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Es war einmal, da begegnete Thomas seltsamen Wesen aus den Tiefen des Alls. Sie waren weder ganz Mensch noch ganz Delfin, doch sie lebten im Wasser und trugen die Melodie ferner Ozeane in sich. Von einem fernen Planeten waren sie gekommen – einem Ort, den sie selbst so sehr verwundet hatten, dass er unbewohnbar geworden war. Auf der Erde trafen sie Thomas, der sich, voller Mut und Güte, bereiterklärte, ihnen bei der Suche nach einer neuen Heimat beizustehen. Zum Dank schenkten sie ihm eine Gabe, die wie Zauberei erschien: die Kunst, Stoffe zu verwandeln – Abfall konnte er nun in Baumaterial und wundersame Substanzen umgestalten. Mit dieser geheimnisvollen Kraft begann er, eine Insel zu erschaffen, um die sich die Delfine niederließen. Überall in Europa ließ Thomas Sammel- und Verarbeitungsstätten entstehen. Durch lange Leitungen strömte die daraus gewonnene Flüssigkeit zur Insel und verwandelte sich dort in neue, nützliche Stoffe. So wuchs und blühte die Insel mit der Zeit heran, bis sie zu einem Ort voller Leben und Schönheit wurde, den bald auch Reisende aus aller Welt besuchten. Auf ihrem Weg aber begegneten Thomas und seine Gefährten vielen Abenteuern, die den Bau dieser märchenhaften Insel begleiteten.
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Seitenzahl: 353
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Es war einmal, da begegnete Thomas seltsamen Wesen aus den Tiefen des Alls. Sie waren weder ganz Mensch noch ganz Delfin, doch sie lebten im Wasser und trugen die Melodie ferner Ozeane in sich. Von einem fernen Planeten waren sie gekommen – einem Ort, den sie selbst so sehr verwundet hatten, dass er unbewohnbar geworden war.
Auf der Erde trafen sie Thomas, der sich, voller Mut und Güte, bereiterklärte, ihnen bei der Suche nach einer neuen Heimat beizustehen. Zum Dank schenkten sie ihm eine Gabe, die wie Zauberei erschien: die Kunst, Stoffe zu verwandeln – Abfall konnte er nun in Baumaterial und wundersame Substanzen umgestalten. Mit dieser geheimnisvollen Kraft begann er, eine Insel zu erschaffen, um die sich die Delfine niederließen.
Überall in Europa ließ Thomas Sammel- und Verarbeitungsstätten entstehen. Durch lange Leitungen strömte die daraus gewonnene Flüssigkeit zur Insel und verwandelte sich dort in neue, nützliche Stoffe.
So wuchs und blühte die Insel mit der Zeit heran, bis sie zu einem Ort voller
Leben und Schönheit wurde, den bald auch Reisende aus aller Welt besuchten. Auf ihrem Weg aber begegneten Thomas und seine Gefährten vielen Abenteuern, die den Bau dieser märchenhaften Insel begleiteten.
Kapitel 1 – Auf der Suche nach der Insel
Der erste Kontakt
Thomas ging es nicht gut. Er saß am Meeresufer, seufzte und dachte über sein Leben nach. Obwohl er in Deutschland lebte, hatte er viele Probleme. Das erste war die Trennung von seiner Freundin. Sie waren fast ein Jahr zusammen gewesen, doch plötzlich beschloss sie zu gehen. Sie erklärte, sie habe es satt, an der Seite eines Versagers zu sein.
Tatsächlich konnte Thomas keine großen Erfolge in seinem Leben vorweisen. Mit seinen fünfunddreißig Jahren hatte er keine nennenswerten Höhen erreicht. Er arbeitete in einer Softwarefirma, wo er an der Entwicklung von Programmen beteiligt war, doch sein Chef wusste seine Arbeit nicht zu schätzen.
Jedes Mal, wenn Thomas mit einem neuen Vorschlag zu ihm kam, tat der Chef so, als würde er zuhören, wies die Idee jedoch später zurück – nur um sie wenige Tage später als seine eigene zu präsentieren. So musste Thomas an seinen eigenen Ideen arbeiten, allerdings unter dem Namen seines Vorgesetzten. Darüber hinaus hatte Thomas noch weitere Probleme. Er war längst erwachsen, doch es war ihm bislang nicht gelungen, seinen Platz im Leben zu finden. Seine Freunde aus der Studienzeit hatten mittlerweile erfolgreiche Karrieren, Familien, Häuser und Autos.
Thomas hingegen lebte immer noch in einer kleinen Zweizimmerwohnung und fuhr ein vier Jahre altes Auto. Das verstärkte nur noch sein Gefühl, ein Versager zu sein.
Dennoch war Thomas sich bewusst, dass er etwas in seinem Leben ändern musste. Er dachte darüber nach, den Job zu wechseln oder ein neues Hobby zu beginnen, doch bisher konnte er sich nicht entscheiden. Er blickte auf das Meer und dachte daran, dass das Leben weitergeht – und dass er Schritte nach vorne machen muss, um in Zukunft Erfolg zu haben.
Thomas wusste, dass es ihm nicht weiterhelfen würde, untätig zu bleiben und der Vergangenheit nachzutrauern. Er begann darüber nachzudenken, was er tun musste, um sein Leben zum Besseren zu wenden. Schließlich fasste er den Entschluss, seinen Job zu kündigen und sich eigenständig seinen Projekten zu widmen.
Außerdem fing er an, regelmäßig Sport zu treiben, was ihm half, Stress abzubauen und innerlich zur Ruhe zu kommen. Er begann, neue Fähigkeiten zu erlernen, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Darüber hinaus erkannte Thomas, wie wichtig es war, sich mit unterstützenden Menschen zu umgeben. Er suchte gezielt den Kontakt zu optimistischen und inspirierenden Personen, die ihm helfen konnten, neue Perspektiven und Möglichkeiten zu erkennen.
Er nahm auch zunehmend an gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, bei denen er neue Menschen kennenlernen und seinen Horizont erweitern konnte.
Thomas war sich bewusst, dass Probleme ein unvermeidlicher Teil des Lebens sind – aber ebenso, dass es darauf ankommt, den Umgang mit ihnen zu lernen.
Er begann, das Leben so anzunehmen, wie es ist, und sich nicht mehr an Misserfolgen festzuklammern.
Er fing an, an sich selbst und seine Fähigkeiten zu glauben – ein Glaube, der ihm half, viele Schwierigkeiten zu überwinden. Thomas verstand, dass es im Leben nicht nur darum geht, Erfolg zu haben, sondern auch, den Moment zu genießen, im Hier und Jetzt zu leben und das zu schätzen, was man bereits besitzt.
Seine Gedanken wurden von einem zischenden Geräusch unterbrochen. Thomas blickte in die Richtung, aus der der Laut kam, und sah einen Meteoriten vom Himmel fallen. Hinter ihm zog sich ein langer Schweif. Der Einschlagsort schien nicht weit entfernt zu sein, also stieg er ins Auto und fuhr los, um nachzusehen, was dort niedergegangen war.
Auf dem Weg entdeckte er einen weiteren Meteoriten, der etwa zwei Kilometer entfernt eingeschlagen war. Als er am Zielort ankam, bot sich ihm ein seltsames Bild: Es war gar kein Meteorit – sondern ein außerirdisches Raumschiff.
