Die uralten Götter des Kosmos: Science Fiction Paket - Alfred Bekker - E-Book

Die uralten Götter des Kosmos: Science Fiction Paket E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Science Fiction Abenteuer: Alfred Bekker: Invasion der Arachnoiden Margret Schwekendiek: Agentin für Catron Alfred Bekker: Die Namen der Götter Alfred Bekker: Die Verpackungskünstler Alfred Bekker: Absturz des Phoenix Hendrik M. Bekker: Nürnberger Untergrund Alfred Bekker: Rebellen zwischen den Sternen Alfred Bekker: Revolte im Beteigeuze-System Alfred Bekker: Eine fremde Erde Ein Trümmerhaufen! Mehr ist nicht geblieben! Der klägliche Rest einer großen Raumflotte... Und wir glaubten uns schon dem Sieg so nah, als wir das Heimatsystem der Madanoi erreichten! Admiral Sekiros, Kommandant der STERN VON DAYNOR, dem daynidischen Flaggschiff der KALIMPAN-Flotte saß wie versteinert im Kommandantensessel der Zentrale. Soeben war der Kontakt nach Caradal abgebrochen worden, weil ein starker Paliorac-Verband sich dem gegenwärtigen Standort der STERN VON DAYNOR näherte. Die Lage war hoffnungslos. Zusammen mit einer Gruppe von insgesamt etwa 300 Allianzraumschiffen aus der ehedem nach zehntausenden zählenden Flotte, die an der Schlacht um das Madanoi-System mit der geheimnisumwitterten "Erde", dem Hauptplaneten dieser verhassten Eroberer, teilgenommen hatte, schwebte die STERN VON DAYNOR zusammen mit diesem versprengten Rest im äußeren Bereich eines unbewohnten Sonnensystems. In den Allianz-Katalogen wurde es mit der Nummer 66789 geführt. Es handelte sich um eine Sonne im Stadium eines roten Riesen. Die inneren Planeten dieses Systems – so es sie denn irgendwann einmal gegeben hatte – waren vermutlich von Stern 66789 verschluckt worden, als dieser seine äußere Hülle aufblähte. Bei den noch vorhandenen Planeten handelte es sich um Gasriesen, die jeweils von einem Schwarm planetoidenhafter, oft unregelmäßig geformter Monde umgeben wurden, von denen im Laufe der Zeit einer nach dem anderen aus seiner Umlaufbahn gerissen und ins Innere des Roten Riesen gezogen wurde. Mehrere dieser Gesteinsbrocken befanden sich gerade auf der letzten, irregulären Reise ins rote Höllenfeuer.

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Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker, Margret Schwekendiek

Die uralten Götter des Kosmos: Science Fiction Paket

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Inhaltsverzeichnis

Die uralten Götter des Kosmos: Science Fiction Paket

Copyright

Invasion der Arachnoiden

Agentin für Catron

Die Namen der Götter

Die Verpackungskünstler

Absturz des Phoenix

Nürnberger Untergrund

Rebellen zwischen den Sternen

Revolte im Beteigeuze-System

Galaxienwanderer – Eine fremde Erde

Die uralten Götter des Kosmos: Science Fiction Paket

Alfred Bekker, Margret Schwekendiek, Hendrik M. Bekker

Dieses Buch enthält folgende Science Fiction Abenteuer:

Alfred Bekker: Invasion der Arachnoiden

Margret Schwekendiek: Agentin für Catron

Alfred Bekker: Die Namen der Götter

Alfred Bekker: Die Verpackungskünstler

Alfred Bekker: Absturz des Phoenix

Hendrik M. Bekker: Nürnberger Untergrund

Alfred Bekker: Rebellen zwischen den Sternen

Alfred Bekker: Revolte im Beteigeuze-System

Alfred Bekker: Eine fremde Erde

Ein Trümmerhaufen! Mehr ist nicht geblieben! Der klägliche Rest einer großen Raumflotte... Und wir glaubten uns schon dem Sieg so nah, als wir das Heimatsystem der Madanoi erreichten!

Admiral Sekiros, Kommandant der STERN VON DAYNOR, dem daynidischen Flaggschiff der KALIMPAN-Flotte saß wie versteinert im Kommandantensessel der Zentrale.

Soeben war der Kontakt nach Caradal abgebrochen worden, weil ein starker Paliorac-Verband sich dem gegenwärtigen Standort der STERN VON DAYNOR näherte.

Die Lage war hoffnungslos. Zusammen mit einer Gruppe von insgesamt etwa 300 Allianzraumschiffen aus der ehedem nach zehntausenden zählenden Flotte, die an der Schlacht um das Madanoi-System mit der geheimnisumwitterten „Erde“, dem Hauptplaneten dieser verhassten Eroberer, teilgenommen hatte, schwebte die STERN VON DAYNOR zusammen mit diesem versprengten Rest im äußeren Bereich eines unbewohnten Sonnensystems. In den Allianz-Katalogen wurde es mit der Nummer 66789 geführt. Es handelte sich um eine Sonne im Stadium eines roten Riesen. Die inneren Planeten dieses Systems – so es sie denn irgendwann einmal gegeben hatte – waren vermutlich von Stern 66789 verschluckt worden, als dieser seine äußere Hülle aufblähte. Bei den noch vorhandenen Planeten handelte es sich um Gasriesen, die jeweils von einem Schwarm planetoidenhafter, oft unregelmäßig geformter Monde umgeben wurden, von denen im Laufe der Zeit einer nach dem anderen aus seiner Umlaufbahn gerissen und ins Innere des Roten Riesen gezogen wurde.

Mehrere dieser Gesteinsbrocken befanden sich gerade auf der letzten, irregulären Reise ins rote Höllenfeuer.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER LUDGER OTTEN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Trevellian 1236

Invasion der Arachnoiden

von Alfred Bekker

Commander Reilly #9:

Chronik der Sternenkrieger

Science Fiction Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 116 Taschenbuchseiten.

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

in chronologischer Reihenfolge

Einzelfolgen:

Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)

Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz

Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland

Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis

Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen

Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen

Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg

Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd

Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden

Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden

Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten

Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

Commander Reilly 21: Prophet der Verräter

Commander Reilly 22: Einsamer Commander

Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)

Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer

Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)

Sammelbände:

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

Sonderausgaben:

Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und

Chronik der Sternenkrieger #1-4)

Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)

Druckausgabe (auch als E-Book):

Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)

Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

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Prolog

Eines der größten, lange Zeit ungelösten Mysterien der Astronomie war das Auftauchen des legendären Planeten Vulkan im Sol-System.

Dieses Rätsel geht auf das Jahr 1855 zurück, als Urbain Leverrier, der damalige Leiter des Pariser Observatoriums, Abweichungen in der Merkurbahn feststellte. Er erklärte diese Abweichungen mit dem Vorhandensein einer noch unbekannten Masse, die innerhalb der Merkurbahn um die Sonne kreisen musste.

Leverrier vermutete einen oder mehrere Planeten im Inneren der Merkurbahn.

Am 26. März 1859 beobachtete der französische Astronom Dr. Lescarbaults für etwa eine Stunde einen kleinen Planeten, der vor der Sonnenscheibe sichtbar wurde, und von dem Leverrier annahm, dass es die von ihm gesuchte Masse im Inneren der Merkurbahn war.

Da er glaubte, dieser Planet müsste aufgrund der Sonnennähe aus geschmolzener Lava bestehen, gab er ihm den Namen „Vulkan“. Man hielt es sogar für möglich, dort noch eine ganze Reihe weiterer Trans-Merkur-Objekte zu finden, für die (Analog zu den Begriffen „Planetoiden“ und „Asteroiden“) die Gattungsbezeichnung „Vulkanoiden“ eingeführt wurde.

1871 stieß der Züricher Astronom Rudolf Wolf auf astronomische Aufzeichnungen, in denen zwei bisher unbekannte Himmelskörper verzeichnet wurden, die mit einer Umlaufbahn von 26 und 38 Tagen die Sonne umkreist hatten.

Am 4. April 1871 entdeckte der deutsche Astronom den Planeten „Vulkan“ genau an der zuvor von Leverrier vorausberechneten Stelle.

Diese Entdeckung wurde durch Fotografien der Observatorien von Madrid und Greenwich untermauert.

Die für lange Zeit letzte Sichtung des Vulkan erfolgte am 29. Juli 1878 durch die amerikanischen Astronomen Watson und Swift. James D. Watson war Professor für Astronomie an der Universität Michigan. Zusammen mit seinem New Yorker Kollegen Lewis Swift, der sich unter anderem durch die Mit-Entdeckung des 1992 zurückgekehrten Kometen Swift-Tuttle in den Annalen der Astronomie verewigte, beobachtete Watson während einer Sonnenfinsternis zwei kleine Lichtpunkte in der Nähe der Sonne. Zuerst glaubten sie, die Sterne Thaet und Zeta Cancri vor sich zu haben, doch diese Sterne standen in einer ganz anderen Position. Erst als sie ihre Beobachtungen mit den von Leverrier veröffentlichten Berechnungen verglichen, war ihnen klar, was sie vor sich hatten.

„Vulkan“ war offensichtlich ein Doppelplanet oder ein Planet mit einem sehr großen Mond, bei dem das gemeinsame Gravitationszentrum nicht mit dem Gravitationszentrum des größeren Planeten identisch ist. Beim Verhältnis Erde/Erdmond ist dies beispielsweise der Fall.

Die Ortung von Watson und Swift ist für lange Zeit die letzte bestätigte Beobachtung von „Vulkan“ gewesen.

Nach der Erfindung des Antigrav entwickelte sich die irdische Raumfahrt im 21. Jahrhundert rasant. Allerdings galt dabei das Interesse kaum der glühendheißen Region jenseits der Merkurbahn. Der menschliche Expansionsdrang richtete sich nach außen, auf den interstellaren Raum.

Dennoch hätte der mysteriöse Doppelplanet Vulkan in den folgenden Jahrhundert entdeckt werden müssen – auch wenn ein Teil der Astronomen glaubten, dass die Sichtungen im 19. Jahrhundert auf Messfehler zurückzuführen seien. Daher gab sich der wissenschaftliche Mainstream mit Einsteins Erklärung der Merkur-Bahnschwankungen durch die Relativitätstheorie zufrieden.

Aber konnte es wirklich eine derartige Serie von Messfehlern gegeben haben?

