Die verbotenen Evangelien - Jürgen Werlitz - E-Book

Die verbotenen Evangelien E-Book

Jürgen Werlitz

4,5

Beschreibung

Das christliche Wissen vom Leben und Sterben Jesu gründet vornehmlich in den Darstellungen und Aussagen der Bücher des Neuen Testaments. Aber es gibt weit mehr Schriften aus der Frühzeit des Christentums, die von Jesu Leben, seinen Worten und Taten, von seinem Tod und seiner Auferstehung künden. Es handelt sich um Werke aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert, die nicht in die Bibel aufgenommen, nicht für die Lesung in Gottesdiensten zugelassen und schließlich auch verboten wurden. Auch wenn die Apokryphen aus der großkirchlichen Tradition des Christentums hinausgedrängt wurden, sind sie beeindruckende Zeugnisse einer vielseitigen frühchristlichen Schrift und Glaubenstradition. Im vorliegenden Werk sind die wichtigsten dieser antiken Texte gesammelt, neu übersetzt und kommentiert. Für die Neuausgabe wurde die Sammlung um das Evangelium der Maria Magdalena und das Judasevangelium erweitert, die aktuell großes Interesse auf sich gezogen haben.

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Jürgen Werlitz ist außerplanmäßiger Professor an der Universität Augsburg, freiberuflich als Buchautor und Dozent tätig und lehrt Altes Testament vor allem an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Salesianer Don Boscos in Benediktbeuern.

Katharina Ceming ist promovierte Philosophin und habilitierte Theologin. Momentan arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Universität Augsburg.

Zum Buch

Das christliche Wissen vom Leben und Sterben Jesu gründet vornehmlich in den Darstellungen und Aussagen der Bücher des Neuen Testaments. Aber es gibt weit mehr Schriften aus der Frühzeit des Christentums, die von Jesu Leben, seinen Worten und Taten, von seinem Tod und seiner Auferstehung künden. Es handelt sich um Werke aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert, die nicht in die Bibel aufgenommen, nicht für die Lesung in Gottesdiensten zugelassen und schließlich auch verboten wurden. Auch wenn die Apokryphen aus der großkirchlichen Tradition des Christentums hinausgedrängt wurden, sind sie beeindruckende Zeugnisse einer vielseitigen frühchristlichen Schrift und Glaubenstradition.

Im vorliegenden Werk sind die wichtigsten dieser antiken Texte gesammelt, neu übersetzt und kommentiert. Für die Neuausgabe wurde die Sammlung um das Evangelium der Maria Magdalena und das Judasevangelium erweitert, die aktuell großes Interesse auf sich gezogen haben.

Katharina Ceming • Jürgen Werlitz

Die verbotenen Evangelien

Katharina Ceming • Jürgen Werlitz

Die verbotenenEvangelien

Apokryphe Schriften

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

TEIL A:Bearbeitung von Katharina Ceming

TEIL B:Einführung und Kommentar von Jürgen Werlitz und Katharina Ceming Neuübersetzung der Evangelientexte von Jürgen Werlitz

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2010Covergestaltung: Thomas Jarzina, KölnBildnachweis: akg-images, BerlinDie Bilder im Innenteil stammen von akg-images, Berlinsowie dem Institute for Antiquity and Christianity, Claremont, California, USAeBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0157-7

