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Der Weg der Achtsamkeit hergeleitet aus dem buddhistischen Quelltext Eines der effektivsten Mittel gegen Angst, Stress und eine Vielzahl körperlicher und psychischer Beschwerden ist bereits über 2500 Jahre alt: die Achtsamkeit. Die Ursprünge dieser Methode, deren Wirksamkeit auch wissenschaftlich nachgewiesen ist, stammen aus dem Satipatthana- Sutta. Laut diesem gilt es, vier grundlegende Bereiche in meditativer Achtsamkeit zu betrachten: Körper, Gefühle, Geist und Geistesobjekte. Bhante Henepola Gunaratana beschreibt, wie wir diesen klassischen Text im Alltag umsetzen können und unseren spirituellen Zielen näher kommen. Dabei findet er klare, leicht zugängliche Worte, ohne den Lehren ihre Tiefe zu nehmen
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Seitenzahl: 244
Veröffentlichungsjahr: 2023
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BHANTE HENEPOLAGUNARATANA
Philosophie & Praxisfür das tägliche Leben
Aus dem Englischenvon Jochen Lehner
Die amerikanische Originalausgabe ist 2012 unter dem Titel The Four Foundations of Mindfulness in Plain English bei Wisdom Publications, Somerville, MA, USA erschienen.
Sämtliche im Buch aufgeführten Zitate aus dem Dhammapada und den Suttas wurden nach dem amerikanischen Original übersetzt.
1. eBook-Ausgabe 2023
© 2012 by Bhante Henepola Gunaratana
© der deutschsprachigen Ausgabe:
2014 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München
Umschlaggestaltung: Sabine Krohberger, Editorial Design, München
Covermotiv und S. 25, S. 97, S. 125, S. 149: © Plainpicture/Onimage
Satz: Human Touch, Klein Jasedow
Konvertierung: Bookwire
ePub-ISBN: 978-3-95803-484-6
Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.
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Vorwort
Einleitung
Das Sutta über die vier Grundlagen der Achtsamkeit
Teil 1
Achtsamkeit auf den Körper
1. Der Atem
2. Die vier Haltungen des Körpers
3. Klares Begreifen
4. Bestandteile und Elemente des Körpers
5. Tod und Vergänglichkeit
Teil 2
Achtsamkeit auf die Gefühle
6. Empfindungen und Gefühle
7. Schädliche und nützliche Gefühle
Teil 3
Achtsamkeit auf den Geist
8. Geist und Bewusstsein
9. Die Geistesverfassung
Teil 4
Achtsamkeit auf den Dhamma
10. Hindernisse
11. Das Anhaften und die Fesseln
12. Die sieben Faktoren der Erleuchtung
13. Die vier Wahrheiten und acht Schritte
Glossar
Bücher von Bhante Henepola Gunaratana
Über den Autor
ES GIBT EINE ganze Reihe von Büchern zu den vier Grundlagen der Achtsamkeit, darunter Übersetzungen der auf Pali niedergeschriebenen, ursprünglichen Lehrrede des Buddha, Kommentare und Subkommentare, die das Sutta in allen Einzelheiten erläutern, sowie gelehrte Abhandlungen, die eine große Fülle von Erkenntnissen und Material bieten. Wenn Sie Ihre theoretischen Kenntnisse über Meditation vertiefen möchten, kann ich Ihnen diese Bücher nur wärmstens empfehlen.
Wenn ich Anleitungen zur Meditation gebe, lege ich sie möglichst immer so an, dass der Zuhörer sie leicht aufnehmen und auch für sich allein in die Praxis umsetzen kann, wenn gerade kein Lehrer in seiner Nähe ist. Wie in allen meinen Büchern geht es mir auch in diesem um die tatsächliche Praxis hier und jetzt in unserem täglichen Leben. Deshalb versuche ich mich wie immer in einfachen und verständlichen Worten mitzuteilen.
Meditation wird heute immer beliebter, und das hat gute Gründe. Leider stehen nicht genug Lehrer für die wachsende Zahl der Suchenden zur Verfügung. Manche, die noch keinen Lehrer gefunden haben, lesen Bücher über Meditation, andere nehmen an Meditations-Retreats teil oder hören sich Vorträge über Meditation an. Einige von ihnen schreiben mir nach der Lektüre von Büchern, nach Vorträgen und nach spirituellen Auszeiten und bitten mich darum, den ein oder anderen Punkt zu klären. Das brachte mich auf den Gedanken, zur Beantwortung wenigstens einiger dieser Fragen das vorliegende Buch zu schreiben. Ein Einzelner kann natürlich kein Buch schreiben, auch keine Reihe von Büchern, in denen sämtliche Fragen, die je von Menschen gestellt wurden, hinreichend beantwortet werden. Zudem verhält es sich ja so, dass diejenigen, die einmal in die Achtsamkeitspraxis eingetaucht sind, in ihrer Begeisterung auf immer weitere Fragen stoßen. Und so stellt dieses Buch einfach meinen bescheidenen Versuch dar, einige der vielen Fragen zur Meditation zu beantworten.