Als Thomas näher trat, sah er vier wesenartige Fische, die Delfinen ähnelten. Doch sie trugen Raumanzüge, und anstelle ihrer vorderen Flossen hatten sie – wenn auch kurze – Arme. Einer der fremden Wesen befand sich im Wasser, die anderen drei lagen am Ufer und wanden sich krampfend, offenbar dem Erstickungstod nah.
Ohne lange zu überlegen, begann Thomas, die fremden Fische zu retten. Zuerst half er dem, der dem Wasser am nächsten war, dann eilte er zu den anderen. Erstaunlicherweise flohen die Geretteten nicht, sondern unterstützten ihn sogar – während sie sich in einer Sprache unterhielten, die Thomas nicht verstand.
Als die Rettungsaktion beendet war, machten die fremden Wesen keine Anstalten zu verschwinden. Stattdessen diskutierten sie eine Weile miteinander. Schließlich näherte sich einer von ihnen dem Ufer und reichte Thomas einen merkwürdigen Helm – offenbar ein Kommunikationsgerät – und bedeutete ihm, ihn aufzusetzen.
Der Helm passte nicht recht auf Thomas’ runden Kopf, aber irgendwie schaffte er es, ihn anzulegen.
Die fremde Kreatur, die ihm den Helm gereicht hatte, begann, in einer Sprache zu sprechen, die er nicht kannte. Zunächst verstand Thomas kein Wort. Doch allmählich konnte er einzelne Begriffe heraushören – die sich nach und nach zu verständlicher menschlicher Sprache formten.
„Danke dir, guter Mensch“, sagte der Fisch. „Wir befanden uns in großer Gefahr und hätten ohne deine Hilfe nicht überlebt. Mein Name ist Lumia, ich bin eine Vertreterin unserer Zivilisation. Wir sind auf euren Planeten gekommen, um ihn zu erforschen und Kontakt mit eurer Spezies aufzunehmen. Doch unser Schiff ist abgestürzt, nachdem es mit einem Meteoriten kollidiert war. Dieser Meteorit ist ganz in der Nähe eingeschlagen.
Wir sind dir zutiefst dankbar, dass du unser Leben gerettet hast, und möchten dich um deine Unterstützung bei unserer Mission bitten.“
Lumia erklärte, dass sie zur Erde gekommen seien, um ein neues Zuhause für ihr Volk zu finden. Sie berichtete, dass sie bereits mehrere Planeten untersucht hätten, aber bisher keinen geeigneten Ort zum Leben finden konnten.
Thomas war überwältigt von dem, was er hörte. Er hatte immer geglaubt, dass es irgendwo im Universum außerirdisches Leben gibt – aber niemals hätte er gedacht, selbst einem dieser Wesen gegenüberzustehen.
„Natürlich werde ich euch helfen“, sagte er. „Aber ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll. Ich bin kein Experte für den Umgang mit außerirdischen Zivilisationen.“
„ Mach dir keine Sorgen“, antwortete Lumia. „Wir werden dir helfen. Wir verfügen über Technologien, die es dir ermöglichen, unsere Sprache zu verstehen und mit uns zu kommunizieren. Darüber hinaus besitzen wir noch viele andere Kenntnisse – und wir sind bereit, dieses Wissen mit dir zu teilen.“
Das Gespräch wurde durch das Geräusch herannahender Autos unterbrochen. Thomas machte eine Handbewegung in Richtung Wasser, um den fremden Wesen zu signalisieren, dass sie sich verstecken sollten. Als sie im Wasser verschwunden waren, trat er den Ankommenden entgegen.
Es war bereits dunkel, daher war das Raumschiff, mit dem die fremden Besucher gekommen waren, kaum noch zu erkennen. Unter den Ankömmlingen befanden sich ein paar Männer, die sich besonders dreist aufführten. Einer von ihnen sprach Thomas an:
„Hey, hast du einen Meteoriten gesehen, der hier irgendwo runtergekommen ist?“
„Ja“, antwortete Thomas und zeigte in eine Richtung. „Er ist dort eingeschlagen.“
Die Männer berieten sich kurz und fuhren schließlich zu der Stelle, die Thomas ihnen genannt hatte.
Dann ging Thomas zurück ans Ufer und gab den Wesen ein Zeichen, dass sie wieder näherkommen konnten.
„Na? Wollt ihr immer noch unsere Spezies kennenlernen?“ fragte er mit einem bitteren Unterton.
„Ehrlich gesagt – eher nicht“, erwiderte der Delfin, der Akio hieß.
„ Sie werden euch einzeln in Aquarien setzen und studieren“, sagte Thomas ernst. „Und wenn sie erst einmal alles aus euch herausgeholt haben, was ihr wisst – dann ist eure Zukunft ungewiss.“
Thomas bemerkte, dass unter den Delfinen – er konnte sie beim besten Willen nicht mehr als Fische bezeichnen, dafür waren sie viel zu intelligent – Unruhe ausbrach. Sie wussten nicht, wie sie sich entscheiden sollten.
Da schlug Thomas vor:
„Lasst uns unser Gespräch auf morgen verschieben. Ich werde nachdenken – vielleicht fällt mir eine Lösung für euer Problem ein.“
Sie einigten sich darauf. Mit Thomas’ Hilfe schoben sie das Raumschiff zurück ins Wasser. Danach verabschiedeten sie sich, und Thomas machte sich auf den Heimweg.
Die Rasse der Delfine
Die Delfine lebten auf einem Planeten, auf dem es kein Land gab. Er bestand vollständig aus einem einzigen Ozean. Unter der türkisfarbenen Oberfläche des Meeres, dort, wo das Sonnenlicht die Wassermassen in tausenden tanzenden Strahlen durchdrang, erstreckte sich ein wahres Eden.
Der Beginn ihrer Geschichte auf diesem Planeten war ruhig und von Wohlstand geprägt – dank des allumfassenden Ozeans und des Überflusses an Wasser. Aufgrund ihrer Fähigkeit, sowohl mit Lungen als auch mit Kiemen zu atmen, erschufen die Delfine in den Tiefen des Ozeans eine völlig neue Zivilisation.
Sie errichteten Städte aus biolumineszierenden Korallen, pflegten Unterwassergärten, in denen die erstaunlichsten Meereswesen lebten. Sie gründeten ihre eigenen Städte und Siedlungen, gebaut aus widerstandsfähigen Materialien, die dem gewaltigen Wasserdruck standhalten konnten.
In diesen Städten entwickelten die Delfine fortschrittliche Technologien, gestützt auf ihre bemerkenswerten geistigen Fähigkeiten. Sie erschufen unterseeische Energiequellen sowie Kommunikations- und Transportsysteme, die es ihnen ermöglichten, über große Entfernungen hinweg in der Wasserwelt zu kommunizieren und sich fortzubewegen.
Diese neue Delfinzivilisation war vollkommen autark und ökologisch nachhaltig. Sie nutzten erneuerbare Energiequellen wie Gezeiten und Strömungen und entwickelten spezielle Wasserreinigungssysteme, um ihre Lebenswelt sauber zu halten.