www.marixverlag.de

VORWORT ZUR NEUAUSGABE DER VERBOTENEN EVANGELIEN

Dass unsere Auswahl apokrypher Evangelien fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung im Pattloch-Verlag eine Neuausgabe erfährt, freut uns sehr, zumal wir als Wissenschaftler mit unseren Fachwerken in ganz anderen zeitlichen Dimensionen beim Ausverkauf verschwindend kleiner Auflagen zu rechnen gewöhnt sind, und zeigt, welch großes Interesse an dieser Art frühchristlicher Literatur in breiten Leserschichten besteht. Bei dem einen oder anderen Leser mag dieses Interesse mit einer Affinität zu Verborgenem und Verbotenem schlechthin, zu esoterischem Wissen gepaart sein, mit der Erwartung auch, in diesen Texten ein anderes, vielleicht wahreres Bild vom historischen Jesus zu erhalten. Das ist durchaus legitim, aber nicht der einzige Grund für das aktuelle Interesse an den Apokryphen. Auch in der Bibelwissenschaft treten diese Schriften gegenwärtig aus dem Schatten einer lange Zeit stiefmütterlichen Beachtung und Pflege. Vor allem im Blick auf die hoch aktuelle leserorientierte, kanonisch-intertextuelle Lektüre der Schrift (Georg Steins), die „Biblische Auslegung“ im Sinne Christoph Dohmens, gewinnen die Apokryphen derzeit entscheidend an Bedeutung. Die jüngst an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg im Fach Neues Testament eingereichte Habilitationsschrift von Tobias Nicklas beschäftigt sich unter dem Titel „Christliche Apokryphen lesen: Definition – hermeneutisches und methodisches Programm. Mit einer Interpretation des ‚unbekannten Evangeliums‘ auf P. Egerton 2“ genau mit diesem Ansatz. Um so mehr freut es uns, dass unser an ein breiteres Publikum gerichtetes Werk selbst in der „hohen“ Wissenschaft rezipiert wird, so z. B. in dem Lehrbuch „Apokryphe Evangelien. Eine Einführung“ von Hans-Josef Klauck (Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2002).

Doch – es ist fast schon eine Binsenwahrheit – mit der Wissenschaft allein werden in der Regel nur wenige Bücher verkauft. Der Erfolg unseres Buches, der sich in der Neuausgabe zeigt, steht auch und vor allem auf anderen Füßen. So gilt unser Dank primär den Käufern und (hoffentlich immer auch) Lesern unseres Buches. Wie uns die zahlreichen positiven Rückmeldungen bestätigen, ist uns der Versuch, das Thema Apokryphe Evangelien wissenschaftlich fundiert, aber dennoch allgemein verständlich zu präsentieren – aus unserer Sicht formuliert –, ein wenig aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft herauszutreten, offenbar nicht gänzlich mißlungen.

Herzlicher Dank gilt aber auch Frau Miriam Zöller, die als Geschäftsführerin des Marix-Verlags die Neuausgabe gewagt und uns jederzeit zuvorkommend mit allumfassender Kompetenz von Vertrags- bis hin zu Layout-Fragen unterstützt hat. Eine Neubearbeitung oder Ergänzung des Werkes lag dabei nicht im Interesse aller Beteiligten. Als Auswahl sind die „Verbotenen Evangelien“ ein unseres Erachtens nach wie vor stimmiges und rundes Werk, eine Durchsicht des Textes hielten wir für hinreichend.

Nachdem wir im Rahmen dieses Vorwortes zur Neuausgabe nun erstmals die Möglichkeit haben, uns auch persönlich zu unserem Werk zu äußern, wollen wir auch eine Zueignung aussprechen und widmen dieses Buch unseren Studierenden in Augsburg, Eichstätt, Paderborn und Regensburg, unseren Hörern, von deren Zuhören, Fragen und Mitarbeit in Vorlesungen, Seminaren, Übungen und Kolloquien wir immer wieder profitieren.

Augsburg, den 8. Juli 2004

Katharina Ceming und Jürgen Werlitz

VORWORT ZUR ÜBERARBEITETEN UND ERWEITERTEN NEUAUSGABE

Einer Anregung des Marixverlags folgend, legen wir hiermit eine überarbeitete und erweiterte Neuausgabe unseres Buches vor. Dank des aktuellen Wissensdurstes hinsichtlich apokrypher Schriften, der unter anderem durch Dan Browns „Sakrileg“, aber auch durch die letztjährige Erstedition des Judasevangeliums noch verstärkt wurde, haben „Die Verbotenen Evangelien“ in den vergangenen zweieinhalb Jahren zwölf Auflagen erfahren, ein Erfolg, mit dem wir niemals gerechnet hätten und für den wir dankbar sind.