Mein aufrichtiger Dank gilt Ajahn Sona, einem unserer Schüler in der Bhavana Society, der viel dazu beitrug, dieses Buch auf den Weg zu bringen. Josh Bartok und Laura Cunningham vom Verlag Wisdom Publications verdanke ich wertvolle Anregungen und umsichtige Regie bei der Fertigstellung dieses Buches. Großen Dank schließlich an Brenda Rosen, die unendlich viel Zeit und Mühe in die Entwicklung des Manuskripts gesteckt hat.
Bhante Henepola Gunaratana
Bhavana Society
High View, West Virginia
BEI DEM TEXT, den wir heute als »Die vier Grundlagen der Achtsamkeit« kennen, handelt es sich um eine Lehrrede, vielleicht auch eine Sammlung von Lehrreden, die der historische Buddha Shakyamuni gehalten haben soll. Bei diesem inzwischen auch im Westen wohlbekannten, umfassenden Zyklus von Meditationsanleitungen dürfte es sich um die vorherrschende Meditationsform in der Welt des heutigen Theravada-Buddhismus handeln.
Um Achtsamkeit ist es auch in meinen früheren Büchern gegangen. Mit Die Praxis der Achtsamkeit habe ich eine Schritt für Schritt vorgehende Anleitung für die Achtsamkeitsmeditation vorgelegt. Wenn Sie in die Praxis der Achtsamkeitsmeditation einsteigen möchten, stellt dieses Buch einen guten Ausgangspunkt für Sie dar. In Acht Schritte zum Glück zeige ich, wie man mit Achtsamkeit den Acht-Schritte-Pfad des Buddha zum Glück gehen kann. Man könnte sagen, dass die vier Grundlagen der Achtsamkeit zusammen den siebten Schritt dieses Weges bilden. Eigentlich behandeln die vier Grundlagen sogar die letzten drei Schritte dieses Weges – Bemühen oder Anstrengung, Achtsamkeit und Konzentration oder »Meditation«, wie man im Westen sagt. In Von der Achtsamkeit zur Sammlung erläutere ich die Prinzipien und Techniken der tiefen Konzentrationsmeditation. Konzentrationsmeditation oder Samatha und Achtsamkeitsmeditation oder Vipassana ergänzen einander, da die vier Grundlagen der Achtsamkeit auch die Grundlagen der Konzentration sind.
In diesem Buch möchte ich nun direkt über die vier Grundlagen als Prinzipien der Achtsamkeitspraxis sprechen und Ihnen in einfacher, schnörkelloser Sprache vermitteln, was der Buddha in seinen Lehrreden oder Suttas über Achtsamkeit gesagt hat und wie wir seine Worte in unserem Alltag so umsetzen können, dass unsere Achtsamkeit zunimmt und wir unseren spirituellen Zielen näher kommen.
Achtsamkeit bedeutet im Grunde etwas ganz Einfaches. Im Körper geschieht Vieles, ohne dass wir es auch nur bemerken. Wenn Krankheitskeime eindringen, werden sie von den weißen Blutkörperchen attackiert, ohne dass wir es wahrnehmen. Wir können aber trainieren, alles wahrzunehmen, was wir bewusst tun, also gehen, stehen, reden, essen, trinken, schreiben, lesen, spielen und was es sonst noch an körperlichen Aktivitäten gibt. Wir können außerdem Augenblick für Augenblick unserer Gefühle, Empfindungen und Gedanken, also der geistigen Regungen, gewahr sein. Kurz, Achtsamkeit trainiert uns darauf, alles, was wir tun, vollständig bewusst zu tun.
Vielleicht fragen Sie jetzt, wozu diese bewusste Wahrnehmung gut ist. Nun, wer sich mit Achtsamkeitspraxis beschäftigt, erkennt schnell, dass wir umso genauer wissen, weshalb wir tun, was wir tun, je bewusster wir unsere Aktionen wahrnehmen und je besser wir die Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen verfolgen, die zu ihnen führen. Bewusstheit erlaubt uns zu unterscheiden, ob unsere Aktionen guten oder schädlichen Impulsen entspringen. Segensreiche Triebkräfte sind beispielsweise Großzügigkeit, Freundlichkeit, Mitgefühl und Weisheit; hinter schädlichen Handlungen dagegen stehen meist Gier, Hass und Verblendung. Wenn wir die tiefen Wurzeln im Blick behalten, aus denen unsere Gedanken, Worte und Taten sprießen, können wir die segensreichen »gießen« und die schädlichen »jäten«.