Das Leben war gut. Eine Entdeckung folgte der nächsten, und Technologien, basierend auf ihrem einzigartigen Verständnis der Physik des Wassers und des Schalls, ermöglichten ihnen die Erschaffung erstaunlicher Dinge. Mit Hilfe ihrer Flossen, die sie wie Hände einsetzten, konnten sie Objekte manipulieren, bauen, zerlegen und komplexeste Strukturen errichten.
Anfangs war ihre Zahl gering, und die weiten, offenen Ozeane schienen unerschöpflich.
Doch im Laufe der Entwicklung ihrer Zivilisation und mit dem Aufkommen einer Technologie, die es ihnen erlaubte, Wasser in andere Materialien umzuwandeln, änderte sich vieles.
Mit jeder neuen Generation, mit jeder neuen Erfindung wuchs ihre Population. Verbesserte Gesundheitsversorgung, effiziente Nahrungsgewinnung und erstaunlich komfortable Lebensbedingungen führten zu einer Überbevölkerung. Die Delfinstädte breiteten sich aus und eroberten immer größere Gebiete.
Und so begannen die ersten, kaum wahrnehmbaren Risse in ihrer perfekten Welt zu entstehen.
Das größte Problem wurde der Wassermangel. Durch die Technologie, Wasser in andere Stoffe umzuwandeln, verringerte sich dessen Menge erheblich. Zuerst entstanden Inseln – dann ganze Kontinente. Doch auf ihnen konnten Delfine nicht leben.
Doch die Lösung des Wasserproblems war nicht die einzige Herausforderung, der sich die Delfine stellen mussten. Auch Überbevölkerung und zunehmende Bebauung wurden zu ernsten Problemen, die letztlich zur Zerstörung der natürlichen Umwelt und zur Veränderung des Ökosystems führten.
Jeder wollte besser leben. Man muss erwähnen, dass sie zwar Delfine waren, aber dennoch ein komfortables Leben liebten.
Jede Familie strebte nach mehr Raum, nach moderneren Behausungen, nach neuen „Spielzeugen“ und Geräten. Die Korallenriffe, die einst die Grundlage ihrer Häuser bildeten, wurden nun als Baumaterial genutzt – ihre natürliche Regeneration konnte mit der Geschwindigkeit der Zerstörung nicht Schritt halten. Der Meeresboden, einst reich an Algen und Nahrung, wurde von künstlichen Strukturen überzogen.
Zudem hatte der Wassermangel direkte Auswirkungen auf das Ökosystem: Die Delfine sahen sich mit dem Rückgang von Fischbeständen und anderen Meereslebewesen konfrontiert.
„Unsere Farmen liefern nicht mehr den gewohnten Ertrag“, klagten die Nahrungsversorger. „Das Sonnenlicht dringt nicht mehr durch die dichte Bebauung.“
Die alten Wanderwege der Fische wurden blockiert. Selbst recycelte Abfälle veränderten die chemische Zusammensetzung des Wassers, das einst so rein gewesen war. Das empfindliche, vernetzte Gleichgewicht des Ozeans begann zu kippen. Einige Fischarten, Algen und wirbellose Tiere, die einst Grundlage der Nahrungskette und Quelle der Schönheit ihrer Welt gewesen waren, verschwanden. Andere, widerstandsfähigere Arten gediehen – und störten das natürliche Gleichgewicht.
Die Geräusche der wachsenden Städte, Maschinen und Anlagen überlagerten die einst klaren sonarischen Landschaften des Meeres. Sie beeinflussten Wale und andere Meerestiere, die auf Schall zur Orientierung angewiesen waren.
Jede neue Entscheidung, die darauf abzielte, das Leben eines einzelnen Delfins, einer Familie oder einer Stadt zu verbessern, verschlechterte das Leben des Kollektivs. Sie wurden zu Gefangenen ihres eigenen Erfolges. Und obwohl jeder ein besseres Leben wollte, führte dieses Verlangen – millionenfach multipliziert – sie an den Rand des Abgrunds.
Der Ozean, ihr Heim, der einst grenzenlos erschien, begann unter dem Gewicht ihrer Ambitionen zu schrumpfen. Das Unterwasser-Eden verwandelte sich langsam, aber unaufhaltsam in eine überbevölkerte, ausgezehrte Welt, in der nur noch leise Echos der einstigen Harmonie zu hören waren.
Die Delfine, die auf dem Ozeanplaneten lebten, hatten ihren Lebensraum an einen kritischen Punkt geführt. Trotz aller Bemühungen um den Erhalt des Ökosystems begannen Klimaveränderungen, Wasserverschmutzung und andere negative Einflüsse, ihre Existenz ernsthaft zu bedrohen.
Als die Unterwasserwelt der intelligenten Delfine – einst grenzenlos erscheinend – unter dem Druck von Überbevölkerung, Wassermangel und Umweltzerstörung zu schrumpfen begann, wurde ihre Gesellschaft, die auf den ersten Blick so harmonisch wirkte, von tiefgreifenden sozialen und politischen Erschütterungen erfasst.
Das Eden, das sie so mühsam errichtet hatten, bekam Risse – und diese führten zu beispiellosen Veränderungen in ihrer Kultur und Regierungsstruktur.
Ursprünglich war die delfinische Gesellschaft stark gemeinschaftlich geprägt, mit tiefen familiären Bindungen und einem ausgeprägten Sinn für kollektive Verantwortung. Doch mit dem Bevölkerungswachstum und der zunehmenden Ressourcenknappheit begann dieser Gemeinschaftsgeist zu schwinden. Jeder Delfin, jede Familie konzentrierte sich zunehmend auf das eigene Überleben und die Verbesserung der eigenen Lebensverhältnisse – was zu wachsendem Individualismus und Konkurrenz um Lebensraum, Nahrung und sauberes Wasser führte.
Der Zugang zu sauberem Wasser und weniger zerstörten Lebensräumen wurde zu einem Privileg. Eine soziale Schichtung entstand. Diejenigen, die Zugang zu effektiveren Entsalzungstechnologien oder zu noch unberührten Gebieten hatten, bildeten eine neue Elite. Gleichzeitig entstanden „niedere Kasten“ – Delfine, die gezwungen waren, in überbevölkerten, verschmutzten Regionen mit eingeschränktem Ressourcenzugang zu leben. Neid und Unzufriedenheit wuchsen.
Der Ressourcenmangel führte unweigerlich zu vermehrter Aggression und inneren Konflikten. Auseinandersetzungen um Territorien, Nahrung oder Wasserreinigungstechnologien wurden häufiger. Ihre natürliche Verspieltheit und Freundlichkeit wichen einem Überlebensinstinkt.
Die Delfine – bekannt für ihren hohen Intellekt und ihre emotionale Tiefe – litten stark unter der Zerstörung ihres Zuhauses. Das Verschwinden vertrauter Arten, die Verschlechterung der Wasserqualität, der permanente Lärm ihrer eigenen Städte – all dies führte zu psychischem Druck, Stress und sogar Depressionen bei einigen Individuen. Ihre Lieder wurden trauriger, ihre Spiele seltener.
Die Werte der Gesellschaft verschoben sich – von Erkenntnis und Harmonie hin zu Überleben und Anhäufung. Der Wunsch, „besser zu leben“, bedeutete nun „mehr zu besitzen“, nicht „im Einklang zu sein“.
Erkennend, dass sie unter diesen Bedingungen nicht würden überleben können, trafen die Delfine eine weitreichende Entscheidung: Sie beschlossen, ihren Heimatplaneten zu verlassen und sich auf die Suche nach einer neuen Welt zu machen.
