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Das Grauen wohnt mit dir unter einem Dach: "Die vier Söhne des Doktor March" von Brigitte Aubert jetzt als eBook bei dotbooks. Ist sie noch sicher – oder das nächste Opfer? Haushaltshilfe Jeanie findet im Schlafzimmer ihrer Arbeitgeberin ein Tagebuch, in dem sich einer der vier Söhne der Familie als Mörder zu erkennen gibt. Anfangs glaubt sie an einen schlechten Scherz. Doch schon bald melden die Nachrichten einen mysteriösen Todesfall, der genau den Beschreibungen aus dem Tagebuch entspricht. Von panischer Angst und atemloser Neugier getrieben, liest Jeanie weiter: über missbrauchte Mädchen, getötete Frauen und über das nächste Opfer – sie selbst … Ein grausiges Tagebuch, ein perfides Spiel und Gänsehaut pur! »Ein Thriller voll knisternder Spannung, der durch Mark und Bein geht.« Le Monde Jetzt als eBook kaufen und genießen: "Die vier Söhne des Doktor March" von Brigitte Aubert. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 287
Veröffentlichungsjahr: 2017
Über dieses Buch:
Ist sie noch sicher – oder das nächste Opfer?
Haushaltshilfe Jeanie findet im Schlafzimmer ihrer Arbeitgeberin ein Tagebuch, in dem sich einer der vier Söhne der Familie als Mörder zu erkennen gibt. Anfangs glaubt sie an einen schlechten Scherz. Doch schon bald melden die Nachrichten einen mysteriösen Todesfall, der genau den Beschreibungen aus dem Tagebuch entspricht. Von panischer Angst und atemloser Neugier getrieben, liest Jeanie weiter: über missbrauchte Mädchen, getötete Frauen und über das nächste Opfer – sie selbst …
Ein grausiges Tagebuch, ein perfides Spiel und Gänsehaut pur!
»Ein Thriller voll knisternder Spannung, der durch Mark und Bein geht.«Le Monde
Über die Autorin:
Brigitte Aubert gehört zu Frankreichs profiliertesten Spannungsautorinnen. Neben Kriminalromanen und Thrillern schreibt sie Drehbücher und war Fernsehproduzentin der erfolgreichen »Série noire«. 1996 erhielt sie den französischen Krimipreis. Heute lebt sie in Cannes und führt ein altes Kino, das sie von ihren Eltern übernommen hat.
Bei dotbooks erscheinen auch:
Marthas Geheimnis
Im Dunkel der Wälder
Tod im Schnee
Sein anderes Gesicht
Schneewittchens Tod
Der Puppendoktor
Nachtlokal
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eBook-Neuausgabe Mai 2017
Copyright © der französischen Originalausgabe 1992 by Editions du Seuil
Die französische Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel Les quatre fils du Docteur March bei Editions du Seuil, Paris.
Copyright © der deutschen Ausgabe 1997 Wilhelm Goldmann Verlag, München
Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/johnfoto18
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3-95824-955-4
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Brigitte Aubert
Die vier Söhne des Doktor March
Roman
Aus dem Französischen von Susanne Staatsmann
dotbooks.
Tagebuch des Mörders
Das erste Mal … Nein, zuerst möchte ich Ihnen guten Tag sagen. Guten Tag, liebe Freunde. Liebe neue Freunde. Guten Tag, liebes geheimes Tagebuch. Guten Tag, liebes geheimes Ich, das heute beschließt, sein Leben und das seiner Familie zu erzählen.
Vor allem habe ich Lust, über eines zu sprechen: »Dies.«
Das erste Mal, ich war … unnötig, ein genaues Alter anzugeben, sagen wir, ich war ein Kind. Ein nettes, kleines Kind. Auch sie war ein Kind. Sie trug ein Kleid, ein rotes Kleid aus Nylon, und das Rot war leuchtend und schön. Ich wußte, daß es lodernd brennen würde, Nylon, wie eine Fackel.
Als ich ihr Kleid anzündete, schrie sie, dann brannte sie. Ich sah sie an, bis sie völlig verbrannt war. Sie war ganz mit Blasen überdeckt, und ihre Augen quollen aus dem Kopf. Ich erinnere mich sehr gut daran, obwohl ich noch ganz klein war. Aber ich habe schon immer ein hervorragendes Gedächtnis gehabt.
Ich genoß es, sie brennen zu sehen. Ich wußte, daß sie sterben würde. Ich genoß das. Ich genieße das. Den Tod bringen. Den Tod.
Das war das erste Mal. Danach kam Mama und nahm mich in ihre Arme. Mama liebt uns alle sehr. Sie ist sehr nett, sehr sanft. Sie weinte. Ich fragte mich, ob sie weint, weil sie es weiß.
Ich wollte Mama nicht weh tun.
Ich löste mich aus ihren Armen, die klebrig vom Schweiß waren. Ich ging weg, während sie stehenblieb und weinte. Dann kam ich mit den anderen zurück. Mama saß auf dem Boden und weinte immer noch. Sie sagte nichts. Sie sagte auch dann nichts, als ich wieder damit anfing.
Ich habe Lust, es zu sagen. Ich habe die ganze Zeit Lust, es zu sagen. Ich habe mehrere Male wieder damit angefangen. Es macht mir noch genausoviel Vergnügen, weißt du, mein geheimes Tagebuch, es macht mir noch genausoviel Vergnügen zu töten. Sie sagen, daß es weh tut. Daß es schlecht ist, weh zu tun. Was verstehen sie schon davon? Es ist gut, weh zu tun. Es ist sehr gut, ich liebe es.