Der Buddha betonte, dass all seine Lehren vor allem auf die »Beendigung der Leiden« abzielen. In der Achtsamkeit erkennen wir, dass förderliches Handeln unserem täglichen Leben Frieden und Glück beschert. Darüber hinaus verhilft es uns zu Fortschritten auf dem Weg des Buddha, dem Weg zum Nibbana, der vollkommenen Befreiung von allen Leiden. In gleicher Weise lehrt uns die Achtsamkeit, dass von Gier, Hass und Verblendung geleitetes Handeln uns elend macht und zu einem Leben unter ständiger Anspannung zwingt. Es hält uns im Samsara gefangen, dem zyklischen Dasein, in dem ein leidvolles Leben dem anderen folgt.
Wenn wir Achtsamkeit üben, fragen wir uns, bevor wir etwas sagen: »Entsprechen diese Worte der Wahrheit, sind sie für mich und andere wirklich nutzbringend? Dienen sie dem Frieden, oder beschwören sie nur Probleme herauf?« Schon beim Denken fragen wir uns: »Macht mich dieser Gedanke ruhig und froh, oder plagt und ängstigt er mich nur?« Und bevor wir handeln, fragen wir: »Wird dieses Handeln Leiden für mich und andere nach sich ziehen?« Achtsamkeit stellt uns also immer vor die Wahl: »Möchte ich Freude und Zufriedenheit oder Leid und Sorgen?«
Durch Achtsamkeit lernen wir auch, die Veränderungen im Auge zu behalten, die sich in uns und in der Welt rings um uns herum ständig abspielen. Das vergessen wir leicht, weil uns die vielen Dinge, die ständig überall und gleichzeitig geschehen, allzu sehr ablenken. Wir lassen uns vom Oberflächlichen mitreißen und sehen den Strom des Ganzen nicht mehr. Der Geist will immer wissen, wie es weitergeht und danach wieder weitergeht und was dann kommt, und wir ereifern uns derart über die »Show«, die uns geboten wird, dass wir sie für bare Münze nehmen.
Der Buddha lehrte, dass alles Vergängliche leidvoll ist. Dass es sich so verhält, merken wir, sobald wir ein wenig genauer hinsehen. Irgendwann ist der Geist es müde, von einem vergänglichen Ding zum nächsten zu wandern. Es erscheint ihm müßig, er verliert das Interesse. Dann kommt er zur Ruhe und findet Freude. Das Pali-Wort für das »Erinnern« ist sati, aber es lässt sich auch mit »Achtsamkeit« übersetzen. Das Erinnern besteht darin, dass man ganz direkt auf alles achtet, was sich Augenblick für Augenblick abspielt.
Im wohltuenden Zustand der Achtsamkeit lassen wir die Dinge sein, wie sie gegenwärtig eben sind, ohne uns mit dem zu befassen, was früher geschah oder vielleicht später geschehen wird. Normalerweise geben wir gern der Welt die Schuld an unseren Leiden und Schmerzen, wir wissen es einfach nicht besser. Aber mit Sati, dem achtsamen Erinnern, wird uns klar, dass wir Frieden und Freiheit von Leiden nur dort finden können, wo wir mit unserem Körper und Geist in diesem Augenblick sind.
»Erinnerungsvermögen« ist für unseren Körper eine ganz natürliche Sache. Unser Herz beispielsweise pumpt Blut, ohne dass wir es ständig daran erinnern müssten. Auch unserem Geist können wir beibringen, auf ähnliche Art zu funktionieren. Die Ausbildung unserer Achtsamkeit ähnelt dem ständigen Einatmen von Sauerstoff zur Aufrechterhaltung aller Lebensprozesse. Bei allem, was in unserem Geist vor sich geht, kann die Achtsamkeit vermerken, ob es für Geist und Körper schädlich ist oder nicht. Es liegt ganz bei uns: Erdulden wir unsere Schmerzen einfach, oder erforschen wir sie, um zu verstehen, woher sie kommen? Solange wir die Ursachen unbeachtet lassen, werden wir wohl weiterhin leiden. Um ein bewusstes Leben müssen wir uns bemühen, aber wenn wir dem Weg des Buddha folgen, kann jeder dies mit ein wenig Übung verwirklichen.
Die Achtsamkeitspraxis ist tief in der buddhistischen Tradition verwurzelt. Vor über 2600 Jahren trug der Buddha seinen ältesten Bhikkhus oder Mönchen auf, seine Lehren an die Nachwelt zu übermitteln und ihre Schüler in den vier Grundlagen der Achtsamkeit zu unterweisen.
»Welche vier sind das?«, wurde er gefragt.