Mithilfe ihrer fortschrittlichen Technologie und durch intensive Zusammenarbeit entwickelten sie spezielle Raumfahrzeuge, die auf das Leben im All zugeschnitten waren und ihnen ermöglichten, fremde Planeten zu erkunden.
Mit großem Schmerz verließen die Delfine ihren Heimatplaneten – den Ozeanplaneten – und begaben sich auf eine lange Reise durch das Weltall. Sie durchquerten verschiedene Sternensysteme und erforschten zahlreiche Planeten auf der Suche nach einem Ort, an dem sie eine neue Heimat finden und eine neue Zivilisation gründen konnten.
Auf ihren Reisen nutzten sie sogenannte „Wurmlöcher“, die es ihnen ermöglichten, innerhalb eines einzigen Lebens viele Welten zu erkunden.
Nach vielen Jahren des Reisens entdeckten die Delfine schließlich einen Planeten, der ihren Bedürfnissen entsprach. Er besaß weite Ozeane, die ihren früheren Heimatmeeren erstaunlich ähnlich waren.
Zu diesen Delfinen gehörten auch unsere Helden. Die Besatzung bestand aus zwei männlichen und zwei weiblichen Individuen.
Ursprünglich wollten sie unseren Planeten lediglich beobachten und untersuchen. Doch eine Kollision mit einem Meteoriten zwang sie, ihre Pläne zu ändern.
So landeten sie – mit einigen Errungenschaften ihrer Zivilisation und ein paar Robotern – schließlich auf der Erde.
Von all dem berichteten sie Thomas bei ihrem nächsten Treffen mit ihm.
Der Morgen war klar, doch für Thomas hatte er lange vor Sonnenaufgang begonnen. Die ganze Nacht hindurch, während die Welt schlief, hatte er eine enorme Arbeit geleistet. Auf den digitalen Karten der Erde pulsierten komplexe Algorithmen, die Terabytes an Daten durchsuchten. Er suchte nicht einfach nach einem Stück Ozean – er suchte nach einem Zuhause. Einem Zuhause für intelligente Delfine, deren Welt langsam unter dem Druck ihres eigenen Fortschritts zerbrach.
Die Aufgabe war außergewöhnlich schwierig. Der Ort musste abgelegen sein, fern von neugierigen Blicken, um die Existenz der Delfine und ihre erstaunlichen Anpassungen geheim zu halten. Er musste über variierende Tiefen verfügen, die sowohl ihre Bedürfnisse nach tiefseetauglicher Forschung als auch nach sonnendurchfluteten Flachwassergärten erfüllten. Und vor allem musste es dort einen kleinen Unterwasserberg geben – eine natürliche Struktur, groß und stabil genug, um als Fundament für ihre zukünftigen Städte zu dienen, ohne das fragile Ökosystem zu zerstören.
Seine Suche führte ihn nach Süden. Weit südlich der Azoren, in den weiten, unerforschten Gebieten des Atlantischen Ozeans, entdeckten Thomas’ Algorithmen den perfekten Kandidaten: eine Region, in der tektonische Platten eine einzigartige Unterwasserlandschaft geformt hatten.
Am nächsten Tag, wie versprochen, traf Thomas sich mit den Delfinen. Über Nacht hatte er die aufwendige Suche nach einem geeigneten Siedlungsort abgeschlossen.
Als Thomas die Vertreter der Delfingemeinschaft traf, erkannte er in ihren Augen dieselbe Erschöpfung und Unruhe, die er aus eigener Erfahrung kannte. Die Delfine – mit ihren tiefgründigen, weisen Blicken – waren alle gekommen, um ihm zuzuhören. Sie wussten, dass er der Einzige war, der ihnen helfen konnte.
„Ich habe ihn gefunden“, sagte Thomas mit ruhiger, aber entschlossener Stimme. „Ein Ort, an dem ihr neu beginnen könnt. Versteckt vor menschlichen Schiffen, mit Tiefen von mehreren tausend Metern bis hin zu sonnendurchfluteten Flachzonen – ideal für all eure Bedürfnisse.“
Er zeigte auf eine Stelle auf der Karte. „Hier, im Herzen dieser Region, befindet sich ein Unterwasserberg. Groß genug, um das Fundament eurer neuen Stadt zu werden. Seine Hänge sind mit unberührten Riffen bedeckt, und im Inneren gibt es Höhlensysteme, die wir zum Schutz nutzen können.“
Die Delfine hörten aufmerksam zu. Ihre Klick- und Pfeiflaute, sonst lebendig und verspielter Natur, waren nun von ernster Stille durchzogen – ein Zeichen der Bedeutung des Moments. Sie stellten Fragen – über Meeresströmungen, über Nahrungsvorkommen, über die Anpassung ihrer Technologie. Thomas beantwortete jede Frage mithilfe der Daten und Vorhersagen, die seine KI-Systeme in Echtzeit lieferten.
In den Augen der Delfine flackerte ein Funke Hoffnung auf. Die Erschöpfung war nicht verschwunden, aber sie wurde nun von einem neuen Gefühl begleitet – dem Glauben an die Zukunft. Thomas wurde nun zum Retter einer anderen intelligenten Zivilisation. Es war nicht nur ein Versprechen – es war das Fundament eines neuen, geheimen Bündnisses, das das Schicksal nicht nur der Delfine, sondern des gesamten Ozeans verändern konnte.
Thomas’ Vorschlag war ein Lichtstrahl in der wachsenden Dunkelheit für die intelligenten Delfine. Als er seine Schilderung über das neue, verborgene Eden südlich der Azoren beendet hatte, herrschte Stille im Unterwassersaal. Keine Stille des Zweifels – sondern die des tiefen Nachdenkens.
Als Erster antwortete Akio, dessen Haut von den Spuren langer Jahre und zahlloser Reisen gezeichnet war. Er gab eine Reihe komplexer, melodischer Klicklaute und Pfeiftöne von sich – eine Sprache, die Thomas dank des von den Delfinen zur Verfügung gestellten Helms verstehen konnte.
„ Thomas“, erklang es in seinen Gedanken, vom Helm übersetzt, „du bietest uns nicht einfach nur ein Gebiet an. Du bietest uns eine zweite Chance. Eine Chance, die Fehler zu korrigieren, die wir in unserem Streben nach einem besseren Leben gemacht haben.“
Thomas’ Vorschlag war ein Rettungsanker. Die Delfine waren ihm tief dankbar – nicht nur als mächtigem Verbündeten, sondern als jemandem, der ihre verzweifelte Lage wirklich verstand.
Anpassungsfähig wie sie waren, zeigten die Delfine eine bemerkenswerte Bereitschaft zur Veränderung. In ihren Augen lag Entschlossenheit – der Wille, diesen Moment zu nutzen, um ein nachhaltigeres und harmonischeres Miteinander mit dem Ozean zu schaffen.
Dieser Akt des guten Willens festigte ihr Vertrauen in Thomas auf bisher nie dagewesene Weise. Er zeigte, dass er sie nicht nur als Forschungsobjekt oder Instrument sah, sondern als eine intelligente Zivilisation, die es wert war, gerettet zu werden. Das wurde zur Grundlage eines noch tiefergehenden und stabileren Bündnisses, das sich nun über gemeinsame Gefahren hinaus auf den gemeinsamen Aufbau der Zukunft erstreckte.