Erst die Ereignisse des Jahres 2236 brachten Licht ins Dunkel…

(aus: „Mysterien der Astronomie“ von Dan Reilly; Olvanorer-Ordensname: Bruder Daniel; im Datennetz abrufbar seit 1.5.2249)

Der erste Qriid-Krieg tobte mit unverminderter Heftigkeit. Unsere Verbündeten, die Xabo, waren aus dem Triple Sun-System vertrieben worden und jeder, der etwas davon verstand, wusste, dass da irgendwo in den Weiten des Alls eine Lawine auf jenes fragile Staatsgebilde zurollte, das man offiziell den „Bund der Humanen Welten von Sol“ nannte. Die Rüstung lief auf Hochtouren, aber alle Analysen zeigten uns, dass wir langfristig gegen die gewaltigen Flotten des Heiligen Imperiums der Qriid keine Chance haben würden.

Genau in diesem Moment tiefster Depression und militärischer Hoffnungslosigkeit tauchte mitten im Sol-System eine Bedrohung auf, die selbst die Qriid-Gefahr zunächst einmal in den Schatten stellte…

(Aus den Erinnerungen von Admiral Gregor Raimondo, seit Februar 2252 im Datennetz abrufbar unter dem Titel „Wir beschützten die Sterne – Über die Geschichte des Space Army Corps“; ergänzte Fassung Juni 2252)

Kapitel 1: Landurlaub

Clifford Ramirez blickte aus dem Sichtfenster von Shuttle D-3334. Der Ruderoffizier des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER hatte vor acht Stunden Spacedock 1 im Erdorbit verlassen. Er war auf dem Weg nach Darkside City auf Merkur, wo seine Familie lebte.

Die STERNENKRIEGER war übermäßig lang im Einsatz gewesen und hatte während der Kämpfe um Triple Sun 2244 einige Schäden erlitten, die nur provisorisch repariert worden waren. Die Mission im Dambanor-System hatte den Dauereinsatz noch einmal verlängert. Jetzt war eine Überholung der Systeme dringend notwendig. Insbesondere die Kristallbahnen der Sandströmaggregate mussten dringend gereinigt werden, zumal sie während der letzten Mission immer wieder fünfdimensionalen Emissionen ausgesetzt gewesen waren.

Aber das alles lag nun erst einmal hinter Ramirez.

Der ganze Krieg und die Strapazen, die die letzten Einsätze mit sich gebracht hatten, erschienen Clifford Ramirez im Moment, als wären es Erinnerungen aus einem anderen Leben. Jetzt war er hier, im Sol-System, so nahe an Merkur…

Bilder erschienen vor seinem inneren Auge und fesselten seine Aufmerksamkeit mehr als das, was er durch das Sichtfenster sah. Seine Frau Sandrine arbeitete als Bergbau-Ingenieurin in Beethoven City – oder wo immer sie die Minengesellschaft auch hinschicken mochte. Es gab auf Merkur ein paar einzigartige Mineralien und außerdem hohe Anteile an besonders seltenen Schwermetall-Isotopen.

Die extremen Klimabedingungen hatten für eine ganze Reihe geologischer Besonderheiten des Merkur gesorgt.

Die Rotation des innersten Sol-Planeten war so gut wie zum Stillstand gekommen. Der Merkur drehte sich nur noch sehr langsam um die eigene Achse. So wandte über lange Zeit hinweg immer dieselbe Seite dem nahen Fusionsglutofen namens Sonne zu, während er eine Schattenseite dem Rest des Universums präsentierte.

Die Temperaturunterschiede waren enorm. Während auf der Tagseite Werte von über 460 Grad Celsius erreicht wurden, konnte das Thermometer auf der Nachtseite auf 180 Grad Minus absinken – wobei eine Rotation des Merkur 58 Tage dauerte.

Merkur war eine Welt der Extreme.

Nicht gerade ein Planet, den man sich als ein Paradies für Menschen vorstellte. Wer dort lebte, hatte einen guten Grund dafür. Und dieser Grund waren die Reichtümer, die unter der Oberfläche des Planeten zu finden waren.

Reichtümer, die so groß waren, dass die Mercury Mining Company sogar ein eigenes Raumfort zur planetaren Verteidigung eingerichtet hatte. Mehrere unterlichtschnelle Patrouillenboote waren dort stationiert und sorgten dafür, dass keine Unbefugten auf dem Merkur landeten, um sich ihren Teil der Bodenschätze zu nehmen. Der Abbau war leicht. Zu leicht, wie man unter Angehörigen der Mercury Force, wie der Sicherheitsdienst der Company genannt wurde, fand.

300 000 Menschen lebten auf Merkur - verteilt auf ein Dutzend Siedlungen, die zumeist nach benachbarten Kratern benannt waren.

Auf Merkur trugen diese zumeist die Name irdischer Komponisten und Dichter: Beethoven, Goethe, Shakespeare, Dostojewskij…

Clifford Ramirez dachte an Lester, seinen Sohn. Sechs Jahre war er. Als Clifford ihn das letzte Mal gesehen hatte, träumte Lester davon, eines Tages zum Space Army Corps zu gehen, wie sein Vater. Aber nicht auf ein Raumkommando, sondern zu den Marines. Clifford musste lächeln. Diesen Entschluss überdenkt er sicher noch einmal, dachte er. Er seufzte. Wahrscheinlich träumt er inzwischen von etwas ganz anderem… Die Zeit vergeht so schnell. Ehe man sich versieht ist aus dem Kind ein junger Mann geworden und ich werde davon kaum etwas mitbekommen haben, weil ich die meiste Zeit irgendwo draußen im All verbracht habe, um größenwahnsinnigen Vogelköpfen, die sich für das auserwählte Volk Gottes halten, das Fürchten zu lehren!

Es war immer Cliffords Traum gewesen, die Space Army Corps Akademie auf Ganymed zu besuchen und anschließend auf einem Raumschiff zu dienen. Sein Traum war in Erfüllung gegangen. Als Rudergänger der STERNENKRIEGER gebot er über deren mächtige Maschinen per Knopfdruck und Computereingabe. Lichtjahrweite Reisen durch den Sandström-Raum, dessen Benutzung zwar aus der menschlichen Technik nicht mehr wegzudenken war, dessen Natur aber bis heute auch die genialsten Köpfe der Wissenschaft nicht wirklich begriffen hatten.

Aber inzwischen regten sich Zweifel bei ihm, ob er wirklich das Richtige tat. Als Space Army Corps Offizier war er naturgemäß häufig nicht im Sol-System. Immer wieder kam es vor, dass er für Wochen oder gar Monate nicht zu Hause war. Ich hoffe nur, dass es die Sache wert ist, ging es ihm nicht zum ersten Mal durch den Kopf. Er hatte zwischenzeitlich schon sogar schon daran gedacht, das Space Army Corps zu verlassen und einen Job anzunehmen, der mit seinem Familienleben besser vereinbar war.

Aber das kam für ihn allenfalls in Frage, wenn der Krieg gegen die Qriid beendet war und die zum Bund der Humanen Welten von Sol gehörenden Planeten nicht mehr von einer Invasion bedroht waren.

Aber wann wird das sein?, überlegte er. Angenommen, das Space Army Corps schafft es tatsächlich mit seinen bescheidenen Kräften, dem Heiligen Imperium der Qriid Paroli zu bieten – was kommt danach?

Der Konflikt zwischen den sauroiden Fulirr und den menschenähnlichen K'aradan schwelte schon lange vor sich hin und beide Seiten gaben sich redlich Mühe, um die Menschheit in diesen Konflikt hineinzuziehen. Der einigermaßen geschickten Diplomatie von Hans Benson, dem Vorsitzenden des Humanen Rates war es zu verdanken, dass die Humanen Welten bisher davor bewahrt wurden, in den Strudel dieser Ereignisse hineingerissen zu werden.

Ein Zweifrontenkrieg, so lautete die Analyse vieler Militärfachleute und politischer Beobachter, hätte für die Humanen Welten das Ende bedeutetet. Eine Zerreißprobe, der dieses nach außen hin noch keineswegs gefestigte Staatengebilde, das langsam begann, mehr zu sein, als nur eine Ansammlung menschlicher Kolonien, die gemeinsame Interessen verfolgten, nicht überstanden hätte.

Das Space Army Corps war so etwas wie das Symbol dieser entstehenden Einheit.

Gegenwärtig war es hoffnungslos überfordert. Das lag nicht nur an der haushohen Überlegenheit der qriidischen Flotte, sondern auch daran, dass die Mitgliedsplaneten der Humanen Welten nur zögernd begriffen, wie wichtig diese gemeinsamen Raumstreitkräfte für die Sicherheit der Menschheit waren.

Nein, in dieser Situation das Space Army Corps aus privaten Gründen zu verlassen, das wäre Clifford Ramirez so vorgekommen, als ob er damit auch gleich die Ideale über Bord geworfen hätte, an die er zutiefst glaube. Die Ideale von einer geeinten Menschheit, die ihren Platz im Universum gefunden hatte und nach den Sternen griff. Eine Raumkugel mit einem Durchmesser von hundert Lichtjahren galt als Hoheitsgebiet der Humanen Welten. Viel zu groß, dachte Ramirez nicht zum ersten Mal. Viel zu groß gemessen an den Möglichkeiten, die das Space Army Corps derzeit hat.

Aber diese hundert Lichtjahre durchmessende Raumkugel, deren räumlicher, kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt nach wie vor das Sol-System bildete, war in den ersten beiden Jahrhunderten der menschlichen Expansion ins All entstanden. Eine wilde Phase der Kolonisierung mit zum Teil abenteuerlichen, primitiven Antriebssystemen und unzureichender Überlichtkommunikation. Der Kontakt zwischen manchen Kolonien und der Erde war teilweise über Jahre hinweg abgebrochen.

All diesen Menschen da draußen im All konnte man jetzt schlecht sagen, dass es strategisch günstiger gewesen wäre, sich auf ein kleineres Gebiet zurückzuziehen. Das war unmöglich. Jeder, der innerhalb der Humanen Welten eine Wahl zum Ratsherrn gewinnen wollte, hätte politischen Selbstmord begangen, wenn er so etwas auf seine Fahnen geschrieben hätte.

Es wird noch eine dauern, bis wir wirklich in der Lage sind, uns zu verteidigen und wir können nur von Glück sagen, dass keiner unserer Nachbarn unsere Schwäche ahnt oder ernsthaft versucht hätte, sie auszunutzen. Aber wahrscheinlich haben die Qriid uns längst überrannt, bevor das geschieht…

„Was machen Sie auf Merkur?“, fragte einer der anderen Passagiere. Er hatte Clifford schon ein paar Mal wegen irgendwelcher Belanglosigkeiten angesprochen, aber der Space Army Corps Lieutenant hatte jedes Mal dafür gesorgt, dass das Gespräch auf das Mindestmaß beschränkt blieb. Auf eine ausgiebige Unterhaltung hatte er nämlich im Moment keine Lust. Zu viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als dass er sich jetzt auf irgendeinen Kerl konzentrieren konnte, dem einfach nur langweilig war.

