Die Weiber - Wolfgang Hilbig - E-Book

Die Weiber E-Book

Wolfgang Hilbig

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Beschreibung

Ein Werkzeugmacher in der DDR wird in den Lagerkeller eines volkseigenen Betriebs verbannt. Weil sein Körper üble Gerüche auszudünsten begann (»als ob etwas in mir zu schimmeln begänne«), war er für das Unternehmen untragbar geworden. Aber anstatt dort im Keller auftragsgemäß zu arbeiten, beobachtet er durch einen Gitterrost mit lüsternen Blicken die Frauen, die im oberen Raum die Maschinen bedienen – große, kräftige Frauen, denen er von unten mit wachsender Erregung zusieht. Bald ergreift das Verlangen von ihm Besitz wie eine Krankheit. Er wird entlassen und streift fortan durch die wie ausgestorbenen Straßen der Stadt. Doch etwas Furchtbares ist geschehen: »Sämtliche Weiber waren aus der Stadt verschwunden.« Verzweifelt sucht er nach den Vermissten und kann sie doch nirgends aufspüren. Erst die Flucht aus seiner »Mutterstadt« gibt ihm die Chance, die Frauen und mit ihnen das eigene Selbst zu finden.

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Wolfgang Hilbig

Die Weiber

Erzählung

FISCHER E-Books

Inhalt

Die Weiber

Die Weiber

Es war heiß, eine feuchtheiße Hölle, mir war der Schweiß aus allen Poren getreten. Ich begann Gerüche auszuscheiden, eigenartig, als ob etwas in mir zu schimmeln begänne, ein ganz besonderer Fromage, als ob ich nach meinen Augäpfeln röche, sie waren mir hervorgetreten und schienen mit einem bestimmten Schleim überquollen, wahrscheinlich zog diese Trübung aus den Lenden herauf, ein Ziehen aus der Leistengegend, das stechend mein Herz streifte, es griff mir ins Gehirn, langsam, und ich hatte den Beginn nicht bemerkt. – Ich wurde untragbar für die Werkzeugmacherei, man schickte mich in den Formenkeller, wo ich die stählernen Gießformen und Schneidwerkzeuge, sauber, wie man mir sagte, in die Regale einordnen sollte. Sauber – doch an den Stellen, an denen ich die Formen mit den nassen Händen berührte, zeigten sich nach einigen Tagen Rostflecke. Während der Kontrollen maßregelte man mich wegen dieser Flecke, und ich begann die Formen mit Öl einzupinseln, das Öl knisterte auf den braunen Flächen, es verströmte einen Brandgeruch, bei weitem stärker aber war der Geruch, den ich selbst verströmte. Riesige abblätternde Schorfstellen befielen meine Ellenbogen, weiße Flechten, die nach saurer Milch rochen, und ich hockte untätig am Tisch in dem schwülen Keller, ich war nicht einmal erschrocken, ich war konsterniert, daß sich all meine Befürchtungen mit einer so absurden Konsequenz bestätigten, geradezu zielsicher setzten sich all meine Gedanken in abgestandenes Gift um. – Täglich, später sogar mehrmals täglich, onanierte ich in den Keller und trat die schillernde Spucke auf dem Zementfußboden breit; es gab nicht den geringsten Grund zu diesen Übergriffen, nicht einmal ein Bedürfnis; du Schwein, sagte ich zu mir, beeil dich, daß man dich nicht überrascht. Aber es dauerte mir immer länger, ich trieb mich in eine immer gehetztere Verfassung, und das Ziehen in meiner Hüfte ließ nicht nach, dabei schwitzte ich weiter, die Schweißausbrüche lähmten und schwächten mich, das Glied verlor mir den letzten Rest an Kraft, ich stieß nur mehr ein trockenes, schmerzhaftes Husten hervor, wenn ich mich mit meiner ermüdeten Faust schüttelte. – Ich schwitzte weiter, obwohl es in dem fensterlosen Kellerraum, der nur von einer einzigen Lampe erhellt war, kühler zu sein schien als in der Luft dieser drei Sommermonate, die außerhalb der Fabrik glühten.

