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Die achtjährige Evi Wedder traut ihren Augen nicht, als sie in einem Berg von ihr hinterlassener Kekskrümel einen Krümel entdeckt, der Augen hat und sie neugierig anschaut... Im ersten Teil, "Die Welt der Krümel, wie alles begann..." lernt der Leser Professor LeMürk kennen. Er erfährt wie Professor LeMürk durch seine Experimente mit eingesammelten Bruchstücken verschiedener Materialien eine Erfindung macht, die sein Leben völlig verändert. LeMürk ist ein Vertreter der kleinen Völker, deren Exemplare meist nicht größer als 10 Zentimeter werden und die in der Regel unentdeckt in der Nähe der Menschen in Hohlräumen der Häuser wohnen. Seine zahlreichen Nachkommen sind inzwischen weit verbreitet und setzen die Experimente traditionell fort. LeMürk der III. lebt heute mit seiner Familie in einem Hohlraum eines vierstöckigen Gebäudes in der Waldstraße Wand an Wand mit dem Menschenkind Evi. Der zweite Teil, "Die Welt der Krümel in Gefahr", beschreibt zunächst die zufällige Bekanntschaft und spätere Freundschaft der achtjährigen Evelin mit Lele, der Tochter des Krümelerweckers LeMürk des III. Als Evi eines Tages erfährt, dass das Wohnhaus saniert werden soll, ahnt sie, dass ihre kleinen Freunde in Gefahr sind. Gemeinsam überlegen sie, wie sie die Familie und ihre kleine Wohnung vor der Zerstörung durch die Sanierung schützen können. Es ist eine schwierige Aufgabe zumal die Eltern der kleinen Evi nichts von der Existenz der kleinen Wesen erfahren sollen. Unter Einsatz ihres Lebens kämpft die Familie der kleinen Wesen um ihr Heim. Wie Evi der Familie hilft und was all das mit Krümeln zu tun hat, das lesen sie in "Die Welt der Krümel"
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Seitenzahl: 166
Veröffentlichungsjahr: 2012
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von
Fil Amaris
Imprint
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
copyright by ©2012 Fil Almaris
ISBN 978-3-8442-2311-8
Die Autorin ist von ihrer Mutti gebeten worden doch einmal zu erforschen, ob es Krümelmonster gibt. Auf die Idee ist sie wohl gekommen, weil im Fernsehen solche gezeigt werden. Das sind die, die große knackige Kekse bergeweise verschlingen und dabei überall Kekskrümel hinterlassen.
Dabei ist das eigentliche Problem der Mutti nicht das von Kekskrümeln. Nein!
Sie macht sauber, gründlichst. Dabei beseitigt sie tausende von Krümeln und diverse andere Teilchen. Es blitzt alles vor Sauberkeit und dann, nach wenigen Minuten, liegen bereits wieder neue Krümel da. Unerklärlich, wo diese herkommen, wie sie es schafften sich genau dorthin zu legen, wo sie vorher alle, aber auch alle, beseitigt worden waren. Und das ist noch nicht das ganze Phänomen, nein. Wenn es zunächst auch nur wenige Krümel sind, so geht es doch rasend schnell, dass immer mehr dazukommen. So schafft es die Mutti nicht, auch nur kurze Zeit die Reinlichkeit der gesäuberten Räume und Flächen zu genießen.
Nun, auch die Autorin kennt das Problem und fand, dass es sich lohnt etwas darüber herauszufinden.
Krümeleien finden überall auf der Erde und auch im Weltraum statt.
Materie hat die Eigenschaft sich zusammenzufügen, aber auch sich voneinander abzuspalten. Da hätten wir die Planeten, die sich aus Materiewolken bilden. Krümel für Krümel verdichtet sich die Materie zu einem großen Stück mit einer ungeheuren Masse.
Wenn dieses große Stück auf ein anderes großes Materiestück trifft, dann brechen wieder Stücke ab. Diese Stücke könnte man als Planetenkrümel bezeichnen. Keinesfalls werden solche von Krümelmonstern produziert.
