Die Wächter der Unsterblichkeit - Elias J. Connor - E-Book
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Die Wächter der Unsterblichkeit E-Book

Elias J. Connor

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Beschreibung

Seit nunmehr zwei Jahren suchen Faith und ihre Gefolgen einen Weg zurück in den Underground. Die Suche nach einem Weg aus ihrem Versteck vor der zerstörten Welt scheint jedoch vergebens zu sein – bis eines Tages ein fremder Mann auftaucht, der die Beziehung zwischen Faith und Gil zerstören will. Da der Mann etwas über den Verbleib des Underground wissen könnte, folgen Faith und Gil ihm in die Überreste der Stadt Los Angeles. Dort werden sie von dem Fremden in eine Höhle gelockt. Offenbar werden sie dort als Gefangene gehalten. Jedoch gelingt es Faith, ein Tor zu öffnen, das Faith und Gil nicht nur an einen anderen Ort bringt, sondern auch in eine andere Zeit, lange bevor der Underground seine Pforten zur oberen Welt geöffnet hat und diese damit zerstört wurde... Das Finale der Fantasy-Trilogie THE UNDERGROUND WARS von Elias J. Connor – düster, dunkel und emotional.

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Elias J. Connor

Die Wächter der Unsterblichkeit

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Kapitel 1 - Flashbacks

Kapitel 2 - Findelkind

Kapitel 3 - Das Lied der Wellen

Kapitel 4 - Nebelgeister

Kapitel 5 - Die Menschen unter der Brücke

Kapitel 6 - Ein Traum vor langer Zeit

Kapitel 7 - Dagushu

Kapitel 8 - Das schwarze Loch

Kapitel 9 - Die Farm

Kapitel 10 - Elinor

Kapitel 11 - Aufbruch

Kapitel 12 - Der Spiegel der Seele

Kapitel 13 - Hinter den Grenzen

Kapitel 14 - In meinem Herzen

Kapitel 15 - Tiefe Geheimnisse

Kapitel 16 - Der Angriff

Kapitel 17 - Liebe bis in die Ewigkeit

Kapitel 18 - Das Schloss jenseits von Raum und Zeit

Kapitel 19 - Die obere Welt

Kapitel 20 - Die letzte Bedrohung

Kapitel 21 - Und du wirst dennoch ewig leben

Kapitel 22 - U für Underground

Über den Autor Elias J. Connor

Elias J. Connor über die Underground Fantasy Reihe

Weitere Bücher von Elias J. Connor

Impressum

Widmung

Für Jana.

Meine Verlobte. Meine Freundin. Meine Muse.

Du hast mir die Wege geebnet, eine Welt zu sehen, die ich bisher nicht kannte.

Ich liebe dich.

Elias J. Connor

Kapitel 1 - Flashbacks

Der Weg schlängelt sich durch das einsame riesige Feld. Obgleich er sich gerade anfühlt, hat er viele Kurven und Windungen. Das leise Rauschen der Blätter, die sich an den Bäumen am Wegrand befinden, streift mein Ohr nur schwach. Ich höre es fast nicht, aber ich nehme es irgendwie wahr.

Über mir ist eine sternklare Nacht, und es scheint angenehm warm hier draußen zu sein, wo immer ich gerade bin.

Ich renne. Ich spüre meinen schnellen Atem, und mein Herz rast, auch wenn ich nicht weiß, warum. Da ist einfach dieses blöde Gefühl, ich müsste rennen. Und das ohne ersichtlichen Grund.

In der Ferne sehe ich hinter dem riesigen, endlos erscheinenden Feld einen Hügel. Mehrere, um genau zu sein, aber der höchste von ihnen ist mir ins Auge gestochen. Dort müsste es einen Wald geben, denke ich. Vielleicht würden sie mich dort nicht finden.

Mich nicht finden? Wer? Vor wem renne ich denn weg?

Immer wieder drehe ich mich um und sehe nach, ob sie mir gefolgt sind. Ich kann sie nicht sehen, aber ich weiß, dass sie da sind.

Ich habe Angst. Große Angst. Das merke ich schon alleine daran, wie sehr mein Herz pocht, im Rhythmus meiner Schritte. Ich weiß, ich kann nicht anhalten. Jetzt nicht.

Sie sind da irgendwo. Keine Ahnung, wer, aber ich glaube, sie sehen mich. Und wenn ich nicht schnellstmöglich ein Versteck finde, dann würden sie mich kriegen.

Plötzlich höre ich einen Ast knarren. Er scheint zu brechen und zu Boden zu fallen. Ich sehe mich ängstlich um.

Jetzt haben sie mich, überlege ich vor Angst. Sie verstecken sich hinter den Bäumen und lauern mir auf.

Ich muss weiter. Ich bin total außer Puste und kann fast keinen klaren Gedanken fassen, aber ich weiß und spüre, dass ich weiter rennen muss.

Diese Hügel am Horizont, wo vielleicht der schützende Wald gewesen sein könnte, kommen einfach nicht näher. Aber es muss doch etwas geben – etwas hier in der Nähe – wo ich mich verkriechen kann.

Nichts. Hier ist nichts, außer diesem anscheinend geraden Weg, der sich kurvenreich durch die Gegend schlängelt.

„Bleib’ stehen“, höre ich auf einmal eine tiefe Stimme rufen. Sie klingt weit weg, aber gleichzeitig sehr nah.

Das gibt mir Recht in meiner Vermutung, dass sie mich verfolgen. Reflexartig hüpfe ich hinter einen Busch, der plötzlich am Wegrand auftaucht. Ich hatte ihn wohl vorher nicht bemerkt, aber er ist groß genug, damit ich mich wenigstens für ein paar Sekunden verstecken kann. So lange, bis sie an mir vorbei gelaufen sind. Und inständig hoffe ich, dass dies gleich geschieht und sie mich dabei nicht bemerken.

