Die Zuckermeister (3). Das letzte Bündnis - Tanja Voosen - E-Book

Die Zuckermeister (3). Das letzte Bündnis E-Book

Tanja Voosen

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Beschreibung

Das magischste Abenteuer, seit es Schokolade gibt Als Hüterin ist Elina endlich Teil der magischen Welt der Süßigkeitenwerker. Doch gemeinsam mit Charlie und Robin das Geheimnis der Magie zu schützen, ist nicht so leicht wie erträumt. Denn die Welt der Süßigkeitenwerker und Menschen ist noch immer in Gefahr: Die Anderwärts-Gesellschaft ist auf der Suche nach der lang verschollenen Chronik Madame Picots - eine Waffe, mächtiger als die Magie selbst. Plötzlich stecken Elina und ihre Freunde in einem Abenteuer, das über das Schicksal der normalen und magischen Welten entscheidet. Denn das letzte Bündnis ist noch nicht geschlossen … Magische Süßigkeiten, Spannung und ein letztes großes Abenteuer erwarten Elina und ihre Freunde im großen Finale! Zuckersüßer Lesestoff für alle Fantasyfans ab 9 Jahren. Mit stimmungsvollen Illustrationen von Viktoria Gavrilenko. Alle Abenteuer der "Zuckermeister"-Trilogie: Band 1: Der magische Pakt Band 2: Die verlorene Rezeptur Band 3: Das letzte Bündnis Weitere Titel von Tanja Voosen: M.A.G.I.K. - Die Prinzessin ist los (Band 1) M.A.G.I.K. - Das Chaos trägt Krone (Band 2)

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Seitenzahl: 320

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Die Zuckermeister (1) – Der magische Pakt

Die Zuckermeister (2) – Die verlorene Rezeptur

M.A.G.I.K. (1) – Die Prinzessin ist los

M.A.G.I.K. (2) – Das Chaos trägt Krone

Tanja Voosen arbeitet Vollzeit als Dosenöffnerin für ihren Kater Tiger und nutzt ihre freien Stunden, um Kinder- und Jugendbücher zu schreiben. Sie wurde 1989 in Köln geboren, floh aber kurz darauf in die Eifel, wo sie bis heute auf der Suche nach einem magischen Abenteuer durch die Wälder irrt. Trotz ihres »süßen Talents« überlässt sie lieber ihren Romanfiguren das Herstellen von magischen Süßigkeiten, da ihre Kreationen immer auf seltsame Weise gleich wieder verschwinden. Wie jeder richtige Autor hat sie unzählige Regale voller Bücher und findet ihre Ideen natürlich stets durch völlig absurde Träume.

Sie tauscht sich gern mit ihren Leser*innen aus und ist auf Instagram unter dem Namen @tanjavoosen zu finden. Mehr erfahrt ihr über Tanja unter www.tanja-voosen.de.

Mehr von Viktoria Gavrilenko findet ihr unter https://viccolatte.artstation.com/.

Ein Verlag in der Westermann Gruppe

1. Auf lage 2022

© 2022 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg

Text @ 2022 Tanja Voosen

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Werk wurde vermittelt durch die MichaelMeller Literary Agency GmbH, München.

Cover- und Innenillustrationen: Viktoria GavrilenkoUmschlaggestaltung: Juliane Lindemann

Lektorat: Laura Held

Layout und Satz: Malte Ritter, Berlin

E-Book ISBN 978-3-401-80997-7

Besuche den Arena Verlag im Netz:

www.arena-verlag.de

Für Laura.

Weil mit dir diese Reise angefangen hat.

Und weil ich wie Elina weiß, dass die einzigwahre Magie in Freunden wie dir steckt.

Elina hatte den Fehler gemacht, auf die Uhr zu sehen, und wurde plötzlich nervös. Seufzend legte sie ihren Stift weg. Mit ihrer Konzentration war es jetzt vorbei.

»Er schafft das schon«, flüsterte Charlie ihr zu.

»Ja, bestimmt«, murmelte Elina.

Robin steckte gerade in seiner zweiten Süßigkeitenwerker-Prüfung und Elina fieberte mit, als müsste sie den Test selbst ablegen. Dabei hatten sie so viel mit ihm gelernt, er schaffte das ganz sicher! Sofort entspannte Elina sich wieder.

»Hört ihr beide mir noch zu?«, fragte Herr Basset.

Oh, Mann! Elina hatte total vergessen, dass sie mitten im Unterricht saß. Herrn Basset entging aber auch nichts. Ob die Lehrer im Museum der Zuckerkünste vorm Unterrichten so was wie Sechster-Sinn-Sahnedrops aßen?

Entschuldigend sah sie Herrn Basset an. »Ich war nur kurz abgelenkt.«

»Ihr Unterricht ist nämlich voll spannend«, kam Charlie ihr zu Hilfe.

Elina nickte bekräftigend. Zwar hatte Charlie den Lehrer bei ihrem ersten Treffen heimlich den »mürrischen Piratenlehrer« genannt, weil er mit dem dunklen Haar, dicken Schnäuzer und dem langen Jackett wirklich ein bisschen danach aussah, aber die zwei hatten ihn schnell ins Herz geschlossen. Er leierte nicht bloß irgendwelche Erzählungen herunter, sondern erklärte alles sehr lebendig und seine Sprüche zwischendurch waren manchmal sogar richtig lustig.

»Na, wenn ihr nur ›kurz abgelenkt‹ gewesen seid, dann könnt ihr mir sicher sagen, worum es in den letzten zehn Minuten ging«, meinte Herr Basset skeptisch.

»Es ging um Süßigkeitenhüter. Weil das hier ja der Süßigkeitenhüterunterricht ist«, sagte Elina und grinste den Lehrer gut gelaunt an.

Herr Basset versuchte, ernst zu bleiben, und fuhr sich über seinen Schnäuzer, dann schmunzelte er. »Ich bin anscheinend ein hervorragender Lehrer.«

Elinas Grinsen wurde breiter. »Na klar.«

Sie war sehr dankbar, dass Frau Bonet, die oberste Zuckermeisterin, Charlie und ihr erlaubte, zwei Mal pro Woche ins Museum der Zuckerkünste zu kommen. Am Tag, als Frau Bonet ihnen vom Hüterunterricht erzählt hatte, hatte es Elina vor Aufregung wie nach einem Glas Zuckerbrause bis in die Zehenspitzen gekitzelt. Sie war stolz, mit ihren Freunden das Geheimnis der Magie bewahren zu dürfen.