Auf der Erde gibt es massive Gebirgsfelsen. Man sollte meinen, da krümelt nichts. Aber da hätten wir nicht mit Sonne, Wind, Regen und Temperaturen gerechnet. Die schaffen es, dass durch ihre Kräfte selbst ein massiver Berg krümelt.
Die Bäume wachsen, bilden Materie in Form von Blüten, Blättern und Früchten. Dann wiederum lassen sie diese einfach fallen, wenn eben jene Faktoren wie Wind, Sonne und Temperaturen bestimmte Werte aufweisen. Damit ist klar: Auch Bäume krümeln.
Der Mensch selbst krümelt, denn auch von ihm fallen Bestandteile seines Körpers ab, die er zuvor selbst gebildet hat: Haare, Schuppen, Hautfetzen, Nasensteine.
Darüber hinaus ist der Mensch ununterbrochen dabei, Materie zusammenzusetzen und wieder zu zerteilen.
Beispiel: Er zerlegt eine zunächst zusammenhängende Getreidepflanze, trennt von ihr die Körner ab, um sie in noch kleinere hauchfeine Teile zu zerlegen. Er mischt das Ergebnis mit allerlei Bindemitteln und fügt das Ganze wieder zu einem neuen größeren Stück Materie zusammen, das Brot. Anschließend zerschneidet der Mensch dieses wieder in kleine Stücke oder Scheiben. Später zermalmt der Mensch diese Stücke in noch kleinere Teile, woraus mit Speichel und anderen Verdauungssäften wieder größere Materieanhäufungen entstehen.
In diesem Prozess entstehen zahlreiche Krümelarten, fast am Schluss die Brotkrümel und ganz zuletzt die, welche zumindest aus der Wohnung sauber entsorgt werden.
So, jetzt wissen wir erst einmal, was die Mutti so wegkehrt und -wischt, wenn sie sauber macht. Ich hoffe der Leser versteht, dass dies nicht nur Brotkrümel sind, sondern Krümel aus zahlreichen Prozessen, von denen hier beispielhaft drei beschrieben wurden.
Doch warum sind nun nach dem Saubermachen gleich wieder Krümel da?
Nun, sagen wir mal, es gibt einen, der das erklären könnte...
Irgendwo auf dieser Welt lebte in nicht allzu vergangener Zeit ein kleiner Wissenschaftler mit dem Namen LeMürk.
Er wohnte unerkannt in der Nähe der Menschen, denn seine Körpergröße war recht bescheiden, was ihm manchmal Probleme bereitete, wenn er einer Maus begegnete, die wie er in den unzugänglichen Hohlräumen menschlicher Behausungen wohnte. Dennoch kam er mit den menschlichen Haustieren gut zurecht. Immerhin hatte LeMürk einen scharfen Verstand und ein recht unerschöpfliches Wissen, auch über die Bedürfnisse und Gewohnheiten von Mäusen.
Oberstes Prinzip des kleinen Wissenschaftlers und Forschers, war es von den Menschen zu profitieren, aber niemals von ihnen gesehen zu werden. Profitieren ist hier im Sinne von Lernen gemeint, obgleich auch die Nahrungsmittel und verschiedene Dinge des täglichen Bedarfes ebenfalls von den Menschen stammten, in deren Nähe er wohnte.
Angesichts seiner geringen Größe wurde das, was er zum Leben brauchte und von ihm in nächtlichen Streifzügen durch die menschlichen Wohnungen eingesammelt wurde, nicht von den Menschen vermisst.
Da die Beschaffung von lebensnotwendigen Dingen für ihn so einfach war, hatte LeMürk genügend Zeit sich seinen Forschungen zu widmen.
Er beschäftigte sich unter anderem mit dem Zusammenhalt von Materie. Insbesondere experimentierte er mit Methoden der Wiedervereinigung verkrümelter Materie.