Jedenfalls kann ich mich nicht beherrschen, ich muß es tun. Nicht weil ich verrückt bin. Sondern weil ich Lust dazu habe: Es macht mich unglücklich, mich zurückzuhalten. Ich muß es tun.
Aber ich muß auch vorsichtig sein. Weil ich jetzt groß bin. Sie würden mich verhaften. Mama könnte sie nicht daran hindern. Vor allem, weil sie alt und debil geworden ist.
Ich lache, weil ich mir vorstelle, daß jemand meine Aufzeichnungen lesen könnte. Ich verstecke sie gut. Aber es gibt immer Schnüffler. Ich werde sie ordentlich foppen. Achtung, Schnüffler, seht euch vor, der Feind belauert euch. Ich bin nicht so dumm, ich schreibe nur, wenn ich ganz allein bin. Und ich werde mich nicht beschreiben. Meinen Namen sagen und so. Nein, keinerlei Erkennungszeichen. Ich bin wie eine Leiche, die man in einem Wandschrank verstecken muß.
Ich weiß, daß es gefährlich ist, alles aufzuschreiben. Aber ich habe Lust dazu. Ich will das alles nicht mehr für mich behalten, und außerdem … habe ich auch Lust, von uns zu reden, von unserer Familie.
Mich identifizieren … das könnten sie nicht.
Ich kann mit niemandem sprechen. Das ist normal, denn ich bin niemand. Memoiren von Niemand, das ist zum Lachen, so was als Titel.
In unserer Familie gibt es vier Kinder. Vier Jungs. Papa ist Arzt. Wir, das sind Clark, Jack, Mark und Stark. Es war Mama, die sich einen Spaß daraus gemacht hatte, uns so zu nennen. Wir sehen uns sehr ähnlich. Das ist normal, denn wir sind sozusagen Vierlinge. Ja, wir sind alle am gleichen Tag geboren. Damals standen wir in allen Zeitungen auf der ersten Seite. Vier hübsche Knaben. Wir sind kräftig, dunkel, gelockt, mit großen Händen. Wir sehen Papa ähnlich. Mama ist klein: Sie hat rosige Haut, häßliches braunes Haar, das sie obendrein künstlich blondiert, und blaue Augen. Wie Papa. Wir haben alle blaue Augen. Wir sind eine einheitliche Familie.
Wer aus dem Rahmen fällt, den erwischen sie, das weiß ich. Ich töte irgend jemanden, irgendwie. Ich bin kein Psychopath. Was zählt, ist, daß sie sterben. Wenn sie sterben, muß ich mich beherrschen, um nicht vor Freude zu glucksen, um nicht vor Vergnügen zu schreien. Ich zittere. Ich muß nur daran denken, dann zittern meine Finger, wie jetzt.
Clark möchte Medizin studieren. Jack ist auf dem Konservatorium. Mark ist Referendar bei einem Anwalt. Stark bereitet sein Diplom in Elektrotechnik vor.
Und ich, ich bin einer von ihnen.
Und meine Hände sind voller Blut.
Das amüsiert mich. Genau das ist es, was mich amüsiert.
Es ist wie ein Spiel. Suchen Sie den Fehler. Ich bin eine sehr, sehr gute Kopie.
Clark ist Mitglied der Fußballmannschaft der medizinischen Fakultät. Er ist sehr kräftig, roh, stämmig, ein richtiger Stier. Jack liebt ausschließlich sein Klavier, er ist schüchtern und verträumt. Mark dagegen ist ruhig und ernst. Eigenwillig. Er will Jurist werden, er scherzt nicht gerne. Stark schließlich ist überdreht. Aufbrausend, chaotisch, zerstreut. Ein launischer Mensch. Er arbeitet an elektronischen Schaltungen, Computerzeug.
Jeder von uns hat sein Zimmer. Jeder von uns hat seine Angewohnheiten. Seine Verrücktheiten. Und wenn Mama uns anschaut, scheint sie uns alle gleichermaßen zu lieben. Ich mag sie gern, Mama. Jedenfalls glaube ich es. Lieben ist nicht so wichtig.
Die Zeit vergeht schnell. Ich muß das wegräumen, verstecken. Mal sehen. Ach, ja! Papa wird gleich zurückkommen: Es ist 19 Uhr 42. Ich glaube, es hat mir gutgetan, mit dir zu sprechen, kleines Tagebuch. Ich fühle mich ruhiger.
Jeanies Tagebuch
Unmöglich, ich kann es nicht glauben. Ich denke wieder an diese Aufzeichnungen, es bringt mich völlig durcheinander.
Ich bin ganz allein in meinem Zimmer, alle sind im Bett. Es kam, weil ich ihr Zimmer aufgeräumt habe. Sie war unten und hat ferngesehen. Ich wollte den Mantel anprobieren. Das ist albern, einverstanden, aber einen Pelzmantel zu haben, wenn man nicht ausgeht, das ist idiotisch, nicht wahr? Und sie, sie geht seit ihrem Anfall überhaupt nicht mehr aus. Deshalb haben sie auch eine Haushälterin gebraucht, weil sie sich nicht anstrengen darf. Der Mantel, der stand mir gut, ein wenig klein. Ein wenig kurz. Ich zog ihn aus und sah nach, ob man den Saum rauslassen könnte. Ich weiß, daß das dumm war, weil er mir nicht gehört. Es war gedankenlos. Irgendwas steckte im Saum. Ich schaute nach. Es war das. Diese Abscheulichkeit. Ich habe alles genau an seinen Platz zurückgeräumt. Wenn ihm auffällt, daß es jemand berührt hat …
Ich ging wieder nach unten. Sie waren alle da. Monsieur Samuel hat mich gebeten, Brandy zu bringen. Wieviel der davon trinken kann! Sie, sie lachte ganz allein vor sich hin beim Stricken. Ich glaube, sie hat eine kleine Macke. Die vier sahen fern. Es war schrecklich, das zu wissen und sie gelassen vor dem Fernseher sitzen zu sehen. Was soll ich tun?