„Bleib’ stehen!“

Der Stimme geht ein eigenartiges Echo voraus. Normalerweise kommt das Echo immer erst am Schluss. Dass ich es höre, bevor ich die Stimme rufen höre, macht das alles hier sehr gruselig.

Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Aber meine Angst ist zu groß, um darüber nachzudenken.

Ich weiß noch immer nicht, wo ich hier eigentlich bin, geschweige denn, wie ich hierher kam. Ich versuchte es schon ein paar Mal in meinen Kopf zu kriegen, versuche mich zu erinnern – aber das Letzte woran ich mich erinnern kann, ist dieser Weg inmitten dieses großen Feldes.

Mein Atem geht immer noch schnell, während ich hier hinter diesem Busch ausharre. Ich spitze die Ohren und versuche etwas wahrzunehmen. Ob sie schon vorbei gegangen sind? Ich höre nichts.

Das Rascheln der Blätter verstummt. Der Wind scheint damit aufzuhören, sich durch meine langen dunklen Haare zu kämpfen. Das Rufen, welches gerade noch an mein Ohr drang, ist weg.

Habe ich es geschafft? Sind sie vorüber gerauscht und haben mich nicht bemerkt?

Es wird auf einmal mucksmäuschenstill. Ich spüre, dass sich mein Atem langsam beruhigt.

Was ist denn jetzt los?

Seltsam. Es fühlt sich an, als ob auf einmal die Zeit still steht.

Wer sind sie? Warum sind sie hinter mir her? Ich habe nichts getan, und ich habe niemandem gegenüber irgendwelche bösen Absichten. Aber ich komme mir so verurteilt vor, und tief in mir weiß ich, dass ich Grund habe, ängstlich zu sein. Wenngleich ich auch nicht weiß, warum.

Was also wollen sie von mir?

Plötzlich geschieht etwas unglaublich Seltsames, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Gerade jetzt, wo ich anfange, mich sicher zu fühlen…

Die Erde links und rechts neben mir scheint sich auf einmal zu erheben. Zuerst sehe ich kleine Maulwurfhügel aus ihr wachsen, anschließend richtige Erhebungen, die ähnlich aussehen wie Dünen, nur aus Erde eben.

In der weiteren Umgebung wächst der Boden noch viel schneller und höher an. Regelrechte Felswände formieren sich auf einmal und schießen aus dem Boden.

Die ganze Gegend – das ganze Feld mitsamt dem Weg – scheint verschluckt zu werden.

Die Sterne über mir verschwinden, als der Boden sich absenkt und die aus ihm entstandenen Wände sich über mir verschließen wollen.

Im immer matter werdenden Lichtschein erkenne ich oberhalb die Wurzeln von Bäumen, die aus der Fels- und Erddecke ragen. Ich recke mich nach oben, um sie zu ergreifen, weil ich nur raus will und nicht hier eingeschlossen sein will, aber es scheint zu spät zu sein.

Kurz darauf schließt sich die Decke über mir ganz, und es wird stockfinster.

Die Fläche, auf der ich hier hinter dem Busch kauere – einfach alles – wird plötzlich von der Erde und den Felsen komplett eingeschlossen. Ich befinde mich mitten in einer riesigen Höhle. Links, rechts und über mir ist nur noch reine Felswand. Und im Dunkeln kann ich nicht mal erkennen, wie viel von der Gegend hier eingeschlossen ist.

Mir stockt der Atem. Mein Puls rast und mein Herz schlägt wie das eines Kolibris.

Was ist nur geschehen? Was um alles in der Welt geschieht hier?

„Faith!“

Das ist jedenfalls nicht die tiefe Stimme meiner Verfolger, die ich gerade eben leise höre. Sie klingt auch nicht aufgebracht, eher ruhig. Und vor allem klingt sie nicht Angst einflößend.

„Faith“, ruft die helle Stimme erneut.

Ich sehe mich um, aber hier scheint niemand zu sein.

„Hallo?“, sage ich zaghaft. „Ist hier wer?“

Keine Antwort. Es ist still.

Hat mir mein Gehirn nur einen Streich gespielt, oder hat wirklich jemand gerade meinen Namen gerufen?

„Da ist doch jemand“, sage ich mit etwas festerer Stimme.

Mist, dass es so dunkel ist. Könnte ich doch nur etwas sehen…

Plötzlich dringt – als hätte ich es herauf beschworen – ein mattes Licht durch die Höhle. Ich weiß nicht, wie das möglich ist, und ich habe keine Ahnung, woher es kommt. Aber es ist auf einmal da.

Und dann sehe ich auch, wie groß die Höhle ist.

Eine ganze Stadt hätte hier unten Platz. Die Höhle ist so riesig, dass das Echo eines Rufes Minuten braucht, um die eigene Stimme zurückzuwerfen. Sie ist so groß, dass man nicht mehr merkt, dass man in einer Höhle ist. Fast das ganze Feld ist in ihr, und in der Mitte davon sitze ich hinter diesem Busch und sehe mich fragend um.

Dieses kleine Haus unweit von mir ist mir vorher nicht aufgefallen. Aber es ist plötzlich da.

Nachdem sich mein Puls senkt, mein Herz langsam wieder normal schlägt und ich mich einiger Maßen sicher fühle, recke ich mich hoch und laufe ein paar Schritte.

Plötzlich packt jemand mich an meiner Schulter. Ruckartig bleibe ich stehen und drehe mich langsam um.

„Moyava lanika len missa“, spricht sie zu mir.

Ich sehe verwundert in ihre dunkelblauen Augen. Dieses kleine Mädchen mag nicht älter als zehn oder elf Jahre alt sein, also niemand, vor dem ich davon laufen sollte oder müsste. Ihre schulterlangen blonden Haare schimmern glänzend im Licht, welches man für das Mondlicht halten könnte, wenn wir nicht in einer riesigen Höhle wären.