„Wir nehmen dein Angebot an, Thomas“, erklang Akios Stimme, gefolgt von einem Chor zustimmender Echolote. „Wir sind bereit, dir an diesen neuen Ort zu folgen. Neues Wasser, neuer Grund, neuer Anfang.“
Thomas sagte, er könne ihnen zeigen, wo dieser Ort sei – aber er habe kein Mittel, um selbst dorthin zu reisen. Ehrlich gesagt, wollte er auch gar nicht wirklich dorthin schwimmen. Darauf fragte Akio:
„ Habt ihr denn kein Navigationssystem?“
„Doch“, antwortete Thomas. Er holte sein Mobiltelefon hervor und übermittelte ihnen die Koordinaten des Ortes. Gleichzeitig zeigte er ihnen die Stelle auf der Karte. Die Delfine freuten sich – doch Thomas dämpfte ihre Euphorie: Für jeden Ort müsse ein Preis gezahlt werden.
Als die Delfine hörten, dass der Ort etwas koste, waren sie sichtlich irritiert. Sie verfügten über keine festen Einkommensquellen und wussten nicht, wie sie diesen Ort bezahlen sollten. Thomas bemerkte ihre Besorgnis und erklärte, dass es Wege gebe, Geld zu beschaffen.
„Wenn ihr euch auf den Weg zu dem Ort macht, haltet die Augen offen“, sagte Thomas mit einem kleinen Schmunzeln. „Vielleicht findet ihr ja ein versunkenes Schiff mit einem Schatz.“
Die Delfine richteten sich auf. Ihre Körperbewegungen wurden lebhafter, die Klicklaute verspielter – als hätte jemand einen Funken in ihrer erschöpften Seele entzündet. Noch war nicht alles verloren.
Thomas überreichte ihnen das Mobiltelefon, das er an diesem Morgen registriert hatte. Geduldig zeigte er ihnen, wie man es bediente – wie man Karten aufrief, Nachrichten verschickte, Standortdaten übermittelte. „Das Gerät funktioniert nur in der Nähe großer Schiffe“, erklärte er, „weil dort Internet- und Mobilfunkverbindung besteht.“
Die Delfine waren begeistert von diesem Geschenk. Mit überraschender Geschicklichkeit verstauten sie das Telefon in einem wasserdichten Behälter. Und als Thomas fragte, wie sie es überhaupt aufladen wollten, winkte Akio ab.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte er. „Wir besitzen ein Gerät, das elektrische Energie aus Licht gewinnt. Selbst in großer Tiefe können wir es nutzen.“
Thomas hob eine Augenbraue, sagte aber nichts. Das klang fast zu fortschrittlich, um wahr zu sein – doch bei den Delfinen überraschte ihn längst nichts mehr. Sie verabschiedeten sich, und man einigte sich auf das weitere Vorgehen.
Während die Delfine sich nun auf den Weg machten, um ihr zukünftiges Zuhause genauer zu untersuchen – in leichter Formation, um möglichst viel Meeresboden nach verborgenen Schätzen abzusuchen –, nahm Thomas seine eigene Mission in Angriff.
Er musste herausfinden, wo und wie man überhaupt ein Stück Ozean „kaufen“ konnte – wenn so etwas überhaupt möglich war. Die Vorstellung, Eigentum im offenen Meer zu erwerben, erschien ihm absurd und diffus, doch er hatte keine Wahl. Wenn der Plan funktionieren sollte, brauchte er eine rechtliche Grundlage.
Nachdem das getarnte Schiff verlassen worden war, schwammen die Delfine davon, leise und zielgerichtet, bereit für ihre Aufgabe. Thomas blickte ihnen kurz nach, dann atmete er tief durch und öffnete die Suchfunktion seines eigenen Handys.
„Wie kauft man ein Stück Meer?“ , murmelte er halblaut und tippte die Worte ein.
Was er fand, war noch verwirrender, als er erwartet hatte.
Begegnung
In gehobener Stimmung machte er sich auf den Weg – auf die Suche, doch wonach, wusste er selbst nicht so genau. Er hatte in letzter Zeit viel über das Universum gelernt, über außerirdische Spezies, und begann, sein eigenes Leben mit einem neuen, umfassenderen Blick zu betrachten. Der Tag neigte sich dem Abend zu. Thomas rief bei der Arbeit an und erklärte, dass er kündige.
Die Reaktion seines Chefs ließ nicht lange auf sich warten – überrascht versuchte dieser, ihn umzustimmen, versprach sogar eine Gehaltserhöhung. Doch Thomas blieb standhaft. Zum Schluss fragte der Chef spöttisch, von wem er denn künftig die Ideen klauen solle. Er drohte ihm, dass er drei Monate lang kein Arbeitslosengeld erhalten werde. Thomas lachte nur – er hatte Rücklagen genug, um diese Zeit zu überbrücken.
Am nächsten Morgen kündigte nichts Ungewöhnliches an. Thomas war auf dem Weg zu einem Gespräch, das ihm seit Tagen im Kopf herumschwirrte. Seine Gedanken kreisten um eine schwierige Entscheidung, um eine Situation, die wie ein auswegloses Labyrinth erschien. Als er sich der Tür näherte, spielte er im Geiste verschiedene Szenarien durch – da wurde sie plötzlich und ruckartig aufgerissen.
Wie ein Wirbel traf ihn eine Frau, die aus dem Büro stürmte. Der Aufprall kam unerwartet. Thomas taumelte zurück, überrumpelt von dem Zusammenstoß. Vor ihm stand eine attraktive, natürliche Brünette um die dreißig, mit weit aufgerissenen Augen voller Überraschung.
Der Schock verflog rasch, und Thomas fing sich. „Entschuldigung! Das war ganz meine Schuld, ich habe nicht aufgepasst...“, begann er sich hastig zu entschuldigen, etwas verlegen.
Auch die Frau hatte sich schnell gefasst. „Oh nein, ich war unachtsam. Ich habe Sie nicht gesehen“, erwiderte sie und rückte ihre Tasche zurecht. „Ist alles in Ordnung? Lassen Sie uns nachsehen, ob nichts beschädigt wurde.“ Beide begannen, sich selbst und ihre Sachen zu überprüfen.
Thomas strich sich über die Stirn und spürte ein leichtes Brennen. An seinen Fingern klebte ein Tropfen Blut. „Nur eine kleine Schramme“, meinte er und winkte ab. „Nicht schlimm, halb so wild.“
Die Brünette verzog das Gesicht vor Sorge. „Das muss behandelt werden! Ich habe zwar ein kleines Notfallset, aber besser, wir holen ein Pflaster aus der Apotheke.“ Ihre Stimme war fürsorglich, fast bestimmt. „Kommen Sie, ich begleite Sie.“
Thomas war etwas überrascht über die plötzliche Wendung, doch das warme Mitgefühl in ihrer Stimme rührte ihn. „Danke. Das ist wirklich nett von Ihnen.“
Sie gingen gemeinsam die Straße entlang, in Richtung nächster Apotheke. Die anfängliche Verlegenheit wich einem leichten, lockeren Gespräch.
„Ich heiße Thomas“, stellte er sich vor.