Die von den Menschen erzeugten Krümelartefakte waren dabei ein schier unerschöpflicher Vorrat an Forschungsausgangsprodukten. Viele Jahre versuchte der kleine Wissenschaftler aus Kekskrümeln, Paprikastücken, Haaren, Holzsplittern, Verpackungsüberresten und sonstigem Geschnitzel und Geschnetzel neue Materie zu formen die, so hoffte LeMürk, völlig neue Eigenschaften haben sollte. Da wäre zum Beispiel ein nach Paprika schmeckendes Möbelstück mit der Biegsamkeit von Haaren und der Struktur von Holz.
Er baute dazu allerhand Maschinen und Apparaturen, in die er die eingesammelten Stückchen und Krümel hineingab. Doch was er auch versuchte, seine Maschinen veränderten die Stücke nicht so, wie er es sich erträumt hatte. Sie produzierten Schleim und Staub oder ließen die Stücke vertrocknen.
Unermüdlich baute er neue Apparaturen und stellte neue Versuchsanordnungen auf. Eines Tages geschah es dann:
Als er nachsah, was aus einem Käsekrümel, einem Pfefferkorn, zwei Haaren und zwei Brotkrümeln im Behälter seiner neuesten Apparatur geworden war, schauten ihn ein duzend Augenpaare an. Er war so erschrocken dass er den Deckel, den er zuvor angehoben hatte, sofort wieder schloss.
Was war den das? War da aus Versehen ein Tierchen mit in den Versuchsbehälter gekommen? Er ließ den Versuchsablauf Revue passieren und schüttelte den Kopf. Er hatte wie immer sorgfältig darauf geachtet, dass nur registrierte tote Krümelartefakte für seinen Versuch verwendet wurden. Doch wer schaute ihn dann aus dem Behälter an?
In dem Glauben, dass die Augen nicht mehr schauen würden, weil sie vielleicht eine Halluzination gewesen waren, hob er den Deckel an. Doch er irrte sich was dies betraf. Die Augen schauten groß und munter, sodass er gar nicht anders konnte. Er sagte: „Hallo!“ „Hallo, hallo, hallo...“, schallte es aus dem Behälter zurück.
„Wer seid ihr denn? Was macht ihr hier?“, fragte LeMürk neugierig und immer noch völlig überrascht. Die Antwort aus dem Behälter war ein Kichern. Es kam Bewegung auf. Die Augen kamen näher und der Forscher trat ein Stück zurück.
So beobachtete er wie ein Pfefferkorn, ein Käsekrümel und zwei Brotkrumen aus dem Behälter kletterten und sich danach die beiden Haare elegant herausbogen.
Schließlich standen sie alle vor ihm auf dem Sockel seiner Apparatur und blickten ihn mit ihren kleinen Kulleraugen erwartungsvoll an.
LeMürk trat vorsichtig wieder ein Stück näher heran, um die Krümel genauer zu betrachten.
Neben den Augen hatten sie winzig kleine Arme und Beine. Ansonsten waren sie so, wie er sie in den Kessel hineingetan hatte.
Er unterdrückte die Versuchung einen der Kleinen zu berühren und streckte ihnen stattdessen die Hand entgegen.
Die Krümel kamen neugierig näher und begannen wie Kinder ihn mit ihren kleinen Händchen abzutasten. Dann kletterten sie auf die Hand, balancierten die Finger entlang und probierten wie es sich in der Kuhle der Hand anfühlt. Das Pfefferkorn rollte schließlich fröhlich in der Kuhle hin und her. Die Haare hängten sich über den Daumen und schaukelten vergnügt.
Der Käsekrümel aber war über den Arm auf seine Schulter geklettert und hatte es sich, Beine baumelnd, gemütlich gemacht. Er roch heftig und begann einen gelblichen Fettfleck auf seinem Laborkittel zu erzeugen.
Unser Wissenschaftler beobachtete fassungslos eine ganze Weile die Szene. Viele Jahre hatte LeMürk sehr einsam und allein gelebt. Er fand Gefallen an dem lustigen Treiben seiner Versuchsobjekte.