Durch einen quadratischen Gitterrost in einem Winkel der Decke fiel ein wenig mehr Licht herab, es kam aus der Presserei über diesem Keller, in der die Maschinen stampften. Früher, als dieses Werk eine Munitionsfabrik gewesen war, in der die Gefangenen des direkt angeschlossenen Lagers gearbeitet hatten, hatte dieses Fußbodengitter dem Versenken der wertvollen Metallspäne in den Keller gedient. Jetzt war es die Öffnung für einen mechanischen Aufzug, mittels dessen die oft sehr schweren Formen – die ich auseinandernahm, säuberte, zusammensetzte, mit Bezeichnungen und Nummern versah – aus der Presserei herab transportiert werden konnten. Mir aber öffnete man das Gitter nicht, es sei zu gefährlich für die in der Presserei arbeitenden Frauen, die sich an dem Gitter hin- und herbewegten, wenn dieses stundenlang ohne Aufsicht offenbliebe. Ich schleppte die Formen über Umwege und steile Treppen in den Keller hinab, was mehrere Tage in Anspruch nahm. Nach diesen Tagen rührte ich vorerst nichts mehr an, ich saß still am Tisch und achtete gespannt auf das Zittern meiner Muskulatur, das Beben meiner Lungenflügel, nur langsam sich beruhigende Zeichen; die scharfen Kanten der Werkzeuge hatten mir die Hüften aufgeschürft, und der Schweiß brannte heftig in den Wunden, die mir tief erschienen, tief ins Innere meines Körpers gedrungen, als seien mir Nervenstränge verletzt, die Strömungen meiner Sinne durchschnitten.

Und in der Presserei arbeiteten die Frauen. – Durch das Gitter über mir flutete mit stetiger Wucht feuchte Gluthitze herab. Ich saß, inmitten dieses heißen Stroms, auf einem Stuhl unter dem Gitter, im Halbdunkel verborgen, neben dem Stuhl einige Flaschen Bier; wenn ich trank, glaubte ich, das Bier flösse mir sogleich, ohne daß sich auch nur seine Temperatur im Innern meines Körpers zu ändern vermochte, lauwarm aus allen Poren wieder hervor. Es strengte mich endlos an, den Kopf dauernd in den Nacken gelegt, starr durch das Gitter ins Licht zu blicken, immer in der Hoffnung, dort oben die Frauen über die Maschen des Rosts hinwegschreiten zu sehen. Manchmal stellte ich mich auf den Stuhl, so mit der Stirn fast das Eisengeflecht berührend, um nun einen schmalen, dicht durchkreuzten Blickwinkel in die Halle der Presserei hinein zu gewinnen; ich erkannte die kurze Bockleiter, die, etwas mehr als einen Meter hoch, die Frauen an den umfangreichen Trichter einer mit schrecklichem Geräusch mahlenden Mühle gelangen ließ, in der man die Abfälle des erkalteten Kunststoffs, aus welchem an den Pressen spulenartige Teile für Radiogeräte gegossen wurden, zu so feinem Korn zerkleinerte, daß sie wiederverwendungsfähig waren.