»Unser Freund Robin schreibt heute seine zweite Prüfung«, erklärte sie.

»Aha«, machte Herr Basset. »Da kann man auch mal abgelenkt sein.«

»Die Prüfungen sind bestimmt nicht so leicht, oder?«, fragte Charlie.

Der Lehrer trat näher an ihren Tisch. »Prüfungen sind selten leicht, sonst wären es wohl keine Prüfungen. Aber eine mal nicht zu schaffen, ist auch nicht das Ende der Welt. Außerdem gibt es ja noch Wissen, das man durch Erfahrung erlangt und nicht durch Schulbücher. In keinem Buch auf der ganzen Welt stehen alle Antworten.«

Elina wurde nachdenklich und ihr fiel etwas ein. »Auf die Picot-Chronik trifft das aber nicht zu, oder? Sie muss unbezahlbar viel Magie und Wissen enthalten.«

Ihre Freunde und sie hatten erst vor Kurzem von Madame Picots sagenumwobenem Rezeptbuch erfahren. Elina stellte es sich unfassbar alt und mächtig vor. Die Suche nach einer Rezeptur daraus hatte auch die Anderwärts-Gesellschaft aus ihrem Versteck gelockt. Sie erschauderte beim Gedanken an die finsteren Gestalten, die mit der ›verlorenen Rezeptur‹ alle, die ihnen als unwürdig und talentlos erschienen, unterwerfen wollten. Zum Glück war der Plan der Anderwärts-Gesellschaft gescheitert, und dass Charlie, Robin und sie daran nicht ganz unbeteiligt gewesen waren, erfüllte Elina mit Stolz. Dennoch … kaum auszumalen, was ein Buch wie die Picot-Chronik in den falschen Händen anrichten konnte.

Herr Basset nickte. »Unbezahlbar viel Magie und Wissen trifft es sehr gut.« Begeistert holte er aus, um Elinas Frage zu beantworten. »Aus alten Aufzeichnungen geht hervor, dass Madame Picot zwei Vertraute hatte: Sierra Fleet und Frederick Whitlock. Ihnen vertraute sie ihr magisches Geheimnis an, doch dies führte dazu …«

Da ertönten vom Flur laute Schritte und gedämpfte Stimmen.

Elina drehte den Kopf zur Tür. »Was ist da los?«

»Bleibt bitte sitzen«, sagte Herr Basset alarmiert. Schon war er mit raschen Schritten zur Tür hinaus und hatte sie wieder hinter sich geschlossen.

»Sollen wir echt einfach warten?«, fragte Charlie.

»Ne. Ich mag auch wissen, was los ist«, antwortete Elina.

Die beiden tauschten einen Blick und standen zeitgleich auf. Keine Sekunde später zog Elina die Tür auf. Völlig verwundert hob sie die Augenbrauen.

Auf dem Gang herrschte ein wildes Durcheinander. Noch nie hatte sie so viele Leute, Mädchen wie Jungen, auf einem Haufen gesehen. Bisher waren sie auf den Fluren des Museums nur selten jemandem begegnet und meist gingen alle zielstrebig ihren Aufgaben nach. Zwei Anwärter der Zuckermeister, die aufgrund ihrer schwarzen Uniformen mit den silbernen Nähten herausstachen, waren auch da.

»Folgt mir bitte!«, rief Anwärter Benning.

Elina hatte den jungen Mann schon einige Male im Museum gesehen.

»Wieso wurden die Prüfungen unterbrochen?«, wollte jemand wissen.

»Ja. Warum sagt uns keiner, was los ist?«

»Es ist alles in Ordnung«, sagte Benning. »Bitte folgt mir.«

Elinas Puls beschleunigte sich. Die Prüfungen waren unterbrochen worden? Wo steckte Robin? Ging es ihm gut? Und was war mit Juna? Robins Schwester war heute doch auch hier. Elina reckte den Hals, doch sie entdeckte weder Robin noch Juna.

»Schau mal!«, sagte Charlie und deutete auf eine seltsame Blase, die durch die Luft schwebte. Sie war größer als eine normale Seifenblase und schimmerte violett.

Elina bemerkte weitere davon. »Da sind aber viele.«

Die schwebenden Blasen sorgten für Unruhe auf dem Gang. Alle drängten sich zusammen und schienen nicht recht zu wissen, was jetzt zu tun war.

»Was machen Sie da?«, rief Herr Basset, der den Gang entlangeilte. »Schaffen Sie die Kinder endlich hier weg, ehe noch jemand aus Versehen verzaubert wird.«

Anwärter Benning und auch der andere junge Mann nickten rasch.

»Pass auf«, warnte Charlie und zog Elina ein Stück zurück, als eine der Glibberblasen auf sie zugeschwebt kam. Sie zerplatzte nur wenige Zentimeter neben Elina am Türrahmen. Etwas von dem Zeug spritzte Elina aufs Shirt. »Wie eklig!«

»Wo kommen die bloß her?«, wunderte sie sich. Sie versuchte, das Zeug vom Shirt zu bekommen, doch ihre Hand blieb einfach am Glibberfleck kleben.

Charlie kam ihr zu Hilfe, doch sobald sie Elinas festgepappte Hand berührte, blieb sie kleben. Als Charlie sich losreißen wollte, stolperten die beiden in den Flur, wo sich die Anzahl der schwebenden Blasen vervielfacht hatte. Und ehe sie sich’s versahen, prallten sie gegen noch jemand anderen, nämlich ausgerechnet …

»Robin!«, rief Elina. »Weißt du, was hier los ist?«

»Irgendwas ist bei einer Prüfung schiefgegangen«, sagte er. »Ihr müsst unbedingt auf die Blasen aufpassen, die fliegen hier überall herum und …«

Noch während er sprach, klatschte eine Blase gegen seine Schulter. Erschrocken sprang Robin nach vorne, geradewegs in Charlie hinein. Mit einem Mal klebten alle drei aneinander, als wären sie ein lebensgroßes Kaugummi.