Doch dann erinnerte er sich wieder an seine Forschungen. Nun, wenn er schon keine Materie zusammengefügt hatte, so hatte er doch scheinbar Materie belebt. Doch keine Erfindung zählte etwas, wenn sie nicht überprüft worden war. Er musste diese Versuchsanordnung wiederholen.
Während er darüber nachdachte, was er nun weiter tun würde, kletterten die kleinen Wesen fröhlich weiter auf ihm herum.
Das Pfefferkorn hatte es, wie auch immer, in sein Ohr geschafft. Dort nutzte es fröhlich das Halbrund, um sich kullern zu lassen. Es kitzelte und LeMürk entfernte es vorsichtig mit zwei Fingern und setzte es auf den Schreibtisch seines Labors. Die beiden Haare sprangen freiwillig ab. Die an seinem Kittel hängenden Brotkrümel sammelte er vorsichtig ab und ließ sie aus seiner Hand ebenfalls auf den Schreibtisch laufen. Nur das Käsestück, an dessen Geruch er sich inzwischen gewöhnt hatte, ließ er auf seiner Schulter sitzen.
„So Jungs, wollen doch mal sehen, ob wir noch mehr von euch herstellen können. Die Kleinen kicherten und nickten fröhlich.
Sorgfältig wählte LeMürk aus einer Vielzahl säuberlich gestapelter Kisten voller von ihm eingesammelter Krümel ein Stück vertrocknetes Blatt einer Balkongeranie, einen Fussel eines gewaschenen Papiertaschentuches und ein Vollkornbrotkorn aus. „Drei dürften erst einmal genügen“, brubbelte er. Nachdem er die drei Krümelartefakte noch einmal sorgfältig betrachtet hatte, legte er sie behutsam in den Behälter der Apparatur. Nun ging er Schritt für Schritt die Versuchsanordnung des letzten Versuches erneut durch. Der auf seiner Schulter sitzende Käsekrümel beobachtete aufmerksam, was der Meister tat, ohne es jedoch zu verstehen. Es fand es einfach schön, wie der Meister seinen Körper hin und her bewegte, und fühlte sich wahrscheinlich wie auf einem Riesenrad. Es sah wie Schalter bewegt wurden, Geräte anfingen zu brummen und es brummte ein bisschen mit.
LeMürk war hochkonzentriert und besprach mit sich selbst die wichtigsten Schritte. In der entscheidenden Schlussphase blieb er stehen und starrte den Behälter an, als würde sich jeden Moment der Deckel anheben und aus ihm die Ergebnisse des Versuches quellen.
„Fertig!“, rief er plötzlich und schielte zum Käsestück, „Wollen wir nachsehen?“
Er ging zum Behälter, hob den Deckel und lugte vorsichtig hinein. „Hallo“, sagte er und meinte damit die drei neuen Krümlinge im Behälter, die ihn mit großen Augen ansahen. Er streckte die Hand hinein und ließ das Blattstück, den Fussel und das Vollkorn auf seine Hand klettern und setzte dann alle drei behutsam auf dem Tisch neben der Versuchsanordnung nieder.
Sein Käsekrümel war nun nicht mehr zu halten. Er sprang von seiner Schulter, um sich zu den neuen Geschwistern zu gesellen. Neugierig lief er auf die drei Neuen zu, umrundete sie dreimal und begann wie das Pfefferkorn und die anderen mit den kleinen Händen die Neuankömmlinge zu betasten und zu begrabbeln. Diese machten fleißig mit bei dem fröhlichen Kennenlernen. Es dauerte nicht lange, bis die Krümelchen übermütig miteinander spielten. Sie rollten hin und her, soweit es ihre Form zuließ, schlugen Salto und freuten sich ob ihrer Lebendigkeit.