Von meinem Standpunkt aus sah ich zwei oder drei Frauen, sie waren die ältesten und kräftigsten, diejenigen, die für die Arbeit an den Handpressen eingeteilt waren. Sie wandten mir ihre Rückseiten zu, saßen auf hohen dreibeinigen Schemeln, die federten und dabei zu quietschen schienen; sie hatten, wegen der Temperaturen, auf Sitzkissen verzichtet, die Masse ihrer riesigen Hinterteile verschlang dabei vollkommen die runden hölzernen Sitzflächen der Schemel, wie alle Frauen in der Presserei waren sie lediglich mit dünnen bunten Kittelschürzen bekleidet, wenn sie sich hinauf zu den langen Hebelarmen der Pressen stemmten, erkannte ich, daß ihre Kittel hochgerafft waren, daß sie mit halbgeöffneten Beinen saßen, daß ihre bloßen oder pantinenbewehrten Füße sich, während ihre Knie endlich zur Mitte kippten, auf die äußeren Enden der breiten Fußhebelstangen stützten, was dazu diente, die Gießformen fest zu arretieren – zwanzig Zentimeter hoben sich ihre Hinterteile über dem Sitz auf, einen Augenblick lang schienen sich ihre Oberschenkel zu verschlaffen, die Gesäßhälften schienen ein Stück zu fallen, um sich zu äußerster Härte zu spannen, dabei womöglich geruchsintensive Stoffe gegen das straffe Tuch ihrer Schürzen zu drücken; die Frauen, von deren Oberkörpern ich nur ein sehr schmales Stück über der Taille sehen konnte, denn eine die Halle durchstrebende Kranbahn verdarb mir große Teile meines Ausblicks, hatten mit beiden Fäusten die schräg aufgerichteten oberen Handhebel gepackt und ließen sie unter Anhängen der Gesamtheit ihrer schweren Leiber niederfahren, sie taten es, wie ich ahnte, mit tiefen Seufzern, als sei ihnen in der Brust ein Holzkloben entzweigetrieben worden, der obere Arbeitsteil der Maschine sank auf die festgespannten Backen der Form nieder und entließ einen Teil der kochenden, dampfenden Kunststoffmasse, die Frauen, indem sie wieder in den Sitz zurückgelangt waren, hielten den phallusartigen Hebelarm unten, damit der aus den Spritzdüsen entwichene Kunststoff erkalte, dabei umkrampften Teile ihrer Schenkel die harte Schemelfläche, ich wußte, daß die Oberarme der Frauen zu Eisen erstarrt waren, daß sich ihre Schultermuskeln, Schulterblätter und Schlüsselbeine zu einer hartgepanzerten Form vereint hatten, ehe die schon blutleeren Fäuste den Hebel zurückschnellen ließen, um die genügend abgekühlten zwei oder drei kleinen Spulen, durch Öffnen der Backen, aus dem Schoß der Gießformen auszustoßen. Dies alles war das Werk von nicht mehr als einer halben Minute. Die Frauen arbeiteten im Leistungslohn, und die Besatzung der Handpressen wechselte ständig, so daß ich im Verlauf einer Woche beinahe alle älteren Frauen bei der Arbeit an diesen Maschinen beobachten konnte – stets aber waren es Frauen von ähnlicher Statur, von ähnlicher Schwere und Kraft, und alle waren ähnlich gekleidet, der nasse Stoff ihrer Kittel spannte sich zum Zerreißen über die Wellen und Ringe ihrer ungeheuren Leiber, und oft sah ich sie im Rauch ihrer Ausdünstungen verschwimmen, die blumenbunten Rückenflächen hingeflossen in die flimmernde Luft dieser drei Sommermonate, die im Wolkeninnern der Pressereihalle nichts als ein kochender Gummi- und Kunststoffgeruch war. – Unter ihren Schemeln hatte ich große dunkle Pfützen bemerkt; ich rätselte, ob sie vom Schweiß oder gar vom Urin der Frauen herrührten, resigniert aber vermutete ich bald, es seien lediglich die wertlosen Reste des Kühlwassers, das aus einigen undichten Fugen der Formen gesickert war und von dem sich die Frauen widerstandslos die Beine benetzen ließen.

Ab und zu traten Männer leichtfüßig über den Gitterrost vor meiner Stirn hinweg; es waren die elegant sich bewegenden Männer aus der Abteilung der Werkzeugmacherei, in fast völlig sauberer Werkskleidung, mit feinen, harmlosen Werkzeugen in den Fingern; sie hatten die reibungslose Funktion der Maschinen zu überwachen, kleine Reparaturen schnell auszuführen, sie stolzierten unbeeindruckt durch den Lärm, fächelten sich Luft zu, plauderten in der Nähe der Ventilatoren; keiner von ihnen beachtete die ungeschlachten, zotigen Bemerkungen der Frauen, die ihnen durch das Gezisch der Pressen, das Stampfen der Automaten, das Heulen der Mühlen, das Knirschen der Schneidwerkzeuge, durch das gesamte, rhythmisch sich ballende und wieder spaltende Lärmgefüge, deutlich hörbar, für mich aber nicht verständlich, zugeschrien wurden.