Ich werde mich rauswerfen lassen, das ist es, was ich tun werde. Wenn ich mich in etwas einmische, das mich gar nichts angeht. Trotzdem, man muß etwas tun. Aber jemanden der Polente ausliefern. Das kann ich nicht. Man kann das nicht, wenn man zwei Jahre im Knast gesessen hat.
Elender Saukerl, Kotzbrocken! Ich habe einen Riesenschiß. Er wird merken, daß ich sein Geheimnis entdeckt habe, und wird mich töten. Er wird mich bei lebendigem Leib verbrennen, mich in die Wäscheschleuder stecken, ich habe die Tür abgeschlossen. Zum Glück kümmern sie sich nicht viel um mich. Ich höre Schritte. Falscher Alarm. Ich muß nachdenken. Zuerst rauskriegen, wer er ist. Nein. Nein. Die Augen verschließen. Mich um nichts mehr kümmern. Es laufen lassen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Aber ich kann nicht einfach so abwarten, ohne etwas zu tun. Warum bin ich nur in dieses miese Kaff gekommen? Gut, ich konnte dort nicht bleiben, nach allem, was geschehen war. Ich habe wirklich kein Glück. Vielleicht wenn ich dem Doktor dieses »Tagebuch« zeigen würde. Er würde entscheiden, mich rauszuwerfen, um mir zu zeigen, was passiert, wenn ich meine Nase in ihre schmutzige Wäsche stecke. Ich gehe schlafen.
Tagebuch des Mörders
Heute werde ich über Jack sprechen. Jack ist sanft und ein wenig schweigsam, er hat einen Silberblick. Er wird immerzu rot. Er denkt viel an Mädchen, aber er wagt nicht, sie anzusprechen. Er hat keine Freunde. Verschwiegen, verschlossen, verklemmt. Ein gutes Profil für einen Mörder. Es ist an Ihnen, zu urteilen. Er komponiert Melodien. Traurige. Er ist nett zu Mama. Und zu Jeanie (das ist die Haushälterin). Ein anständiges Mädchen, glaube ich. Sie trinkt ein bißchen zuviel. Aber sie ist gefällig.
Ich beherrsche mich schon seit einiger Zeit. Ich glaube, ich habe Lust. Ich fühle es kommen. Ich muß jemanden finden. Ich hatte gerade an Jeanie gedacht. Aber das ist zu nah. Ich will kein Mißtrauen erwecken. Nicht so dumm. Ich muß jemanden finden. Und zwar schnell. Aber wen? Jack ist 1 Meter 95 groß. Er ist dünn, mit ziemlich langen Haaren. Er trägt farbige Tücher und hat immer ein Buch unter dem Arm. Als er klein war, nannte man ihn »das Mädchen«, aber er ist trotzdem ein kräftiger Kerl. Wir sind alle kräftige Kerle. Soviel also über Jack.
(Ich bin unruhig.) Auch Clark seinerseits ist natürlich sehr groß. Da er sehr muskulös ist, wirkt er wie ein Riese. Er spricht laut, bewegt sich viel, schlägt schnell zu. Er ist alles andere als verklemmt, das bestimmt nicht! Aber man weiß vorher nie, was ihn reizt. Ich stelle mir vor, daß, sollte ein kleiner Naseweis eines Tages meine Aufzeichnungen lesen, er sich den Kopf zerbrechen würde, aber niemals die Wahrheit wissen könnte.
»Ich bin ein Mörder, kein Idiot.« Ich mag diesen Satz.
Mama faselt immer häufiger. Ihre Tabletten machen sie völlig stumpf. Papa ist ständig zerstreut. Wie Stark. Stark, der Gelehrte. Ich spreche gerne über uns. Ich denke gerne an uns. Ich denke gerne an einen von uns. Gut versteckt, lächelnd. Freundlich. Mörderisch. Das sage ich mir gern: mörderisch. Mama möchte, daß wir Tante Ruth besuchen. Das ist ziemlich weit weg von hier. Unterwegs finde ich vielleicht etwas, womit ich mich amüsieren kann.
Jeanies Tagebuch
Sie sind heute morgen sehr früh gegangen. Sie essen bei ihrer Tante.
Ich bin ins Zimmer der Alten hinaufgegangen, habe den Mantel durchsucht und gelesen, daß er versuchen wird, es unterwegs zu tun. Die Alte singt in der Badewanne leise vor sich hin. Ich lausche, um sicherzugehen, daß alles in Ordnung ist. Man weiß ja nie. Arme Frau. Nicht wie Mutter Ficks. Die alte Schlampe. Mit der ganzen Knete, die überall herumlag. Dieses ganze Geld, ausgebreitet vor meiner Nase. Ich bin ja schließlich nicht aus Holz!