„Ich wohne in Beethoven City“, sagte Clifford Ramirez.

„Da will ich auch hin. Ich bin Ingenieur und für die Wartung von Fräsmaschinen zuständig. In Beethoven gibt es davon jede Menge…“

Clifford Ramirez hörte nicht wirklich hin, als sein Gegenüber anfing, die Vorzüge unterschiedlicher Fräsmaschinen aufzuzählen, die in den Minen im Umkreis von Beethoven City eingesetzt wurden.

„Ich war für ein paar Tage auf der Erde, um etwas Urlaub zu machen. Mal wieder frische Luft unter freiem Himmel schnappen. Ich weiß, manche Leute finden es nicht weiter schlimm, ihr ganzes Leben in künstlich geschaffenen Umgebungen zu verbringen, auf Raumschiffen oder in Siedlungen auf lebensfeindlichen Welten. Aber nur geht das nicht so. Glauben Sie mir, ich wäre nicht auf Merkur, wenn das nicht verdammt gut bezahlt werden würde.“

Clifford Ramirez unterdrückte ein Gähnen.

Dieser Kerl war wirklich nervtötend.

„Wussten Sie übrigens, dass Merkur eine Sauerstoffatmosphäre hat?“, lachte der Mann plötzlich. „42 Prozent – das ist ein doppelt so hoher Anteil an O2 wie auf der Erde.“

„Was Sie nicht sagen. Klingt ja wie das blühende Leben.“

„Tja, der Luftdruck ist mit 10-13 bar auch gerade mal so niedrig, dass er einem industriell erzeugten Vakuum auf der Erde entspricht! Man muss schon sehr tief einatmen, um von dem Sauerstoff etwas mitzubekommen.“

Er fand das witzig.

Clifford Ramirez verzog nur das Gesicht zu einem etwas gequälten Lächeln.

Im nächsten Moment ertönte ein Alarmsignal, dass Ramirez zumindest von der Notwendigkeit erlöste, etwas zu erwidern.

Das Shuttle vom Typ Madison Arrow hatte keine gesonderte Kabine für die Piloten.

Ähnlich den Beibooten, wie sie auf den Leichten Kreuzern des Space Army Corps üblich waren, bestand das Innere nur aus einem einzigen Raum.

Von den maximal dreißig Plätzen von Shuttle D-3334 waren allerdings gerade einmal ein Drittel besetzt.

Merkur war nicht unbedingt ein attraktives Reiseziel.

Erholungsurlaub verbrachte man normalerweise woanders.

Pilot und Co-Pilot entfalteten eine ziemlich hektische Aktivität. Sie tippten auf den Sensorfeldern ihrer Touchscreens herum.

„Verdammt, was ist hier los?“, keuchte der Pilot, dem jetzt der Angstschweiß ausbrach.

Ein Ruck ging durch das Beiboot.

„Partielles Systemversagen“, glaubte der Co-Pilot.

Der Mann, der Ramirez ein Gespräch aufgezwungen hatte, mischte sich ein. „Was soll das heißen? Kann uns die Company nicht einmal ohne Zwischenfälle vom Erdorbit zum Merkur bringen?“

„Beruhigen Sie sich, wir haben gleich alles wieder im Griff!“, versuchte der Co-Pilot die Situation zu entschärfen, denn natürlich waren inzwischen auch weitere Passagiere auf die kritische Situation aufmerksam geworden. Und das schnarrende Alarmsignal trug nicht gerade dazu bei, die Bedenken zu zerstreuen.

„Wissen Sie, woran das liegt?“, fragte Clifford Ramirez’ sein Gegenüber.

„Diese Bonzen von der Company halten immer die Hand auf dem Geld und darum müssen wir mit diesen veralteten Madison Arrow Shuttles fliegen, diesen Seelenverkäufern, an denen doch fortwährend irgendetwas kaputtgeht! Aber für uns ist so etwas ja gut genug! Ich möchte mal diese hohen Herrschaften sehen, wenn sie auf dem Mars ihre Vorstandsitzungen abhalten, ob sie dann auch mit solchen Schrottkisten anreisen! Mercury Mining Company heißt die Firma, aber von den Typen ist noch keiner jemals auf dem Merkur gewesen!“

Das Licht flackerte.

Eine Notbeleuchtung sprang an.

Jetzt war die Panik perfekt. Der Co-Pilot sandte einen Funkspruch an das Merkur umkreisende Raumfort, dem irgendein Witzbold in der Company den sinnigen Namen Mercury Castle gegeben hatte.

„Mercury Castle, bitte kommen! Code 3034!“

Clifford Ramirez wusste natürlich als Pilot, was dieser Code bedeutete.

Es bezeichnete einen Ausfall der Antriebs- und Bremssysteme. Das Schiff trudelte auf Merkur zu und drohte abzustürzen.

Clifford öffnete seinen Sicherheitsgurt.

Er machte eine Bewegung und schnellte empor. Mit dem Kopf schlug er überraschend hart an die Decke. Die künstliche Schwerkraft war offensichtlich gerade ausgefallen.

„Was fällt Ihnen ein?“, rief der Co-Pilot, der mit den Nerven völlig am Ende war. An der Uniform mit dem Emblem der Company stand sein Namenszug. Er hieß Grady.

„Ich wollte Ihnen helfen!“, verteidigte sich Clifford Ramirez.

„Sie helfen uns nicht, wenn Sie hier Theater machen! Sehen Sie zu, dass Sie wieder auf Ihren Sitz kommen!“

„Aber...“

„Und zwar schnell!“

„Ich bin Pilot!“

„Wie bitte?“

„Ich bin Rudergänger des Space Army Corps Schiffs STERNENKRIEGER unter Commander Reilly. Den Madison Arrow habe ich während meiner Zeit auf Space Army Corps Akademie so oft geflogen, auseinander genommen und was weiß ich noch alles, dass ich…“

„Versuchen Sie Ihr Glück, Sir!“, unterbrach ihn der Pilot. Dabei löste er seinen Gurt und drehte sich halb herum. Er schwebte etwas empor. Auf seinem Uniformhemd stand MATTHEWS, Captain. Letzteres war in diesem Fall kein militärischer Rang. Jeder Kommandant eines Raumschiffs war ein Captain, gleichgültig, welchen Rang er bekleidete oder ob er überhaupt den Raumstreitkräften angehörte.

Matthews stieß sich ab, um Ramirez Platz zu machen.

„Ein System nach dem anderen spielt verrückt oder setzt ganz aus. Da ist irgendein Störsignal im Rechnersystem. Wie eine Resonanz. Sie überträgt auf alles und…“

„Schon gut, Captain Matthews.“

„Wir stürzen ab.“

Mit dieser Feststellung löste Matthews einen kleinen Tumult unter den anderen Passagieren aus.

Aber die Wahrheit musste ausgesprochen werden.

Clifford Ramirez versuchte, nicht auf das Gerede der Leute zu achten. Panik war in Situationen wie dieser ein denkbar schlechter Ratgeber.

Ramirez schwang sich hinter die Steuerkonsole und schaffte es schließlich trotz der gewöhnungsbedürftigen Schwerelosigkeit, sich im Schalensitz des Captains niederzulassen.

Clifford checkte die Systeme.

Der Hauptbildschirm zeigte die dunkle Kraterlandschaft auf der Nachtseite des Merkur, von dem lange Zeit gedacht hatte, dass er gar keine Eigenrotation aufwies. 58 Erdtage dauerte ein Merkurtag. Jetzt taumelte die D-3334 der zerklüfteten Oberfläche dieses Planeten entgegen.

Cliffords Finger glitten über die Sensorfelder der Touchscreens. Er überprüfte die Systeme. Die meisten reagierten gar nicht mehr. Weder die Antriebssektion noch die Antigravaggregate. Der Shuttle vom Typ Madison Arrow würde vollkommen ungebremst auf die steinige Oberfläche Merkurs aufschlagen. Überlebenschance null Prozent!, dachte Clifford. Optimistisch geschätzt…

In seinem Hirn arbeitete es fieberhaft.

Noch war Zeit etwa zu tun.

„Verdammt, tun Sie doch etwas!“, schrie Grady.

„Ich versuche es mit einer Überbrückung!“, kündigt Clifford an.

„Glauben Sie, das hätte ich nicht auch schon versucht?“, meldete sich der Pilot zu Wort.

Clifford ließ sich von der Hektik, die ihn umgab, nicht abhalten. Schritt für Schritt führte er eine Prozedur im Zugangsmenue des Bordrechners durch, um die Kontrolle über die Systeme zurückzuerhalten.

Der Pilot stürzte schwer zu Boden und kam hart auf. Er schrie. Offenbar hatte sich die künstliche Schwerkraft wieder eingeschaltet.

Ansonsten hatten Cliffords Bemühungen keinerlei Erfolg.

„Noch mal“, sagte er.

„Was?“, schrie Grady.

„Aber vorher nehmen wir ein komplettes Rechner-Reset vor!“

„Ich weiß nicht, was für Schiffe Sie geflogen sind, Mister…“

„Lieutenant Ramirez!“

„…aber der Bordrechner ist nie im Leben wieder funktionsfähig, bis wir auf die Lavafelsen des Goethe-Kraters knallen!“

Cliffords Mundwinkel umspielte ein harter, entschlossen wirkender Zug. Er war voll konzentriert. Alle Gedanken, die nicht unmittelbar mit der Lösung des Problems zu tun hatten, waren jetzt aus seinem Bewusstsein verbannt.

„Wir gehen jetzt gleichzeitig auf Reset“, bestimmte Clifford.

„Dann sind auch alle Redundanz-Systeme abgemeldet!“

„Ich weiß. Das ist gerade der Sinn der Sache. Nur so lässt sich direkt an die Steuerung der Antigravaggregate herankommen.“

„Aber…“

„Dann fallen wir wenigstens nicht so hart. Jetzt, Grady!“

Die Notbeleuchtung versagte für Sekunden. Die Bildschirme erloschen. Dann erschien dort das Symbol der Company. Und eine Anzeige, die darauf hinwies, dass alle Systeme reinitialisiert wurden.

Die meisten Touchscreens auf der Pilotenkonsole reagierten nicht. Bis auf einen Teil des Hauptmenüs. Die Antigravaggregate gehörten dazu.

„Jetzt hilft nur noch beten“, murmelte Clifford. „Falls es einen Gott gibt, sollte er jetzt ein Zeichen seiner Existenz und Gnade sichtbar werden lassen!“

Clifford berührte den entscheidenden Sensorpunkt.

