fachwelt staunte, und die Franzosen hatten ihren „Thüro“, den blonden Engel. Dietrich Thurau behielt das Trikot 15 Tage lang, verlor es erst in den Alpen an den späteren Sieger Bernard Thévenet. Paris erreichte er schließlich auf Rang fünf und als sympathischer Botschafter Deutschlands. Auch Rudi Altig in den 1960er-Jahren mochten die Franzosen ob seiner Kampfmoral, obwohl „Sacré Rüdi“ dabei sogar ihr Denkmal Jacques Anquetil angriff. Und auch der eher in sich gekehrte Jan Ullrich war en France beliebt, weil er einer der wenigen war, der in der Ära Armstrong den kühl taktierenden Ami immer und immer wieder attackierte. Oft als einziger im Feld.

Solche Personen und Geschichten gibt es viele. Deutsche Erfolge bei der Tour, denkwürdige Auftritte deutscher Fahrer, aber auch Dramen – in diesem Buch werden sie erzählt. Und der Vollständigkeit halber: Das Zeitfahren 2004 in Alpe d’Huez gewann Lance Armstrong vor Jan Ullrich und Andreas Klöden.

DIETRICH „DIDI“ THURAU BEIM START ZU EINEM DER EINZELZEITFAHREN 1980.

KAPITEL 1

DEUTSCHE RENNFAHRER BEI DER TOUR DE FRANCE

DAS DEUTSCHE TOUR-DE-FRANCE-TEAM VON 1968: TEAMCHEF HANS PREISKEIT, ROLF WOLFSHOHL, HERBERT WILDE, ERNST STRENG, DIETER PUSCHEL, KARL-HEINZ KUNDE, KLEMENS „MÜCKE“ GROSSIMLINGHAUS, WINFRIED GOTTSCHALK, PIT GLEMSER, WINFRIED „GUSTAV“ BÖLKE, SIEGFRIED ADLER (V.L.N.R.)

DIE FRÜHE ÄRA BIS 1938: VON JOSEF FISCHER BIS ERICH BAUTZ

Ein Bild ging um die Welt. Maurice Garin steht stolz und mit Siegerschärpe dekoriert hinter seinem Rennrad. In seinem Mundwinkel unter dem Schnauzer hängt lässig eine Zigarette, eine kecke Schiebermütze thront auf seinem Kopf. So sah er also aus, der Mann, der 1903 die erste Tour de France gewann. Die Filterlose im Mund des gelernten Schornsteinfegers ist ein Zeichen dafür, dass dieses Rennen damals wirklich noch etwas komplett anderes war als heute. Irgendwie unvorstellbar und surreal. Man mag es kaum glauben, aber Ärzte haben den Rennfahrern damals geraten, vor dem Start zu rauchen. Das mache die Lunge so richtig frei, hieß es damals. Kein Witz. Und so skurril wie die Ansage der Weißkittel war das Rennen damals. Die erste Tour führte nur über sechs Etappen, war aber 2428 Kilometer lang. Die einzelnen Abschnitte maßen von 268 bis hin zu unglaublichen 471 Kilometern! Die Profis saßen dabei auf gut 25 Kilo schweren Stahlrädern, die weder eine Gangschaltung, noch einen Freilauf kannten. Und das Ganze meist auf Naturstraßen. Wenn man Härte gegen sich selbst ins Quadrat setzen will – das wäre es wohl. Zumal Sieger Garin die Tortur mit einem Stundenmittel von 25,6 Kilometern hinter sich brachte. Trotz Zigaretten, Starrachse, schlechter Straßen und sonstiger Hindernisse.

JOSEPH FISCHER, EINZIGER DEUTSCHER TEILNEHMER DER ERSTEN TOUR DE FRANCE UND GEWINNER DES ERSTEN RENNENS VON PARIS-ROUBAIX 1896.