Um den an Maria Magdalena, neuerdings aber auch an Judas interessierten Leserinnen und Lesern gerecht zu werden, haben wir unsere Evangeliensammlung ergänzt. Mit der Aufnahme des „Evangeliums nach Maria“ und dem „Evangelium des Judas“, der einleitenden Kommentierung und Übersetzung dieser beiden Schriften, möchten wir Leserinnen und Leser bei der Beantwortung einiger der aktuell brisanten Fragen unterstützen, die da etwa lauten: Hatte Maria Magdalena mit Jesus wirklich mehr als eine „platonische Beziehung“? Ist Judas der einzige Jünger, der Jesus wirklich verstanden hat? Und grundsätzlicher: Bieten diese Texte neue Informationen über den historischen Jesus oder sind sie deswegen so bedeutsam, weil sie eindrucksvolle Zeugnisse der breiten frühchristlichen Tradition des 2. Jahrhunderts sind, in der die Christenheit bezüglich der Interpretation des Heilsereignisses Jesu noch äußerst unterschiedliche Positionen vertrat?

Neben Ergänzungen und Aktualisierungen im ersten Teil des Buches ist noch auf die Aufnahme der so genannten Petrusapokalypse hinzuweisen. Sie erfolgte nicht nur deswegen, weil sie in engem Kontext zum Petrusevangelium steht und in der von uns benützten Handschrift aus Akhmim offenbar Bestandteil desselben ist, sondern auch aufgrund ihres Inhaltes und ihrer Wirkung. Die sehr detailliert geschilderten Höllenstrafen für bestimmte Vergehen innerhalb der Höllenreise des Apostelfürsten zeigen einmal mehr, wie stark die christliche Glaubenstradition durch apokryphes Schriftgut geprägt ist. Es lohnt sich, solche Texte zur Kenntnis zu nehmen, und dabei darf ein kritischer Blick durchaus sein.

Dank an Dan Brown, Dank an Frau Miriam Zöller vom Marix-Verlag, Dank an Prof. Dr. Tobias Nicklas, Nijmegen (für hilfreiche Tipps und Anregungen), Dank unseren Studierenden in Augsburg, Benediktbeuern, Eichstätt, Halle, Paderborn und Regensburg und schließlich auch Dank unseren Leserinnen und Lesern!

Augsburg, den 6. Februar 2007

Katharina Ceming und Jürgen Werlitz

INHALTSVERZEICHNIS

TEIL A

1. Einleitung

Der Fund von Nag Hammadi

2. Die kanonischen Evangelien

Begriffserläuterung

Entstehung der kanonischen Evangelien

Die Spruchquelle

Die Synoptiker und Johannes

Markus

Matthäus

Lukas

Johannes

3. Geschichte der Kanonisierung

Gründe für die Kanonisierung

Zur Abwehr marcionitischer, montanistischer und gnostischer Interpretationen der Tradition durch die Großkirche