»Oh, nein«, stöhnte Robin auf. »Was machen wir jetzt?«

Elina spürte, wie ihr eine weitere Blase in den Rücken klatschte. Der klebrig süße Geruch von matschigen Beeren stieg ihr in die Nase. »Vielleicht schaffen wir es weiterzugehen?«, fragte sie.

»Geht nicht, mein Fuß klebt plötzlich am Boden fest«, murrte Charlie.

Die drei versuchten erneut, voneinander loszukommen, aber es klappte nicht.

Plötzlich musste Elina lachen. Es war einfach zu absurd, wie sie wegen eines schiefgegangenen Zaubers mitten im Museum der Zuckerkünste festklebten.

»Wir hängen wohl echt aneinander, was?«, meinte sie.

Charlie, Robin und sie tauschten einen Blick. Dann prusteten auch die beiden los.

Am Nachmittag war der magische Prüfungszwischenfall noch immer Thema. Zwar hatte Herr Basset Charlie, Robin und Elina mit einer anderen Süßigkeit befreien können und das Chaos hatte sich dank dem Eingreifen eines Prüfers aufgelöst, aber Juna hatte miese Laune – sogar beim Kuchenessen.

»Diese zwei Pappnasen hätten mehr üben sollen«, beschwerte sie sich. »Wie kann ein Rezept so schiefgehen? Nur wegen denen mussten sämtliche Räume evakuiert werden und ich hatte nicht mal die Chance, meine Prüfung zu beenden.«

Charlie, Robin und Elina mussten sich das jetzt schon anhören, seitdem sie sich gemeinsam mit ihr an den Küchentisch der Zuckerhuts gesetzt hatten. Langsam nervte es. Konnte Juna nicht einfach den Zitronenbasilikumkuchen mampfen und mal ruhig sein?

Robin seufzte. »Jetzt chill doch mal, Juna.«

Juna funkelte ihn verärgert an. »Chillen? So wie du, oder was? Gestern hast du selbst noch rumgejammert, wie unfair es doch wäre, dass Elina und Charlie die ganze Zeit im Museum sein dürfen, während du nur zu den Prüfungen hinkannst.«

Elina blickte zu Robin, der rote Ohren bekam. Hatte er das echt gesagt? Sie war bisher gar nicht auf die Idee gekommen, dass es Robin etwas ausmachen könnte.

Ehe sie nachfragen konnte, schaltete sich Frau Zuckerhut ein. »Unfälle passieren eben hin und wieder, wenn Magie im Spiel ist. Du hast auch schon Fehler gemacht, Juna. So wie wir alle. Daraus lernt man. Ich bin sehr stolz, dass Robin bestanden hat, und du darfst deine Prüfung sicher wiederholen, also beruhige dich bitte.«

Juna sah ihre Mutter entschuldigend an. »Sorry. Du hast ja recht.«

Puh, endlich! Elina war froh, dass das Thema nun vom Tisch war.

Als sie ihre Kuchenstücke aufgefuttert hatten, ging sie mit Charlie und Robin nach draußen. Sie setzten sich mit Klappstühlen unter einen der Bäume nahe dem moosüberwachsenen Teich, wo es schön schattig war.

»Deine Schwester war echt mies drauf«, bemerkte Charlie.

»Wenn’s um die Prüfungen geht, versteht Juna keinen Spaß«, sagte Robin. »Seit unsere Eltern ihre Süßigkeitenwerker-Lizenz haben und wir zu den Prüfungen dürfen, zieht Juna eine nach der anderen durch. Sie ist geradezu besessen.«

»Sag mal«, setzte Elina an. »Hatte sie vorhin recht? Bist du traurig, weil wir öfter ins Museum dürfen als du? Du kannst uns das ruhig sagen. Wir verstehen es.«

Robin räusperte sich. »Ja … also, so was hab ich echt gesagt. Ich fand’s am Anfang irgendwie komisch. Ich freu mich für euch, wirklich. Aber ich fühl mich auch ausgeschlossen. Ich dachte, wir erleben die magischen Sachen zusammen.«

»Das tut mir total leid«, sagte Charlie. »Darüber habe ich nie nachgedacht.«

»Mir auch«, sagte Elina. »Wir würden dich niemals ausschließen.«

»Außerdem ist der Unterricht echt langweilig«, übertrieb Charlie. »Wie Pauken in der Schule.«

Robin wirkte erleichtert. »Echt? Das klingt ja wirklich nicht so magisch.«

Elina lächelte zufrieden. Der Tag war ziemlich verrückt gewesen und es tat gut, mit ihren Freunden so zusammenzusitzen. Manchmal erschien ihr all das noch immer wie ein Traum. Magie, beste Freunde, Abenteuer.

»Warum grinst du wie ein Honigkuchenpferd?«, fragte Charlie.

»Ach nichts«, meinte Elina. »Habt ihr schon eine Idee, was wir in den Sommerferien alles machen können?«

»Also, an den See will ich nicht«, sagte Robin. »Zu viele Leute.«

»Du sprichst ja auch viel lieber mit Eichhörnchen im Wald«, zog Charlie ihn auf. »Wenn du kein Süßigkeitenwerker mehr sein magst, kannst du Eichhörnchenflüsterer werden.«

Robin verdrehte die Augen. »Na, dann pass mal besser auf, dass ich denen nicht zuflüstere, dass sie dir nachts im Schlaf die Haare verknoten sollen.«

Bei der Vorstellung, wie Robin als eine Art Anti-Disney-Prinzessin kleine Waldtiere herbeisang und ihnen befahl, Charlies Frisur zu zerstören, begann Elina zu lachen.

»Elina!«, empörte sich Charlie. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«

»Auf der Seite der Eichhörnchen«, sagte Elina und gluckste weiter.

Das Bellen eines Hundes ertönte, gefolgt vom Geräusch eines Gehstocks. Elina musste nicht erst den Kopf herumdrehen, um zu wissen, wer sie da besuchte.

»Hallo, ihr drei!«, rief Herr Schnotter ihnen vom Gartenzaun zu. Tinka sprang an den Holzlatten hoch und bellte erneut, als wolle sie die Freunde ebenfalls begrüßen.