Man müßte ihre Fahrt unterbrechen. Der Doktor kommt heute abend nicht zurück. Er geht zu einer Dichterlesung. Eine Dichterlesung! Nun ja, das ist seine Sache. Die Jungs haben angerufen, daß sie erst morgen zurückkommen, sie machen eine Pause, weil es in Strömen regnet. Im Moment müssen sie in der Nähe von Demburry sein. Sicherlich halten sie dort an, um etwas zu essen.
O mein Gott, mein Gott! Es ist unmöglich, man muß etwas unternehmen! Obwohl ich mir immer wieder sage, daß es wahr ist, kann ich es nicht glauben. Es kann nicht Jack sein, er ist so liebenswert. Und der dicke Clark ist zu grobschlächtig, zu einfach. Obwohl das nichts besagt: Michèle war zwar einfach, hat aber dennoch ihre drei Kinder erwürgt.
Sicher ist jedenfalls, daß er krank ist.
Gezwungenermaßen ist er nett, gezwungenermaßen. Aber die Augen. Wieso sieht man das nicht, wenn er einen anschaut? Ich wage nicht mehr, den Jungs in die Augen zu blicken, ich habe Angst, daß dieser Verrückte an meinem Blick errät, daß ich etwas weiß. Aber trotzdem. Trotzdem, trotzdem werde ich diejenige sein, die den Verstand verliert. Wenn ich daran denke, daß ich mit einem netten Jungen, einem netten Typ, Tausende von Kilometern von hier entfernt leben könnte. Ich bin jung, ich bin hübsch, was bringt mich dazu, meine Zeit in einer Mördergrube zu verplempern? Es gelingt mir nicht mal mehr zu scherzen. Das nervt mich. Ich darf einfach nicht mehr daran denken, das ist alles.
Tagebuch des Mörders
Es ist getan. Es ist gut. Ich habe es getan.
Ich erinnere mich ganz gut, vom Anfang bis zum Ende. Gestern abend haben wir in Demburry Pause gemacht. Es regnete in Strömen. Wir waren hundemüde. Wir drehten zum Schlafen die Sitze runter und gingen zum Abendessen. Dort war ein Mädchen. Hübsch. Ganz allein. Ganz allein an einem Tisch. Wir scherzten. Clark lud sie ein, sich uns anzuschließen. Das Mädchen lehnte ab. Sie gefiel mir gut. Sie war anziehend. Stark sagte irgendwann, daß es nicht mehr regne.
Wir gingen. Wir legten uns hin. Wenig später schliefen alle. Einer von uns stand vorsichtig auf. Ganz vorsichtig.
Ich ging in eine Telefonzelle. Ich verlangte den Drugstore. Ich sah das Mädchen durch die Scheibe.
Sie aß einen Hot dog. Der Chef rief sie ans Telefon. Ich lud sie ein, mit mir etwas trinken zu gehen. Sie fragte, wer ich sei. Ich sagte es ihr. Sie fragte, von wo aus ich anriefe. Ich sagte ihr auch das. Sie blickte durch die Scheibe und lachte. Ich hatte gewonnen.
Sie bezahlte und ging, ich wartete an der Straßenecke auf sie. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Sehr stark. Wir rannten. Wir suchten Schutz unter einem Portal. Einem dunklen Portal. Sie sind ruhig am Abend, die kleinen Dörfer. Niemand auf der Straße.
Ich nahm den Schraubenzieher aus meiner Tasche, schob ihn unter meinen Blouson und umarmte sie, wir streichelten uns ein wenig, ich hatte Gänsehaut. Sie berührte meinen …, sie berührte mich mit ihrer regennassen Hand, ich stieß ihr den Schraubenzieher in den Bauch, bis zum Griff. Ich drückte ihren Mund an meine Schulter, ich fühlte ihre Zähne, ihr ganzer Körper wurde steif, ich hielt sie gut fest. Ihre Hand verkrampfte sich auf mir, das war angenehm. Ich kam in ihrer Hand, und dann starb sie. Ich ließ sie los.
Sie fiel hin. Ich schlug meinen Kragen wieder hoch. Ich wischte den Schraubenzieher an ihrem Rock ab. Ich ging. Ich kehrte zum Kombi zurück. Einer von den anderen fragte: »Was ist los?« Ich antwortete: »Ich war pinkeln.« Es war stockdunkel. Heute morgen fuhren wir, und jetzt sind wir wieder hier, zu Hause.
Ich bin ganz fröhlich.
Ich beeile mich, die Zeitungen zu lesen, um den Fortgang der Untersuchung zu verfolgen! Gar nicht so dumm. Sie werden nichts finden. Ich habe den Schraubenzieher weggeworfen. Ich bin rein. Neu. Ein richtiger Klosterschüler.
Mama muß etwas gespürt haben. Sie hat mich angesehen und geseufzt. Arme Mama. Ich liebe sie. Ein bißchen.
Jeanie war auch seltsam. Vielleicht war sie betrunken. Sie war im Gefängnis. Sie glaubt, daß niemand Bescheid weiß, aber ich, ich weiß es. Und ich weiß noch andere Dinge von ihr. Einmal, als sie sich alleine glaubte (Papa hatte Mama zum Herzspezialisten gebracht, ich war hier, im Zimmer von Mama, und schaute ihre Kleider an), hörte ich sie telefonieren. Sie sagte, daß sie sich verstecken müsse. Sie hatte Angst vor der Polizei. Sie sprach von einer Madame Ficks, einer »Schlampe mit einem Haufen Geld«. Sie beschwor die Person am anderen Ende der Leitung, ihr vor allem weder zu schreiben noch sonstwas. Ich nehme an, sie hatte getrunken. Ich habe nachgedacht. Ich glaube, sie ist eine Diebin. Übrigens überwache ich sie, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Wir mögen hier keine Diebe.