Die Frauen kamen niemals über den Gitterrost hinweg. Selten nur streiften sie, unverhofft und blitzschnell, einen geringfügigen Winkel meines Blickfeldes: ach, ohne nur einmal einen ihrer Holzpantoffeln auf das Eisengeflecht zu setzen, kamen sie zu zweit oder zu dritt vorbei, kaum, daß ihre Schatten über mich hinflogen, für Bruchteile von Sekunden hörte ich ihre Stimmen, ein unverständliches, ununterscheidbares Schwatzen, sie waren unkonturierte Tonnen von Dunkel, sprachlose Silhouetten, die mich überwehten, nichts konnte ich sehen, außer den Gegenständen, die sie trugen, an die Hüften gedrückt hielten sie große, offenbar schwere Pappkartons, die allein deutlich zu erkennen waren, wenn sie über das Gitter schwebten. Ich sah die Frauen in solchen Momenten erst wieder, wenn sie vor der kleinen Leiter an der Mühle für die Materialabfälle haltmachten. Dies war die ersehnte Minute, in der ich die Stirn, das Gesicht gegen das Gitter preßte, um zu sehen – um zu sehen, wie eine der beiden Frauen die Bockleiter bestieg, um sich nach vorn über den Trichter der Mühle zu beugen, der Augenblick, in dem mir entgangen war, daß eine dritte Frau den beiden ersteren folgte und einen Eimer in der Hand trug. Es war der Augenblick, da der Saum des Kittels, der die sich vorbeugende Frau auf der Leiter kleidete, über die geröteten Hinterflächen ihrer Schenkel hoch hinaufzugleiten schien, das hauchdünne Synthetiktuch des Kittels im Licht des danebenliegenden Fensters, in diesem weißglühend eindringenden Sonnenlicht entflammt schien, der Augenblick, in dem die schweren, leichthin aufklaffenden Gesäßhälften sofort sichtbar werden mußten, wie durch physikalische Zauberei in einer unwägbaren Sekunde, gleich, sofort, den Punkt eines unsichtbaren Dunkels zu entblößen, der blitzartige Augenblick, in dem ein heißer Sonnentropfen die Nerven des Fleischs, das dort frei werden würde, entzünden mußte – ich hatte keine Ahnung, was ich damit meinte –, und der Moment, in dem sich die dritte Frau, die den vorangehenden gefolgt war, einem tollen, wohl hundertmal wiederholten Scherz hingab, nämlich mit mächtigem Schwung der Arme den Inhalt des Eimers, fünf oder sechs Liter kalten klaren Wassers, mit einem scharfen, wohlberechneten Ruck von bedenkenloser Zielsicherheit, die das Wasser eine pfeilgerade Linie durch die brennende Luft beschreiben ließ, unter den Schürzenrock der Frau auf der Leiter, haargenau zwischen die Schenkel der Frau, knallend auf den gesamten hinteren Unterkörper der Frau zu gießen, das belustigte gellende Geschrei der Frau auf der Leiter bestätigte unverzüglich die obschon erwartete, aber dennoch überraschende, höchst dankbare Annahme des unfehlbaren Volltreffers; oh, welch willkommene Abkühlung, ich sah nichts, ich sah den Schwall des Wassers sprühend abprallen, was ich hatte sehen wollen, war überschwemmt, von Wasser verwischt und verzerrt, ich stürzte vom Stuhl, um das jagend zurückströmende Wasser, das auf das Gitter zuschoß und durch die eisernen Maschen in den Keller eindrang, aufzufangen, mit den hohlen Händen, die es nicht zu fangen vermochten, mit dem Gesicht, das im Nu von Spritzern überflossen war, mit der Nase, mit dem aufgesperrten Mund, als könne ich eine Winzigkeit, einen vielleicht kaum merklichen Flor des Weiblichen, der vielleicht abgewaschen und mitgespült worden war, von dem das Wasser bei aller Schnelligkeit des Geschehens dennoch ein wenig benetzt sein mußte, mitkriegen, verschlingen, in einer einzigen Pore meiner Haut, wenn auch unbemerkt, bei mir behalten. Nichts als der vom Fußboden gerissene Staub traf meine Lippen, nichts als der Ölgeruch des verunreinigten Wassers blieb mir an den Händen, ich hatte ausschließlich den brandigen Gummigeruch, den unmenschlichen Kunststoffgeruch in den Nüstern, welcher, von dem Wasser sekundenlang abgekühlt, nun noch deutlicher und perverser zu schmecken war.