Am Start der ersten Tour standen auch zwei Deutsche. Ludwig Barthelmann, der aber schon auf der ersten Etappe von Paris-Montgeron nach Lyon (467 Kilometer) aufgab. Ganz anders Josef Fischer. 1896 gewann der gebürtige Saarländer mit Wohnort München die erste Auflage des heutigen Klassikers Paris–Roubaix. Auf den zweiten deutschen Erfolg in der Kopfsteinpflaster-Hölle musste das Land danach 119 Jahre warten, ehe John Degenkolb 2015 auf der Radrennbahn in Roubaix als Erster über die Ziellinie raste. Fischer war ein bunter Hund, gewann Rennen wie Berlin–Wien über knapp 600 Kilometer, die, auch kein Witz, am Stück gefahren wurden. Der Mann trat auch bei Schaukämpfen an und sprintete einst schneller mit dem Rad, als William Cody Junior, der Sohn von Buffalo Bill, reiten konnte. 1903 war er aber bereits 38 Jahre alt und am Ende seiner Karriere. Dennoch kam er durch und wurde schließlich als Fahrer des deutschen Kaiserreichs 15. des Gesamtklassements. Mit knapp 22 Stunden Rückstand auf Garin.

MANN MIT ZIGARETTE UND KIND: MAURICE GARIN MIT DER SIEGERSCHÄRPE DER ERSTEN TOUR 1903.

DIE ERSTEN DEUTSCHEN ERFOLGE AB 1932

Erfolge für deutsche Radprofis kamen aber erst später. Nachdem die Tour nach dem Ersten Weltkrieg für einige Jahre kein idealer Treff für deutsche Radsportler war, versuchte sich schließlich 1931 der Berliner Kurt Stöpel am wichtigsten Rennen des Jahres. Damals waren die Velos schon besser, es gab bereits den Freilauf, und Anfang der 1930er-Jahre wurden auch die ersten Kettenschaltungen gebaut, die die Tour allerdings erst 1937 zuließ. Geraucht wurde auch nicht mehr so viel, zumindest wurde die Fluppe nicht mehr ärztlich empfohlen. Stöpel fuhr die Tour zu Ende, aber erst ein Jahr später, 1932, kam dann sein ganz großer Auftritt. An einem der heißesten Tage dieser Tour gewann er in der Normandie die zweite Etappe von Caen nach Nantes nach für damalige Verhältnisse eher bescheidenen 295 Kilometern im Sprint.

Die Tour wurde damals als Wettbewerb für Nationalmannschaften ausgetragen, der 24-jährige Stöpel war Mitglied des deutsch-österreichischen Teams und der erste deutsche Etappensieger überhaupt. Stöpel durfte sich an diesem Abend ebenfalls als erster Allemande das 1919 eingeführte Gelbe Trikot des Spitzenreiters im Gesamtklassement überstreifen. Eine große, wenn auch kurze Ehre. Am nächsten Tag ging es wieder über knapp 400 Kilometer von Nantes nach Bordeaux. Der Berliner kämpfte mit fünf Reifenpannen und war zum Schluss des Tages die Gesamtführung wieder los. Trotzdem wurde die Tour ein großer Erfolg für ihn. Am Ende der knapp 4500 Kilometer kam Stöpel als Gesamtzweiter knapp 25 Minuten hinter dem Franzosen André Leducq ins Ziel. „Ich habe so gekämpft, dass ich im Ziel der Tour 30 Pfund leichter war als am Start“, beschrieb er damals die Strapazen. Und das ohne Doping – wie er sagte: „Ich habe manchmal ein bisschen französischen Kirschlikör getrunken, das war alles“, erklärte er. Zu Stöpels Zeiten fuhren die Besten übrigens schon mit einem Schnitt um die 30 Stundenkilometer durch Frankreich.

GESAMTSIEGER ANDRE LEDUCQ (LINKS), UND KURT STOEPEL, 21. ETAPPE, AMIENS – PARIS, 1932

Es dauerte bis 1996, ehe mit Jan Ullrich wieder einmal ein deutscher Profi am Ende so weit vorn lag. Das hatte Kurt Stöpel in einem Berliner Seniorenheim noch am Fernsehen miterlebt. Kurz vor Ullrichs größtem Erfolg ein Jahr später starb der gelernte Journalist dann aber im Juni 1997 mit 89 Jahren, weil er tragischerweise und aus Versehen im Altenheim aus einer Flasche mit einem Reinigungsmittel getrunken hatte. Kurt Stöpel wurde 2008 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.

»ICH HABE SO GEKÄMPFT, DASS ICH IM ZIEL DER TOUR 30 PFUND LEICHTER WAR ALS AM START.«

SCHON 1932 MOCHTEN PROFIS KEIN KOPFSTEINPFLASTER: KURT STÖPEL (DRITTER VON LINKS) MIT BEGLEITERN AUF DEM WEG NACH MALO-LES-BAINS.