Aber heute bin ich zu zufrieden, um streng zu sein. Gäbe es auch noch Pommes frites zum Abendessen, wäre heute der schönste Tag in meinem Leben. Ich umarme euch alle, ihr Dummköpfe, die ihr dies niemals lesen werdet.
Jeanies Tagebuch
Er hat es getan. Er hat es wirklich getan.
Sie haben alle ordentlich zugelangt. Ich hatte Hühnchen mit Pommes frites zubereitet. Die Alte hatte mir das aufgetragen. Sie. Es war deshalb, für ihn, für ihr Ungeheuer! Sie weiß, wer er ist, und sie liebt ihn, sie verhätschelt ihn. Er schlitzt Mädchen den Bauch auf, und sie macht ihm Pommes frites!
Oh, mein Gott, wenn du nichts zu tun hast, dann laß sie sterben! Alle vier. Bei einem Brand. Ich werde die Bude hier anzünden. Ich glaube, ich hatte noch nie soviel Schiß wie in dem Moment, als ich meinen Namen in den Aufzeichnungen dieses Irren las. Ein Irrer, der mich überwacht, weil ich eine Diebin bin. Und er … nein, es ist aber auch verrückt!
Ich muß zur Polizei gehen. Ich werde ihnen von dem Mord erzählen. Sie werden eine Untersuchung anstellen. Über sie. Über mich. Sie werden mich in Sicherheit bringen. Ins Kittchen. Für zwei oder drei Jahre. In Anbetracht der Tatsache, daß man mit Wiederholungstätern nicht zimperlich umgeht, vielleicht sogar mehr. Ganz ruhig. Ich bin in der Klemme. Das ist es, was mir zu schaffen macht: Ich bin in der Klemme. Was wird er jetzt tun? Wie viele wird er noch umlegen?
Jedesmal wenn ich nach oben gehe, schlägt mein Herz wie verrückt. Ich bilde mir ein, daß er mir auf den Fersen ist, daß er die Arme hebt, ich drehe mich um, das Messer bohrt sich in meinen Hals, und ich sehe in seine irren Augen. Die Augen von Clark oder Mark oder Stark oder Jack. Die Augen des Pommes frites-Fans. Fan von Pommes frites, das ist ja eine Spur.
Ich überlege. Schade, daß sie sich so ähnlich sehen.
Clark mag Pommes frites. Da bin ich jedenfalls sicher: Jedesmal stibitzt er in der Küche welche. Übrigens stibitzen sie alle aus dem Kühlschrank, sobald ich mich umgedreht habe, als ob sie sich nicht schon bei Tisch vollfressen würden! Kaum ist man vom Einkaufen zurück, kann man schon wieder anfangen. Und wer wirft morgens wohl die leeren Milchflaschen und Müslischachteln weg? Bravo, Sie haben es erraten.
Wo war ich stehengeblieben? Pommes frites, Jack hat zweimal, nein dreimal genommen. Er stopft sich den Mund ganz voll damit, mit Ketchup. Danach schaut er verträumt, wie jemand, der über ein Konzertstück im Dreiachteltakt meditiert, dabei schlägt er sich nur den Bauch voll! Stark hat gesagt: »Prima, Pommes!« Er hat mit den Fingerknöcheln geknackst und seine Mutter umarmt. Um ihr zu danken? Mark war viel reservierter. Aber er hat auch nachgenommen. Und er hat Wein getrunken. Normalerweise trinkt er nicht. Vielleicht weil er alles versteckt, seine Vorlieben und so? Vielleicht spielt er die ganze Zeit eine Rolle, für den Fall, daß … Er hat Wein getrunken. Um was zu feiern? Der Doktor war zufrieden, ausnahmsweise. Er lachte. Die muß gut gewesen sein, die Dichterlesung gestern!
Drecksbande. Ich habe Lust, etwas Starkes zu trinken. Aber ich habe Angst, runterzugehen. Ich bin sicher, daß er nachts überall herumschleicht, mit dreckigen Phantasien im Kopf und in den Händen. Das läßt mich erschauern. Wie gern würde ich jetzt ein wenig Gin trinken!
Tagebuch des Mörders
Ich langweile mich. In den Zeitungen spricht man nicht mehr von dem Mädchen. Da wir Ferien haben, sind wir alle hier und hängen rum. Wir verbringen unsere Ferien immer alle zusammen, wie eine einträchtige Familie. Mama ist zufrieden, sie singt vor sich hin, strickt, lächelt mich traurig an.
Papa ist nie da. Clark vermutet, daß er eine Geliebte hat. Mark sieht bedrückt aus. Er ist prüde, Mark. Jack spielt Klavier und schreibt Chansons. Stark ist die ganze Zeit in seinem Zimmer und bastelt. Wir sind brav. Wir sehen fern. Jeanie sagt, Fernsehen macht dumm. Sie riskiert jedenfalls nichts, wenn sie es tut.
Jack hat Papa erzählt, daß wir an dem Mordabend in Demburry waren. Clark sagte ja, und daß wir Glück hatten, schließlich hätten wir diesem Verrückten auch über den Weg laufen können. Stark meinte, daß wir das Mädchen in der Bar gesehen hätten, und Mark fügte hinzu, daß sie sehr verführerisch war. Wir waren alle betroffen. Ich lachte innerlich. Ich schaute sie alle an, mit ihren Verlegenheitsmienen, und lachte.