„Wer bist du?“, frage ich sie ruhig.

Sie scheint aufgebracht. Möglicherweise hat sie mehr Angst als ich, aber ich habe die Hoffnung, dass sie vielleicht ein bisschen Licht ins Dunkle bringen könnte und mich aufklären könnte, wo ich bin und was meine Verfolger von mir wollen.

„Lana mes mia tender“, redet sie in einer mir unverständlichen Sprache.

Ich lächele sie an. „Du musst keine Angst vor mir haben“, sage ich zu ihr. „Ich bin selbst auf der Flucht. Ich weiß nur nicht, vor wem.“

„Sala lem Faith“, sagt sie leise.

„Ja“, antworte ich, ohne zu wissen, was sie meint. „Mein Name ist Faith.“

Sie sieht mich mit schräg gelegtem Kopf an. Dann hebt sie einen Arm und beginnt, mir mit ihrer Hand über meine langen, schwarz-violetten Haare zu streicheln.

„Hast du auch einen Namen?“, frage ich sie.

Aber das seltsame Mädchen sagt nichts.

Dann nimmt sie meine Hand und läuft mit mir über eine kleine Anhöhe zu dem Haus, welches mir vorhin aufgefallen ist. Vorsichtig öffnet sie die Türe.

„Wohnst du hier?“, will ich wissen.

Das Mädchen macht keine Anstalten, meine Fragen in irgendeiner Weise zu beantworten. Aber instinktiv merke ich, dass sie mir nicht böse gesinnt sein kann.

Schließlich bittet sie mich hinein.

Das Haus ist zweistöckig. In der unteren Etage kann ich den großen Wohnraum ausmachen, der mit einer sehr altmodischen Küche verbunden ist. Merkwürdig ist es schon, dass inmitten des Raumes eine offene Feuerstelle ist. Das kenne ich nur aus Filmen, die im Mittelalter spielen.

Ein mit Blumenmuster verziertes Sofa – oder etwas Vergleichbares – steht in der Ecke. Dort nimmt das fremde Mädchen Platz.

Ich schaue mir noch ein paar Minuten lang die wundervollen Gemälde an den Wänden an und bewundere den geknüpften Teppich auf dem Fußboden, dann setze ich mich neben sie.

„Du wohnst sehr schön“, sage ich zu ihr.

Aber plötzlich verschwinden all die Gemälde. Die Wand wird karg.

Ein Couchtisch, kunstvoll verziert, der eben noch hier stand, löst sich ebenso in Luft auf wie der Teppich.

Die Kochstelle verschwindet genauso plötzlich.

Und auf einmal ist hier alles aus Stein. Wie in einem Kerker. Wir sitzen plötzlich nicht mehr auf einem schönen Blumensofa, nein, wir sitzen auf einmal auf einer in Stein gemeißelten Bank. Das, was sich eben noch so weich anfühlte, ist jetzt hart und unbequem. Das fremde, blondhaarige Mädchen, das eben noch ein wunderschönes Kleid trug, hat auf einmal einen alten Kartoffelsack als Bekleidung an.

Fragend, fast flehend blickt sie mich stumm an.

„Was geschieht hier?“, will ich von ihr wissen. „Ich verstehe gar nicht, was hier los ist.“

Daraufhin steht sie schließlich auf. Wie von Zauberhand hat sie einen Gegenstand in der Hand. Ich habe nicht bemerkt, woher sie ihn genommen hat, denn hier liegt nichts herum. Aber sie hat ihn plötzlich in ihrer zitternden Hand. Ihre Lippen scheinen vor Angst zu beben, als sie ihn mir gibt.

Ich nehme den Gegenstand an mich, und ich sehe, dass es eine kleine Schiefertafel ist, so wie man sie früher in den Schulen hatte. So groß wie ein Buch, nicht größer.

Plötzlich verschwindet das Mädchen.

Ich hätte schwören können, dass ich meine Augen nicht für eine Sekunde lang geschlossen habe, aber ich sehe sie nicht mehr. Ich weiß nicht, wann sie ging, aber sie ist weg, und ich sitze hier alleine in irgendeinem Haus mitten in einer riesigen Höhle.

Ich betrachte die Tafel. Sie ist schwarz und leer.

Daraufhin bemerke ich auf dem Fußboden ein kleines Stückchen weißer Kreide. Sie muss zur Tafel gehören. Vorsichtig hebe ich es auf.

Was hat das alles zu bedeuten?

„Bist du noch hier?“, rufe ich in den Raum. „Was ist das, was du mir gabst?“

Und auf einmal knarrt es. Anschließend kommen mehrere unheimliche Geräusche von irgendwo her.

„Mädchen, komm zurück“, höre ich mich rufen.

Aber sie ist weg.

Und die Angst einflößenden Geräusche werden bedrohlich lauter.

„Was passiert denn hier?“, rufe ich ängstlich.

Eilig will ich mir einen Weg nach draußen bahnen, aber da ist es schon zu spät.

Das Haus kracht über mir zusammen. Die Decke stürzt ein und droht, mich zu begraben. Die Wände fallen ebenfalls zusammen.

Ich lasse die Tafel und die Kreide fallen. Fast wie in Zeitlupe schweben sie zu Boden.

Plötzlich trifft mich ein riesiges Stück aus der Decke.

Ich zittere. Ich hechele wie ein Hund. Und mein Puls rast wieder genauso schnell wie mein Herzschlag vor Angst.

Nur eine Sekunde darauf höre ich dieses monotone Piepen. Im Sekundentakt ertönt das Signal, und ich weiß sofort, was es ist.