„Helena“, erwiderte sie mit einem freundlichen Lächeln. „Ich arbeite hier ganz in der Nähe – in einer Anwaltskanzlei.“
Thomas war angenehm überrascht. „Tatsächlich? Ich bin auch aus der Gegend. Vielleicht haben wir sogar gemeinsame Bekannte.“
Das Gespräch verlief leicht und ungezwungen. Schnell entdeckten sie gemeinsame Interessen – nicht nur beruflich, sondern auch in Literatur, Kunst und Weltanschauung. Mit jedem Schritt rückten sie nicht nur der Apotheke näher, sondern auch einander.
In der Apotheke kauften sie rasch das Nötige. Draußen auf dem Gehweg nahm Helena mit ruhiger, sicherer Hand das Pflaster und klebte es auf die Wunde an Thomas’ Stirn. Ihre Berührung war sanft und aufmerksam.
„Vielen Dank, Helena. Sie haben mir wirklich geholfen“, sagte Thomas ehrlich. Er wollte nicht, dass diese Begegnung so abrupt endete, also fragte er: „Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen? Gleich um die Ecke ist ein kleines Café. Wir könnten unser Gespräch fortsetzen.“
Helena zögerte keine Sekunde. „Gern, Thomas.“
Den Rest des Abends verbrachten sie in einem gemütlichen Café am Fenster. Die Stunden vergingen wie im Flug. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt, lernten einander immer besser kennen.
Aus einer zufälligen, beinahe unbeholfenen Begegnung entstand etwas Neues – etwas mit Versprechen.
Thomas vergaß all seine morgendlichen Sorgen, die anstehende Besprechung, die schwierige Entscheidung. In diesem Moment zählte nur eines – diese unerwartete Begegnung mit einer faszinierenden Frau, die plötzlich in sein Leben getreten war.
So wurde ein zufälliges Zusammenstoßen zum Anfang eines besonderen Kennenlernens. Und die kleine Schramme auf der Stirn war nichts im Vergleich zu dem, was sie füreinander entdeckten.
Die Reise
Die Reise der Delfine zu ihrem neuen Zuhause, das ihnen Thomas südlich der Azoren versprochen hatte, war lang und von gespannter Erwartung begleitet. Unter der Führung von Akio, der sich an kaum wahrnehmbaren Magnetfeldern der Erde orientieren konnte, schwammen sie zielgerichtet durch die Weiten des Ozeans. In gleichmäßigem Abstand zueinander durchquerten sie die offenen Wasserflächen – jedes Tier getragen von Hoffnung, aber auch vom Schatten der Verluste, die hinter ihnen lagen.
Trotz des weiten Weges unterbrachen die Delfine ihre Forschungen nicht. Sie untersuchten den Meeresboden, scannten jede Unebenheit, jede Spalte, als suchten sie nach Echos der Vergangenheit oder Vorboten einer neuen Zukunft. Es war ihre natürliche Neugier, verbunden mit dem uralten Instinkt von Sammlern und Hütern des Ozeans.
Am dritten Tag ihrer Reise, als die weiten Wasserflächen um sie herum monoton und leer erschienen und manche bereits die Hoffnung auf einen Fund verloren hatten, empfingen ihre hochempfindlichen Echolote ein ungewöhnliches Echo. Tief unter ihnen, fernab jeder bekannten Schifffahrtsroute oder Küste, lag etwas Massives – etwas Anomales.
Sie änderten den Kurs und tauchten entschlossen in die blaue Tiefe hinab. Das Wasser wurde kälter, das Licht schwächer, bis es schließlich ganz verschwand und dem Dämmerlicht der Tiefe wich. Und dann, wie aus dem Nichts, tauchte eine Silhouette vor ihnen auf.
Es war das Wrack eines alten Schiffes, das auf beachtlicher Tiefe ruhte, wo niemals Sonnenstrahlen hingelangen. Mit Algen und tiefseetypischen Organismen überwuchert, war es doch noch klar erkennbar: massive Holzbalken, klaffende Öffnungen, wo einst Decks und Laderäume gewesen waren.
Akio gab das Signal zum Halt. Diese Entdeckung war selten – und völlig unerwartet, so weit vom Festland entfernt. Vorsichtig und mit erstaunlicher Gewandtheit begannen die Delfine, das Wrack zu untersuchen. Mit ihren fein entwickelten Greiforganen, dort wo einst Flossen gewesen waren, durchsuchten sie enge Gänge, schoben Sedimente zur Seite, tasteten mit ihren Echoloten durch Trümmer und Schlamm.
Was sie fanden, übertraf ihre kühnsten Erwartungen. In den Laderäumen, unter einer dicken Schicht aus Sand, Schutt und Zeit, lag ein Schatz aus einer anderen Ära. Die Echolote meldeten deutlich: hohe Dichte, metallischer Kern, teilweise reflektierende Oberflächen. Gold. Viel Gold – in Barren, Münzen, schweren Schmuckstücken. Neben dem Edelmetall lagen Edelsteine, filigrane Keramiken, zerfallene Stoffreste, die einst zu prunkvollen Gewändern gehörten.
Die Aufregung unter den Delfinen war groß. Dieses Fundstück war mehr als nur ein historisches Artefakt – es war eine Verbindung zur menschlichen Welt von einst. Ein Geschenk der Tiefe. Etwas, das ihnen erlauben würde, den Neuanfang nicht nur symbolisch, sondern auch materiell zu gestalten.
Und es war auch eine Gelegenheit zur Dankbarkeit. Thomas – ihr verlässlicher Verbündeter – hatte sie all die Monate unterstützt, geholfen, ihre finanziellen Nöte zu überbrücken. Und jetzt hatten sie endlich eine echte, greifbare Lösung gefunden.
Die Freude unter ihnen war spürbar. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlten sie sich nicht nur als Überlebende, sondern als Gestalter ihres eigenen Schicksals. Sie waren stolz auf sich, auf ihre Geduld, auf ihre Fähigkeiten – und auf ihre Unabhängigkeit.
Natürlich mussten sie das mit Thomas teilen. Nicht nur aus Dankbarkeit – sie brauchten ihn auch: für die Bergung, für die Vermittlung, für den Verkauf. Mit diesem Fund würden ihre Träume von einem neuen, sicheren Heim greifbare Gestalt annehmen.
Sie sammelten sich, diskutierten kurz, ob sie Thomas sofort kontaktieren oder erst den Rückweg abwarten sollten. Schließlich entschieden sie sich, später anzurufen – der Schatz hatte Jahrhunderte dort gelegen, ein paar Tage mehr würden keinen Unterschied machen.
Sie speicherten die genauen Koordinaten des Fundorts, warfen einen letzten Blick auf das verborgene Vermächtnis der Vergangenheit und setzten ihren Weg fort – entschlossener denn je, ihren neuen Lebensraum zu erreichen.
Helena und Thomas
Währenddessen klopfte Thomas an die Türen verschiedenster Institutionen. Wer hätte gedacht, dass es so viele davon gibt? Zum Beispiel setzt die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) Standards für die Sicherheit der Seefahrt und den Schutz der Meeresumwelt in internationalen Gewässern und entwickelt Vorschriften und Leitlinien für das Management maritimer Aktivitäten. Ein weiteres Beispiel ist die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR), die den Fischfang in südlichen Gewässern reguliert und Schutzgebiete verwaltet. Außerdem gibt es internationale Abkommen zum Schutz von Meerestieren, wie etwa das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES), das den internationalen Handel mit gefährdeten Wildtieren und -pflanzen regelt, einschließlich bestimmter Meeresarten. Allein die Aufzählung dieser Organisationen war für Thomas schon eine Zumutung.