Und er reagierte.

„Die Antigravaggregate sind auf dreißig Prozent!“, stieß Grady hervor.

„Das reicht, um den Absturz zu überleben. Wird ein bisschen rumpeln, aber das tut Madison Arrow sowieso, habe ich nicht recht?“ Clifford Ramirez lehnte sich zurück. Er legte den Gurt an. Der eigentliche Pilot hatte sich inzwischen stöhnend erhoben und einen der Passagiersitze aufgesucht. Sein Sitznachbar half dem leicht verletzten Captain Matthews, den Gurt anzulegen. Dieses primitive Sicherheitsinstrument konnte unter Umständen wie diesen durchaus noch Leben retten. Manchmal bedauerte Clifford, dass man es sich an Bord größerer Schiffe glaubte leisten zu können, darauf zu verzichten.

Jetzt können wir nur noch abwarten, ging es ihm durch den Kopf.

Auf die Bildschirme zu starren war sinnlos. Clifford schaltete einfach deren Stromzufuhr ab. Es war unerheblich wie groß der Fortschritt beim Rebooting des Bordrechners war. Der Aufprall erfolgte in jedem Fall früher und der flackernde Schein erschwerte die Sicht durch das Frontfenster.

Die zerklüftete, von einer aktiven Tektonik zeugende Oberfläche dieses extremsten aller Sol-Planeten, nahm jetzt das gesamte Blickfeld ein.

Heißt es nicht, in so einem Moment ginge einem das gesamte Leben in Sekundenschnelle durch den Kopf, als würde man sich seine Vergangenheit wie in einem ungeheuer beschleunigten Film ansehen?

Aber was Clifford Ramirez betraf, so geschah genau das Gegenteil.

Er sah keineswegs seine Vergangenheit Revue passieren – sondern die Zukunft oder das, was er dafür hielt.

Schlaglichtartig sah er sich von Sandrine verabschieden. Irgendeine Mission in irgendeinem hinteren Winkel des Niemandlandes rief, jener Region zwischen den Humanen Welten und dem Imperium der Qriid, die zurzeit noch einen Puffer zwischen beiden Sternenreichen darstellte. Ein Puffer, der sich stetig verkleinerte.

Er sah Tränen in ihren Augen, als sie eine Nachricht über das Datennetz erhielt, in der sie darüber informiert wurde, dass Lieutenant Clifford Ramirez nicht zurückkehren würde. Er glaubte ihr Lachen zu hören, das sich mit dem Lachen seines Sohnes Lester vermischte.

Clifford sah Lester als erwachsenen Mann in der Uniform der Marines. Anschließend in einem der schweren Panzeranzüge.

Die Zeit verrann wie in Zeitlupe, während das Shuttle auf den Planeten zuraste.

Dann erfolgte der Aufprall.

Er war sehr hart. Trotz der Antigravaggregate ächzte das Metall und drückte sich an verschiedenen Stellen ein. Beulen wölbten den Boden. Die D-3334 schrammte auf ihren auf 30 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit begrenzten Antigravkissen über den unebenen Untergrund.

Ein schräg ansteigender Hang auf der rechten Seite sorgte dafür, dass sich das Shuttle auf die Seite legte und schließlich umkippte.

Schreie gellten durch die Kabine des Madison Arrow.

Die Passagiere hingen in ihren Gurten.

Das Metall auf der rechten Seitenfront, auf dem das Shuttle jetzt über das Lavagestein rutschte, ächzte und verbog sich. Dann war mit einem Ruck plötzlich alles ruhig.

Clifford Ramirez schloss für einen Moment die Augen.

Du lebst noch. Das ist doch auch schon was. Mehr, als du in dieser Situation erwarten kannst. Er atmete tief durch, dann löste er seinen Gurt und half dem Copiloten dabei, dasselbe zu tun.

Die anderen Insassen halfen sich ebenfalls gegenseitig.

Es herrschte lautes Stimmengewirr, vermischt mit Schmerzensschreien.

Clifford spürte auch bei sich ein paar schmerzende Stellen, insbesondere, wo sich der Gurt in sein Fleisch gegraben hatte. Wer mit blauen Flecken davonkommt, hat sicher Glück gehabt!, dachte er.

Er wandte sich an den Copiloten.

„Helfen Sie den anderen. Ich werde inzwischen checken, ob ich irgendetwas von den Systemen auch nur halbwegs funktioniert.“

„Ein funktionierendes Funkgerät wäre nicht schlecht!“, mischte sich Matthews ein.

Ramirez überprüfte seinen Kommunikator. Er war außer Betrieb und ließ sich auch nicht einschalten. Dasselbe galt für die Kommunikatoren aller anderen und die Funkanlage des Shuttle. Die Bilanz war wirklich ernüchternd. Nicht einmal die Funktionen für Notsignale funktionierten.

Wie kann das sein?, fragte sich der Rudergänger der STERNENKRIEGER.

Clifford überprüfte die Systeme des Bordrechners. „Energetisch ist alles tot“, stellte er fest. „Hier geht gar nichts mehr. Selbst der automatische Notruf hat ausgesetzt.“

„Aber es ist anzunehmen, dass er spätestens beim Aufprall automatisch aktiviert wurde. Das bedeutet, man wird im Raumfort registriert haben, wo wir sind!“

„Zumindest ungefähr“, schränkte Clifford ein. „Das reduziert zumindest das in Frage kommende Suchgebiet.“ Er sah auf die wie gefroren wirkende Anzeige des Energiestatus. „Es wird hier bald schon sehr kalt werden“, stellte er fest.

Grady deutete durch die Frontscheibe. Am Horizont war ein leichter, zunächst kaum merklicher Schimmer zu sehen. „Dahinten wartet die Höllenglut auf uns. Wir sind irgendwo in der Zone der Morgendämmerung gelandet.“

Matthews verzog das Gesicht vor Schmerzen. Sein Bein hatte bei dem Aufprall etwas abbekommen. Außerdem hielt er sich dauernd den Nacken und war nicht in der Lage, den Kopf gerade zu halten. „Gelandet?“, fragte er. „Das ist wirklich gut. Gelandet…“ Sein Lächeln wirkte grimmig. „Und was die Höllenglut dahinten angeht – die wird uns wohl nicht gefährlich werden, denn ich schätze mal, dass wir alle schon erfroren sind, bevor es dazu kommt.“

Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen. Matthews, der eigentlich die Aufgabe des Kommandanten hatte und von dem alle erwarteten, dass er kühl und überlegt handelte, schien seine Führungsrolle nahezu kampflos an Clifford Ramirez abgetreten zu haben. Dessen Auftritt schien eine ganze Reihe der Betroffenen beeindruckt zu haben. Instinktiv orientierten sie sich am Rudergänger der STERNENKRIEGER.

Sollte ich Kommandoqualitäten haben, dann werde ich wohl kaum noch Gelegenheit haben, sie auf einem eigenen Kommando unter Beweis zu stellen.

„Wenn sich hier irgendjemand mit Funktechnik auskennen solle, möge er sich bitte melden!“, wandte sich Clifford Ramirez an die anderen Passagiere. „Vielleicht bekommen wir es hin, einen primitiven Sender zu konstruieren.“

1

„Was ist hier los?“

Don Grams war der Kommandant von Mercury Castle. Das Raumfort umkreiste den Merkur in Äquatorhöhe und verfügte über Hangars für zehn bewaffnete Raumboote und mehrere Dutzend Shuttles.

Außerdem gab es Unterkünfte für die hundert Mann Besatzung.

Das Raumfort verfügte über Raketensilos und insgesamt fünfzig Gauss-Geschütze. Don Grams hatte den Rang eines Commanders, wobei es sich in diesem Fall natürlich nicht um einen militärischen Rang handelt, sondern um einen Rang innerhalb des Sicherheitsdiensts der Company, der für den Fall einer äußeren Bedrohung der Befehlsgewalt des Space Army Corps unterstellt wurde.

Die Mercury Mining Company hatte ihre Rangstufen denen der Raumstreitkräfte angeglichen und da die Company höhere Gehälter zahlte, als man im Space Army Corps als Sold bekommen konnte, war dieser Sicherheitsdienst mit Männern und Frauen gespickt, die ihr Handwerk auf der Ganymed-Akademie gelernt und einige Jahre gedient hatten.

Commander Don Grams war ein grauhaariger Mann, dessen linke Gesichtshälfte blau verfärbt war. Grams hatte auf einem Space Army Corps Schiff der Dreadnought-Klasse gedient und war von einer Tetra-Strahlen-Emission versengt worden, die durch den Beschuss eines Qriid-Schiffs ausgelöst worden war. Ein halbes Jahr hatte Grams im künstlichen Koma verbracht und es war lange Zeit gar nicht klar gewesen, ob er überleben würde.

Aber er hatte überlebt, galt von da an allerdings nach den Kriterien der Raumstreitkräfte als dienstuntauglich.

Dass er durchaus noch zu einigem fähig war, bewies er seit einem Jahr als Kommandant von Mercury Castle.

„Temporärer Ausfall sämtliche Systeme“, meldete sein Stellvertreter Baranov, seines Zeichens Lieutenant Commander des Company-Sicherheitsdienstes. Baranov versuchte ein paar Schaltungen vorzunehmen. Er drücke Knöpfte, tippte mit den Fingern auf Touchscreens und versuchte einen Menue-Zugang zu bekommen. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Sir, da läuft nicht mehr!“

Don Grams knöpfte sich die Uniformjacke mit dem Emblem der Company zu. Zwar war nicht die ganze Merkur-Nacht von 58 Tagen zum schlafen da, aber in diesem Fall war der Commander mitten aus dem Tiefschlaf gerissen worden. Er wollte gerade etwas sagen, als plötzlich die Bildschirme wieder ansprangen. Die Notbeleuchtung wich der regulären und Dutzende Kontrolllämpchen blinkten auf. Ein Alarmsignal ertönte.

„Probiert da einer unserer Ingenieure mal aus, was die Systeme aushalten oder was wird hier eigentlich gespielt?“, knurrte Grams.

„Systeme arbeiten wieder. Es muss eine Re-Initialisierung von drei Teilsystemen durchgeführt werden“, meldete Lieutenant Commander Baranov. Er wandte sich an Lieutenant Sorini, eine junge Frau von Mitte zwanzig, die normalerweise die Ortung überwachte. „Was ist mit dem Shuttle, dass kurz vor dem Systemausfall abzustürzen drohte?“

„Ich habe keine Ahnung, Sir. Die Ortung funktioniert nur teilweise. Sie gehört zu den Systemen, die erst reinitialisiert werden müssen.“

„Gibt es Kontakt zu den Patrouillenbooten?“, fragte Commander Grams.