Die Erklärung lautete: »Kommt, Freunde, weilt mit konzentriertem, punktförmig ausgerichtetem, geeintem, inbrünstigem und klar begreifendem Geist in der Betrachtung des Körpers im Körper, um den Körper zu erkennen, wie er wirklich ist. Weilt […] in der Betrachtung des Fühlens in den Gefühlen, um das Fühlen zu erkennen, wie es wirklich ist. Weilt […] in der Betrachtung des Geistigen im Geist, um den Geist zu erkennen, wie er wirklich ist. Weilt […] in der Betrachtung des Dhamma in den Dhammas, um die Dhammas zu erkennen, wie sie wirklich sind.«
Die Betrachtung der vier Grundlagen oder, wie wir vielleicht sagen würden, die Meditation über die vier Grundlagen Körper, Gefühle, Geist und Dhammas (oder Phänomene, Gesetzmäßigkeiten) wird allen Menschen auf dem spirituellen Pfad empfohlen, seien sie Anfänger oder Fortgeschrittene. Wie der Buddha selbst sagte, sollen Schüler, die gerade erst den buddhistischen Weg eingeschlagen haben, ebenso wie Mönche und Nonnen und sogar Arahants, die das Ziel der Befreiung von Leiden bereits erreicht haben, »in der Übung dieser vier Grundlagen der Achtsamkeit unterwiesen werden, bis sie darin sicher sind und sie weiter vertiefen können«.
In diesem Sutta spricht der Buddha vor allem die Gemeinschaft der Bhikkhus, also der Mönche und Nonnen an, die ihr Leben der spirituellen Praxis geweiht haben. Dabei entsteht vielleicht die Frage, ob Menschen mit Familie und Arbeit in dieser umtriebigen westlichen Welt überhaupt etwas von einer Achtsamkeitspraxis haben. Tatsächlich bestand die Zuhörerschaft des Buddha jedoch nicht ausschließlich aus Mönchen und Nonnen, sondern er sprach öffentlich, vielleicht in einem Dorf mit seinen Bauern, Handwerkern, Ladenbesitzern und anderen ganz gewöhnlichen Menschen. Da Achtsamkeit allen Menschen helfen kann, ihre Leiden zu lindern, dürfen wir annehmen, dass mit »Bhikkhu« eigentlich jeder gemeint ist, der sich ernsthaft für Meditation interessiert. Und in diesem Sinne sind wir alle Bhikkhus.
Werfen wir, um einen ersten Eindruck zu bekommen, einen kurzen Blick auf jede der vier Grundlagen der Achtsamkeit.
Der Buddha fordert uns auf, »den Körper im Körper« zu betrachten, also Körper-Achtsamkeit zu üben. Mit »Körper im Körper« deutet er an, dass dieser nichts Einheitliches, sondern ein Gefüge aus ganz verschiedenen Teilen ist. Nägel, Zähne, Haut, Knochen, Herz, Lunge und alle anderen Teile sind eigentlich selbst auch Körper, und sie bilden zusammen das größere Ganze, das wir dann den »Körper« nennen. In der buddhistischen Überlieferung gilt der Körper als aus 32 Bestandteilen gefügt, und wir üben uns darin, sie alle in unsere Achtsamkeit einzubeziehen. Unsere Achtsamkeit auf das gesamte Körpergeschehen zu richten ist ungefähr so, als versuchten wir ein Dutzend Orangen gleichzeitig in die Hände zu nehmen. Dieser Versuch läuft mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hinaus, dass wir am Ende gar nichts halten.
Und wenn wir uns klarmachen, dass der Körper aus vielen Teilen besteht, tun wir uns leichter, »den Körper als Körper« zu sehen – nicht als meinen Körper oder als ich, sondern als eine physische Form unter anderen. Wie alles Geformte tritt der Körper ins Sein, verweilt eine Zeit lang und vergeht dann wieder. Da er Verletzungen erleidet, krank wird und schließlich stirbt, kommt er als dauerhafte Quelle des Glücks nicht infrage. Und da der Körper nicht ein Ich ist, muss man ihn außerdem »ichlos« nennen. Wenn uns also die Achtsamkeit offenbart, dass der Körper vergänglich, unbefriedigend und ichlos ist, erkennen wir den »Körper, wie er wirklich ist«, um die Worte des Buddha zu verwenden.
Weiterhin fordert uns der Buddha zur Gefühls-Achtsamkeit auf, und dazu sollen wir »das Fühlen in den Gefühlen« betrachten. Wie im Körper, so lassen sich auch im Fühlen ganz unterschiedliche Anteile ausmachen. Traditionell werden drei Typen von Gefühlen unterschieden: angenehme, unangenehme und neutrale Gefühle. Jeder Typ ist ein »Gefühl« in dem Bewusstseinsraum, den wir »Fühlen« nennen. Wir können immer nur eine Art von Gefühl haben: Während wir zum Beispiel ein angenehmes Gefühl empfinden, haben wir nicht gleichzeitig auch noch ein unangenehmes oder neutrales Gefühl.
Diese Betrachtung unserer Gefühle soll uns zu einem geradlinigen, nicht durch Urteile getrübten Bewusstsein unserer Erfahrung verhelfen. Dann verstehen wir ein bestimmtes Gefühl als ein Gefühl unter anderen und nicht als mein Gefühl oder gar das, was ich bin. Wir sehen Gefühle und Empfindungen entstehen, eine Weile anhalten und wieder verschwinden; wir erkennen, dass Gefühle vergänglich sind. Und da angenehme Gefühle nicht anhalten und unangenehme eben unangenehm oder schmerzhaft sind, wird uns bewusst, dass Gefühle unbefriedigend sind. Zuletzt erkennen wir Gefühle als Regungen oder Empfindungen, die eigentlich nicht meine sind, und daran erkennen wir wiederum, dass Gefühle ichlos sind. Zusammen ergeben diese Einsichten, dass wir »Gefühle erkennen, wie sie wirklich sind«.