Elina freute sich, die zwei zu sehen. »Hallo, Herr Schnotter! Tinka!«

»Ich hab gehört, du hast deine Prüfung bestanden, Robin. Glückwunsch.«

Robin nickte fröhlich. »Ja, das stimmt. Danke, Herr Schnotter.«

Der alte Mann zog lächelnd seinen Hut und spazierte dann samt Tinka weiter.

»Oh, da kommt Arthur!«, sagte Charlie entzückt. »Aber … wer ist das?«

Elina sah, wie Robins älterer Bruder sein grünes Moped durchs Gartentor voranschob. Neben ihm ging ein etwa gleichaltriges Mädchen. Sie hatte kurze braune Haare und trug ein Kleid mit Spaghettiträgern. Die beiden lachten.

»Arthur kennt sie aus dem Jugendtreff. Sie heißt Sabrina«, meinte Robin.

»Aha«, entfuhr es Charlie. »Ich muss mal aufs Klo.«

Robin sah sie verdattert an. »Ähm, danke für die Info?«

Charlie lief los. Elina wunderte sich nicht über Charlies Verhalten, schließlich war die bis über beide Ohren in Arthur verschossen. Bestimmt wollte sie abchecken, ob Sabrina seine Freundin war – und Arthur dabei noch etwas anhimmeln.

»Was hat sie denn?«, fragte Robin.

Elina schmunzelte. »Du bist manchmal so ein Holzkopf.«

Die beiden begannen, für ihre Ferien-Spaß-Liste zu brainstormen, und setzten schon mal Kino und Kartfahren darauf. Als Charlie nicht wiederkam, ging Elina ins Haus, um nach ihr zu sehen. Sie fand Charlie neben Sabrina auf dem Sofa im Wohnzimmer. Die beiden schienen sich gut zu verstehen.

»Ich finde dein Kleid total schön, wo ist das denn her?«, fragte Charlie gerade.

»Oh, danke, aus so einem kleinen Laden am Markt«, antwortete Sabrina.

»Hey«, sagte Elina, um auf sich aufmerksam zu machen.

Sabrina lächelte. »Hallo. Wer bist du denn?«

Im selben Moment kam Arthur durch den Durchgang, der die Küche mit dem Wohnzimmer verband. Er stellte ein Tablett mit zwei Gläsern und einer Schale Keksen auf dem Tisch ab. »Hey, Charlie und Elina. Alles klar?«

Sabrina lächelte zuckersüß und Charlie starrte Arthur nur stumm an.

Elina zog Charlie vom Sofa hoch. »Klar. Wir wollten gerade wieder raus.«

Im Flur flüsterte ihr Charlie theatralisch zu: »Die ist voll nett. Und hat einen megaguten Klamottengeschmack. Und dann ist sie auch noch viel älter. Anscheinend ist sie gerade erst hergezogen. Ziemlich dumm gelaufen.«

»Hey«, flüsterte Elina aufmunternd zurück. »Denk so was nicht.«

Statt zu antworten, zog Charlie ihr Handy heraus, da es anscheinend vibriert hatte. »Ach, Mist. Meine Mutter will, dass ich zum Abendessen heimkomme.«

»Oh, okay. Sollen wir zusammen heimgehen?«, fragte Elina.

»Quatsch.« Charlie zwinkerte. »Du willst Robin doch noch was geben.«

Die beiden nahmen ihre Rucksäcke mit nach draußen, wo Charlie sich von ihnen verabschiedete. Elina stand unschlüssig herum. Eigentlich hatte sie gehofft, dass Charlie das Geschenk für Robin mit ihr gemeinsam überreichen würde, auch wenn es ihre Idee gewesen war. Als er sie so fragend ansah, wurde sie direkt nervös.

»Musst du auch los?«, fragte Robin und klang enttäuscht.

»Ja, gleich. Ist ganz schön spät geworden.« Elina öffnete den oberen Reißverschluss des Rucksacks und griff hinein. »Ich hab aber noch was für dich.«

Robin machte große Augen. »Echt? Was denn?«

Elina hielt ihm einen kleinen braunen Beutel hin, in dem ein bronzenes Fernrohr steckte. Ob es Robin gefallen würde? »Ich war mit Piet und Opa auf einem Flohmarkt. Da habe ich es entdeckt und musste an dich denken. Es hat ein paar Macken und …«

»Das ist total cool!«, unterbrach Robin sie und nahm es aus dem Beutel. »Wenn ich das nächste Mal mit Valentin im Wald bin, werde ich es ausprobieren.«

Er begutachtete das Fernrohr und schob es auseinander. Seine Begeisterung war ansteckend und Elina fühlte, wie ihr vor Freude ganz warm ums Herz wurde.

Robin sah zögerlich zu ihr. »Ich … Das ist wirklich toll. Danke.«

Elina konnte nicht anders, als zu strahlen. Seitdem Robin so viel mit Valentin, seinem Freund aus der Schule, abhing, war er total naturbegeistert. Charlie zog ihn zwar gerne damit auf, aber Elina fand es schön, dass Robin etwas gefunden hatte, was ihm Spaß machte. Charlie hatte schließlich das Zeichnen und sie Feldhockey. Robin hatte auch etwas verdient, das ihn neben der Magie glücklich machte.

»Okay, ich gehe dann mal«, sagte Elina.

Plötzlich nahm Robin sie in den Arm. »Danke noch mal!«

Elina spürte, wie ihre Wangen warm wurden und ihr Herz schneller schlug. Verlegen löste sie sich von ihm. »Äh, kein Problem. Bis dann.«

Die beiden sahen einander stumm an und Robin fuhr sich nervös durchs Haar. »Komm, ich bring dich noch zum Tor. Also, wenn du magst.«

Sie nickte. »Gerne.«

Am Gartentor verabschiedeten sie sich erneut und Elina konnte gar nicht anders, als noch einmal zurückzublicken. Robin hielt sich das Fernrohr vors Auge und spähte damit Richtung Wald. Fröhlich lächelnd ging Elina die Straße hinunter.