„P-1 meldet sich gerade“, erklärte Baranov.

„Auf den Schirm damit!“, verlangte Grams.

Auf einem der großen Bildschirmwände in der Zentrale von Mercury Castle erschien das Gesicht eines Mannes mit gelockten Haaren.

„Hier Lieutenant Vanderbreek, Patrouillenboot P-1. Wir hatten einen mehrminütigen Totalausfall aller Systeme. Es gelang uns leider erst jetzt Kontakt zu Ihnen aufzunehmen.“

„Wir sind hier ebenfalls davon betroffen worden“, erwiderte Grams. „Haben Sie irgendeine Ursache für Ihre Probleme ausmachen können?“

„Nein, Sir, wir befinden uns hier an Bord der P-1 noch in einer Phase, in der wir uns der Systemstabilisierung widmen. Glücklicherweise befanden wir uns zum Zeitpunkt des Ausfalls in einer stabilen Umlaufbahn.“

„Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, was mit dem Shuttle vom Typ Madison Arrow passiert ist, das kurz zuvor zu havarieren drohte?“

Lieutenant Vanderbreek schüttelte den Kopf. „Sehr wahrscheinlich hatte Shuttle D-3334 dieselben Probleme wie sämtliche Einheiten in unmittelbarer Umgebung des Merkur. Man könnte fast an die zerstörerische Wirkung eines starken elektromagnetischen Impulses denken, aber dagegen sind unsere Schiffe eigentlich abgeschirmt.“

Sorini meldete sich Wort. „Commander? Hier kommen Meldungen aus Goethe und Beethoven herein. Danach hat es Systemausfälle auch auf der Merkur-Oberfläche gegeben. Bis zu zehn Minuten ist jegliche Energie ausgefallen. Selbst die künstliche Schwerkraft funktionierte nicht mehr! Es herrscht Ausnahmezustand in Dostojewskij City. Das Oberkommando des Space Army Corps und der Humane Rat der Humanen Welten sind informiert.“

„Danke, Sorini“, murmelte Commander Grams.

Er ließ sich in seinem Kommandantensessel nieder. Eine tiefe Furche zog sich über die Stirn.

Was geht hier vor sich?, fragte er sich.

Im nächsten Augenblick wurden sämtliche Bildschirme dunkel.

2

Lester Ramirez blickte auf den Schirm seines Handrechners, aber die Animation eines Marinesoldaten der Rauminfanterie wollte einfach nicht zurückkehren. Dafür gab es nur Schlieren und zitternde Punkte zu sehen.

„Wieso funktioniert da nichts mehr?“, fragte der Sechsjährige. „Alles andere ist auch wieder angesprungen!“

Sandrine Ramirez setzte sich zu ihm. Beethoven City lag inmitten des 643 Kilometer durchmessenden Beethoven-Kraters auf 20 Grad südlicher Breite und 123 Grad westlicher Länge und war die bedeutendste Siedlung der Company auf Merkur. Die Stadt erholte sich gerade von einem minutenlang anhaltenden Systemausfall, während dem buchstäblich gar nichts mehr funktioniert hatte. Wer keine fluoreszierenden Leuchtelemente in den Wänden seiner Wohnung hatte, saß in absoluter Dunkelheit. Inzwischen funktionierten die meisten Systeme wieder und die Stadt-Administration gab Verlautbarungen über das Datennetz ab.

Sandrine schaute auf die Bildschirmwand und hörte der Sprecherin des lokalen Administrators zu.

Noch war die Lage vollkommen unübersichtlich.

Die Behörden versuchten natürlich ihr Bestes, um die Bevölkerung zu beruhigen. Wahrscheinlich ist die Lage viel schlimmer, als man zum jetzigen Zeitpunkt bereit ist zuzugeben!, ging es ihr durch den Kopf.

„Mom, was ist mit dem Rechner? Warum funktioniert er nicht mehr?“, beharrte Lester auf der Beantwortung seiner Frage.

„Ich habe keine Ahnung.“

„Ich hatte gerade den Action-Marine so programmiert, wie ich ihn haben wollte und plötzlich funktionierte nichts mehr. Wie kann das sein?“

„Möglicherweise finden die Experten der Company darauf in Kürze eine Antwort“, erwiderte Sandrine.

Der Junge seufzte. „Wann trifft Dads Shuttle ein? Das müsste doch längst in Beethoven Spaceport gelandet sein.“

Sandrine schluckte.

„Ich weiß…“

„Meinst du, Dad meldet sich bald?“

„Ich hoffe es.“

Ihre Stimme klang belegt dabei.

Kapitel 2: Lagebesprechung

Der Thermostrahler gehört heute ebenso wie das Gauss-Gewehr, der Nadler und der schwere, raumtaugliche Panzeranzug zur Standardausstattung der Marines im Dienst des Space Army Corps. Das war nicht immer so. Während Nadler und Gauss-Gewehr von jeher die Grundbewaffnung des einzelnen Rauminfanteristen bildeten, ist der Gebrauch des Thermostrahlers als zusätzliche Standardwaffe des Space Army Corps erst seit 2251 üblich. Ursprünglich war der Thermostrahler ein Werkzeug, das auf allen Raumflügen mitgeführt wurde, um Metall aufzuschweißen und kleinere Reparaturen an der Außenhülle durchzuführen. Die geringe Reichweite von gerade einmal zehn Metern machte die Arbeit mit diesem Werkzeug für den Benutzer nicht gerade ungefährlich und es kam immer wieder zu Unfällen. Man entwickelte daraufhin einen neuen Thermostrahler-Typ mit erheblich über hundert Meter erweiterte Reichweite, wodurch dieses Werkzeug nun auch als Infanteriewaffe interessant wurde.

(Aus: „Das neue Handbuch des Space Army Corps“; Verfasser: Kevin Müller, Admiral A.D.; im Datennetz der Space Army Corps Akademie von Ganymed verfügbar seit dem 2.12.2252)

Die Merkur-Krise war der Beginn einer Entwicklung, die in der schlimmsten Bedrohung gipfeln sollte, die das Sol-System bis dahin bedrohte. Das als hatte nur einen Vorteil: Für anderthalb Wochen geriet in der Öffentlichkeit fast in Vergessenheit, dass die Humanen Welten gleichzeitig einen verzweifelten Abwehrkampf gegen die eroberungssüchtige Armada der Qriid zu führen hatte.

(Hans Benson: Der Große Vorsitzende – meine Jahre als Vorsitzender des Humanen Rates; im Datennetz abrufbar seit 12.3.2245)

1

Das Licht des Erdmondes spiegelte sich im Wasser. Das Meer rauschte unablässig. Die Wellen brandeten an den flachen Strand.

Commander Willard J. Reilly sog die salzhaltige Luft ein. Der Geruch von Seetang hin in der Luft. Diesen Ort würde ich mit geschlossenen Augen wieder erkennen – allein am Geruch!, dachte der Commander des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER, der zurzeit gerade auf Spacedock 1 einer Generalüberholung unterzogen wurde, die im übrigen auch dringend nötig war.

Reilly ging barfuss am Strand entlang, der angenehm kühl war. Da Wasser umspielte seine Füße und zog den Sand zwischen seinen Zehnen hinweg, wenn es zurückfloss.

Er blickte kurz in Richtung Land. Als große, überwiegend dunkle Silhouette erhob sich gleich nach dem schmalen Dünenstreifen Dar-el-Reilly, die in der Nähe von Tanger, Alt-Erde gelegene Familienresidenz der Reillys.

Wie ein dunkles Ungeheuer stand dieses Symbol einer über Generationen gehenden, quasi-dynastischen Familienkontinuität da und erhob sich als gigantischer, bizarrer Schatten bis in den Sternenhimmel.

Obwohl du zu den Sternen geflohen bist, um diesem Schatten zu entkommen, kehrst du doch immer wieder hier her zurück, ging es Reilly durch den Kopf. Und ist es nicht so, dass du -abgesehen von deiner Kabine auf der STERNENKRIEGER – dies als dein Zuhause betrachtest? Oder zumindest den Ort, an dem du mal zu Hause warst?

Der Wind blies vom Meer.

In einer Entfernung von etwa zwanzig Metern fiel das Licht des Mondes auf einen Mann, der eine dunkle Kutte trug. Die Kapuze war über den Kopf gezogen. Das Gesicht blieb im Schatten.

Willard Reilly ging auf diese Gestalt zu und blieb ein paar Schritte entfernt stehen.

„Hallo Dan…“, sagte er.

Die Gestalt drehte den Kopf. „Willard!“

„Mom hat mir gesagt, dass du hier unten bist.“

„Wir haben uns lange nicht gesehen.“

„Das ist wahr, Bruder Daniel…“

Langsam müsstest du es doch verarbeiten können, dass der Olvanorer-Orden deinen Bruder erwählte und ihm anbot, in Saint Arran auf Sirius III in das geheime Wissen dieser Gemeinschaft von Wissenschaftler-Mönchen eingeführt zu werden…, ging es Willard Reilly durch den Kopf.

„Ich nehme an, Dad hat seinen Plan noch nicht aufgegeben, dich zur Rückkehr in die Firma zu bekehren“, sagte Bruder Daniel.

Willard Reilly musste schmunzeln. „Das wird er wahrscheinlich nie.“

„In gewisser Weise verstehe ich ihn. Die Frachtlinien der Eric Reilly Ltd. sind sein Leben.“

„Sie waren bereits der Lebenssinn mehrerer Generationen von Reillys“, gab Willard Reilly zu bedenken. „Ich denke, das reicht.“

„In meinem Fall hat er seine Hoffnungen längst aufgegeben“, glaubte Bruder Daniel. „Das Olvanorer-Gelübde schützt mich vielleicht etwas davor, unentwegt mit seinen Überzeugungsversuchen ausgesetzt zu sein.“

„In meinem Fall wird er wohl nie verstehen, weshalb ich ein Space Army Corps Schiff fliegen möchte und nicht irgendeinen Frachter auf der Sirius-Linie.“

„Wir haben alle unsere Träume“, sagte Bruder Daniel. „Träume, denen wir nachjagen oder die umgekehrt uns verfolgen. Aber man muss aufpassen, nicht die Träume eines anderen mit den eigenen zu verwechseln und sie zu erfüllen versuchen, weil man sich dazu verpflichtet fühlt.“

Willard Reilly nickte.