Ähnliches gilt auch für die Geist-Achtsamkeit. Wir reden zwar über den Geist, als wäre er eine einheitliche Sache, aber eigentlich ist Geist oder Bewusstsein eine Abfolge von Bewusstseinsmomenten, von »Geist im Geist«. Die Achtsamkeitspraxis lässt uns erkennen, dass Bewusstsein Moment für Moment aus den von den Sinnen gelieferten Eindrücken und aus inneren geistigen Vorgängen wie Erinnerungen, Vorstellungen und Tagträumen hervorgeht. Wenn wir den Geist betrachten, haben wir keineswegs reines Bewusstsein vor uns. Geist als solchen nehmen wir nicht wahr, nur geistige Zustände, die sich in Abhängigkeit von äußeren oder inneren Umständen bilden. Wir verfolgen, wie Gedanken aufsteigen, verweilen und wieder vergehen, und so lernen wir die Automatik unbefriedigender Gedanken zu unterbrechen, die sich in endloser Folge aneinanderreihen. Wir gewinnen ein wenig Distanz und begreifen, dass wir nicht unsere Gedanken sind. So erkennen wir schließlich den »Geist, wie er wirklich ist«.
Wenn der Buddha uns zur Achtsamkeit auf den Dhamma auffordert, sind damit nicht einfach seine Lehren gemeint, wenngleich das eine der Bedeutungen des Wortes »Dhamma« ist. Der Buddha weist außerdem darauf hin, dass der von uns betrachtete Dhamma in uns ist. Die Geschichte ist voller Wahrheitssucher, und der Buddha war einer von ihnen. Fast alle Wahrheitssucher haben die Wahrheit außen gesucht, und so verhielt es sich auch beim Buddha, bevor er Erleuchtung fand. Er forschte nach seinem Ursprung, nach dem Grund seines Daseins, den er den »Erbauer dieses Hauses« nannte. Aber er fand nichts. Er fand nur, dass er geboren war, dass er Wachstum, Kummer, Krankheit, Alter, Verfall und Tod unterworfen war. Wenn er sich umsah, erkannte er, dass es allen anderen Menschen ebenso ging. Dadurch wurde ihm klar, dass kein Einziger in der Lage war, sich von seinen Leiden zu befreien. Da wandte er den forschenden Blick nach innen, und dort fand er schließlich die Antwort. Daraufhin sagte er:
Viele Leben bin ich im Samsara gewandert,
immer auf der Suche nach dem Erbauer dieses Hauses, und ich fand ihn nicht.
Bitter ist es, wieder und wieder geboren zu werden.
Jetzt, Hausbauer, habe ich dich erkannt.
Du wirst das Haus nicht noch einmal erbauen.
Die Sparren sind geborsten,
der Firstbalken ist zerschmettert.
Der Geist hat das Nicht-Bedingte erlangt.
Die große Entdeckung des Buddha besteht darin, dass die Wahrheit in uns ist. Seine gesamte Lehre, der Dhamma, beruht auf dieser Erkenntnis. Wenn wir den Blick nach innen richten, erkennen wir die Bedeutung der »vier edlen Wahrheiten«, der grundlegenden ersten Unterweisung des Buddha. Wo erleben wir Leid? In uns. Wo finden wir die Ursache unserer Leiden, das Begehren? Ebenfalls in uns. Wie können wir das Ende unserer Leiden erreichen, das Aufhören unserer Leiden? Wir finden den Weg in uns selbst. Und wie kommen wir zu rechtem Verständnis, rechtem Denken, rechter Rede, rechtem Handeln, rechtem Lebenserwerb, rechtem Bemühen, rechter Achtsamkeit und rechter Konzentration, also zum edlen achtfachen Pfad des Buddha als der Methode, mit der wir unsere Leiden beenden können? All das bilden wir in unserem Körper und Geist heran. Die Wurzeln des Leidens sind in uns. Und die Methode zur Beendigung des Leidens ist ebenfalls in uns.
