Die Wahrheit der Kunst - Boris Groys - E-Book

Die Wahrheit der Kunst E-Book

Boris Groys

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Beschreibung

"In welcher Weise vermag Kunst die Welt, in der wir leben, zu beeinflussen?" Boris Groys beschäftigt sich mit der klassischen Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Wahrheit vor dem empirischen Hintergrund der (Selbst-)Vermarktung der Kunst im Internet, das mit seinen technischen Möglichkeiten selbst für eine ganz andere Wahrheit über die Kunst sorgt.

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Seitenzahl: 24

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Boris Groys Die Wahrheit der Kunst

Versuch, die Welt zu verändern

Die wesentliche Frage, die sich uns zur Kunst stellt, lautet: Kann Kunst ein Medium der Wahrheit sein? Diese Frage ist wesentlich für die Existenz und das Überleben der Kunst. Denn wenn Kunst kein Medium der Wahrheit sein kann, dann ist sie nur eine Sache des Geschmacks. Die Wahrheit muss man akzeptieren, selbst wenn sie einem nicht gefällt. Doch wenn die Kunst nur eine Sache des Geschmacks ist, dann wird der Betrachter wichtiger als der Produzent. In diesem Fall kann die Kunst nur soziologisch oder unter Aspekten des Kunstmarkts betrachtet werden – sie hat keine Eigenständigkeit und keine Macht. Kunst wird gleichbedeutend mit Design.

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie wir über Kunst als Medium der Wahrheit sprechen können. Lassen Sie mich eine dieser Möglichkeiten aufgreifen. Unsere Welt wird von großen Kollektiven dominiert: Staaten, politischen Parteien, Unternehmen, wissenschaftlichen Communitys etc. Innerhalb dieser Kollektive kann der Einzelne die Möglichkeiten und Einschränkungen seines eigenen Handelns nicht erfahren – sein Handeln wird von den Aktivitäten des Kollektivs absorbiert. Nun beruht unser Kunstbetrieb jedoch auf der Voraussetzung, dass ein individuelles Kunstwerk zu schaffen oder eine Kunstaktion umzusetzen der Verantwortung des einzelnen Künstlers obliegt. Deshalb ist die Kunst in der heutigen Welt der einzige anerkannte Bereich, in dem persönliche Verantwortung existiert. Der nicht anerkannte Bereich mit persönlicher Verantwortung, den es natürlich auch gibt, ist der der kriminellen Handlungen. Die Analogie zwischen Kunst und Verbrechen hat eine lange Geschichte, auf die ich hier nicht eingehen werde. Heute möchte ich lieber folgende Frage aufwerfen: Bis zu welchem Grad und auf welche Weise kann der Einzelne hoffen, die Welt, in der er lebt, zu verändern? Betrachten wir die Kunst nun als einen Bereich, in dem Künstler immer wieder versuchen, die Welt zu verändern, und sehen, wie diese Versuche funktionieren. Dabei interessiere ich mich hier weniger für die Resultate dieser Versuche als für die Strategien, zu denen die Künstler greifen, um sie umzusetzen.

Wenn die Künstler tatsächlich die Welt verändern wollen, stellt sich die folgende Frage: In welcher Weise vermag Kunst die Welt, in der wir leben, zu beeinflussen? Grundsätzlich sind zwei Antworten auf diese Frage möglich. Die erste Antwort: Kunst kann die Fantasie anregen und das Bewusstsein der Menschen verändern. Wenn das Bewusstsein der Menschen sich verändert – dann werden diese veränderten Menschen auch die Welt verändern, in der sie leben. In diesem Fall wird Kunst als eine Art Sprache verstanden, die es dem Künstler erlaubt, eine Botschaft zu verbreiten. Und diese Botschaft ist darauf angelegt, die Seelen der Empfänger zu erreichen und ihre Sensibilität, ihre Geisteshaltung und ihre moralischen Überzeugungen zu verändern. So gesehen handelt es sich um eine idealistische Kunstauffassung – vergleichbar mit unserem Verständnis von Religion und dem Einfluss, den sie auf die Welt hat.

Um eine Botschaft zu verbreiten, muss der Künstler jedoch dieselbe Sprache sprechen wie sein Publikum. Die Statuen in antiken Tempeln