Das Schiffshorn ertönt, so wie jeden Morgen. Es ruft zur täglichen Versammlung, die ich abhalten werde. Meine Gefolgen möchten über den neuesten Stand unserer Lage informiert werden.

„Faith“, höre ich die sanfte Stimme meines Mannes Gil.

Ich sitze kerzengerade im Bett und sehe ihn an, als er den Raum betritt und sich zu mir setzt.

„Was ist los?“, möchte er wissen. „Geht es dir nicht gut?“

Ich schüttele den Kopf.

„Es ist alles okay“, lüge ich ihn an.

Gil nimmt mich in den Arm.

„Faith, ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht.“

Ich schnaufe aus.

„Sag' bitte den Anderen, dass ich gleich nach draußen komme“, spreche ich zu Gil. Daraufhin geht er aus dem Raum, und ich richte mich auf.

Ich denke nach.

Wie in einem Flashback kommen mir die Ereignisse wieder vor Augen, die dazu geführt haben, dass wir hier gelandet sind. Wie in einem Rückblick sehe ich das wieder, was geschah, nachdem wir hier waren. Es ist, als würde es genau jetzt noch einmal geschehen...

Nur eine Sekunde darauf höre ich ein leichtes Rauschen. Als ich meine Augen öffne, sehe ich, dass ich in einer kleinen Hütte auf einer weichen Matratze liege. Ich drehe mich um – und da sitzt sie neben mir.

„Nava“, sage ich erleichtert.

„Es ist alles gut, Faith“, sagt Nava ruhig. „Du hast geträumt. Jetzt bist du sicher. Dir kann nichts mehr geschehen.“

Ich recke mich auf.

Nava sitzt auf dem Rand der Matratze und sieht mich lächelnd an.

„Wo sind sie?“, frage ich das Mädchen. „Wo sind alle? Wo sind wir?“

„Es geht ihnen gut“, sagt Nava. „Sie sind alle hier. Gil ist auch hier, er hat uns hierher gebracht.“

Ich versuche, einen Blick aus dem Fenster der Hütte zu erhaschen. Aber Nava nimmt meinen Arm.

„Faith, du musst wissen, dass es noch nicht zu Ende ist“, sagt sie nachdenklich.

„Was ist geschehen?“

Nava sieht mich ernst an.

„Sasaney ist gestorben“, berichtet sie. „Das musste geschehen, damit er dir seinen Cocoon geben konnte.“

Ich weine leise.

„Ist Laura hier?“, frage ich mit ruhiger Stimme.

„Ja, Faith“, sagt Nava. „Dadurch, dass Sasaney dir seinen Cocoon gab, konntest du sie retten. Alle Minthesana sind hier. Gil hat diesen von allen Katastrophen noch unberührten Ort für uns gefunden.“

Langsam stehe ich auf.

„Sei vorsichtig, Faith“, sagt Nava. „Du bist noch etwas wackelig auf den Beinen. Du wirst deine Macht erst wieder sammeln müssen, aber wir helfen dir. Alle Minthesana helfen dir.“

Als ich nach draußen gehe, sehe ich es:

Dieser wunderschöne, unberührte Ort am Meer ist gesäumt mit kleinen, weißen Häusern. Angestrahlt von der aufgehenden Sonne leuchten sie dem blauen Himmel entgegen.

Unweit liegt der Strand. Neben uns ist ein kleiner Fischerhafen mit ein, zwei Booten, die sanft in den kleinen Wellen schaukeln.

Menschen laufen hier herum. Sie bauen an den Häusern. Sie gehen durch die Straßen oder sitzen einfach auf Bänken nahe des Meeres.

Es ist wunderschön hier. Es ist idyllisch schön.

Nava, die neben mir steht, ist mir von der Hütte nach draußen gefolgt.

„Es ist wirklich“, spricht sie leise. „Es ist nicht der Underground – es ist einfach ein unberührter Ort der Erde, an dem wir sicher sind. Aber dies ist alles wirklich.“

Als Gil mich entdeckt – er ist gerade dabei, an einem Boot zu bauen – kommt er auf mich zu gestürmt. Zugleich nimmt er mich in den Arm.

„Faith“, sagt er. „Mausi, du bist aufgewacht.“

Sanft küsst er mich.

Ich blicke ihn verwundert an.

„Wie lange habe ich geschlafen?“, möchte ich wissen. „Wie lange sind wir denn schon hier?“

Gil lächelt mich an.

„Es sind ganze drei Wochen“, erklärt er mir. „Du warst so entkräftet. Wir haben mehrmals versucht, dich zu wecken, aber du hast immer weiter geschlafen.“

Ich sehe mich um.

Unweit von uns ist eine kleine Bühne aufgebaut, umrandet von einem aus weißen Rosen bestehenden Hochzeitsbogen.

„Gil, was bedeutet das?“, frage ich ihn, als ich die Szenerie betrachte.

Verschämt sieht Gil mich an. Daraufhin holt er einen goldenen Ring aus der Tasche.

„Faith – ich weiß nicht, was ist und was sein wird. Ich weiß nicht, ob und wann wir wieder in unser Schloss im Underground zurückfinden. Aber ich möchte dich gerne fragen: Möchtest du diesen Ring annehmen und meine Frau werden?“

Überglücklich falle ich in Gils Arme.

„Ja“, sage ich. „Am Liebsten sofort.“

Ich lehne mich fest an ihn.

„Morgen Abend wird ein Fest steigen“, spricht er leise zu mir. „Und da werden wir heiraten.“

Seine starken Arme halten mich. Ich fühle solche Geborgenheit. Ich fühle solche Liebe.

Ich blicke hinauf in den Himmel. Die Unwetter sind verzogen. Es riecht nicht mehr nach Krieg und Tod. Es riecht nach Frieden, nach Natur, nach Heimat.