„Der Traum davon, dass die Reilly Frachterflotter immer und für alle Zeit im Familienbesitz bleibt, ist Dads Traum. Unglücklicherweise hat ihn keiner seiner Söhne geteilt.“

Sie schwiegen eine ganze Weile, während im Hintergrund das Meer rauschte.

„Für jemanden, der an die klimatisierten Verhältnisse an Bord eines Raumschiffs gewöhnt ist, sind das alles hier wahrscheinlich sehr starke Eindrücke“, ergriff Bruder Daniel wider das Wort, als sie in stummem Einverständnis ein Stück den Strand entlanggingen.

„Du scheinst die Kunst des Gedankenlesens, die man den Olvanorern nachsagt, bereits meisterhaft zu beherrschen“, lächelte Willard Reilly. „Über diese Punkt denke ich tatsächlich jedes Mal nach, wenn ich nach Hause komme.“

„Nach Hause?“

„Was immer das sein mag. Aber wenn du tatsächlich Gedanken lesen kannst, dann weißt du es.“

„Willard!“

„Was?“

„Du weißt, dass wir Olvanorer keine Telepathen sind!“

„Telepathen, Empathen – was ist der Unterschied?“

„Der Unterschied ist, dass zur Empathie jeder fähig ist. Das menschliche Hirn besitzt eine große Anzahl Spiegelneuronen, die nur einen einzigen Zweck haben: Sie spiegeln exakt die Emotionen wider, die wir bei anderen wahrnehmen. Sie erzeugen sogar dieselben Vorgänge im Gehirn. Dabei ist beispielsweise das selbst erlittene Grauen vom nur beobachteten oder durch eine Erzählung vermittelten Grauen hirnbiologisch nicht unterscheidbar. Der Mensch ist auf diese Weise sehr verwundbar, denn er kann durch Leid traumatisiert werden, dass er gar nicht selbst erlitten, sondern von dem er nur gehört hat. Aber diese Fähigkeit ermöglicht auch eine sehr tiefe Verbindung zwischen Individuen und sie ist letztlich die Grundlage jeder Kultur.“

„Und ihr Olvanorer trainiert eure Spiegelneuronen etwas mehr als andere?“

„Vereinfacht ausgerückt trifft das zu.“

„Es wundert mich, dass ein gläubiger Mensch vom Gehirn wie von einem Muskel oder einem mechanischen Objekt spricht“, gab Willard Reilly seinem Erstaunen Ausdruck.

Bruder Daniel schlug seine Kapuze zurück.

Der Wind fuhr ihm durch das Haar, das er bis fast zu den Schultern trug und wirbelte es ziemlich stark durcheinander.

„Das Gehirn ist wie ein Muskel“, hielt der Olvanorer seinem Bruder entgegen. „Es lässt sich zumindest wie ein Muskel trainieren – und wenn ich das sage entzaubere ich damit keineswegs irgendwelche metaphysischen Vorstellungen einer unsterblichen Seele. Ich sage lediglich, was sich einfach nicht leugnen lässt.“

„Wusstest du, dass es eine Zeit gegeben hat, in der ich mir gewünscht hätte, auch als Olvanorer erwählt worden zu sein?“, fragte Willard Reilly plötzlich. „Der Weg, den ich dann gegangen bin, hat allerdings kaum etwas mit der Friedfertigkeit und dem Pazifismus zu tun, für den der Orden bekannt ist. Schließlich diene ich auf einem Kriegsschiff.“

Bruder Daniel schwieg einige Augenblicke und blieb Willard Reilly die Antwort zunächst schuldig.

Schließlich blieb der Olvanorer-Mönch stehen und erklärte: „Wir sind wieder am Beginn unserer Unterhaltung angelangt.“

„So?“

„Bei den Träumen, die nicht die eigenen sind.“

„Du meinst, ich habe mir das nur gewünscht, weil du auserwählt wurdest?“

„Wenn es dein Weg gewesen wäre, hätte man dich erwählt. Aber das war offensichtlich nicht der Fall.“

Willard Reilly zuckte mit den Schultern. „Aus dieser Perspektive habe ich das noch nie gesehen. Aber sie leuchtet mir irgendwie ein.“ Der Captain der STERNENKRIEGER wirkte auf einmal deutlich entspannter und lockerer. „Wie wär’s, wenn du mir eine Ahnung davon gibst, wo du in den vergangenen Jahren gesteckt hast? Ich hoffe nicht, dass du auf einem einsamen Hinterwäldlerplaneten mit der Zählung der Insektenpopulation oder anderen, ähnlich aufregenden Aufgaben betraut warst.“

„Etwas spannender war es schon.“

Bruder Danieln kam nicht mehr dazu, seinen Bericht zu beginnen, denn in diesem Augenblick meldetet sich der Kommunikator an Willard Reillys Armband.

Der Captain blickte auf die ID-Kennung.

Eine Transmission des Space Army Corps. Das kann nichts Gutes bedeuten. Ich hoffe nur, dass der Landurlaub nicht gleich wieder abgebrochen werden muss… Es wäre ja nun weiß nicht das erste Mal.

„Hier Commander Reilly.“

Auf dem Display des Geräts erschien das Gesicht von Admiral Gregor Raimondo. An der ID-Kennung war zu sehen, dass er sich auf Spacedock 1 befand.

Zumindest wurde die Transmission von dort gesendet.

„Commander? Ich störe Sie ungern in Ihrem wohlverdienten Urlaub. Schließlich war die STERNENKRIEGER ja über die zumutbare Grenze hinaus im Dauereinsatz. Aber das Oberkommando hat Code 207 ausgelöst.“

Code 207 bedeutete einen Status bedingter Bereitschaft. Mannschaften hatten ständig erreichbar zu sein, kommandierende Offiziere mussten sich zu Lagebesprechungen einfinden und es waren Planungen für eine Verschärfung der Situation zu treffen.

Fest steht also, dass es irgendwo brennt!, dachte Reilly. Fragt sich nur wo… Auch wenn die Bedrohung durch das Heilige Imperium immer wie ein Damoklesschwert über den Humanen Welten hing, so war doch eigentlich nicht so schnell damit zu rechnen, dass die Flotten der Qriid an den Grenzen des Niemandslandes auftauchten.

„Finden Sie sich schnellstmöglich auf Spacedock 1 ein“, verlangte Raimondo. „Sicherlich haben Sie die Nachrichten des Datennetzes verfolgt.“

„Ich habe mir den Luxus erlaubt, es nicht zu tun, Sir“, antwortete Reilly.

„Nun, dann will ich Ihnen auf die Sprünge helfen. In einem Radius von 0,4 astronomischen Einheiten um die Sonne sind für einen Zeitraum von mehreren Minuten bis zu einer Stunde sämtliche Rechnersysteme ausgefallen. Die Ursache dafür ist bislang unbekannt. Sehen Sie sich die Meldungen im Datennetz an, dann wissen Sie, was ich meine.“

„Ja, Sir.“

„Halten Sie Kontakt zu Ihrer Mannschaft, damit man sie notfalls zusammentrommeln kann. Über die Personalsituation an Bord Ihres Schiffes muss ich übrigens auch noch einmal mit Ihnen sprechen, da Ihre Fähnriche befördert wurden.“

„Ich bin schon so gut wie unterwegs, Sir.“

„Raimondo, Ende.“

Willard Reillys Gesicht wurde sehr ernst. „Zumindest für mich ist dieser Landurlaub bereits zu Ende.“

2

Gleißendes Licht fiel durch die Frontscheibe des auf der Seite liegenden Shuttle. Der Sonnenaufgang auf dem Merkur war mit nichts zu vergleichen. Der gesamte Horizont des zwar sehr klar kleinen, aber kompakten Planeten wurde durch ein immer breiter werdendes Feuerband umsäumt.

Masse und Schwerkraft des Merkur waren größer als die des viel voluminöseren Mars und die Dichte erreichte 98 Prozent des irdischen Standards.

„Kann man dieses verdammte Fenster nicht schließen?“, fragte einer der Passagiere. Es handelte sich um den Mann, der Clifford Ramirez so aufdringlich angesprochen hatte. Inzwischen wussten alle, dass er Jossif Potter hieß. Ramirez versuchte sein Dauergerede zu ignorieren, was leichter gesagt als getan war.

Captain Matthews machte den Fehler, auf Potters Genörgel einzugehen, was nur dafür sorgte, dass sein wasserfallartiger Redefluss weiter angeheizt wurde. Offenbar war das Potters Methode, um mit der sich krisenhaft zuspitzenden Situation fertig zu werden.

„Man kann die Blende nicht mehr bedienen, Potter!“, sagte Matthews etwas unwirscher, als er eigentlich beabsichtigt hatte. „Selbst Sie müssten das inzwischen begriffen haben. Schließlich wurde oft genug darüber gesprochen, was noch funktioniert und was nicht und die Unterscheidung ist in diesem Fall auch ganz einfach, weil nämlich nichts mehr funktioniert!“

„Mal wieder typisch. Ich wette die Technologie dieses Madison Arrow ist dreißig Jahre alt! Und mit diesem Schrott lässt man uns durch das All gurken!“

Sein Atem kondensierte dabei.

Es war inzwischen lausig kalt im Inneren der Passagierkabine geworden und der Sauerstoffgehalt sank stetig.

Eigentlich alles Gründe, um den Mund zu halten, aber Potter schien das einfach nicht zu können.

Mehrere Verletzte an Bord waren inzwischen fast apathisch. Die Kälte war nur zu schätzen, denn bislang bemühte sich Clifford Ramirez vergeblich darum, den Bordrechner erfolgreich neu zu starten. Zum dritten Mal führte er bereits die Reinitialisierungssequenz durch, aber das führte zu nichts. Im Gegenteil. Immer mehr Teilsysteme verabschiedeten sich völlig.

Auch die Antigravsysteme, die Clifford Ramirez über eine Brückenschaltung während des Absturzes hatte erreichen können, waren jetzt tot.

Andernfalls hätte man vielleicht durch deren Aktivierung Aufmerksamkeit erzeugen können, indem man Gesteinsabrocken aufgewirbelt hätte. Such-Shuttles wäre das vielleicht aufgefallen.

Es war auf Grund des Totalausfalls aller Rechnersysteme noch nicht einmal möglich die Schleusentür zu öffnen und ins Freie zu gelangen, falls irgendwelche Außenarbeiten durchzuführen sein sollten. Davon abgesehen lag die Schleuse jetzt auf der nach oben gerichteten Seite des Shuttle und es wäre schon recht schwierig gewesen, auf diese Weise auszusteigen.

Zum Beispiel, um in der Nähe der Havarie ein Signalfeuer zu entzünden.

Clifford gab den Versuch einer Wiederherstellung des Rechners zunächst einmal auf.