Wenn wir Achtsamkeit üben, folgen wir dem Beispiel des Buddha und blicken nach innen. Dabei wird uns bewusst, dass unsere Gier, unser Hass und unsere Verblendung die Ursachen unseres Unglücks sind. Diese Gifte müssen wir durch Großzügigkeit, Herzensgüte, Mitgefühl, Mitfreude, Geduld, Einfühlungsvermögen, Milde und Weisheit ersetzen, dann finden wir das Glück und den inneren Frieden, die wir gesucht haben. Deshalb rufe ich meinen Schülern immer wieder in Erinnerung: »Mit der Meditation auf dem Kissen macht ihr eure Hausaufgaben. Euer übriges Leben ist das Praktikum. Für die Achtsamkeitspraxis braucht ihr beides.«
Dhammas kann aber auch einfach die »Phänomene« oder Gesetzmäßigkeiten bezeichnen. Wenn wir, der Anweisung des Buddha folgend, in der Betrachtung »des Dhamma in den Dhammas« weilen, stellen wir fest, dass alle Phänomene, denen wir begegnen – seien es Gegenstände, Gefühle, Wahrnehmungen, sonstige geistige Vorgänge oder das Bewusstsein –, ins Sein treten, verweilen und dann vergehen. Das bedeutet aber, dass die sogenannten Fesseln – jene tief eingefleischten Gewohnheiten des unerleuchteten Geistes, die uns an eine unbefriedigende Inkarnation nach der anderen binden – ebenfalls vergänglich sind. Bei entsprechendem Einsatz können wir diese Fesseln, wie Gier, Hass und den Glauben an die Existenz eines permanenten Ichs, einer Seele, erkennen und dann abstreifen. Im Grunde verläuft der Pfad des Dhamma sehr geradlinig. Unserem Verständnis der Lehren des Buddha folgend, legen wir unsere schädlichen Gewohnheiten eine nach der anderen ab und bilden neue Gewohnheiten aus, die uns wirklich nützen. Irgendwann fallen dann die letzten Fesseln ab, und wir sind von allen Leiden befreit.
Wie können wir nun in die Achtsamkeitsmeditation einsteigen? Ich empfehle immer die Meditation der Sammlung auf den Atem als besten Einstieg in die Achtsamkeitsschulung. In Die Praxis der Achtsamkeit habe ich die Grundlagen der Atemmeditation und andere Grundelemente der Achtsamkeitspraxis dargestellt. Anleitungen zur Meditation im Sitzen und im Gehen finden Sie im vorliegenden Buch in den Kapiteln über die Körper-Achtsamkeit. In dem an diese Einleitung anschließenden Abschnitt gebe ich Anregungen für die Einbindung des Suttas über die vier Grundlagen der Achtsamkeit in Ihre tägliche Praxis.
Meditation spricht viele Menschen an, weil sie so entspannend wirkt, Stress abbaut, Schmerzen lindert und überhaupt für Körper und Geist gut ist, aber im Zusammenhang mit den vier Grundlagen haben wir noch andere Ziele im Sinn. Wenn wir regelmäßig und engagiert üben, können wir uns auf fünf wichtige spirituelle Wirkungen freuen:
Durch Meditation wird uns voll bewusst, was hier und jetzt gerade in Körper und Geist vor sich geht. Allzu oft schlafwandeln wir eher durch unseren Tag und hängen Erinnerungen nach oder spinnen Tagträume über die Zukunft. Achtsamkeit zerteilt diese Nebel und erneuert unsere Ausrichtung auf den gegenwärtigen Augenblick.
In dieser neuen Ausrichtung können wir klarer beurteilen, ob das, was wir sagen und tun, geeignet und zweckdienlich ist. In der Folge treffen wir klügere und zuträglichere Entscheidungen.
Meditation erzieht uns dazu, unseren Körper, unsere Gefühle, unsere Wahrnehmungen, unsere Gedanken und unser Bewusstsein genau so zu erleben, wie sie Augenblick für Augenblick tatsächlich sind. Wenn wir unser Leben positiv verändern möchten, ist es wichtig, dass wir uns erst einmal ganz klar sehen.
Umso mehr wir in die Praxis eintauchen, desto mehr nehmen wir die Welt ringsum so wahr, wie sie tatsächlich ist, unentstellt. Wir erkennen, dass alles mit allem zusammenhängt und dass alles sich ständig ändert, wir auch. Und eben weil alles in Veränderung begriffen ist, kann uns nichts dauerhaft befriedigen, kein Mensch, kein Ort, keine Dinge, keine Umstände.
So kommen wir schließlich dazu, uns ganz der kontemplativen Betrachtung oder Meditation zu widmen, einfach weil wir erkennen, dass dauerhaftes Glück und anhaltender Frieden nur zu finden sind, wenn wir dem Vorbild des Buddha folgen.
Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Einsichtsmeditation trainiert den Geist, vierundzwanzig Stunden am Tag bewusst zu sein. In dieser neuen Klarheit nehmen wir äußere Dinge zunehmend als weniger fest wahr – weniger fest, als unsere Sinne uns suggerieren. Schließlich wird uns bewusst, dass sie nur so real sind wie eine Fata Morgana in der Wüste. So erkennen wir auch, dass unsere Gedanken und Gefühle einfach ein ständiges Fließen sind, so »beständig« wie Seifenblasen. Bewusstheit befreit uns von dem Verlangen, uns an Dinge und Menschen zu klammern und zu meinen, sie gehörten uns. Wir sehen dann auch den eigenen Körper und Geist nicht länger als etwas Feststehendes und Unveränderliches, im Sinne von: »Das bin ich«, oder: »Das ist mein Ich.«
Die Lehre der vier Grundlagen der Achtsamkeit ist überaus wirkungsvoll. Der Buddha selbst sagte, wer seine Anweisungen genau befolge, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen, könne in diesem Leben, ja sogar innerhalb einer Woche Erleuchtung finden, die endgültige Befreiung von allen Leiden.