LeMürk war schwer erschöpft und zugegebener Maßen noch sehr verwirrt. Er hatte wirklich etwas Großes entdeckt. Zwar war es nicht das, was er sich so lange Zeit erhofft hatte, doch lebende Krümel waren ja wohl der Hit schlechthin.
Er nahm sich einen Schluck von seinem schottischen Single Malt in ein Glas und setzte sich in seinen Schaukelstuhl. In diesem hatte er so viele Jahre lang neue Versuchsanordnungen ersonnen und nun war eben jene darin entstanden, mit der er lebendige Krümel erschaffen konnte.
So saß er eine lange Weile in seinem Stuhl, beobachtete seine Krümlinge, die herausgefunden hatten, dass man über dem Bücherstapel neben seinem Schreibtisch auf den Boden gelangen konnte. Er sah das Pfefferkorn, wie es rollend von Buch zu Buch nach unten plumpste. Anschließend versuchte es sich gegen die Schwerkraft an einem Stuhlbein hochzurollen. LeMürk musste lachen. Immer und immer wieder versuchte es mit seinen kleinen Beinchen und Ärmchen wie an einer Kletterstange das Stuhlbein hinaufzuklettern, nachdem es mit dem Rollen gar nicht geklappt hatte. Käsekrümel und Brotkrümel kletterten ebenso unerschrocken den Bücherberg hinab, indem sie sich mit den Händchen am Buchumschlag festhielten und zum nächsten Buch herunterfallen ließen. Das Geranienblatt segelte von Buch zu Buch und kam als Drittes am Boden an. Es schaute den Kletterern zu und freute sich mit ihnen über jeden Absatz, den sie bewältigten. Die Haare hatten sich gleich vom Schreibtisch fallen lassen.
Am Boden begannen die Krümelchen alles zu erforschen, an das sie herankommen konnten.
Da gab es Einiges, denn LeMürk war nicht der Ordentlichste. Neben den Büchern standen hier Schüsselchen und Töpfe, Messgeräte, Schrauben, Holzstücke und vieles mehr.
Was sollte LeMürk mit diesen Krümlingen, wie er sie immer öfter liebevoll in Gedanken nannte, anfangen? Ob sie wohl auf ihn hörten?
„He, Jungs!, rief er. Die Krümlinge hielten inne mit dem, was sie gerade taten, und richteten ihre großen Augen auf den Meister.
„Kommt mal her zu mir.“ LeMürk hatte mit seinen Worten einen Wettlauf initiiert, in dem es darum ging, wer zuerst bei seinem Meister ankam.
Klar, dass das Pfefferkorn am schnellsten war. Es stieß sich ab und rollte bis zur Kante des Meisterschuhs und prallte davon ab, bis es schließlich mit einem gekonnten Überschlag auf zwei Beinchen landete. Die nächsten waren die Haare. Sie hatten inzwischen eine Art Saltotechnik gefunden, mit der sie sich recht schnell fortbewegten. Nur das Stückchen Geranienblatt hatte es nicht so leicht mit der schnellen Vorwärtsbewegung. Sein Körper wirkte wie ein Segel, das durch den Luftzug der Bewegung das Vorwärtskommen behinderte. Bald bemerkte das Blattstück, dass es nur mit einer exakten Ausrichtung der Blattkante zum Ziel gelangen würde.
Schniefend kam es beim Meister an und setzte sich auf dessen Schuh. Alle anderen hatten sich im Halbkreis um LeMürk versammelt und starrten ihn erwartungsvoll an.
„Ich freue mich, dass ihr bei mir seid“, sagte er ein wenig hilflos, nun da sie tatsächlich alle auf ihn hörten, „ich möchte, dass ihr schön aufpasst, dass niemand auf euch tritt, denn die Menschen, denen ihr vielleicht begegnet, sind riesig und sehen euch nicht, wenn sie mit ihren großen Füßen in ihren Wohnungen umhergehen.“LeMürk musste bei diesen Worten daran denken, welchen Gefahren er selbst bei den Exkursionen in die Welt der Menschen begegnet war. Exkursionen, in denen er mit einem Rucksack auf dem Rücken unterwegs war, um neue Artefakte für seine Experimente einzusammeln. Mehr als einmal hatte er sich mit einem kühnen Sprung in eine Möbelritze oder in die Deckung eines Tischbeins retten müssen, als plötzlich einer der Menschen genau dort aufgetaucht war, wo er gehofft hatte, unentdeckt seiner Arbeit nachzugehen.