Dies ist nicht der Underground, ich weiß. Aber es ist wahrscheinlich der Ort, an dem wir – die Wanderer, die Minthesana – in den nächsten Monaten oder Jahren leben.

Nachdem Gil und ich gefühlte Stunden am Pier auf einer Bank sitzen, kommt ein junges Mädchen – fast schon eine junge Frau – zu uns und gesellt sich neben uns.

„Laura?“, frage ich sie, da ich sie kaum erkenne.

Das etwa 16-jährige Mädchen nickt.

„Ich bin es, Faith“, sagt sie. „Ich bin hier, im Heute und Jetzt. Ich danke dir von Herzen, dass du mich zurückgeholt hast.“

Ich blicke sie wortlos an. Sie sieht wunderschön aus, so erwachsen.

Wenig später entdecke ich unter den Menschen auch Lauras Eltern Mary-Ann und Connor. Sie machen einen freudigen, erleichterten Eindruck. Sie sprechen mich nicht an, da sie Rücksicht darauf nehmen, dass ich noch etwas geschwächt bin. Aber ich kann ihre tiefe Dankbarkeit spüren.

Und meine erst. Ich bin Gil so dankbar, dass er diesen Ort für uns gefunden hat.

Ich muss jetzt ein wenig meine Gedanken sortieren und zu Kräften kommen. Ich bedeute Laura und Gil, dass ich gerne eine Weile alleine auf der Bank sitzen würde.

Beide verstehen es und gehen ihren weiteren Beschäftigungen nach, während ich auf das weite Meer hinaus blicke.

Ruhe. Frieden. Zufriedenheit.

Es besteht keine Gefahr für uns, hier an diesem wundersamen Ort – wo immer wir sind.

Ich denke nach.

Ja, es stimmt. Viele Fragen mögen momentan noch ungeklärt sein.

Wo sind wir wirklich? Ist dieser Ort so real wie all meine Erinnerungen? Was ist geschehen, als Sasaney starb und mir seinen Cocoon gab, damit ich ihn an Laura weiter reichen konnte?

Welche Bedeutung hat Laura, dass sie während all der ganzen Geschichte nie aufgegeben hat, ihrem eigenen Tod trotzen konnte und nun wieder hier bei uns ist?

Werden wir Wanderer zurückfinden? Werde ich eines Tages wieder die Königin des Underground sein und ihn mit einem fairen, friedvollen Regiment leiten können?

Ich muss die ganze Nacht auf der Bank gesessen haben. Jetzt ist bereits der nächste Morgen heran gebrochen. Die Sonne geht auf, und ich spüre, dass mich jemand an die Hand nimmt.

„Bist du soweit, Faith?“, höre ich Gil sagen.

Sachte stehe ich auf. Ich drehe mich dreimal um mich selbst und habe wie aus Zauberhand eine Sekunde darauf ein weißes, wunderschönes Kleid an.

Und da sehe ich, dass Gil einen wunderbaren, weißen Anzug trägt.

Die anderen sind bereits vor der Bühne versammelt. Als wir in einem Gang, den sie uns machen, entlang schreiten, erblicke ich Nava auf der Bühne.

Gil führt mich die Treppen hinauf, und beide stehen wir schließlich Hand in Hand vor Nava.

„Liebe Gemeinde“, sagt Nava laut. „Liebe Wanderer, verehrte Minthesana. Wir haben uns hier zusammengefunden, um diese Frau und diesen Mann in den Hafen der Ehe zu führen.“

Nava blickt Gil aufmerksam an.

„Gil Layante – wirst du Faith zu deiner angetrauten Frau nehmen, in guten wie in schlechten Zeiten für Faith da sein, sie achten und ehren und immer an ihrer Seite verweilen? Wirst du sie lieben, für jetzt und für alle Zeiten, so spreche mit einem deutlichen Ja, ich will.“

„Ja, ich will“, sagt Gil voller Kraft.

Nava blickt mich an.

„Faith Nawroth – Königin des Underground – wirst du Gil zu deinem angetrauten Ehemann nehmen, in guten wie in schlechten Zeiten für ihn da sein und ihn achten und ehren und immer an seiner Seite verweilen? Wirst du ihn lieben, für jetzt und alle Ewigkeit? So spreche mit einem deutlichen Ja, ich will.“

Ich sehe Gil an. Ich lächele. In dieser Sekunde fließt ein Glücksgefühl durch mich, das ich bislang so noch nie erlebt habe.

„Ja, ich will“, sage ich laut.

„Gut“, spricht Nava. „Damit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Ihr seid verheiratet.“ Nava grinst über ihre beiden Backen. „Na, los, jetzt küsst euch schon.“

Ganz zärtlich und sehr innig gibt Gil mir daraufhin einen langen Zungenkuss.

Die sanfte Musik ertönt, als plötzlich etwas sehr Eigenartiges geschieht.

Ich habe meine Augen für die Dauer des Kusses geschlossen. Aber als ich sie wieder öffne, ist Nava verschwunden.

„Schenkst du mir den Hochzeitstanz?“, sagt Gil, der offenbar von Navas Verschwinden noch nichts mitbekommen hat.

Ich blicke ihn fragend an.

„Nava ist weg“, sage ich nachdenklich. „Was ist geschehen?“

Jetzt bemerkt es Gil ebenfalls.

Auch die anderen Minthesana bemerken, dass Nava plötzlich verschwunden ist. Ein Tuscheln entsteht, gefolgt von fragenden Gesichtern.

„Es ist noch nicht vorbei“, höre ich eine leise Stimme sprechen.

Ich drehe mich zu den anderen um. Ich weiß, es ist Zeit für eine Ansprache.