»Das Training war heute ganz schön anstregend, oder?«, fragte Laura ein paar Tage später. Die Kapitänin der Feldhockeymannschaft und Elina waren die Letzten auf dem Hof gewesen und schoben gerade ihre Fahrräder zum Schultor hinaus.

»Ja, es ist einfach viel zu warm. Ich bin echt erledigt«, sagte Elina.

Laura grinste. »Ich auch. Zum Glück ist jetzt Sommerpause. Was freue ich mich auf die Wochen am Strand. Hast du auch irgendwas Bestimmtes vor?«

»Ach, nichts Besonderes. Viel mit Charlie und Robin abhängen.«

Die zwei plauderten noch kurz, bis Elina in Richtung Waldweg abbog, da sie Herrn Schnotter versprochen hatte, mit Tinka rauszugehen. An der Kreuzung bremste sie jedoch wieder ab, als sie Valentin entdeckte. Er hockte vor einem Busch und schien sie nicht einmal gehört zu haben.

Elina stiegt vom Rad. »Hey, Valentin.

Hast du was verloren?«

Nun erschrak er doch, geriet aus dem Gleichgewicht und kippte um. »Oh, ähm, hi.« Hastig rappelte er sich hoch. »Ich dachte, da wäre ein Bufo bufo.«

Elina runzelte die Stirn. »Ein Bufo-was?«

Valentin rückte seine Brille gerade. »Eine Erdkröte.«

Verdattert spähte Elina in den Busch, entdeckte aber nur einen alten Schuh.

»Ich glaub, da lebt nur ein Bufo-Schuh«, sagte sie fachmännisch.

Das entlockte Valentin ein Lächeln. »Bist du auch auf dem Weg zu Robin?«

»Ne, ich geh mit Herrn Schnotters Hund Gassi, der wohnt da vorne in Nummer zehn«, sagte sie und begann, ihr Rad weiterzuschieben.

Valentin ging neben ihr her und klopfte sich etwas Dreck vom Shirt. »Ach so. Robin hat gesagt, er ist so was wie sein Opa, richtig?«

Wenn Herr Schnotter das hörte, zog er Robin sicher die Ohren lang.

»Ja, so was in der Art«, sagte Elina belustigt. »Eher ein Familienfreund.«

»Ist bestimmt schön, so eine große Familie zu haben«, sagte Valentin.

Sie grinste. »Ich hab einen kleinen Bruder und der reicht mir völlig.«

Valentin grinste zurück. »Ich hätte gerne einen Bruder. Mit dem wäre es sicher lustig. Einzelkind zu sein, ist manchmal echt blöd. Meine Mutter hat wegen ihrer Arbeit auch nicht so viel Zeit.«

Elina hatte sich bisher erst ein paarmal mit Valentin unterhalten, aber sie mochte seine quirlige Art richtig gerne. In der Schule war er ihr stets schüchtern vorgekommen, aber die Freundschaft zu Robin hatte ihn aus seinem Schneckenhaus geholt.

»Ist doch toll, wenn man immer was zu erzählen hat«, sagte Elina.

Valentin strahlte sie an. »Ich kann dir gerne was über Bufo bufo erzählen!«

Plötzlich hielt ein schwarzer Wagen neben ihnen und ein älterer Mann im dunklen Anzug stieg aus. Er sah aus, als wollte er nach dem Weg zum nächsten Schloss fragen, weil er mit Graf Dracula zum Dinner verabredet war.

»Junger Herr, verzeihen Sie die Störung«, sagte der Mann. »Ich muss Sie leider abholen. Wir haben völlig vergessen, dass Sie einen Zahnarzttermin haben.«

Elina schmunzelte. Junger Herr? Wer redete denn so?

»Aber, Jesper, ich wollte doch zu Robin«, sagte Valentin. An Elina gewandt, schob er nach: »Das ist Jesper. Er ist, ähm, sozusagen auch ein Familienfreund.«

Jesper ergriff eifrig Elinas Hand. »Wo sind nur meine Manieren geblieben? Ich bitte vielmals um Verzeihung, verehrtes Fräulein. Mein Name lautet Jesper Beaufort.«

Verdattert erwiderte Elina das Händeschütteln. »Hallo. Ich bin Elina.«

Jetzt machte der Typ auch noch so eine ulkige Verbeugung vor ihr! »Hocherfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Fräulein Elina.«

»Tja, dann muss ich wohl los. Bis dann, Elina«, meinte Valentin.

»Okay, bis dann«, sagte Elina.

Valentin stieg in den Wagen und winkte zum Abschied.

Das war wirklich seltsam gewesen. Robin hatte mit keinem Sterbenswort erwähnt, dass Valentin irgendwie reich war. So einen Wagen sah man in Belony nun wirklich nicht alle Tage. Und das war auch Frau Kloß nicht entgangen. Herrn Schnotters neugierige Nachbarin klebte am Gartenzaun und spähte zu ihr, als Elina die wenigen Meter zu Herrn Schnotters Haus überbrückte und das Rad abstellte.

»Wie aufregend! Was war denn los?«, fragte sie.

»Nichts Besonderes«, sagte Elina und kramte hastig den Ersatzschlüssel heraus, den Herr Schnotter ihr überlassen hatte, um im Haus zu verschwinden. Als sie einige Minuten später mit Hundedame Tinka die übliche Runde entlang des Walds ging, dachte Elina noch immer über die Sache gerade eben nach. Sie hätte gerne länger mit Valentin geredet und gleichzeitig fragte sie sich, wie seine Familie wohl so war. Bei Festen in der Schule hatte Elina Frau Anderson jedenfalls nie gesehen.

Eine halbe Stunde später war der Spaziergang erledigt und Elina traf Herrn Schnotter in der Küche an. Er war unerwartet früh zurück und kochte Kräutertee.

»Auch eine Tasse?«, bot er ihr an.

»Lieber einen Saft, aber ich weiß ja, wo alles steht«, sagte sie und ging zum Schrank, um sich ein Glas zu nehmen. »Wie war denn Ihr … Treffen so?«

Herr Schnotter musterte sie. »Elina, ich war mit einem alten Freund einen Kaffee trinken und nicht auf geheimer Mission für die Zuckermeister. Wieso flüsterst du?«

»Ach, das war gar keine Ausrede?«, hakte sie nach.