„Wie viele Raumanzüge gibt es an Bord?“, fragte er plötzlich an Captain Matthews gerichtet.

„Fünf.“

„An den Fall einer Havarie hat wohl niemand gedacht, oder?“

„Doch. Aber mehr als fünf Anzüge sind nicht Vorschrift. Es geht hier schließlich auch immer um jedes Gramm Gewicht und Quadratzentimeter Last. Beides ist bares Geld wert.“

„Also nicht so viel wie ein Menschenleben“, maulte Potter.

Matthews wurde zornig.

„Was soll dieses Gerede! Der Madison Arrow ist für den Raumtransport von Passagieren konstruiert und normalerweise bringt es überhaupt nichts für die Rettung der Passagiere, wenn man unterwegs aussteigt und dann im Anzug durch das All geistert!“

„Wir brauchen uns nicht darum zu streiten“, bestimmte Ramirez. „Ich bin dafür, den Verletzten die Anzüge zugeben, damit sie die Kälte besser verkraften.“

„Sollte man die Anzüge nicht denjenigen geben, die die besten Überlebenschancen besitzen?“, fragte Potter und erntete dafür einen Augenblick eisigen Schweigens. Er zuckte mit den Schultern. „Ist doch wahr!“, verteidigte er sich. „Wenn wir nicht innerhalb kürzester Zeit gerettet werden, dann wird der Sauerstoff ohnehin nicht für alle reichen!“

„Sehen Sie hier irgendwelche Messgeräte, die Ihnen das sagen oder wissen Sie mehr als wir alle, Mister Potter?“, fragte Ramirez in einem scharfen Unterton.

Potter lief dunkelrot an. Sein Gesicht verschwand für einen Moment hinter der Wolke kondensierten Atems.

„Sie wissen doch genau, dass es so ist, wie ich sage, Lieutenant.“

„Wir werden jedenfalls keine Selektion betreiben“, erklärte Ramirez entschieden. „Es geht darum, dass die Verletzten noch ein wenig durchhalten. In Kürze wird nämlich nicht mehr die Kälte unser Problem sein, sondern die Hitze, wie man am Horizont bereits beobachten kann.“ Ramirez wandte sich an Captain Matthews. „Gibt es einen Thermostrahler an Bord?“

„Ja.“

„Den brauche ich.“

„Was wollen Sie damit?“

„Ich gehe nach draußen und bringe einen Stein zum Schmelzen. Wenn man ein Suchteam ausgeschickt hat, müsste man das eigentlich aus der Höhe orten, schließlich sind wir immer noch in einer relativ dunklen Zone des Merkur!“

„Was sich rasch ändern wird!“

„Matthews, wir müssen auf uns aufmerksam machen!“

Matthew seufzte. „Ich dachte eigentlich, die Sauerstoffpatronen der Anzüge als eiserne Reserve nutzen zu können.“

„Eine davon werden wir opfern müssen.“

„Der Kerl will doch nur einen der Anzüge für sich haben!“, meinte Potter. „Und Sie, Captain, warum haben Sie uns bisher nicht eröffnet, dass es diese Anzüge überhaupt gibt?“

Captain Matthews war mit den Nerven genauso am Ende wie Potter. Seine Augen verengten sich. Er starrte Potter mit einem Blick an, der vernichtender nicht hätte sein können.

Im Mittelalter wäre dieser Blick wohl strafbar gewesen!, ging es Clifford Ramirez durch den Kopf.

„Hören Sie mir gut zu, Potter! Halten Sie jetzt den Mund geschlossen oder ich schicke Sie ohne Anzug durch die Luftschleuse!“

„Da wäre Mord!“

„Das wäre Notwehr, Potter und jeder Richter, der einen ihrer Auftritte miterlebt hätte, würde dafür Verständnis zeigen! Und jetzt seien Sie still!“

Matthews überlegte einen Augenblick. „Ich hole Ihnen den Thermostrahler. Aber Sie müssen damit rechnen, dass das Ding auch nicht funktioniert. Schließlich arbeiten auch Thermostrahler mit einem inneren Rechner. Und der ließ sich weder bei den Kommunikatoren noch bei irgendwelchen anderen Geräten hier an Bord einschalten.“

„Ja, aber die Thermostrahler verwenden eine viel einfachere Technik“, erklärte Clifford Ramirez. „Die Dinger sind geradezu primitiv, weil sie ursprünglich für den Bergbau auf Extremwelten geschaffen wurden, wo die Werkzeuge sehr starken Belastungen ausgesetzt werden. Bei den meisten Modellen gibt es eine Schaltung, mit der man das Ding auf vollkommen manuellen Betrieb umstellen kann.“

Captain Matthews machte ein skeptisches Gesicht. „Wenn Sie das sagen…“

„Jedenfalls haben wir nicht mehr viel Zeit. Wenn erst einmal das sengende Sonnenlicht hier alles gleißend hell macht, sieht unser kleines Feuerchen sowieso niemand mehr.“

„Da haben Sie natürlich Recht!“ Matthews schien noch zu zögern. Aber Grady war überzeugt davon, dass Ramirez das Richtige im Sinn hatte.

Er sagte: „Vertrauen Sie dem Kerl, Captain. Sie haben gesehen, was er drauf hat.“

„Na ja…“

„Wenn er nicht eingegriffen hätte, wären wir so übel aufgeschlagen, dass man sich jede Rettungsmission sparen könnte. Der weiß, was er tut.“

Der Blick mit dem Matthews Ramirez musterte schien zu sagen: Ist mal wieder typisch – das Space Army Corps betrachtet sich als die Elite aller Raumkrieger.

Aber Matthews war klug genug, um den Mund zu halten.

Auf diese Empfindlichkeit kam es jetzt wirklich nicht an.

„Bleibt ein Problem“, sagte Grady und deutete in die Höhe. Er meinte natürlich die Außenschleuse.

„Die lässt sich manuell schalten!“, sagte Ramirez.

„Und wenn dabei ein Fehler passiert, werden wir alle schockgefroren!“, meinte Grady.

Ramirez zucke mit den Schultern.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit, überhaupt noch Fehler zu machen“, erwiderte er.

3

Grady und Ramirez gelang es, die Luftschleuse auf Handbetrieb umzuschalten. Ein paar Überbrückungskabel mussten dafür gelegt werden. Galina Lecontegoro, eine leicht verletzte Passagierin half ebenfalls mit. Sie kannte sich mit der Funktionsweise von Außenschotts und Luftschleusen aus, da sie in einem zur Mining Company gehörenden Wartungsbetrieb in Goethe City beschäftigt war.

Die Temperatur sank derweil weit unter den Gefrierpunkt.

An dem Sichtfenster der Frontscheibe bildete sich Eis. Die Feuchtigkeit, die beim Atmen entstand, gefror dort. Die Insassen des Shuttle waren gezwungen sich fortwährend zu bewegen, wenn sie nicht erfrieren wollten.

Wie tief die Temperatur bereits gefallen war, darüber konnte nur spekuliert werden.

„Spätestens, wenn sich die Luft in flüssigen Sauerstoff und Stickstoff teilt, werden wir es merken!“, witzelte Matthews. Das fand allerdings keiner der Anwesenden wirklich lustig.

Vor allem musste man sich um die Verletzten kümmern. Denn sie waren weniger beweglich und daher dem Erfrierungstod sehr viel näher als die gesunden Passagiere. Soweit es möglich war, hatte man sie mit den Raumanzügen versehen, was allerdings auch nur einen mittelmäßigen Effekt hatte.

Ramirez zwängte sich ebenfalls in einen der Anzüge. Dann schnallte er sich den Thermostrahler um.

Grady und Matthews halfen ihm, in die Luftschleuse zu klettern. Dabei musste sich Ramirez mit Händen und Füßen an den Wänden festhalten, bis die innere Schleusentür geschlossen war.

Die Atemluft innerhalb der Schleusenkabine war verloren. Die Ansaugmechanismen, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass hier innerhalb von Sekunden eine Vakuumkabine entstand, funktionierten nicht.

Dann muss es auch so gehen!, dachte Ramirez.

Er öffnete das Außenschott.

Die Luft der Schleusenkabine entwich und wurde sofort schockgefroren.

Ramirez kniff die Augen zusammen. Der grelle Sonnenstreifen am Horizont hatte seine Ausdehnung verdoppelt und blendete ihn. Aber er konnte die Abblendfunktion seines Helmvisiers nicht benutzen, das sie computergesteuert war.

Ein Spaziergang wird das hier nicht!, ging es ihm durch den Kopf. Eher schon ein Ausflug am Rande des Höllenfeuers.

Ramirez kletterte schließlich ins Freie. Die geringe Schwerkraft des Merkur half ihm dabei.

Er sprang von der Oberseite des umgestürzten Shuttle auf den Boden, landete sanft, federte noch einmal fast einen Meter hoch und stand endlich auf beiden Füßen. Die bevorzugte Fortbewegungsart auf einem Himmelskörper wie diesem war immer das Hüpfen – zumindest, wenn man schnell vorankommen wollte.

Ramirez warf einen kurzen Blick auf den seitlich umgestürzten Shuttle. Dann drehte er sich und hüpfte ein paar Schritte vorwärts.

Ungefähr zwanzig Meter entfernte er sich.

Ramirez nahm den Thermostrahler vom Gürtel und zielte auf einen Block aus vulkanischem Gestein. Der Block begann zu glühen. Ramirez vergrößerte die aufgeschmolzene Stelle, um sie optisch besser sichtbar zu machen.

Hoch über der Grenze zwischen Tag- und Nachtzone schwebte ein Objekt, das von der Sonne angestrahlt wurde und auf den ersten Blick wie ein Stern wirkte.

Aber das war kein Stern.

Dazu bewegte es sich zu schnell.

Ramirez kannte diesen Anblick.

Das muss Mercury Castle sein!, erkannte er.

Aber mehr als ein Hoffnungsschimmer war das auch nicht.

Da auch das interne Rechnersystem des Thermostrahlers ausgefallen war und sich nicht so ohne weiteres wieder in Betrieb nehmen ließ, konnte Ramirez die Intensität der Bestrahlung nicht variieren.

Was soll’s?, dachte er. Ich tue mein Bestes! Und vielleicht haben wir ja Glück und jemand bemerkt uns.

4

Sandrine Ramirez blickte durch eines der Fenster, durch die man einen freien Blick auf die Beethoven City hatte. Eigentlich ein Lichtermeer im Zentrum des gleichnamigen Kraters, dessen Gebirgszug in der Ferne als dunkler Schatten zu sehen war.

