Die Worte der weißen Königin - Antonia Michaelis - E-Book

Die Worte der weißen Königin E-Book

Antonia Michaelis

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Beschreibung

Poetisch und voller Sehnsucht - der neue Roman der "Märchenerzählerin" Niemanden beneidet Lion mehr als die Seeadler, wenn er sie beobachtet, wie sie hoch am Himmel kreisen, so frei und glücklich. Bei ihm zu Hause in dem Dorf an der Ostsee gibt es nicht viel, auf das man neidisch sein könnte. Immer häufiger verwandelt sein Vater sich im Alkoholrausch in den gewalttätigen schwarzen König, der Lion misshandelt. Als er es nicht mehr aushält, flüchtet Lion in den Wald zu den Adlern. Doch das Leben dort ist hart und immer wieder denkt Lion an die weiße Königin, die alte Frau, die ihm einst so wunderbar vorgelesen hat. Durch sie hat er den Zauber der Worte, ihre Wärme und Kraft entdeckt ... Antonia Michaelis erzählt eine tief berührende Geschichte über familiäre Gewalt und die Kraft, sich zu befreien Eine sprachlich brillante Hommage an die Macht der Worte und der Fantasie.

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Für Birgit und Klaus Berge, deren entlaufene Ziege ihren Weg in dieses Buch gefunden hat und die schuld daran sind, dass Lion die Kirche fast nicht mehr erkannt hätte, weil sie für ihre Restaurierung gesorgt haben. Und für Hanne und Lona, die wie ich die Seeadler auf ihren weiten Spaziergängen treffen.

Vorwort

Ein blaues Viereck Freiheit

Meine Geschichte beginnt in der Dunkelheit.

Denn in der Dunkelheit traf ich die erste wirklich wichtige, wirklich mutige Entscheidung meines Lebens. Es war die Entscheidung, die Dunkelheit zu verlassen. Und meine eigene Geschichte zu beginnen, draußen, im Licht.

Ich lag da und konnte mich kaum rühren. Es war kalt.

Jeder Zentimeter meines Körpers tat weh, und in meinem Kopf tickte der Schmerz wie die Zeiger einer Uhr. Die Zeit verging und verging und verging, während ich in der Dunkelheit lag, hinter einer verriegelten Tür, ganz allein.

Ich weiß nicht, wie lange ich so lag. Lange. Viele, viele Stunden. Einen Tag, oder zwei oder drei. Ich schlief und erwachte und schlief wieder ein, doch es gab keinen Unterschied zwischen Schlafen und Wachen, denn alles war dunkel. Nur in den Schacht vor dem winzigen Kellerfenster fiel ein wenig Licht. Der schwarze König, der noch dunkler war als die Dunkelheit, hatte mich eingesperrt. Und er ging dort oben auf und ab, über meinem Verlies. Manchmal glaubte ich, seine Schritte zu hören, die näher kamen. Vielleicht bildete ich mir die Schritte nur ein. Vielleicht hatte er mich vergessen.

Und dann begriff ich ganz plötzlich, dass es zwei Möglichkeiten gab.

Ich konnte aufgeben. Darauf warten, dass der schwarze König die Tür öffnete und mich herausließ und mir zu essen gab. Aber er würde mich wieder einsperren, und er würde wieder dafür sorgen, dass in meinem Kopf der Schmerz tickte. Es würde immer und immer so weitergehen. Und wenn ich alt genug wäre, den schwarzen König zu verlassen, wäre mein Herz so hart wie sein eigenes. Ich wäre wie er, wütend und unberechenbar, ungerecht und kalt.

Oder ich konnte fliehen. In diesem Fall brauchte man mehr Mut dafür, zu fliehen, als zu bleiben. Ich konnte versuchen, einen Weg in die Freiheit zu finden. Ich konnte zum ersten Mal wirklich etwas tun. Bisher hatte ich mich meistens geduckt und Angst gehabt vor dem schwarzen König. Ich hatte die Augen geschlossen vor seiner Wut und gedacht: Es geht vorbei, es geht vorbei, es geht vorbei. Wenn ich den schwarzen König verließ, würde niemand mir mehr zu essen geben. Ich hätte kein Dach über dem Kopf und kein Bett. Er würde mich suchen, und falls er mich fände, würde etwas Schreckliches geschehen. Doch was konnte schrecklicher sein als ein aufgegebenes Leben mit einem gefrorenen Herzen?

Das, dachte ich, war ein Satz wie aus einem Buch, und es war ein guter Satz.