Der alte Herr lachte lauthals los. »Nein, keine Ausrede.«

»Hey, so abwegig ist das auch wieder nicht«, meinte Elina beleidigt.

Oh, ja! Woher sollte Elina denn wissen, dass Herr Schnotter auch schrecklich normale Sachen tat? Obwohl er inzwischen der Freund und Mentor von Charlie, Robin und ihr war, eine Plaudertausche wie Frau Kloß war er nie gewesen.

Außerdem hatte Herr Schnotter vor nicht allzu langer Zeit wirklich im Auftrag von Zuckermeisterin Bonet etwas in der Bittersüßen Allee erledigt. Einen sehr geheimen Auftrag, über den er Elina und den anderen bis jetzt nichts verraten hatte.

Die beiden setzten sich mit ihren Getränken ins Wohnzimmer. Tinka rollte sich zu ihren Füßen zusammen, was Herr Schnotter mit einem Schmunzeln beobachtete. »Bald mag sie dich mehr als mich. Wie läuft euer Hüterunterricht?«

Elina hatte das Gefühl, Herr Schnotter hätte Charlie und sie gerne selbst unterrichtet. Vielleicht, weil seine verstorbene Frau Maggie zu ihrer Zeit ebenfalls Unterricht für angehende Hüter gegeben hatte. Es war manchmal schwer, ihn zu durchschauen. »Ach, ganz okay«, sagte Elina, um nicht zu begeistert zu klingen. »Herr Basset ist nett und wir lernen viel über die Hütergeschichte und so.«

»Mhm«, machte Herr Schnotter. »Klingt wirklich … spannend.«

»Eigentlich würde ich gerne mehr machen als nur lernen.« Elina stellte ihr Saftglas ab. »Ich bin total froh, dass Frau Bonet für Charlie und mich den Süßigkeitenhüterunterricht möglich gemacht hat, aber …« Ihre Finger wanderten automatisch zu der Brosche mit dem achteckigen Stern an ihrer Jeansjacke. Elina hütete sie wie einen Schatz, da sie ihr sehr viel bedeutete. Nicht nur, weil sie Maggie gehört hatte und Herr Schnotter sie ihr geschenkt hatte, sondern weil sie für die Brücke zwischen der normalen und der magischen Welt stand. »Ich muss doch als Hüterin mehr tun können. Da draußen. Gegen die Anderwärts-Gesellschaft kämpfen und Menschen richtig helfen, wie das Hüter früher bestimmt gemacht haben.«

Er schenkte ihr einen sanften Blick. »Das verstehe ich, Elina. Weißt du, ich musste gerade an etwas denken. An eine Begegnung mit euch dreien. Robin hatte Charlie und dir den Süßigkeitenkoffer überlassen und ich bin auf der Straße hinter euch hergelaufen. Ihr kanntet euch kaum und hattet alle große Angst.«

Elina wusste nicht so recht, wieso er diese alte Erinnerung auskramte, aber seine Worte riefen ihr die Szene vor Augen und sie nickte nur, damit er weitersprach.

»Ihr wart mutig und habt den Koffer verteidigt«, fuhr Herr Schnotter fort. »Ihr habt die drei Bonbonbroschen gesucht, um Charlie von dem Zauber der Schokolade zu befreien, habt gegen Vivien Aldric gekämpft, den Zuckermeistern gezeigt, dass sie über ihren Tellerrand blicken müssen. Und in der bittersten Not habt ihr drei mir geholfen, die verlorene Rezeptur zu schützen, und der Anderwärts-Gesellschaft einen gehörigen Dämpfer versetzt. Ich weiß, du wünschst dir, noch viel mehr von der Magie zu sehen, sie zu erleben und zu benutzen. Damit Gutes zu tun. Aber deine Freunde und du habt schon enorm viel bewirkt. Und noch dazu bewiesen, dass jede Kleinigkeit einen Unterschied machen kann. So klein dir deine Rolle als Hüterin gerade vorkommen mag, hab etwas Geduld. Du wirst deinen Weg weitergehen.«

Elina war von seiner kleinen Ansprache ganz gerührt. »Danke, Herr Schnotter.«

»Und jetzt bring diesem alten Mann noch eine Tasse Tee«, meinte er.

»Sie sind unmöglich«, erwiderte Elina, obwohl sie wusste, dass er nur Spaß machte.

Auf dem Weg in die Küche fiel ihr auf, dass etwas unter ihrem Turnschuh klebte. Irgendein buntes Papier, das gar nicht so recht abging. Sie wollte es zusammenknüllen, um es in den Müll zu werfen, doch plötzlich begannen Wörter darüberzutanzen, als würde jemand sie mit einer unsichtbaren Feder dorthin schreiben.

Elina starrte auf das Papier. Der Satz hatte mittendrin aufgehört. Was hatte das zu bedeuten? Sie drehte das Papier hin und her, doch beim nächsten Blinzeln sah es aus wie vorher. Hä? Keine Wörter mehr … da musste doch Magie im Spiel sein!

Völlig verwundert stand sie eine Weile da und starrte weiter auf das Papier, bis Herr Schnotter rief und nach dem Tee fragte. Nachdenklich machte sie sich daran, seiner Bitte endlich nachzukommen, und goss frischen Tee auf.

Elina konnte sich einfach keinen Reim auf diese Zettelbotschaft machen. Und nach ihrem anstrengenden Trainingstag flüsterte ihr ein Stimmchen zu:

Vielleicht ist das ein Rätsel für ein anderes Mal.

Das Messingschild mit der Aufschrift Saal des sagenhaften Wissens hatte Elina im Vorbeigehen schon öfter gelesen, doch heute betrat sie ihn das erste Mal. Der Anblick von Tausenden Büchern, die sich in schier endlosen Regalen die Wände hinaufschlängelten, versetzte sie in Ehrfurcht. Wo sollte sie zuerst hinschauen?

»Das ist wirklich sagenhaft«, flüsterte Charlie.

»Ihr habt eine Stunde Zutritt – aber nur in den grün markierten Bereichen.« Frau Illmore, die als Reveretti eine enge Vertraute der Zuckermeister war, hatte Charlie und Elina soeben vom Unterricht abgeholt und hergebracht. »Wenn ihr euch nicht daran haltet, werdet ihr sofort hinausgeworfen, verstanden?«

»Verstanden«, erwiderte Elina kurz angebunden.