Wie froh war er dann jedes Mal, wenn er zurück in seiner kleinen Experimentierwerkstatt war, die sich nicht allzu weit von der Menschlichen Wohnung in einer Lücke im Mauerwerk befand.
(Bemerkung der Autorin: Nicht jedes Loch im Mauerwerk wird von einer Maus bewohnt und nicht jedes Loch im Mauerwerk wird von einem Wissenschaftler der kleinen Völker genutzt. Hier lassen sich keine Gesetzmäßigkeiten ableiten, die eine systematische Suche nach kleinen Lebewesen rechtfertigen würden.)
„Nun spielt weiter“, sagte LeMürk und machte mit den Armen eine Husch-Husch- Bewegung. Doch die Krümlinge bewegten sich nicht. Sie schauten ihn weiter mit großen Augen an.
LeMürk schaute zurück, wunderte sich und verstand plötzlich: Er sollte mit ihnen spielen.
„Ok, versteckt euch!“, rief er und drehte sich zur Wand um zu zeigen, dass er nicht sehen konnte, welche Verstecke sie sich aussuchen würden. Die Krümel verschwanden in alle Richtungen und verbargen sich vor den Augen des Meisters.
Es dauerte eine Zeit, bis LeMürk sie alle gefunden und liebevoll in eine große flache Schüssel eingesammelt hatte.
Dann stellte er leise Musik ein und beobachtete seine Krümlinge beim Tanz nach der Musik. Er setzte sich mit samt dem Teller auf seinen Schaukelstuhl und schlief ein.
So in etwa muss sich der erste Tag im Leben der kleinen Krümlinge und der große Tag des Meisters LeMürk zugetragen haben.
Am Tag zwei jener Ereignisse erwachte LeMürk plötzlich in seinem Schaukelstuhl. Etwas hatte ihn geweckt. Auf dem Boden lag ein Teller. Warum? LeMürk erinnerte sich schlagartig an die Ereignisse des Vortages.
Er erhob sich schwerfällig und noch sehr müde aus seinem Stuhl und schaute sich um. Wo waren seine Krümlinge ?
Aber so sehr er sich mit seinen noch sehr kleinen Augen bemühte einen der Kleinen zu entdecken, fand er keinen einzigen Krümel.
„Hey, Krümelchen, wo seid Ihr“, rief er nun besorgt. Hatte er die Sache mit den lebendigen Krümeln nur geträumt? Aber es war so real gewesen und wieso hatte er dann einen Teller in der Hand gehabt, der ihm im Schlaf aus der Hand gerutscht war?
Plötzlich hörte er ein dünnes Rascheln. Es kam von seinen Aufzeichnungen. Sein Blick traf das Blattstückchen, dass sich zwischen seine Papierblätter gelegt hatte und verzückt mit ihnen kuschelte. Erleichtert, einen der Krümel gefunden und nicht geträumt zu haben, ging LeMürk auf den Blattkrümel zu und fragte: „Wo sind die Anderen?“
Der Blattkrümel schaute ihn kurz an, rannte dann zum Rand des Tisches und ließ sich jauchzend von ihm heruntersegeln. Er landete ein wenig unbeholfen auf dem Boden und lief dann für seine Verhältnisse recht schnell auf die Öffnung zu, die LeMürk nutzte, um in die Welt der Menschen zu gelangen.
'Ach du meine Güte!', dachte er und folgte dem Blattkrümel aus dem Labor in das Wohnzimmer der Menschen. Vorsichtig lugte er um die Ecke, wie er es immer tat, um festzustellen, ob die Luft rein von Menschen war.