Das ist sicherlich ein erstaunliches Versprechen, aber keineswegs abwegig. Stellen Sie sich vor, wie klar Ihr Geist wäre, wenn Sie nur einen einzigen Tag lang vom Morgen bis zum Abend ununterbrochen achtsam wären. Und dann stellen Sie sich vor, wie klar Sie nach zwei Tagen, nach drei, nach vier Tagen wären. Wenn wir ununterbrochen achtsam bleiben, fallen uns die sinnvollsten Entscheidungen nur so zu. Der Geist wird klar und lichtvoll. Jeder Tag, an dem wir Achtsamkeit üben, bringt uns der Freiheit ein Stückchen näher.
BEVOR WIR DIE vier Grundlagen im Einzelnen betrachten, wollen wir uns einen Überblick über das verschaffen, was uns erwartet. Die Lehre von den vier Grundlagen ist, wie ich bereits erwähnt habe, in einer Lehrrede des Buddha enthalten, die wir unter dem Titel Satipatthana-Sutta kennen. Dieses Sutta werde ich Ihnen im Folgenden in zusammenfassender Übersetzung vorstellen. Um den Text für Sie nachvollziehbar zu gliedern, habe ich Zwischenüberschriften eingefügt, die der ursprüngliche Text nicht aufweist.
Während der Lektüre dieses Buches dürfte es für Sie sinnvoll sein, immer wieder einen Blick auf den Text des Suttas zu werfen, um sich zu vergewissern, was schon behandelt worden ist und was noch aussteht. Versuchen Sie, das Sutta bei diesen Gelegenheiten laut zu lesen. Es ist sehr hilfreich für Ihre Praxis, die Worte des Buddha so zu hören, als seien sie speziell an Sie gerichtet – was sie natürlich auch sind!
Ein Rat noch: Lesen Sie dieses Buch nicht wie einen erzählenden Text, und studieren Sie es nicht wie ein wissenschaftliches Lehrbuch. Nehmen Sie die Lehren des Buddha eher wie große Musik auf, und vor allem: Üben Sie! Ihr Verständnis wird sich mit zunehmender Erfahrung vertiefen, und dann wird der Dhamma etwas Lebendiges für Sie werden. Die Achtsamkeitspraxis verlangt erst einmal viel Einsatz, aber irgendwann wird sie Ihnen zur zweiten Natur.
Falls Sie bereits meditieren oder dieses Buch in Ihnen den Wunsch weckt, damit zu beginnen, können Sie das Lesen des Satipatthana-Sutta zum Bestandteil Ihrer Meditationssitzung machen.
Ich empfehle immer, dass man seine Meditation mit Gedanken der Herzensgüte für Eltern, Lehrer, Verwandte, Freunde, Feinde und letztlich für alle Lebewesen einleitet. Dieser Beginn einer Meditation unterstützt Ihre Konzentration und verhindert, dass währenddessen Groll in Ihnen hochkommt.
Bevor Sie dann Ihre Aufmerksamkeit dem Atem beziehungsweise Ihrem jeweiligen Meditationsobjekt zuwenden, können Sie, falls Sie es als förderlich empfinden, die folgende Kurzfassung des Sutta-Texts vorlesen, rezitieren oder auch singen. Sprechen Sie die Worte langsam, damit Sie Zeit haben, sich innerlich zu vergegenwärtigen, was Sie bereits gelernt und verstanden haben. Sollten Sie dabei auf Stellen stoßen, die Sie nicht verstehen, nehmen Sie sich vor, die entsprechenden Seiten im Buch noch einmal zu lesen oder jemanden zu fragen, der auf diesem Weg schon weiter fortgeschritten ist. Wenn Sie das Sutta jeden Tag lesen und sich innerlich vergegenwärtigen, wird Ihnen der gesamte Ablauf der Achtsamkeitspraxis irgendwann ganz selbstverständlich präsent sein.
Ihr Bhikkhus, dies ist der direkte Pfad der Läuterung für alle Lebewesen,
der Pfad der Überwindung von Kummer und Klagen,
der Pfad des Verschwindens von Schmerz und Gram,
der Pfad zum Erlangen des wahren Weges
zur Verwirklichung des Nibbana – ich meine die vier Grundlagen
der Achtsamkeit.
1. Körper-Achtsamkeit
Achtsamkeit auf den Atem.
Achtsamkeit auf die vier Haltungen: Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen.