Marcionismus

Montanismus

Gnosis

Die Bezeichnung der neutestamentlichen Schriften im frühen Christentum

Die Kanonbildung in den ersten drei Jahrhunderten

Kriterien für die Kanonisierung

Der Kanon des Alten Testaments im Judentum und Christentum

4. Die Apokryphen

Begriffserläuterung und Entwicklung

Die literarischen Gattungen der Apokryphen

Die Quellen apokryphen Schriftgutes

Die Geschichte der Apokryphenforschung

Verschiedene Arten apokrypher Evangelien

Motive für die Entstehung der Apokryphen

5. Weiterentwicklung apokrypher Zeugnisse

Zur Wirkungsgeschichte apokrypher Literatur

TEIL B

Das Protevangelium des Jakobus

Das Kindheitsevangelium des Thomas

Das Ebjonitenevangelium

Der Papyrus Egerton 2

Das Geheime Markusevangelium

Das Thomasevangelium

Das Judasevangelium

Das Petrusevangelium

Das Nikodemusevangelium

Das Evangelium nach Maria

Literaturhinweise

Bildverzeichnis

TEIL A

1. EINLEITUNG

DER FUND VON NAG HAMMADI

Ein sensationeller archäologischer Fund Mitte des 20. Jahrhunderts in Ägypten lenkte das Interesse weiter Kreise auf die Schriften des Neuen Testaments. Im Dezember 1945 stießen Muhammad Ali Samman und sein Bruder bei der Suche nach natürlichem Dünger in der Nähe ihres Dorfes auf einen großen roten Krug aus Ton. Hin und her gerissen, ihn zu öffnen oder verschlossen zu halten, entschieden sie sich für das erstere, da die Hoffnung auf einen Goldfund größer war als die Angst, einen im Krug verschlossenen Geist zu befreien. Es traten jedoch weder Gold noch ein Geist ans Tageslicht. Vor ihnen breitete sich der Inhalt einer mehr oder weniger gut erhaltenen koptischen Bibliothek aus: dreizehn in Leder gebundene Papyrusbücher. Da ihr kleines Dorf mit seiner Fundstelle einige Kilometer von Nag Hammadi, dem nächst größeren Ort mit Bahnstation, entfernt lagt, bürgerte sich der Begriff „Bibliothek von Nag Hammadi“ für die Texte dieses Fundes ein. Bei ihnen handelte es sich also nicht um Schriftrollen wie in Qumran, sondern um Codices, d. h. gebundene Blattsammlungen mit Ledereinbänden. Der Vorteil von Codices gegenüber Schriftrollen liegt im buchstäblichen Sinne auf der Hand. Die Suche von Textstellen gestaltet sich auf einer mehreren Meter langen Rolle nämlich weitaus beschwerlicher als in einem Buch. Ohne zu wissen, was es mit diesen Texten auf sich hatte, nahmen Muhammad Ali Samman und sein Bruder diese mit nach Hause. Da beide in eine Blutrachegeschichte verwickelt waren, beschloss Muhammad Ali Samman, den Fund dem koptischen Priester Al-Qummus Basiliyus Abd el Mashi zu geben, da er befürchtete, die Polizei könnte den Codex bei einer Hausdurchsuchung finden.

Der Weg der Nag Hammadi Texte von ihrem Fund bis zur Veröffentlichung war mehr als abenteuerlich. Ob nun die Frau des Priesters – in der koptischen Kirche dürfen Priester heiraten – diese ihrem Bruder, einem Englischlehrer, zeigte, der sofort ihren Wert erkannte und sie einem Freund in Kairo brachte, welcher sich mit der koptischen Sprache beschäftigte, oder ob der Priester selbst diese dem Geschichtswissenschaftler Raghib zukommen ließ, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Sicher ist, dass das Ministerium für öffentliche Bildung von dem Fund erfuhr. Es erwarb einen Codex und beschlagnahmte weitere elf, die zuvor der ägyptische Antiquitätenhändler Phocion Tano an eine italienische Sammlerin verkauft hatte und erklärte diese Codices zum National-Eigentum. Diese Texte gingen nun in den Besitz des Koptischen Museums in Kairo über, wo sie von dem französischen Ägyptologen Jean Doresse untersucht wurden, der ihren Wert erkannte und darauf drängt, den Rest der Texte zu suchen.