Da erinnerte er sich an Helena – sie arbeitete schließlich in einer Anwaltskanzlei. Ihre Beziehung entwickelte sich rasch, was angesichts ihres Alters nicht verwunderlich war. Jeder neue Tag stärkte ihre Bindung. Sie wurden unzertrennlich, verbrachten jede freie Minute miteinander, teilten Gedanken, Träume und Pläne. In schwierigen Momenten unterstützten sie einander, in glücklichen feierten sie gemeinsam ihre Erfolge.
Thomas besuchte Helena oft in ihrer Kanzlei, um sie während der Arbeit zu sehen. Er brachte ihr Blumen oder kleine Geschenke mit, um ihr seine Zuneigung zu zeigen und sie zu unterstützen. Helena bewunderte seine Fürsorglichkeit und seine Aufmerksamkeit.
Die gemeinsamen Abende erfüllten sie mit Glück. Sie tauschten Zärtlichkeiten aus und kümmerten sich umeinander. Ihre Beziehung wurde immer inniger, und sie begannen, die Nächte gemeinsam zu verbringen – ein neuer und intimer Abschnitt, der ihre Verbindung nur vertiefte. Obwohl alles schnell ging, waren sich beide ihrer Gefühle sicher. Sie hatten das Gefühl, in einander endlich gefunden zu haben, wonach sie so lange gesucht hatten – und wollten keine Zeit mehr verlieren.
Manchmal dachte Helena über die Zukunft nach – angesichts ihrer beruflichen Verpflichtungen und Verantwortungen. Doch sie glaubte an die Kraft ihrer Liebe zu Thomas und war überzeugt, dass sie gemeinsam Lösungen finden und jede Herausforderung meistern könnten.
So bauten Thomas und Helena weiter an ihrer Beziehung – voller Liebe, Fürsorge und gegenseitigem Verständnis. Sie wussten, dass der gemeinsame Weg nicht immer einfach sein würde, aber sie waren bereit, ihn gemeinsam zu gehen – Hand in Hand, mit gegenseitiger Unterstützung, auf dem Weg zu einer glücklichen Zukunft.
Mit jedem Tag rückten sie näher zusammen. Sie genossen die einfachen Dinge: gemeinsame Spaziergänge, Restaurantbesuche oder ruhige Abende zu Hause.
Sie begannen, einander ihre Träume und Ambitionen anzuvertrauen. Thomas unterstützte Helenas berufliche Ziele, während Helena ihn in all seinen Vorhaben bestärkte. Sie wurden zu einer tragenden Säule im Leben des jeweils anderen, gaben sich Kraft und Motivation.
In ihrer Nähe fühlten sie sich geborgen und verstanden. Sie tauschten Geheimnisse aus, schmiedeten Zukunftspläne und arbeiteten auf gemeinsame Ziele hin. Ihre Beziehung war echt und aufrichtig – sie waren bereit, Verantwortung füreinander zu übernehmen.
Obwohl sich alles rasch entwickelte, fanden sie ein gesundes Gleichgewicht zwischen Nähe und gegenseitigem Respekt. Sie sprachen offen über Erwartungen und Grenzen, damit beide sich wohl und sicher fühlten.
Thomas und Helena wussten, dass das Leben unvorhersehbar sein kann, doch sie waren entschlossen, jeder Herausforderung gemeinsam zu begegnen. Sie glaubten an die Stärke ihrer Liebe und blickten zuversichtlich in die Zukunft.
Helena wunderte sich manchmal darüber, dass Thomas scheinbar keiner Arbeit nachging, aber dennoch – wenn auch bescheiden – über Geld verfügte. Dass er ein Versager sei oder etwas Ähnliches, stand nie zur Debatte. Mit ihm fühlte sie sich wohl und frei.
Einmal, als sie ihn besuchte, fragte er sie:
„Ein Bekannter von mir möchte einen Ort im Ozean kaufen. Weißt du, welche Dokumente er dafür braucht?“
Sie lachte:
„Dein Freund scheint völlig verrückt zu sein. Ein Inselkauf wäre vielleicht noch nachvollziehbar – aber ein Ort im offenen Meer?“
Als er dann nach den notwendigen Dokumenten fragte, antwortete sie prompt. Auf die Frage nach den Kosten erklärte sie, dass das vom genauen Ort und dessen Beschaffenheit abhänge. Thomas war sofort erleichtert – er hatte mit viel mehr Bürokratie gerechnet.
„Könntest du dich um diese Angelegenheit kümmern?“ fragte er.
„Wenn dein Freund ein paar Tausend Euro übrig hat – warum nicht?“ antwortete sie schmunzelnd.
Thomas war überglücklich. So lange hatte er nach einer Möglichkeit gesucht – und sie war die ganze Zeit so nah gewesen.
Sie beschlossen, im Park spazieren zu gehen. Thomas hielt Helenas Hand, und sie spürte die Wärme und Liebe, die von ihm ausging. Den ganzen Tag verbrachten sie miteinander – lachend, plaudernd und die schöne Witterung genießend. Helena spürte, dass dieser Tag für Thomas von besonderer Bedeutung war. Er gab sich alle Mühe, sie glücklich zu machen. Er sah ihr in die Augen, lächelte – und schuf einen unvergesslichen Tag.
Spät abends, zurück zu Hause, hatte Thomas ein romantisches Abendessen bei Kerzenschein vorbereitet. Der Tisch war mit Rosen geschmückt, die Stimmung voller Zärtlichkeit. Helena war tief beeindruckt von seiner Fürsorge und Hingabe. Sie genossen das köstliche Essen, verloren sich in Gesprächen und Stille.
Als der Mond ihr Schlafzimmer in silbernes Licht tauchte, nahm Thomas Helenas Hand und sprach von seinen Gefühlen. Er sagte die Worte der Liebe, auf die sie so lange gewartet hatte. Sie umarmten sich, küssten sich – und in diesem Moment wusste Helena, dass sie mit diesem Mann den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Er hielt sie fest in seinen Armen – dieser Abend würde beiden ewig in Erinnerung bleiben.
Am nächsten Morgen wachte sie auf – Thomas hatte bereits ein herrliches Frühstück zubereitet. In der Zwischenzeit hatte sie geduscht und sich angezogen. Sie fragte sich, warum Thomas heute so besonders liebevoll war. Natürlich hatte er ihr auch früher Aufmerksamkeit geschenkt – aber heute war es anders, außergewöhnlich.
Die Entdeckung
Die Reise der Delfine zu dem von Thomas versprochenen Zufluchtsort ging weiter. Täglich tasteten ihre Sonare die bodenlosen Tiefen ab, ihre Augen suchten nach Zeichen neuen Lebens oder Echos der Vergangenheit. Manchmal begegneten sie Müll – Geister der menschlichen Welt: versunkene Netze, Plastikfragmente, verrostete Überreste einst komplexer Maschinen. Doch all das war nichts im Vergleich zu ihrer Heimatwelt, wo ihre eigenen Städte die Ozeane erstickten und jede Ecke von den Spuren ihres Konsums übersät war. Das Gefühl von Weite und relativer Reinheit des Ozeans schenkte ihnen fragile Hoffnung.