»Ich werde es tun«, flüsterte ich. Meine Stimme klang heiser und kratzig von der Kälte. »Jetzt. Ehe der schwarze König zurückkommt, um mich zu holen.«

Ich stützte mich an der Wand ab, kam auf die Beine und schaffte es bis zum Kellerfenster. Meine Zähne schlugen aufeinander vor Kälte. Mir war schwindelig. Aber wenn ich die Wange an das Glas der Scheibe legte, konnte ich durch den schrägen Schacht ein Stück des Himmels sehen: blau und unendlich weit weg.

Und in diesem winzigen blauen Viereck schwebte ein Vogel mit riesigen Schwingen. Er sah nicht riesig aus, denn er schwebte hoch, hoch oben im Blau. Seine Schwingen wirkten breit und kantig, und die kurzen Federn an seinem Schweif waren hell wie Licht. Später habe ich mich oft gefragt, ob es möglich ist, dass er mich gesehen hat. So weit unten, hinter der Scheibe, in der Dunkelheit. Denn in diesem Moment begann er hinabzugleiten. Er glitt in weiten Bögen hinab, ab und zu verließ er das Himmelsviereck, das ich sehen konnte, und wenn er zurückkehrte, war er jedes Mal näher. Wie frei er war, dort in der Luft. Er kannte keine Grenzen, keine Mauern, keine Zwänge.

»Komm!«, flüsterte ich. »Komm und hilf mir!«

Ja, dachte ich. Ich würde meinen eigenen Weg gehen. Den Weg des Seeadlers.

1. Kapitel

Ri-ki-ki-kri

Während ich dem Seeadler zusah, sammelte ich alle Kraft in mir, die ich hatte. Kraft, um zu fliehen. Ich wusste: Ich musste an etwas Helles, Schönes, Warmes denken, um diese Kraft zu sammeln. Und ich dachte daran, wie alles gewesen war, bevor es den schwarzen König gab.

Denn natürlich beginnt meine Geschichte eigentlich früher. Sie beginnt vermutlich damit, dass ich geboren wurde, im Sommer 1999. Daran erinnere ich mich nicht mehr, obwohl ich es oft versucht habe. Ich wüsste gern, wie das Gesicht meiner Mutter aussah, als sie mich zum ersten Mal in ihren Armen hielt. Vielleicht hat sie gelächelt. Vielleicht hat sie sich gefreut, mich zu sehen. Vielleicht hat sie mich an sich gedrückt und gesagt: »Willkommen, mein kleiner Junge, auf der Welt. Du sollst einen großen, starken Namen bekommen, damit sie dich nicht unterkriegt, die Welt. Lion sollst du heißen, Li-Jonn Justin Torgelow. Lion ist ein englisches Wort, und es bedeutet Löwe, obwohl ich nicht weiß, wie man es auf Englisch ausspricht. Aber englische Namen sind gut, denn die Leute in Amerika, wo man englisch spricht, haben alle große Autos und viel Geld und spielen im Fernsehen mit. Wer einen englischen Namen hat, schafft es womöglich einmal ins Fernsehen.«

Natürlich hat meine Mutter das nicht gesagt. Ich stelle es mir nur gern vor. In meiner Vorstellung spricht meine Mutter wie die Leute in Büchern, obwohl das mit dem Fernsehen nicht in einem Buch stehen würde, das hat sie wirklich gesagt, nur auf eine andere Art und Weise. Dass sie es gesagt hat, weiß ich von meinem Vater. So wie alles, was ich über meine Mutter weiß. Das ist nicht viel.

Ich weiß, dass sie gern getanzt hat und in derselben Woche manchmal zweimal ihre Haarfarbe änderte. Und dass sie vor meiner Geburt in der Drogerie an der Kasse saß. Ich weiß, dass sie hübsch war und jung und dass sie eine Tätowierung auf der rechten Schulter hatte, nämlich eine Rose mit Flammen. Und dass sie leben wollte, laut und fröhlich und ausgelassen. Mein Vater hat gesagt, sie wollte so sehr leben, dass es ihm Angst machte, obwohl ich nicht genau weiß, was er damit gemeint hat.

Vor allem weiß ich, dass sie weggegangen ist. Sie ist in den Westen gegangen, wo es mehr Arbeit gibt, und mehr Autos, fast so wie in Amerika. Eines Tages, hat mein Vater gesagt, war sie einfach nicht mehr da. Nur einen Brief hat sie geschrieben. Dass sie es mit ihm in dieser Einöde hier nicht aushält.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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