TAGESSIEGER ERICH BAUTZ AM BALLON D‘ALSACE4. ETAPPE, METZ – BELFORT, 1937

Zwei Jahre nachdem Kurt Stöpel seine letzte Tour de France absolviert hatte, kam der große Auftritt des Dortmunders Erich Bautz bei der Tour. 1937 trat der Profi aus dem Pott als Mitglied der deutschen Mannschaft an. Bautz kam mit der Empfehlung des Gesamtsieges bei der Harz-Rundfahrt nach Frankreich und hatte wahrhaft gute Beine dabei. Auf der schweren vierten Etappe von Metz nach Belfort fühlte sich der 24-jährige so stark, dass er am Ballon d’Alsace alle stehen ließ. „Neun Kilometer lang ist die Steigung, aber ich verspüre nicht die geringste Müdigkeit“, schrieb er in seinen Erinnerungen. Am Ende gewann er in Belfort nicht nur die Etappe, sondern übernahm auch das Gelbe Trikot. Bautz verteidigte das Trikot vier Tage lang, ehe er es in den Alpen nach drei Reifenschäden am Galibier an den Italiener Gino Bartali abgeben musste. Am Ende konnte er auch noch die 17. Etappe von Bordeaux nach Royan am Atlantik für sich entscheiden und kam als Neunter nach Paris. Der neue Tourchef Jacques Goddet lobte den jungen Profi als großes Talent, von dem man noch viel hören werde. Aber damals zogen schon dunkle Wolken über Europa auf. 1938 war noch einmal eine Equipe aus Hitler-Deutschland am Start: Willi Oberbeck gewann damals die erste Etappe von Paris nach Caen. Ein Jahr später aber stürmte Europa bereits mit großen Schritten Richtung Katastrophe. Deutschland, Italien und Spanien schickten im Sommer 1939 keine Rennfahrer mehr nach Frankreich, und am 1. September begannen mit dem deutschen Angriff auf Polen sechs sehr dunkle Jahre. Und die Tour de France verschwand bis 1947 von der Bildfläche.

»NEUN KILOMETER LANG IST DIE STEIGUNG, ABER ICH VERSPÜRE NICHT DIE GERINGSTE MÜDIGKEIT.«

DER GROSSE TAG DES ERICH BAUTZ BEI DER 4. ETAPPE 1937 AM BALLON D’ALSACE. AM ENDE STEHEN FÜR IHN DER ETAPPENSIEG UND DAS GELBE TRIKOT.

NACH DER RÜCKKEHR DER DEUTSCHEN 1955: JUNKERMANN, ALTIG, WOLFSHOHL, KUNDE

Der Zweite Weltkrieg hatte in Europa tiefe Gräben gerissen, und natürlich waren die Deutschen nach den unsäglichen Verbrechen des Nazi-Regimes in Frankreich nicht besonders beliebt. Auch Tour-Chef Jacques Goddet hatte nicht vergessen, dass Hitler eine Fortsetzung der Tour de France nach der Besetzung sozusagen unmöglich gemacht hatte, gleichzeitig aber die Deutschland-Tour wiederbeleben ließ – eine weitere Demütigung für Frankreich. Es war also kein Wunder, dass das Rennen 1947 ohne eine deutsche Mannschaft stattfand. Und das blieb sieben weiter Jahre so, ehe die Nachbarnation dann 1955 nach Frankreich zurückkam. Heinz Müller, der Weltmeister von 1952 aus Schwenningen, und der Bielefelder Profi Günther Pankoke durften in einer unter luxemburgischer Führung fahrenden internationalen Mannschaft um den Jungstar Charly Gaul an den Start gehen. Müller gab schon nach vier Etappen auf. Pankoke räumte später ein, dass er sich von dem Moment an ziemlich verloren vorkam und nach den Etappen oft den recht eisigen Hauch verspürte, der den Deutschen in dieser Zeit in Frankreich häufig noch entgegen wehte. Er hielt trotzdem durch und beendete das Rennen immerhin als 37.

DEUTSCHE PROFIS ZURÜCK BEI DER TOUR. GÜNTHER PANKOKE 1955 BEIM EINZELZEITFAHREN DER 21. ETAPPE VON CHATELLERAULT NACH TOURS.