Aber wer war ich? Wer war ich?
Viel Spaß beim Suchen, dreckige Schnüffler! Strengt euch ruhig an, ihr werdet es doch nie wissen.
Jeanies Tagebuch
Es würde reichen, diese Notizen zu nehmen und zum Kommissariat zu gehen. Das ist einfach. Oh, Jeanie, Jeanie, du bist nichts weiter als ein Angsthase, ein Waschlappen, eine Kriminelle!
Ich trinke im Moment zuviel, ich muß aufhören. Zumal dieser Gin aus dem Sonderangebot scheußlich schmeckt.
Sie sind alle zu Hause und lümmeln vor dem verfluchten Fernseher rum! Das sind keine normalen Vierlinge, sondern siamesische! Immer kleben sie zusammen, Gören, die demnächst achtzehn werden! Mir immer auf den Fersen, um irgendwo aufzutauchen, wo man nicht mit ihnen rechnet. Habe ich das Gefühl, einen rechts zu sehen, dann taucht er links auf. Jedesmal zucke ich zusammen. Sie strickt. Der Doktor hat viel Arbeit. Wenn er nach Hause kommt, ist er mürrisch, er möchte essen. Ich habe wahnsinnig viel Arbeit im Moment. Sie wollen immerzu irgend etwas, und der Doktor hat gesagt, er findet, daß die Brandyflasche schnell leer wird. Ich muß mich ein bißchen zurückhalten.
Diese Geschichte geht mir die ganze Zeit im Kopf herum. Das macht mich verrückt. Aber was tut die Polizei? Was für ein unfähiger Haufen! Gerade gut genug, arme Mädchen in den Knast zu bringen! Das mit dem Schraubenzieher sollte ich auch mal machen. Alle abmurksen und dann ihren Zaster klauen. Aber ich rede Unsinn.
Ich muß dieses Heft verstecken. Man weiß ja nie, ob er hier herumschnüffelt. Es wäre einfacher, überhaupt nicht zu schreiben, aber ich kann das alles nicht für mich behalten. Die Dinge werden klarer, wenn man sie aufschreibt. Dort in der Zelle, mit Martha, haben wir alles aufgeschrieben, was uns passierte, wie die Zeit verging und das alles. Die Dinge klären. Was ich tun muß, das ist nachdenken, immer wieder lesen, was ich geschrieben habe, Schlüsse ziehen. Ich lese noch mal.
Erst mal scheint es, daß er nur auf Frauen losgeht. Das ist doch schon mal was. Schließlich waren beide Ermordete, von denen er sprach, Frauen. Ein Kind und ein anziehendes Mädchen, ein Mädchen, das ihm gefiel … Ob ich ihm gefalle? Sicher nicht. Ich bin nicht sexy, ich schminke mich nicht, ich bin eher ein bäuerlicher Typ, nicht anziehend, nicht aufregend … Obwohl … Aber halt, das ist Vergangenheit. Ich würde sagen, daß ich eigentlich das Gefühl habe, daß ich nicht seinem Typ Leiche entspreche. Immerhin.
Ich müßte Bücher über Verrückte lesen. Solche, wie sie sie in der Bibliothek hatten, als ich noch dort war. Das ist eine gute Idee. Rausfinden, warum er das tut. Vorhersehen, was er tun wird. Wenn ich es schaffen könnte, ihn daran zu hindern, wäre es gar nicht nötig, die Polizei in diese Geschichte zu verwickeln. Aber nein, ich drehe durch! Ich bringe es noch fertig, mich um diesen Kerl zu kümmern, statt meine Koffer zu packen. Jeanie, du bist krank, meine Liebe! Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin fassungslos. Das Mädchen in der Fernsehserie sagte das immer: »Ich bin fassungslos, Andy, mein Süßer.« Nun gut, ich bin es auch, meine Liebe!
Ich werde mir eine Kippe, hoppla … ’tschuldigung, Mylady, eine Zigarette anstecken.
Tagebuch des Mörders
Die Ferien gehen anscheinend nie zu Ende. Heute hatte ich Lust dazu. Ich bin ausgegangen, um zu schauen, ob ich irgendwas Interessantes finde.
Zwar wohnt nebenan ein Mädchen, aber sie gefällt mir nicht besonders. Sie gehört zum Typ »nettes Mädchen mit Zöpfen«, ein bißchen zu jung für mich. Ich bin jetzt ein Mann, es reizt mich nicht, Kinder umzubringen.
Ich ziehe Mädchen in meinem Alter vor. Sie wissen genau, was sie suchen. Das erinnert mich an das andere Mädchen, in Demburry.
Wenn ich große Lust verspüre, nehme ich mein Messer und streichle mich damit, bis ich mich besser fühle. Eines Tages werde ich eine so umbringen. Ich werde das Messer nehmen und es ihr mit aller Kraft hineinstoßen. Das Blut wird aus ihrem Mund sprudeln. Es macht mir Vergnügen, mir das vorzusagen.
Mama sieht traurig aus. Wir kümmern uns nicht viel um sie.
Mark schreibt seine Doktorarbeit. Clark bereitet sein Examen vor. Jack komponiert ein Konzertstück. Stark bastelt sich einen Computer. Papa ist oft außer Haus und riecht nach Parfüm. Aber ich kann mein Leben nicht damit verbringen, meine Mutter zu trösten.