Die Reveretti murmelte: »Was denkt sich dieser Stümper nur dabei?«, und ging.

Elina kränkte ihr unfreundliches Verhalten nicht besonders. Frau Illmore hatte Charlie, Robin und sie vom ersten Moment an nicht sonderlich gut leiden können.

»Das ist vielleicht eine mürrische Kuh«, sagte Charlie.

»Vergiss sie einfach.« Elina streckte die Arme aus. »Ich meine, wir sind im Saal des sagenhaften Wissens! Wie cool ist das? Weißt du noch, wie Robin mal meinte, wir kämen hier nie rein? Nur schade, dass er nicht dabei sein kann.«

»Ja«, stimmte ihr Charlie zu. »Wenn wir uns benehmen, erlauben sie uns bestimmt, noch mal mit ihm herzukommen. Und dann lesen wir all diese Bücher!«

Elina verkniff sich ein Lachen. »Alle? Jedes einzelne Buch?«

Charlie schnitt eine Grimasse. »Na gut, vielleicht erst mal irgendeins.«

Die beiden gingen nach links, wo am Ende des Gangs eine Treppe zu einer kleinen Plattform führte, auf der ringsum noch mehr Bücherregale standen. Charlie und sie nahmen sich einige Bücher und blätterten darin.

»Diese Texte erschlagen einen ja«, meinte Charlie.

»Und wie winzig die Schrift ist, da braucht man eine Lupe«, sagte Elina.

Sie liefen weiter und blieben brav in den Bereichen mit den Bodenkacheln, auf denen in regelmäßigen Abständen ein grünes Bonbon eingraviert war. An einem Durchgang, hinter dem die Kacheln voller roter Symbole waren, blieb Elina stehen und spähte neugierig hinein. So anders sah es da gar nicht aus.

»Sollen wir mal spicken?«, fragte sie schelmisch.

Charlie schüttelte entschieden den Kopf. »Lass uns lieber nichts riskieren und die Bücher von Herrn Bassets Liste suchen.«

»Seit wann bist du so vernünftig?«, zog Elina sie auf.

»Ach, immer nur freitags«, scherzte Charlie. »Aber Herr Basset hat uns erlaubt, die Bücher für die nächste Hüterstunde zu holen, und das will ich nicht vermasseln.«

Elina verstand, was sie meinte. Immerhin verließ er sich auf die beiden.

»Okay«, sagte sie schwungvoll. »Was steht alles drauf?«

»Hier, nimm du den Zettel, ich hab mir die Liste gemerkt«, sagte Charlie. »Ich suche die ersten vier Bücher und du die vier darunter, abgemacht?«

»Abgemacht. Dann treffen wir uns in zwanzig Minuten hinten bei den Tischen.«

Die beiden grinsten einander an und trennten sich. Elina orientierte sich an den Markierungen der Gänge und Reihen, aber jetzt, wo sie hier ganz allein langspazierte, konnte sie eigentlich nur daran denken, dass sie wohl das erste Mal ohne Babysitter im Museum unterwegs war. Sonst war immer ein Anwärter dabei gewesen.

Kurz blieb sie stehen und atmete tief durch. Es roch zwar eher nach alten Büchern als nach Freiheit, aber in ihrem Magen kribbelte es plötzlich erwartungsvoll. Ob sie nicht doch mal kurz einen Blick in einen der »verbotenen Gänge« riskieren sollte?

Mhh, sicher schrillte dann irgendein magischer Alarm los oder so.

Außerdem musste sie ja die Bücher von der Liste zusammensuchen.

Bei einer Lesenische in der Wand setzte sie ihren Rucksack ab, weil das nächste Buch auf der Liste sehr weit oben im Regal stand und sie dafür eine kleine Leiter hinaufmusste. Es war dünn und rot und trug den Titel »Begrifflichkeiten der ersten Picot-Epoche«, was auch immer das war. Sie zog es heraus.

Ein Rumpeln erschreckte Elina so sehr, dass sie von der untersten Leitersprosse abrutschte. Zum Glück war der Boden ganz nah. Sie drehte sich herum und sah Anwärter Benning, der versuchte, die fallen gelassenen Bücher aufzusammeln.

»Herrje! Ich hab mich wohl übernommen«, sagte er.

»Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Elina hob einige der Bücher auf und legte sie auf den Tisch der Lesenische. »Das sind vielleicht dicke Wälzer.«

»Danke!« Anwärter Benning rieb sich den Schweiß von der Stirn. »Die sind auch ziemlich schwer, sag ich dir. Immer bin ich derjenige, der sie einsortieren muss.« Seine Augen fielen auf Elinas Rucksack, der noch auf der Bank der Lesenische stand. Ehrfürchtig blickte er zu ihr. »Ist das … der Hüterstab?«

Elina nickte. »Ich habe herausgefunden, dass man ihn ein Stück zusammenschieben kann. Mein kleiner Bruder hat ihn einmal fast gefunden, seitdem nehme ich ihn immer mit. Der Stab ist schließlich magisch und kein Spielzeug.«

»Sehr vernünftig von dir«, sagte Anwärter Benning. »Du nimmst deine Aufgabe als Hüterin wohl sehr ernst. Es freut mich so, dass es wieder Hüter gibt!«

Er schien es ehrlich zu meinen und Elina fand es schön, zur Abwechslung so etwas Nettes zu hören. Nicht alle im Museum der Zuckerkünste hatten Charlie und sie als Hüterinnen warm in Empfang genommen. Frau Bonet hatte ihnen erklärt, dass manche Süßigkeitenwerker sich Veränderungen gegenüber sträubten.

»Ich fände es ja total spannend, mal beim Hüterunterricht reinzuschauen«, plapperte Anwärter Benning weiter. »Man erzählt sich einige Geschichten über Herrn Basset. Er soll früher sogar mit Anderwärts-Werkern bekannt gewesen sein.«

Elina starrte Benning an. Solche Sachen wurden über Herrn Basset gesagt? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Lehrer mit Leuten verbandelt gewesen war, die solch boshaften Absichten folgten wie die Anderwärts-Werker. Er sprach immer mit so viel Wertschätzung über Madame Picots Erbe und die Magie.