Ein paar Blätter vielleicht auch ein ganzer Codex waren von Alis Mutter verbrannt worden, die ihren Wert nicht kannte und sie für ein ungutes Omen hielt. Aber eine Schriftensammlung war durch einen belgischen Antiquitätenhändler gekauft und außer Landes gebracht worden. Als sie 1951 oder 1952 zum Verkauf angeboten wurde, erwarb sie das C.G. Jung-Institut in Zürich auf Anraten des niederländischen Geschichtswissenschaftlers Gilles Quispel, um sie Carl Gustav Jung zum Geburtstag zu schenken. Diese Sammlung trägt nun den Namen Codex Jung und wurde nach einem Streit um die Besitzrechte letztlich auch dem Koptischen Museum in Kairo übergeben. Als Quispel 1955 nach Kairo fuhr, um dort nach einigen verschollenen Seiten des C.G.Jung Codex zu suchen und im Koptischen Museum sah, dass der Codex Jung nur einer von insgesamt dreizehn Codices war, wusste er sofort, welch einen wertvollen Schatz die Funde von Nag Hammadi darstellten. Damit konnte die Erforschung, Auswertung und Veröffentlichung der 52 Abhandlungen in 13 Handschriftensammlungen beginnen, die einige Jahre, ja Jahrzehnte andauerte.

Die Bibliothek von Nag Hammadi beinhaltet koptisch verfasste Texte aus dem 4. Jahrhundert, die Übersetzungen griechischer Schriften des 2. und 3. Jahrhunderts darstellen. Beim Koptischen handelte es sich um die in Ägypten gesprochene Sprache. Es wurde mit griechischen Buchstaben sowie einigen im Griechischen nicht enthaltenen zusätzlichen Zeichen geschrieben. Noch heute wird koptisch von der kleinen christlichen Minderheit Ägyptens gesprochen. Die Texte von Nag Hammadi sind in zwei unterschiedlichen koptischen Dialekten abgefasst. Der Inhalt der Codices gibt die Lehren und Anschauungen verschiedener gnostischer Schulen, die in Kap. 3 ausführlicher behandelt werden, wieder. Das gnostische Gedankengut ist zum Teil eng mit christlichen, zum Teil mit jüdischen Vorstellungen, verwoben.

Fast alle Verfasser dieser Werke waren jedoch Christen. Einige der nicht-christlichen Texte wurden christlich überarbeitet. Bei den Sammlern handelte es sich ausnahmslos um Christen. Man ist sich nicht sicher, ob diese Schriften Teil einer Klosterbibliothek waren, die vor einer Säuberungsaktion der Orthodoxie versteckt wurden, oder ob es sich um die Sammlung eines Privatmannes handelte. Sicher ist jedoch, dass sie zur Bewahrung und nicht zur Vernichtung in das Tongefäß gegeben wurden. Hätte man sie vernichten wollen, um gnostische Lehren zu beseitigen, wäre es leichter gewesen, sie zu verbrennen. Denn Bücherverbrennungen und das Anzünden von Bibliotheken hatten sich schon im Altertum als ein äußerst wirksames Mittel zur Auslöschung gegnerischen Gedankenguts erwiesen.

Was machte den Fund von Nag Hammadi nun so interessant? Er ließ einen ungeheuren Schatz an christlich-gnostischen und rein gnostischen Texten der ersten drei Jahrhunderte zum Vorschein kommen, die eine Richtung des Christentums repräsentierten, die sich von der sich durchsetzenden christlichen Kirche unterschied. Damit ist unter anderem gezeigt, dass die Kirche der ersten Jahrhunderte noch nicht in der Einheitlichkeit existierte, wie es oft vermutet und behauptet wurde.

Jahrhunderte lang hielt man die Schilderungen des Kirchenschriftstellers Eusebius von Cäsarea für die wahre Darstellung, was das Verhältnis von Häretikern und katholischer Kirche anbelangte. Im 32. Kapitel des 3. Buches seiner Kirchengeschichte heißt es diesbezüglich: „In seinem Berichte über die erwähnten Zeiten fügt Hegesippus jener Erzählung noch bei, daß die Kirche bis dahin eine reine, unbefleckte Jungfrau geblieben sei; denn die, welche die gesunde Lehre der Heilspredigt zu untergraben suchten, hielten sich damals, wenn es schon solche gab, wohl noch in Finsternis versteckt und verborgen. Als der heilige Chor der Apostel auf verschiedene Weise sein Ende gefunden hatte und jenes Geschlecht, welches gewürdigt worden war, mit eigenen Ohren der göttlichen Weisheit zu lauschen, abgetreten war, erhob sich zum ersten Male der gottlose Irrtum durch den Trug der Irrlehrer. Diese wagten nun, da keiner der Apostel mehr am Leben war, mit frecher Stirne der Lehre der Wahrheit eine falsche so genannte Gnosis entgegenzusetzen.“