„Liebe Freunde“; sage ich. „Bewohner des Underground. Minthesana. Wie ihr bemerkt habt, ist Nava plötzlich verschwunden. Ein Gefühl sagt mir, dass jemand sie an einen Ort mitgenommen hat, der im Underground liegt. Momentan ist es nur ein Gefühl, ich kann es euch nicht näher erklären.“ Ich mache eine Pause. „Der Underground existiert“, setze ich daraufhin fort. „Ich spüre es. Der Underground existiert, und Nava ist dort irgendwo. Es wird in absehbarer Zeit bestimmt sein, dass wir uns auf die Suche begeben. Es wird die Suche nach der Tür, die uns zurück bringen wird – zurück in unsere Heimat, zurück in unsere Welt, zurück in den Underground.“

Die Menschen klatschen.

„Wir alle sind die Wegbereiter des Underground“, sage ich. „Wir alle haben seine schönen und seine schweren Zeiten erlebt. Man sagte uns, all dies sei in Wahrheit nur eine Illusion gewesen. Man machte uns Glauben, unser Leben sei nicht real. Aber die Wahrheit kennen nur wir. Es ist echt. Es ist alles so echt, wie wir es erlebt, gefühlt und gesehen haben. Der Underground existiert, und wir holen ihn uns zurück.“

Wieder klatschen sie.

„Wollt ihr mit mir auf diese Reise gehen? Wollt ihr mit mir einen Weg zurück finden, Nava retten und den Underground wieder zu dem machen, was er sein soll?“

„Ja“, rufen sie klatschend.

„U für Underground“, spreche ich daraufhin die legendären Worte aus.

In meiner Hand halte ich die kleine Schiefertafel. Das Wappen des Underground leuchtet in goldenen Farben auf ihr. Es muss echt sein. Es ist echt.

Ich halte die Tafel in die Höhe. Der Applaus wird noch stärker.

„U für Underground“, sage ich erneut.

Und sie rufen diesen Satz fortwährend. Alle Menschen, Wanderer, Minthesana. Sie rufen unseren Leitspruch, und ich darf mich zum ersten Mal seit langer, langer Zeit wieder als die Königin des Underground fühlen – wenngleich es auch ungewiss ist, wann unsere Suche beginnen kann und wann und wie wir wieder Zugang zu unserer magischen Welt finden werden.

Ja, die Zukunft ist noch ungewiss. Aber eines weiß ich – ich, Faith Nawroth, Königin des Underground, habe es in der Hand.

Zwei Jahre.

Seit zwei Jahren sind wir hier an diesem Ort gefangen. Die Welt um uns herum existiert nicht mehr. Dieser kleine Ort an einer fast noch unberührten Küste ist seit zwei Jahren unsere Zuflucht.

Jeden Tag hoffen wir auf einen Weg zurück in den Underground. Jeden Morgen muss ich meinen Weggefährten sagen, dass wir noch immer keinen Weg gefunden haben.

Nava ist noch immer verschollen. Vielleicht ist sie die Einzige, die uns zurückbringen kann, aber wir haben keine Möglichkeit, sie zu kontaktieren. Noch immer ist ihr Verbleib ungewiss.

Wir hoffen. Wir hoffen und beten jeden Tag.

Still und langsamen Schrittes gehe ich nach draußen. Ich stelle mich in die Mitte unserer Hütten, auf den Dorfplatz, so wie wir es nennen.

Sie sehen mich an. Sie sehen zu mir auf.

Aber ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll. Vorgestern, gestern sowie heute. Ich weiß jeden Morgen nicht, was ich ihnen sagen soll.

Kapitel 2 - Findelkind

Das Rauschen des Wassers dringt sachte an mein Ohr. Im gleichmäßigen Rhythmus preschen die Wellen gegen die Felsen. Am Leuchtturm sehe ich die rote Fahne prangern, die uns sagt, dass der Seegang heute zu hart ist, um zu schwimmen oder mit einem Fischerboot hinaus zu fahren.

Ich denke seit Stunden nach. Seit Tagen eigentlich schon. Ich sitze einfach hier auf der Bank an der Küste, blicke auf das Meer hinaus und zermartere mir den Kopf.

Wofür eigentlich? Ich habe es im Prinzip ja schon längst aufgegeben. Ich habe mich eigentlich schon längst damit abgefunden, dass es keinen Ausweg gibt. Wir werden diesen Ort nicht verlassen können. So schön er auch ist, und so sehr ich es hier genieße – in dieser Ruhe hier an dem malerischen, von der Katastrophe noch unberührten Ort – wir werden keinen Weg zurück zu unserem Zuhause finden.

Wo ist unser Zuhause?

Unser Schloss im Underground. Das war unser Zuhause. Aber ob es den Underground überhaupt noch gibt, das weiß niemand von uns. Keiner spricht es aus, aber ich denke, dass die meisten von ihnen nicht mehr an ein Zurück glauben. Sie haben die Hoffnung aufgegeben. Sie haben immer darauf gezählt, dass ich die Hoffnung nicht aufgebe. Aber was soll ich ihnen sagen? Was soll ich ihnen sagen, wenn ich selbst keine Hoffnung mehr habe?

Tief in meine Gedanken versunken merke ich gar nicht, dass mein treuer, liebender Ehemann Gil sich zu mir setzt. Er streichelt mir sanft über den Rücken.

„Mausi, wie geht es dir?“, fragt er leise mit seiner sonoren, tiefen Stimme.

Ich wische mit eine Strähne meiner dunklen Haare aus dem Gesicht und blicke in seine Augen.

„Nicht gut“, gebe ich ihm gegenüber zu. „Ich komme mir sehr verloren und nutzlos vor.“

„Ach, Faith. Das ist doch Unsinn.“

Ich schnaufe tief aus.