Eines Tages, bei einer weiteren Sonarsuche, fingen sie bekannte, aber verzerrte Signale auf. Sie schwammen dem Klang entgegen und trafen auf eine kleine Gruppe Delfine. Doch diese sahen merkwürdig aus: Ihre Bewegungen waren unkoordiniert, ihre Färbung matt, und sie besaßen keine armähnlichen Flossen, wie sie bei den intelligenten Delfinen üblich waren. Es waren gewöhnliche, wilde Artgenossen – entweder Nachkommen abtrünniger Gruppen oder durch Verschmutzung mutierte Individuen, eine Begegnung, die für die zivilisierten Delfine einen tiefen Schock darstellte.
Von Neugier und einem Gefühl der Verwandtschaft getrieben, näherten sich die intelligenten Delfine langsam, sendeten Klicklaute und Pfeifsignale zur Begrüßung. Doch ihre Absicht wurde kalt aufgenommen. Die wilden Delfine formierten sich sofort zu einer dichten Gruppe, gaben schrille Warnlaute von sich und kreisten bedrohlich um die Ankömmlinge. Es war eine schmerzliche Erinnerung daran, wie weit sie sich von ihren wilden Verwandten entfernt hatten – und wie feindlich die Welt außerhalb ihrer hochorganisierten Städte sein konnte. Die Delfine zogen sich zurück und vermieden einen Konflikt.
Nach vielen Tagen erreichten sie schließlich das Ziel, das Thomas ihnen genannt hatte. Sie erwarteten, dort einen kleinen Unterwasserfelsen zu finden – einen natürlichen Ankerpunkt für ihr neues Heim. Ihre Sonare begannen bereits, nach Riffen und Steilwänden zu suchen.
Doch was sie entdeckten, übertraf jede Vorstellung. Anstelle eines Felsens erhob sich unter Wasser eine kleine Insel – eine natürliche Formation, die etwa eineinhalb Meter über den Meeresspiegel hinausragte und perfekten Schutz bot. Ihre Hänge waren von unberührten Riffen bedeckt, und in ihrem Inneren befanden sich Hohlräume, die sich als Versteck eigneten. Das Wasser um die Insel war kristallklar.
Es war kein künstliches Konstrukt, sondern ein Geschenk der Natur – genau so, wie Thomas es beschrieben hatte. Die Größe, das Umfeld, die Tiefen – alles passte perfekt zu den Bedürfnissen der Delfine. Es war nicht nur ein Versteck, sie hatten ein neues Zuhause gefunden. Hoffnung hatte hier Gestalt angenommen.
Trotz aller Vorsicht entschieden sie sich, die Insel zu erkunden. Sie waren klug und ausgebildet und wollten wissen, womit sie es zu tun hatten. Sie tauchten hinab und entdeckten zahlreiche seltsame Kreaturen – Meeresnattern, Krebse und Fischarten, die ihnen bisher unbekannt waren. Sie fotografierten alles, um es später an Thomas zu senden.
Nach einer kurzen Pause machten sie sich auf den Rückweg. Als sie ein Kreuzfahrtschiff sahen, schwammen sie parallel dazu und riefen Thomas an. Sie schickten ihm die Fotos der Insel und sagten ihm, dass sie ihn dort erwarten würden, wo sie den Schatz gefunden hatten.
Thomas konnte nicht stillsitzen. Er lief in seiner Wohnung auf und ab. Sein sonst so präzise arbeitender Verstand war von Sorgen übermannt. Das Problem mit den Delfinen – diesen bemerkenswerten intelligenten Wesen – spitzte sich zu. Er hatte ihnen ein neues Zuhause versprochen. Aber woher nehmen? Und vor allem: woher das Geld?
Seine Gedanken überschlugen sich. Selbst wenn er es schaffen würde, ein Land oder eine internationale Organisation zu überreden, ihm ein Stück Ozean zu verkaufen – genug für eine sichere Umsiedlung – wäre das unbezahlbar. Und ein ganzer Inselkomplex, mit all den notwendigen Tiefen und Verstecken? Unvorstellbar. Solche Kosten für das Verstecken einer ganzen Zivilisation lagen jenseits aller Vernunft.
In diesem Moment klingelte sein Telefon. Auf dem Display erschien Akios Name. Thomas nahm sofort ab, sein Herz klopfte heftig.
„Thomas“, erklang Akios Stimme durch den Übersetzer, melodisch und ruhig. „Wir haben sie gefunden. Die Insel. Sie wartet auf uns.“ Dann brach die Verbindung ab.
Dieser Anruf ließ Thomas' Stimmung in die Höhe schnellen. Das scheinbar aussichtslose Dilemma hatte sich wie durch ein Wunder gelöst. Nicht nur hatten sie einen idealen, natürlichen Zufluchtsort entdeckt – was schon unglaublich war –, sondern auch den Schatz, der die finanziellen Probleme lösen konnte. Die Geldfrage war vom Tisch. Es war, als stünde das Universum auf seiner Seite.
Am nächsten Tag ging er einkaufen. Er kaufte sich einen teuren Anzug und eine neue Krawatte. Dann rief er Helena an und fragte, ob sie Zeit habe. „Worum geht’s?“ wollte sie wissen. „Erinnerst du dich an den Mann, der einen Teil des Ozeans kaufen wollte?“
„ Ja, klar“, antwortete sie.
„Er kommt jetzt zu dir.“
Helena gab ihm einen Termin und fragte noch: „Woran erkenne ich ihn?“ „Du wirst ihn erkennen“, antwortete Thomas nur.
Zur vereinbarten Zeit erschien Thomas in Helenas Anwaltskanzlei – ungewohnt nervös. In der Hand hielt er eine Mappe voller Unterlagen – ein Stapel Papiere, der seinem ungewöhnlichen Plan zumindest einen Hauch von juristischer Form verleihen sollte. Seit ihrem ersten Treffen verspürte er nicht nur Zuneigung zu Helena, sondern auch Respekt für ihren klugen Verstand und ihre Professionalität. Er wollte ihr vertrauen – zumindest so weit, wie es seine Geheimnisse zuließen.
Er trat in ihr helles, ordentliches Büro. Helena blickte vom Monitor auf, ihr Gesicht hellte sich mit einem warmen Lächeln auf.
„ Helena“, sagte Thomas feierlich und reichte ihr die Mappe. „Hier steht der Mann vor dir, der die Insel kaufen will.“
Helena nahm die Mappe, ihre Augenbrauen hoben sich überrascht. Thomas zog mehrere Fotos hervor und legte sie auf den Tisch. Die Bilder waren atemberaubend: eine unberührte Insel, umgeben von kristallklarem Wasser, mit faszinierenden Unterwasserlandschaften, die in die Tiefe abfielen. Die Aufnahmen waren so detailliert, dass man einzelne Riffe und Fischschwärme erkennen konnte.
Helena war sprachlos. Ihre Augen weiteten sich, ihr Lächeln verschwand. Stattdessen zeigte ihr Gesicht pures Erstaunen. Eine Insel kaufen? Das war etwas völlig anderes als die üblichen Probleme ihrer Mandanten.