 

Langsam hatte ich begonnen, mich in eine Krankheit zu verwandeln. Wie alles, was ich hervorbrachte, war auch diese Verwandlung vollkommen übertrieben, wenn sie schon nicht das Leiden eines Menschen war, war sie schließlich auch nicht mehr das eines Tieres. Es führte dazu, daß man mich aus dem Betrieb entließ, die Einzelheiten, die dazu führten, sind nicht erwähnenswert, ich lebte in Umständen, in denen die Symptome wichtiger waren als die Gründe, oder vielmehr die Gründe sich andauernd in die Symptome verwandelten, tagsüber versteckte ich mich in der Wohnung, abends erst, in der Dunkelheit, ging ich aus, ich ging in den abgestorbenen Straßen der Stadt umher, in Selbstgesprächen, mir schallende Reden haltend, schwitzend, mit milchgrünen Blattern bedeckt. Es war etwas Furchtbares geschehen, das Schlimmste, seitdem ich das Leben von außen zu betrachten vermochte, seitdem ich es vermochte, das Leben zu benutzen, um Beschreibungen anzufertigen, die mir ein inneres Leben ermöglichen sollten. Etwas Furchtbares, und ich sollte es eine Schönheit nennen – wenn mir ähnliches schon gelungen war? … ich hatte es immer bezweifelt? … so war die Diskrepanz diesmal die tiefste, sie war entsetzlich, nichts an dem Vorfall ließ sich in eine schöne Idee für mein inneres Leben verwandeln. Früher hatte es mir nichts ausgemacht, den Schmutz schillern zu lassen, in meinen früheren Schreibarbeiten, die ich der Veröffentlichung preisgegeben hatte, dem? … ich grinste? … dem Druck, oder die ich anderswie von mir entfernt hatte, die mir auch entfernt worden waren, waren die Ungeheuerlichkeiten immerhin schmackhaft gewesen, ich hatte sie in billige Mystifikationen gekleidet, und wenn sie sich auch nicht irgendwo etablieren ließen, so wurde ihr Verkauf wenigstens diskutiert. Oh, diese schönen Gefängnisse – so etwa hatte ich die Mülltonnen, die auf der Straße standen, wenn nicht gerade als nützlich, aber doch als Reflektoren eines magischen Mondlichts beschrieben, ich hatte sie glänzen lassen, wie große Konservenbüchsen in der Sonne, ich hatte ihren Glitzer silbern genannt.

Jetzt aber war etwas geschehen, das nicht so leicht umzubiegen war, es hatte nichts mit irgendeiner Verunreinigung zu tun, eher war es ein Mangel an Reichtum, ein Verlust, ein besonders schmerzlicher, die Stadt schien sich mit einemmal von einem bestimmten Inhalt befreit zu haben, anfangs war es mir, als hätte sie sich von einem ihrer Gerüche befreit. Der Wahnwitz mußte mit dem Tag meiner Entlassung aus dem Betrieb begonnen haben, seit diesem Tag jedenfalls fehlte mir etwas Bestimmtes; als ich mich am Abend auf die Straße wagte, rang ich nach Luft, mir war, als sei der Luft ein spezielles Aroma entzogen, das mir lebensnotwendig war. Ich suchte nach der Ursache dieser Empfindung, dann kam mir ein Verdacht, der sich verstärkte, und bald ging ich tagelang umher, nur um festzustellen, wie recht ich hatte, nächtelang, nur um mir den scheußlichen Verdacht zu bestätigen: sämtliche Weiber waren aus der Stadt verschwunden. – Es half mir nichts, daß ich mich von einer Zwangsvorstellung besessen fühlte, in meinem übermächtigen Kopf flammte es in jagenden Lettern, daß sie alle aus der Stadt verschwunden waren, sämtliche Weiber, und mit ihnen schien auch jeder Hauch von Weiblichkeit aus der Stadt entwichen. – Noch nicht genug, es kam mir vor, als seien selbst die weiblichen Wörter nicht mehr in Gebrauch, ich glaubte plötzlich zu bemerken, daß man in dieser Stadt eine Tonne als einen Kübel