„Gil, ich zermartere mir seit Tagen den Kopf“, gebe ich zu verstehen. „Es muss doch irgendeinen Ausweg geben. Irgendeinen.“

Gil legt einen Arm um mich. Er sagt nichts. Das muss er auch nicht. Diese Momente, wenn er einfach da ist und mich hält, das sind die Momente, wo ich spüre, dass ich trotz allem nicht verzweifelt sein muss. Er ist einfach da. Er hört mir geduldig zu, hält alle meine Launen aus – und davon gibt es sehr viele – und er bleibt in jeder Situation einfach ruhig und zeigt mir, dass er da ist und dass ich alles für ihn bin.

So ist er es auch für mich. Ich wünschte nur, ich könnte es ihm jetzt genau so zeigen wie er mir.

„Das Wasser ist zu wild“, sage ich leise, während ich mich an ihn lehne. „Wir können nicht raus fahren, um zu fischen.“

„Ich werde nachher in die Höhlen am Hang dort drüben gehen und nach Pilzen suchen“, sagt Gil. „Wir finden schon etwas zu essen.“

Ich wische mir eine kleine Träne aus den Augen.

„Ich habe sie in Stich gelassen“, wispere ich traurig. „Ich habe meine Gefolgen im Stich gelassen. Ich bin keine gute Königin.“

„Du bist noch immer die Königin des Underground“, berichtigt mich Gil. „Du bist und bleibst unsere Königin, und das wird sich nie ändern.“

Gil küsst mich innig und macht sich daraufhin auf den Weg zu den nahe gelegenen Höhlen, um dort nach etwas Essbarem für unser Abendessen zu suchen.

Wir gehen selten zu den Höhlen. Sie befinden sich an den Hängen, die die verwüstete Stadt von unserem Dorf trennt, inmitten eines dichten Waldes. Dort ist es gefährlich, denn man weiß nie, wer oder was dort lauern könnte. Das Gil das Risiko dennoch auf sich nimmt, damit wir zu Essen bekommen, zeigt, wie mutig er ist.

Ich beobachte eine kleine, weiße Möwe. Sie läuft neben mir auf dem Boden herum. Merkwürdig, eigentlich hätte sie mir auffallen müssen. Ob sie eben erst kam oder die ganze Zeit schon da war, das weiß ich nicht.

Plötzlich fliegt die Möwe weg. Sie fliegt hoch hinaus in den bedeckten Himmel und verschwindet bald darauf in den Wolken.

Langsam stehe ich auf.

Vor einem kleinen Haus sehe ich eine junge Frau, vielleicht gerade mal 18 Jahre alt. Sie wäscht Wäsche, auf die herkömmliche Weise, mit einem Holzbrett und einem Zuber. Ich beobachte sie eine Weile. Als sie mich bemerkt, lächelt sie mir zaghaft zu. Ich gehe zu ihr.

„Laura“, sage ich nachdenklich. „Du bist so erwachsen geworden.“

Laura nickt.

„Ich bin jetzt 18 Jahre und vier Monate alt“, sagt sie.

„Wie geht es dir?“

Laura schnauft resigniert aus.

„Nicht besser und nicht schlechter als in den vergangenen Tagen. Oder Wochen. Oder Monaten.“

Ich bemerke den leicht ironischen Unterton in ihren Worten.

„Laura, weißt du, ich selbst leide am Meisten darunter, dass wir hier einfach nicht weiter kommen.“

„Faith“, sagt sie mit einem ernsten Blick. „Die Leute sind verzweifelt. Uns gehen die Lebensmittel aus, unsere Felder werfen nichts mehr ab. Uns fehlt die sichere, behütete Umgebung des Underground. Faith, wenn wir jetzt nichts unternehmen, wann dann?“

Ich senke nachdenklich den Kopf.

Laura sieht, wie betroffen ich mich fühle. Sachte legt sie eine Hand auf meine Schulter.

„Faith, es gibt Gerüchte“, sagt sie plötzlich.

Verwundert blicke ich sie an.

„Welche Gerüchte?“, will ich in Erfahrung bringen.

„Ich wollte es dir nicht sagen, weil ich dich nicht beunruhigen wollte“, meint Laura daraufhin. „Aber mehrere Bewohner unseres Dorfes hegen die Vermutung, dass das Labor wieder arbeitet.“

Was? Was meint Laura damit?

„Meinst du das Labor, das damals zerstört wurde? Das Labor, in dem sie dich, Sasaney und viele andere gefangen hielten, um euch an Geräte anzuschließen, die euch ein nicht reales Leben vorgetäuscht haben?“

Nein, das kann nicht sein. Es ist doch zerstört. Das hier ist doch wirklich, so wirklich wie wir. Verzweifelt blicke ich Laura an.

„Genau das Labor meine ich“, sagt Laura. „Faith, es ist noch nicht vorbei. Und es ist langsam an der Zeit, etwas zu unternehmen.“

Verzweifelt schnaufe ich hektisch.

„Ich werde etwas unternehmen“, verspreche ich Laura. „Gil ist heute in den Höhlen, um Essen zu sammeln. Wenn er nachher wieder kommt, werde ich mich mit ihm beraten.“

Dankbar blickt Laura mir in die Augen.

„Faith, ich wusste, dass ich auf dich zählen kann“, sagt sie leise.

„Ihr alle könnt auf mich zählen“, sage ich mit fester Stimme. „Ich werde etwas unternehmen. Und wenn ich dafür zurück in die zerstörte Stadt gehen muss.“

„Danke, Faith“, sagt Laura.

Ich verabschiede mich schließlich von ihr, und während sie damit weiter macht, ihre Wäsche zu waschen, gehe ich zurück in Gils und mein Haus.

Mist, verdammter.