Morgen haben wir Geburtstag. Wir werden viele Geschenke bekommen. Ich weiß schon, was es sein wird, ein schönes Geschenk, ein sehr schönes Geschenk, ein »Leckerbissen«, wie Papa immer sagt, wenn er die Mädchen am Strand anschaut.
Nicht wie Jeanie. Dieses Mädchen ist nicht besonders anmutig und immer betrunken. Ich verstehe nicht, warum wir sie dabehalten. Wenn ich später eine Familie habe, stelle ich zum Servieren bei Tisch nur hübsche Mädchen ein, gut gebaut, freundlich. Keine Kriminellen aus der Gosse.
Ich muß mir für diesen Geburtstag etwas Lustiges ausdenken, damit ich mich amüsieren kann, wenn wir alle Kuchen essen und Mama beglückwünschen. Ich habe eine Idee.
Eine schöne, kleine, saftige Idee. Auf Wiedersehen, liebes Tagebuch, ich habe zu tun.
Jeanies Tagebuch
Was für eine schmutzige Idee könnte das sein?
Sie sind alle ins Kino gegangen. Ich bin allein mit der Alten. Die Kleine mit den Zöpfen, das muß Karen sein, die Tochter der Familie Blint. Ich müßte anrufen und sie warnen. Ihnen sagen: »Entschuldigung, ich habe mich verwählt«, bevor ich mein Gefasel vortrage und sie die Klapse benachrichtigen.
Könnte ich mit dieser Idee gemeint sein? Nein: Glücklicherweise gefalle ich ihm nicht. Dreckiges kleines Miststück. Glücklicherweise findet er mich zu häßlich … Ob er sich selbst schon mal angeschaut hat? Alle vier nämlich, na ja, abgesehen von den Muskeln, nicht wahr. Vier schöne Grobiane, wie ihr Schwein von Vater.
Ich hätte mit ihnen gehen, mich an ihre Fersen heften und ihn daran hindern sollen, es zu tun. Ich bin Komplizin, das bin ich, wie der Kerl in Holocaust, der so tat, als würde er kein Konzentrationslager leiten, sondern ein betriebliches Erholungszentrum, ja, ich bin genauso wie er! Dieser Gin steigt mir in die Nase, das ist furchtbar. Ein ausgemachter Feigling, das bist du, Jeanie, ein Fischweib und eine Säuferin und unfähig, einen Verrückten daran zu hindern, alle Mädchen um die Ecke zu bringen, die ihm in die Hände fallen. Du enttäuschst mich, meine Gute, du enttäuschst mich wirklich.
Tagebuch des Mörders
Guten Tag! Mama ist gerade dabei, einen Kuchen zu backen. Papa hat angerufen: Er wird später zum Abendessen kommen. Sicherlich macht er Besorgungen für uns.
Die Kleine von nebenan hat heute morgen »hallo« zu mir gesagt. Sie sieht liederlich und ungesund aus, mit einem schiefen Lächeln. So ein kleines Luder, »dem die Männer hinterherrennen«, wie Papa sagt. Ich hatte nicht die Zeit, mich mit ihr zu beschäftigen, aber ich werde ernsthaft darüber nachdenken. Mein Vorhaben ist übrigens geplatzt. Sie sind mit ihrem Baby aufs Land gefahren. Schade.
Ich bin ziemlich schlechter Laune. Die dicke Jeanie geht mir auf die Nerven mit ihren Manieren einer dreckigen Schnüfflerin. Ich muß zusehen, daß Papa sie rauswirft. Gestern, als sie das Essen auftrug, roch sie nach Alkohol. Sie deprimiert mich mit ihren roten Augen. Ich mag fröhliche Menschen. Ich muß jetzt gehen.
Bis bald, kleines, geheimes Tagebuch, kleines Ich aus Papier.
Jeanies Tagebuch
Dreckskerl. Bemüh dich ruhig, mich rauswerfen zu lassen! Das Baby, das Baby … das muß der kleine Beary sein.
Einen schönen Geburtstag haben sie gehabt, die Idioten. Überschüttet mit Geschenken. Wenn sie erwartet haben, daß ich ihnen etwas schenke … Saukerle … Der Vater ist zu spät gekommen. Ich würde gerne mal die Visage von seiner Schlampe sehen. Das Schwein rennt den Nutten nach, während seine Ungeheuer das ganze Viertel hier umbringen. Der blödsinnige Stift schmiert, das kann ich nicht ausstehen.
Ich muß wieder zu mir kommen. Ich sehe, wie meine Hand diese Worte schreibt, und bemühe mich, ordentlich zu schreiben und in meinem Kopf klar zu formulieren.
Es geht besser. Jeanie, meine Gute, du wirst einen Aktionsplan vorbereiten. Erster Punkt: die kleine Karen. (Es stimmt übrigens, daß sie schlecht aussieht.) Frage: Wie kann ich sie retten? Antwort: abwarten. Bravo, was für ein hervorragender Plan, Jeanie, du verblüffst mich.
Heute kam jemand die Treppe herauf, während ich las. Ich habe einen Satz ins Badezimmer gemacht und auf, auf, kräftig geputzt; es war blitzblank, wenigstens diesmal … Aber niemand ist hereingekommen, und das ist genau, was mir angst macht, große Angst.