Die gängige Ansicht von der einen, wahren, rechtgläubigen Kirche, welche die Lehre Jesu von Anfang an gegen häretische Gruppen bewahrte, ist eine nachträgliche Zurechtlegung oder -lesung historischer Tatsachen, die so erst möglich wurde, nachdem sich eine Gruppe, die man dann als Großkirche bezeichnen konnte, Ende des 2. Jahrhunderts gegen alle anderen durchgesetzt hatte. Realiter existierten im Christentum der ersten zwei Jahrhunderte verschiedenste Gruppierungen und Anschauungen bezüglich der wahren Lehre Christi, von denen eben noch keine die absolute Macht hatte, den anderen den Rang des Christseins abzusprechen. Die gnostischen Christen selbst sahen sich ja nicht als außerhalb der christlichen Tradition Stehende, zwar gab es eigene gnostische Zirkel und Gemeinden, aber ein Teil von ihnen lebte auch in den bestehenden kirchlichen Gemeinden, die nicht gnostisch ausgerichtet waren, mit. Die christlich-gnostischen Texte sind damit nicht nur eindrucksvolle Zeugnisse christlicher Literatur, sondern sie spiegeln ebenso die Breite der christlichen Tradition dieser frühen Zeit wider.

Die Ablehnung und Verdammung der Gnostiker als Häretiker durch kirchliche Autoritäten, z. B. Bischöfe, Kirchenväter u. a., hatte ihre Wurzeln sowohl in einem unterschiedlichen Verständnis dessen, wie die Nachfolge Jesu und das Leben der Christen auszusehen hätte, als auch in der häufig unterschiedlichen Ausdrucksweise der gnostischen Schriften selbst. Die gnostischen Christen sahen sich nicht außerhalb der christlichen Tradition, im Gegenteil, oftmals verstanden sie sich als die wahren Christen.

Des Weiteren liegt die Bedeutung der Nag Hammadi Handschriften vor allem darin, dass in ihnen Werke überliefert sind, von deren Existenz man bis dato gar nichts wusste oder nur durch einzelne Zitate verschiedener Kirchenväter unterrichtet war. Die durch die Kirchenväter überlieferten Bruchstücke wurden meistens aus rein apologetischem Interesse angeführt, d. h. man zitierte diese Schriften nur, um die darin enthaltenen Lehren anzuprangern oder lächerlich zu machen. Manchmal wurde dabei deren Sinn nicht erkannt und bewusst oder unbewusst verstellt, so dass das aus diesen Schriften rekonstruierte Bild der christlichen Gnosis oft nur ein Zerrbild darstellte.