Wie kann es sein, dass diese Menschen, diese Wissenschaftler noch immer dort irgendwo sind? Wie kann es sein, dass sie noch immer in der zerstörten Stadt hausen können, die eigentlich von Zombies, Vampiren und anderen düsteren Wesen befallen ist, befallen von Menschen, die den dunklen Virus in sich tragen und eigentlich dem Tod geweiht sind? Wie können die Wissenschaftler noch operieren? Was haben sie vor, und wo haben sie sich verschanzt und eventuell ein neues Labor aufgebaut?

Was bezwecken sie? Und wie lange wird es dauern, bis sie uns finden und wer weiß was daraufhin mit uns – oder dem gesamten Underground – machen?

Ich muss es Gil mitteilen. Ich muss es ihm sagen, so schnell wie möglich. Die Lage ist vielleicht ernster, als wir es vermuten.

Als ich zurück in unser Haus komme, ist Gil noch nicht wieder da. Nervös tapse ich in die Küche und bereite mir einen heißen Kaffee zu. Ich nehme die Tasse und setze mich daraufhin in das Wohnzimmer auf die Couch. Ich denke nach. Eigentlich möchte ich gar nicht nachdenken, aber ich bin so vertieft in meine Gedanken von Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gegenüber einer möglichen neuen Gefahr.

Ein leises Weinen oder Schreien holt mich plötzlich aus meinen Gedanken heraus. Für eine Sekunde dachte ich, es könnte ein Baby oder Kleinkind sein, aber das ist eigentlich nicht möglich. Ich hätte es doch mitbekommen, wenn jemand aus unserem Minthesana-Dorf ein Baby bekommen hätte.

Einen Augenblick darauf beschließe ich, dass ich mir dieses Kindergeschrei nur eingebildet habe und vertiefe mich zugleich wieder in meine Gedanken.

Ich merke sogar gar nicht, dass Gil die Haustüre öffnet und langsam herein kommt.

Ich drehe mich zu ihm um. Und in dieser Sekunde verschlägt es mir fast die Sprache.

Gil steht da. Er blickt mich todernst an. In seinen Armen hält er – in eine kleine Decke gewickelt – ein kleines Baby. Es gluckert. Seine kleine Hand tastet an Gils Gesicht entlang. Als das Baby Gils blonde Haare zu fassen bekommt, beginnt es, damit zu spielen.

Ruckartig stehe ich wortlos auf. Ich wende meinen verwunderten Blick nicht von dem kleinen Baby ab.

„Gil“, hauche ich. „Wer ist das?“

Gil gibt mir vorsichtig das Baby in den Arm. Als ich den kleinen Jungen halte, fängt er an zu kichern und verschiedene Laute zu brabbeln.

Ich streichle dem Kleinen über den Kopf.

„Ich habe ihn in den Höhlen gefunden“, sagt Gil leise. „Wer weiß, wie lange er dort schon gelegen hat. Wir müssen ihm etwas zu essen geben.“

„Er ist so süß“, stammele ich nur.

Ich schaukle das Baby eine Weile in meinem Arm hin und her. Kurz darauf schließt es seine Augen.

„Gil, wo hast du das Baby her?“, frage ich ihn mit zarter Stimme. „Ich bin ja eigentlich kein Experte, aber ich glaube, es ist der Job der Frau, ein Baby auf die Welt zu bringen.“

Gil muss ein bisschen schmunzeln.

„Ich habe ihn doch nicht zur Welt gebracht“, sagt er leise. „Ich habe ihn gefunden. Er lag in eine der Höhlen. Er lag einfach da und hat geweint. Ich konnte ihn doch nicht einfach liegen lassen.“

Während Gil schnell aus einer großen Kiste ein kleines Babybettchen baut, laufe ich mit dem Baby in die Küche und bereite ihm ein bisschen mit Wasser verdünnte Milch zu. Ich nehme eine Saft-Flasche, die ich gut ausspüle – das alles wohlgemerkt mit nur einer Hand, denn in der anderen halte ich ja das kleine Baby – und gebe die gekochte Wasser-Milch dort hinein. Mit einem Gummi-Aufsatz bastle ich schnell einen Sauger, den ich daraufhin auf die Flasche setze. Danach lege ich das Baby in sein Bettchen. Als der Kleine daraufhin aufwacht, gebe ich ihm die Flasche.

„Trink, mein Kleiner“, flüstere ich dem Baby zu, während es das Fläschchen fest in seinen kleinen Händen hält.

So stark und doch so klein und Hilfe bedürftig. Der Kleine sieht mich mit seinen großen Augen an. Als er satt ist, lässt er das Fläschchen fallen. Ich hebe die Flasche auf und gebe sie Gil. Kurz darauf schläft das kleine Baby ein.

Noch immer sehe ich das Kind verwundert und mit einem sehr emotionalen Blick an.

„Gil“, sage ich zu meinem Mann. „Was hat das zu bedeuten, dass man uns ein Baby in die Wiege legt?“

Gil schüttelt seinen Kopf.

„Das weiß ich nicht, Liebes“, sagt er leise.

„Wer ist dieses Kind?“, frage ich mehr zu mir selbst. „Ich habe so ein Gefühl, dass der Kleine aus einem ganz bestimmten Grund hier ist.“

„Ich habe ein ähnliches Gefühl“, bestätigt mir Gil. „Aber ich kann es nicht zuordnen.“

„Wird er bei uns bleiben?“, frage ich.

Gil streichelt mir wortlos über die Schulter.

„Ich weiß es nicht, Faith“, sagt er nach Minuten. „Ich weiß es nicht.“

Noch lange sehen wir dem kleinen zu, wie er schläft. Seelenruhig liegt er in der Krippe, die Gil für ihn gebastelt hat. Er sieht so unbedarft aus, so zufrieden.

Was er wohl durchmachen musste, bevor er hier bei uns gelandet ist?

---ENDE DER LESEPROBE---