Ich habe beschlossen, daß dieses Tagebuch als Beweis dienen wird. Ich werde alles, was passiert, aufschreiben. Bis ich diesen Hurensohn in die Enge treiben kann. Nein, keine Flüche mehr, benimm dich: Jeanie, mein Mädchen, du bist zum Sherlock Holmes befördert, und als Auftakt hörst du auf, zu rauchen wie ein Schlot.
Also Karen überwachen. Er wird es nicht wagen, wenn ich immerzu in der Nähe bin. Vielleicht wird er gerade noch wagen, mich anzuzünden, weil ich zu häßlich für den Schraubenzieher bin. Wie auch immer, ich werde den sehen, der um sie herumschleicht.
Ich frage mich … wenn alles nur ein Scherz wäre? Nein, die Zeitung berichtete von dem Mord in Demburry genau am Morgen nach ihrer Rückkehr, und ich hatte seine Aufzeichnungen über diese Sache bereits gelesen. Ich habe gute Lust, mir eine Knarre zu kaufen. Ich höre Geräusche im Garten. Ich werde nachsehen.
Unten glitt ein Schatten vorbei. Aber das war vielleicht ein Hund. Es ist Mitternacht, ich muß schlafen. Ich höre keinerlei Geräusche. Es war sicherlich ein Hund.
Karen ist tot.
Heute morgen war die Polizei hier. Sie haben sie im Garten gefunden. Im Mülleimer. Offenbar sieht ihre Leiche furchtbar aus. Es lag eine Decke darüber. Ihre Mutter brüllte; ich habe noch nie solch ein Brüllen gehört. Der Vater wurde ohnmächtig, als sie es ihm sagten. Bob, der Müllmann, hat sie gefunden. Er hat Galle gekotzt, und dann hat er um Hilfe gerufen. Sie haben ihm auch gleich eine Spritze gegeben.
Es regnet. Es ist dumm aufzuschreiben, daß es regnet, wenn gerade ein Kind gestorben ist. Aber es regnet. Ich friere. Am liebsten würde ich von hier verschwinden. Andererseits habe ich das Gefühl, daß ich bleiben muß.
Warum hatte er das nicht aufgeschrieben? Warum, warum, warum?!! Ein schöner Geburtstag. Wie grauenhaft! Er hat seinen schönen Geburtstag jedenfalls gehabt.
Schon seit zwei Stunden sitze ich hier, rauche und schaue in den Regen hinaus. Man hört kein Geräusch im Haus. Sie sind alle in ihren Zimmern. Gestern abend war ich betrunken. Und heute morgen ist Karen tot.
Die Alte hat sich nicht gerührt. Sie wackelt mit dem Kopf, während sie vor sich hin brummelt. Sie strickt eine Decke für das Sofa im Salon. Sie ist übrigens nicht alt. Fünfzehn Jahre älter als ich, das ist alles. Hoffentlich bin ich in fünfzehn Jahren nicht so!
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich müßte mit jemandem sprechen können. Mit einem Pfarrer? Ich habe kein Vertrauen in Pfarrer. Den Geistlichen im Gefängnis hätte man jedenfalls treffender als Schweinehund bezeichnet.
Ich hatte Schiß, als die Polizisten kamen. Sie haben mich genau angesehen. »Sie müssen aussagen, wenn Sie etwas gesehen haben«, meinte der Große. »Ich habe nichts gesehen.«
»Na gut, um so schlimmer …« Es sieht schlecht aus für mich. Wenn sie Nachforschungen anstellen, bin ich geliefert.
Tagebuch des Mörders
Ich glaube, jemand liest meine Aufzeichnungen. Wer du auch bist, solltest du gerade dabeisein, dies hier zu lesen, dann sieh dich vor. Sieh dich vor, weil ich dich kriege.
Mein liebes, kleines Tagebuch, es würde dir nicht gefallen, daß man dich ohne meine Erlaubnis liest, daß man mit Fingern über deine Tinte und dein Papier streicht, daß man mit schmutzigen Händen die Spuren liebkost, die ich in dir hinterlasse. Mein liebes, kleines Tagebuch, ich drücke dich ganz fest an mich, an meinen … Niemand wird dich berühren.
Ich bin heute zufrieden, ich bin sehr zufrieden. Ich habe die Axt in die Garage geräumt, sie ist sauber, sie glänzt.
Alle hier im Viertel flennen. Sie sagen, daß es ein Triebverbrechen sei. Als sie tot war, habe ich ihr den Stiel von der Axt reingesteckt und kräftig gestoßen, so tief ich konnte.
Vielleicht schaut dir jemand über die Schulter, wenn du dies liest. Vielleicht bin ich da, und vielleicht schneide ich dir die Kehle durch. Ha, ha, ha!
Heute nacht, als ich in den Garten kam, sah ich Jeanie am Fenster stehn. Immer die Nase dort, wo sie nicht hingehört, nicht wahr, Jeanie?
Bei der Kleinen habe ich ganz vorsichtig am Fenster gekratzt. Sie stand auf und kam, mit strahlenden Augen. Sie wackelte mit ihren Brüsten vor meiner Nase herum, in ihrem kleinen Nachthemdchen.
Mama hat uns schöne, marineblaue Blazer mit goldenen Knöpfen geschenkt. Jack hat Klavier gespielt, wir haben geklatscht.
Wir haben Happy Birthday to us gesungen, und ich habe an Karen gedacht. Als die Kerzen ausgingen, habe ich meine Entscheidung gefaßt.
Ich bin wirklich nicht glücklich bei dem Gedanken, daß jemand meine Notizen lesen könnte.
Jeanies Tagebuch