Achtsamkeit mit klarem Begreifen des Förderlichen, des Angemessenen, der Domäne des Meditierenden, der Nicht-Verblendung.
Betrachtung der zweiunddreißig Bestandteile des Körpers.
Analyse der vier Elemente.
Die neun Leichenplatz-Betrachtungen.
2. Gefühls-Achtsamkeit
Angenehme, schmerzhafte und weder angenehme noch schmerzhafte Gefühle weltlicher und spiritueller Art.
Wahrnehmung ihres Entstehens, ihres Verweilens und ihres Verschwindens.
3. Geist-Achtsamkeit
Den Geist erkennen als:
gierig oder nicht gierig,
hasserfüllt oder nicht hasserfüllt,
verblendet oder nicht verblendet,
auf sich gelenkt oder abgelenkt,
nicht entwickelt oder entwickelt,
nicht erhaben oder erhaben,
nicht konzentriert oder konzentriert,
nicht befreit oder befreit.
Bewusstsein seines Entstehens, Verweilens und Verschwindens.
4. Dhamma-Achtsamkeit
DIE FÜNF GEISTIGEN HINDERNISSE
Sinnliches Verlangen, Übelwollen, Trägheit und Stumpfheit,
Unruhe und Sorgen, skeptischer Zweifel.
Bewusstsein ihres Ursprungs, ihres Erscheinens und ihres Verschwindens.
DIE FÜNF ANHÄUFUNGEN
Materielle Form, Gefühle, Wahrnehmungen,
geistige Formkräfte und Bewusstsein.
Bewusstsein ihrer Entstehung, Manifestation und Auflösung.
DIE SECHS INNEREN UND ÄUSSEREN SINNESGRUNDLAGEN
Augen und sichtbare Dinge, Ohren und Laute, Nase und Gerüche, Zunge und Geschmack, Körper und berührbare Dinge, Geist und Geist-Objekte.
Das Wissen um sie und ihre Entstehung sowie ihre Preisgabe, sodass künftig keine neuen Fesseln durch sie entstehen können.
DIE SIEBEN FAKTOREN DER ERLEUCHTUNG
Achtsamkeit, Erforschung des Dhamma, Energie,
Freude, Stille, Konzentration und Gleichmut.
Wissen um ihr Vorhandensein, ihre Entstehung und Entwicklung.
DIE VIER EDLEN WAHRHEITEN
Leid, sein Ursprung, seine Beendigung
und der Pfad, der zur Beendigung aller Leiden führt.
DER EDLE ACHTFACHE PFAD
Rechtes Verständnis, rechtes Denken, rechte Rede, rechtes Handeln, rechter Lebenserwerb, rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit, rechte Konzentration.
Ihr Bhikkhus, wenn einer sich diese vier Grundlagen der Achtsamkeit sieben Jahre lang, ja auch nur sieben Tage lang in rechter Weise erarbeitet, darf er sich eine dieser beiden Früchte davon versprechen: entweder das endgültige Erkennen hier und jetzt oder, falls noch eine Spur von Anhaftung bleibt, den Zustand der NichtWiederkehr.
Zwanzig Jahre nach der Erleuchtung des Buddha wurde Ananda, einer der älteren Mönche, sein persönlicher Betreuer. Einmal fragte er den Buddha: »Ehrwürdiger, wenn die Leute mich fragen, ob du noch meditierst, was soll ich ihnen sagen?«
Der Buddha antwortete, er meditiere in der Tat noch.
»Welche Meditation übst du, Ehrwürdiger?«, fragte Ananda.
»Die Achtsamkeit auf den Atem«, sagte der Buddha.
ATEM-ACHTSAMKEIT ist der denkbar beste Einstieg in die Achtsamkeitsschulung. Der Atem ist unter den bewusst wahrnehmbaren körperlichen Vorgängen der stetigste und regelmäßigste. Unser Geist kann jederzeit zum Atem als dem Objekt seiner Sammlung zurückkehren, einfach weil er immer da ist. Wir müssen das Atmen nicht erst lernen, und wir brauchen nicht erst ein hohes Maß an Meditationserfahrung, um unsere Aufmerksamkeit auf den Atem zu richten. Atem ist auch Lebenskraft. Kein Organ unseres Körpers könnte ohne den Sauerstoff funktionieren, den uns der Zyklus des Ein- und Ausatmens zuführt.
Im Übrigen ist der Atem das, was uns alle verbindet. Die unzähligen Lebewesen unterscheiden sich äußerlich und in ihren Verhaltensweisen. Sie ernähren sich unterschiedlich, und ihre Nachtlager sehen sehr verschieden aus. Aber alle atmen. Buddhisten atmen nicht anders als Christen, Hindus, Sikhs, Juden, Muslime oder Zoroastrier. Reich und Arm, Kapitalisten und Sozialisten lassen sich nicht anhand ihrer Atemweise unterscheiden, Konservative und Liberale übrigens auch nicht. In der Konzentration auf den Atem wird uns sein universaler Charakter offenbar.