Aber in den letzten Stunden hatte Finsternis in Beethoven City geherrscht. Außerdem war es in allen relativ ungeschützten Räumen recht kalt geworden. Wir können von Glück sagen, dass dieses Unglück nicht während des Merkur-Tages geschah, dachte Sandrine. Die Bauten hätten sich dann bei plus 460 Grad Celsius so aufgeheizt, dass man die sengende Sonne nur in den besonders geschützten Strahlenschutzräumen hätte überleben können, die jede Wohnung auf dem Merkur besaß. Diese Schutzräume suchte man normalerweise dann auf, wenn Sonnenwind vorhersagt wurde. Das Magnetfeld des Merkur war auf Grund des brodelnden Innenlebens dieses Planeten und seines sehr großen Metallkerns recht ausgeprägt, aber nicht stark genug, um alle schädlichen Strahlen tatsächlich ablenken zu können.

Nach und nach gingen die Lichter wieder an und die Stadt schien zumindest teilweise wieder ihr gewohntes Bild zu bieten.

Lester war inzwischen in sein Zimmer gegangen und versuchte immer noch, seinen Computer wieder in Gang zu setzen. Aber der Schaden an dem Gerät schien gravierender zu sein, als erst angenommen, dasselbe galt für Sandrines privaten Kommunikator, der ebenfalls auf keinen Versuch reagierte, ihn wieder einzuschalten.

Wachsende Sorge plagte Sandrine.

Sie hatte die Nachrichten im Datennetz verfolgt. Zumindest der Hausanschluss funktionierte. Die Bildschirmwand lieferte Videosequenzen aus verschiedenen Regionen des Merkur. Inzwischen stand fest, dass der plötzliche Ausfall nahezu sämtliche Rechnersysteme einen Bereich umfasste, der erheblich größer war als ursprünglich angenommen. Der Merkur war jedenfalls am stärksten betroffen, aber auch die gesamte Region zwischen Merkur und Sonne. Dutzende von Raumschiffen waren davon in Mitleidenschaft gezogen worden.

Genau das war der Punkt, der Sandrine immer besorgter werden ließ.

Clifford hätte längst eintreffen müssen!, ging es ihr durch den Kopf. Natürlich hatte sie auch von dem Absturz des Linienshuttles gehört, das irgendwo in der Nähe der gegenwärtigen Tag/Nacht-Grenze verschwunden war. Von den Insassen fehlte jede Spur.

Mach dich nicht verrückt, sagte sie sich. Es ist gar nicht gesagt, dass dieses Shuttle tatsächlich die Maschine war, die Clifford genommen hat.

Es war kühl in der Wohnung geworden. Die Heizungssysteme arbeiteten wohl noch immer nicht. Die Energieversorgung war nach offiziellen Mitteilungen der Company zwar in Mitleidenschaft gezogen worden, aber nicht ernsthaft gefährdet. Angeblich bestand auch kein Anlass dazu, den Planeten auf eigene Faust mit privaten Raumfahrzeugen zu verlassen.

Sandrine konnte sich schon denken, was hinter diesen Verlautbarungen steckte.

Die Bevölkerung sollte beschwichtigt und weiteres Chaos durch unkontrollierten Exodus verhindert werden. Schließlich konnte niemand vorhersagen, ob es nicht zu weiteren Systemausfällen kam, solange die Ursache nicht gefunden war.

Die Rettungsmannschaften, die jetzt unterwegs sind, riskieren ihr Leben!, überlegte Sandrine. Sie gehen ein Risiko ein, das man zum jetzigen Zeitpunkt beim besten Willen nicht kalkulieren kann!

Auf der Bildschirmwand teilte sich ein Fenster ab, dass eine ganze Weile lediglich das Emblem der Company zeigte, verbunden mit dem Hinweis, dass eine private Transmission empfangen werden sollte.

Aber dann tat sich eine ganze Weile nichts.

Sandrine argwöhnte bereits, dass das Rechnersystem ihrer Wohneinheit wieder abgestürzt war.

Endlich wich das Emblem einem Mann in der Uniform der Company Police, die im Moment alle Hände voll zu tun hatte, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten und Menschen aus der Bedrouille zu helfen, die auf Grund des Ausfalls technischer Systeme in Not geraten waren.

„Hier spricht Company Police Agent Stricker. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann Clifford Ramirez unter den Passagieren eines Shuttles mit der Bezeichnung D-3334 war, der auf Grund der jüngsten Systemausfälle beim Anflug auf den Merkur abgestürzt ist. Leider haben wir bislang keinerlei Nachricht von der Maschine.“

Sandrine war für einen Moment wie erstarrt. Schließlich schluckte sie. Ihr Mund fühlte sich trocken an und sie glaubte für den Boden unter den Füßen zu verlieren. Mein Gott, das darf doch nicht wahr sein!, durchfuhr es sie. Hast du nicht die ganze Zeit schon gefürchtet, dass dich irgendwann eine derartige Nachricht erreichen würde? Du hast es gewusst, seit du dich entschieden hast mit Clifford das Leben zu teilen. Schließlich dient er auf einem Kriegsschiff…

Aber das er jetzt vielleicht einem ganz ordinären Systemabsturz zum Opfer gefallen war, erschien ihr wie ein zynischer Witz des Schicksals. Etwas, das sie einfach nicht akzeptieren konnte. Unwillkürlich ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Hat es Sinn gegen das Schicksal selbst zu rebellieren? Dem Universum zu drohen? Gott zu verfluchen? Oder die Stümper, die so instabile Rechnersysteme geschaffen haben, dass sie einer solchen Störung nicht mehr Stabilität entgegen zu setzen haben? Es ist sinnlos. Und du weißt es.

Sie versuchte die Tränen zu unterdrücken, aber es ging nicht. Sie flossen einfach und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.

Vielleicht wollte sie auch gar nichts dagegen tun.

„Es ist nicht gesagt, dass Ihr Mann umgekommen ist“, sagte Agent Stricker, dem Sandrines Reaktion natürlich nicht entging. Du hast auch wirklich einen Mist-Job – solche Nachrichten überbringen zu müssen!, ging es ihr durch den Kopf. Und wahrscheinlich nach einem Vorfall, wie wir ihn gerade erlebt haben, gleich im Dutzend! „Ma’am, wir tun, was wir können. Aber es erweist sich als sehr schwierig, technische Geräte aller Art wieder in Betrieb zu nehmen. Ein Teil der Rechnersysteme muss völlig neu installiert werden und bei manchen ist wahrscheinlich sogar die Hardware zerstört. Wir haben momentan ein einziges funktionierendes Shuttle in Beethoven zur Verfügung. Aber es kommt Hilfe von der Venus und dem Rest des Sol-Systems.“

Das bedeutet wohl, dass mit der Suche noch gar nicht begonnen werden konnte!, ging es Sandrine voller Bitterkeit durch den Kopf.

5

Die Meldungen über die Merkur-Krise überschlugen sich. Während Commander Reilly sich durch einem von Tanger Spaceport aus gestarteten Shuttle zur Orbitalstation Spacedock 1 bringen ließ, lief in der Passagierkabine das Nachrichtenangebot des Datennetzes der Humanen Welten. Alle Insassen – bei den meisten handelte es um Space Army Corps Offiziere, wie an den Uniformen zu sehen war – richteten ihre Blicke auf den Bildschirm und verfolgten die eintreffenden Neuigkeiten. Eine Flotte von zivilen Hilfsschiffen war von der Venus aus unterwegs. Ein robotisches Observatorium auf dem zurzeit sonnennahen Asteroiden Halifax 13 lieferte Bilder aus unmittelbarer Sonnenähe, die für kurze Zeit zwei Objekte zeigten, die jedoch wenig später nicht mehr zu orten gewesen waren, da sie von der Sonne überstrahlt wurden.

Astronomen rätselten nun darüber, wie die Daten zu interpretieren waren.

Über die eigentliche Ursache der Computerausfälle wurden noch Vermutungen angestellt.

Commander Reilly blickte seitlich aus dem Fenster. Die Netznachrichten enthielten kaum neue Informationen, dafür jede Menge Verlautbarungen offizieller Stellen. Politiker meldeten sich zu Wort. Mitglieder des Humanen Rates wurden zitiert.

Offenbar war die Lage schlichtweg zu unübersichtlich, als dass schon vernünftige Schlüsse gezogen werden konnten.

Oder man enthält der Öffentlichkeit die ganze Wahrheit noch vor…, dachte Reilly. Wäre ja nicht das erste Mal!

Reilly warf einen Blick hinaus ins All. Spacedock 1 war nicht zu übersehen. Die Station war in den letzten Monaten, in denen der Krieg gegen die Qriid in eine heiße Phase getreten war, erheblich erweitert worden. Es gab Pläne für insgesamt 13 Stationen im Erdorbit, an denen die Space Army Corps Schiffe gewartet und repariert werden konnten. Aber die Finanzierung war im Humanen Rat noch keineswegs gesichert. Es gab durchaus Vorbehalte, die insbesondere von der Ratsvertretung des Mars geschürt wurden. Dort sah man die heimische und bis dahin führende Raumfahrtindustrie gefährdet.

Die STERNENKRIEGER hatte zusammen mit drei weiteren Leichten Kreuzern, einem Zerstörer und einem Dreadnought-Schlachtschiff angedockt.

Darunter waren die CATALINA unter dem Kommando von Ned Nainovel und die PLUTO unter Commander Steven Van Doren.

Ich frage mich, wann endlich einmal ruhigere Zeiten anbrechen, überlegte Reilly. Aber ein Ende des Qriid-Krieges ist wohl nicht abzusehen.

Wenig später dockte das Shuttle an.

Reilly verließ zusammen mit den anderen Passagieren das Schiff und passierte die Sicherheitskontrollen.

Eine Viertelstunde später traf er in Konferenzraum A ein, wo die Kommandanten der zurzeit an Spacedock 1 angedockten Space Army Corps Schiffe bereits anwesend waren.

Reilly setzte sich zu Van Doren und Nainovel.

„Mit dir hat schon niemand mehr gerechnet!“, raunte Van Doren ihm zu.

„Mein Shuttle hatte Verspätung“, erwiderte Reilly. „Im Spaceport Tanger werden sämtliche Schiffe vor dem Start auf Herz und Nieren geprüft – insbesondere die Rechnersysteme. Man will vermeiden, dass es zu es zu Systemausfällen ähnlich wie auf dem Merkur kommt. Schließlich kennt man die Ursache noch nicht.“

Van Doren grinste.

Admiral Gregor Raimondo bedachte Van Doren mit einem strengen, leicht missbilligenden Blick, woraufhin der Commander des Leichten Kreuzers PLUTO sofort verstummte.