Worin liegt nun der Unterschied der christlich-gnostischen Schriften zu denen, die uns im Neuen Testament entgegentreten? Die wesentliche Differenz besteht in der jeweiligen Beantwortung der Frage, wie das Heil des Menschen erlangt werden kann. Für die christlichen Gnostiker war nicht der Glaube das ausschlaggebende Instrument, sondern das Wissen. Zu diesem Wissen gehörte in erster Linie die Erkenntnis, was der Mensch in sich und an sich sei. Gefordert war Selbsterkenntnis. Die Aufgabe Christi in seinem irdischen Wirken bestand darin, diese Erkenntnis zu vermitteln und den Menschen zu ihr zu führen. Die Vorstellung der Rechtfertigung und Heilserlangung des Menschen durch den Glauben an Tod und Auferstehung Jesu teilte die Gnosis also nicht. Nicht durch Jesus, sondern durch wahre Selbsterkenntnis, die Jesus vermittelt, konnte das Heil erlangt werden. Durch Unwissenheit entfernte sich die menschliche Seele von ihrem Ursprung, Gott, und verstrickte sich immer mehr im Materiellen bis sie letztendlich in dieser Welt in einem körperlichen Leib geboren wurde. Diese irdische Welt ist wie alles Materielle nicht wahrhaft an sich seiend, sie ist nur Trug und Illusion, die es zu überwinden gilt, um wieder in die lichthafte Welt des Göttlichen aufzusteigen. Die Gnosis rang um eine sinnvolle Erklärung von Leid und menschlichem Leben mit all seinen Schwierigkeiten. Das Geworfensein in eine Welt von Schmerz und Unrecht wurde ihr zum Problem, das nicht durch die Antworten der sich langsam etablierenden Kirche zu befriedigen war.

Dass die Antworten der Gnosis eine nicht zu leugnende Nähe zu den östlichen Religionen aufweisen, wurde schon von verschiedenen Seiten gezeigt. Insbesondere die Betonung der Selbsterkenntnis, und damit einhergehend der Aspekt der Selbsterlösung, lassen die Parallelen deutlich werden. Unklar ist, ob es direkte Einflüsse des Ostens auf die Gnosis gab, denn historisch lassen sich diese nirgendwo bezeugen. Man muss aber festhalten, dass der Austausch zwischen dem Vorderen Orient, Kleinasien und Griechenland auf der einen Seite und Asien auf der anderen Seite auch ohne moderne Kommunikations- und Reisemittel weit ausgeprägter war, als wir uns dies heute vorstellen können. Dennoch scheint es, dass die Ähnlichkeit der Antworten, die die Gnosis und die östlichen Weisheitslehren auf die Fragen nach dem Sinn des menschlichen Daseins gaben und geben, eher in der Universalität des menschlichen Geistes begründet sind als in einer historischen Abhängigkeit.

2. DIE KANONISCHEN EVANGELIEN

BEGRIFFSERLÄUTERUNG

Bei dem griechischen Wort „Kanon“ handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Semitischen. Die ursprüngliche Bedeutung war „Rohr“. Man muss sich wohl ein Schilfrohr oder einen Getreidehalm vorstellen. Im weiteren Sinne bedeutete es „Maßrohr“, „Maßstab“. Gebräuchlich waren im Griechischen die Bedeutungen von „Norm“, „Regel“, „Vorschrift“, aber auch „Liste“ und „Verzeichnis“. Im 4. Makkabäerbuch heißt es in Kapitel 7,21: „Sollte nicht der, der nach dem ganzen Kanon der Philosophie philosophiert, Gewalt über die Triebe erlangen?“ Der Kanon der Philosophie war die Regel, die verbindliche Gültigkeit hatte. Sie galt fast schon wie ein Gesetz. Es handelte sich also nicht mehr um das Maß für räumliches Messen, sondern vor allem um das Maß als Norm des Ethischen. Die Kirche behielt diese Bedeutung bei. Unter Kanon verstand man die verbindliche Glaubensnorm für alle. Man sprach z. B. vom Kanon des Glaubens, dem Kanon der Wahrheit. Daneben wurden aber auch Tabellen etc. als Kanon bzw. Kanones bezeichnet. Ab Mitte des 4. Jahrhunderts hatte der Begriff Kanon in der Kirche jedoch noch eine weitere Bedeutung, die nun für unser Verständnis von Kanon und kanonisch prägend wurde und ist. Unter Kanon verstand man jetzt die Schriften des Alten und Neuen Testaments. Die Bibel war Kanon. Die Geschichte der Kanonisierung der Schriften des Neuen Testaments wird noch in Kap. 3 dargestellt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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