Da drang ihm der Schreck durch die Glieder. Die Menschenfrau war, bei einer der für kleine Wesen gefährlichsten Tätigkeiten, beim Saubermachen. Gerade hatte sie allerlei interessante Krümelobjekte auf eine Schaufel gekehrt und entsorgte deren Inhalt in einem Mülleimer. Das Herz blieb LeMürk fast stehen: „Hatte sie einen der Kleinen erwischt?“
Ein Schrei blieb ihm im Hals stecken. Er konnte jetzt nicht nach ihnen rufen. Zumindest ein Wispern würde die Menschenfrau hören.
Doch was er dann sah, zwang ihn mühevoll ein lautes Lachen zu verbergen. Sobald die Frau zum Mülleimer gegangen war, liefen Pfefferkorn, Brotkrümel, Zellstofffussel und Haare an jene Stelle, die soeben blitzsauber gewesen war, duckten sich und stellten sich leblos.
Die Menschenfrau wollte sich gerade einer neuen Tätigkeit zuwenden und entdeckte unsere frechen Krümlinge. Sie schaute verdutzt und fing an zu zetern. Wutentbrannt wandte sie sich ab, um erneut zur Müllschippe zu greifen.
Da sah LeMürk die Krümlinge lachen. Das Pfefferkorn kugelte sich vor Spaß mit den Beinchen nach oben. Die Haare vollführten komplizierte Krümmungen, womit sie offensichtlich ihre Freude zum Ausdruck brachten und das Fusselchen zum Abheben.
Was die Frau nervte, belustige die Krümelchen ungeheuer.
Doch, oh Schreck, nun kehrte die Frau die frechen Krümlinge, die immer noch lachten auf ihre Schaufel.
,Nun, ist alles zu spät‘, dachte LeMürk, aber er irrte. Die Kleinen sprangen noch während des Weges zum Eimer ab und versteckten sich geschwind in einer Möbelritze.
Die Frau war inzwischen mit ihrem Reinigungsprozess zufrieden und verließ den Raum.
LeMürk nutzte die Gelegenheit und rief leise: „Krümel, zu mir!“ Noch immer glucksend und kichernd kamen die Schützlinge zu ihm in den sicheren Bereich hinter dem Durchgang.
LeMürk ließ es zu, dass sie auf ihn krabbelten und sich an ihn hängten. Doch wo war der Käsekrümel?
LeMürk sog die Luft ein und versuchte, ob er ihn nach Geruch finden würde. Doch es roch nur nach dem Reinigungsmittel, das die Frau genutzt hatte.
Der Meister brachte seine geretteten Krümel zurück in das Labor und wies sie an dort zu bleiben. Dann ging er zurück in das gefährliche Terrain der Wohnung, um Käsekrümel zu suchen.
Nach einiger Zeit fand er ihn. Er steckte in einer Möbelspalte fest. Seine Augen waren bereits ganz klein, die Arme und Beinchen eingetrocknet. Es lag im Sterben.
Schockiert befreite er das nun nicht mehr riechende Krümelchen aus seiner Falle und trug es auf seiner Hand vorsichtig zurück in die Sicherheit des Labors.
Er legte es sanft in die flache Schüssel und beobachtete, wie die anderen Krümelchen den Käsekrümel umringten. Beim Anblick des sterbenden Artgenossen wurden sie traurig. Sie verloren selbst an Farbe. Die Arme und Beine wurden dünner und begannen zu verdorren.
LeMürk verstand: Trauer, Einsamkeit und Langeweile ließen die Krümlinge sterben. Behutsam nahm er den Käsekrümel und steckte ihn wieder in den Experimentierbehälter seiner Apparatur. Dann stellte er für den Rest der traurigen Mannschaft einen Wiener Walzer an und drehte die Schüssel im Takt. Die Krümlinge vergaßen ihre Not und begannen zu tanzen.