»Frau Bonet hat ihn als Lehrer für uns ausgesucht«, sagte Elina überzeugt. »Und ich vertraue Frau Bonet. Sie etwa nicht?«

»Doch! Selbstverständlich!«, beeilte sich Anwärter Benning zu sagen. »Ich mache dann mal weiter. Pass gut auf dich auf, Elina.«

Elina sah ihm irritiert hinterher, wie er sich beladen mit viel zu vielen Büchern um die nächste Ecke schleppte. Was war das denn bitte gewesen? Der Typ war schon etwas schräg. Elina hörte ganz sicher nicht auf komische Gerüchte von jemandem, den sie nicht kannte. Dennoch schweiften ihre Gedanken nun zu einem Thema ab, mit dem sie sich eine Weile nicht beschäftigt hatte: Mortimers Spion.

Der Erfinder hatte damals stolz davon gesprochen, wie er einen Spion ins Museum eingeschleust hatte – und der war bis heute noch nicht gefasst worden.

Rasch holte sie die anderen Bücher der Liste und steuerte dann den verabredeten Treffpunkt an. Charlie saß, umringt von aufgeschlagenen Büchern, an einem Tisch. Elina zog sich den Stuhl neben ihr heran. »Sind das alles Apparillos?«

»Sieh mal, ist das nicht cool?«, meinte Charlie, ohne aufzusehen. »Ich kann gar nicht glauben, was es alles gibt … oder gab.«

Elina beugte sich übers Buch und als sie die Abbildungen sah, waren ihre schweren Gedanken von gerade wie weggewischt. »Boah, krass!«

Die Gerätschaften voller Zahnräder und Drähte wirkten so altmodisch, dass sie sich fragte, was man damit anstellen konnte. Neugierig beugte sie sich näher zum Buch, während Charlie weiterblätterte. Da waren Entwürfe von Süßigkeiten, welche die Apparillos wohl antreiben sollten. Wie etwa eine Schokoladenspirale für einen Füllfederhalter, mit dem man mehrere Meter weit springen konnte, oder eine Praline mit hypnotischer Wirkung, die wie ein Knopf in der Mitte einer Anzugfliege saß.

»Skizzen von Ellie Ellerhardt«, las Elina vor. »Das war doch diese Erfinderin! Sind das Auszüge aus ihren Notizbüchern oder so? Die hatte ja richtig coole Ideen!«

»Total«, stimmte Charlie zu. »Schau mal. Das sieht aus wie ein alter Taschenrechner. Hinter den Tasten stecken Geleegummis, die helfen, Codes zu knacken.«

»Was sie sich wohl noch alles ausgedacht hat? Und dann hat sie ja auch das Erfinder-Emporium gegründet. Echt der Wahnsinn!«, schwärmte Elina.

Charlie seufzte. »Ich hätte auch total gerne einen coolen Apparillo.«

Elina schenkte ihr einen aufmunternden Blick. »Mich hat der Hüterstab gefunden, als ich es am wenigstens erwartet habe, und dir passiert so was auch noch.«

»Ja, vielleicht«, murmelte Charlie etwas niedergeschlagen.

Elina stupste sie an. »Hey, ganz bestimmt. Wirst schon sehen.«

Die beiden blätterten weiter durch das Buch und bestaunten die verschiedenen Apparillos, bis einer der Anwärter kam, um sie heimzubringen. Am liebsten hätten sie die Bücher bis zur nächsten Hüterstunde mit nach Hause genommen, doch Frau Illmore funkte dazwischen und bestand darauf, die Bücher eigenhändig zum Klassenraum zu bringen, damit sie das Museum auf keinen Fall verließen.

Schließlich reisten Charlie und sie auf einem der Pfade im Garten der vergänglichen Wege zurück nach Belony. Der Ruck-zuck-Zucker, mit denen diese Pfade gefüllt waren, knirschte unter Elinas Schuhen. Schon wurden Charlie und sie nach vorne gezogen und lösten sich in einem Farbenwirbel auf. Wie immer kamen sie an derselben Stelle heraus, einer Seitengasse am Marktplatz.

Doch heute war etwas anders: Robin wartete auf sie.

»Überraschung!«, rief er grinsend. »Ich hab etwas für euch.«

»Einen angebissenen Donut?«, fragte Charlie skeptisch.

»Ne!« Robin aß den Donut in seiner Hand schnell auf und fischte zwei Umschläge aus seiner Jeanstasche. »Das sind Einladungen von Valentin.«

Elina nahm ihm eine ab und öffnete sie. »Oh, er hat morgen Geburtstag!«

»Warum gibt er uns die nicht selbst?«, fragte Charlie.

»Weil du echt Furcht einflößend sein kannst«, erwiderte Robin.

Charlie verdrehte die Augen. »Haha, sehr witzig.«

»Valentin hat die Einladungen schon länger fertig. Er hat sich nur nicht getraut, sie bei euch einzuwerfen«, erklärte Robin. »Aber ich weiß, dass er sich freuen würde, wenn ihr kommt – und ich mich auch.«

»Hey, du musst uns nicht überreden«, sagte Elina erheitert.

»Genau, wir sind dabei«, sagte Charlie. »Valentin ist echt nett.«

Robin strahlte. »Er weiß auch so viel über Natur und Tiere, das finde ich voll spannend. Und er kennt die besten Comics.«

»Müssen wir uns Sorgen machen, dass du ihn lieber hast als uns?«, scherzte Charlie und griff sich dabei ganz theatralisch ans Herz.

»Quatsch!«, protestierte Robin. »Niemand kann euch ersetzen.«

»Ich hab Valentin übrigens neulich gesehen«, meinte Elina. »Da war er auf dem Weg zu dir, aber dann hat dieser Jesper ihn eingesammelt.«

»Klar, Jesper«, sagte Robin. »Den kenne ich. Er wohnt auch bei ihnen. Valentins Mutter habe ich aber bisher noch nicht getroffen.«

Charlie runzelte verwundert die Stirn. »Echt?«

Robin nickte. »Die ist immer voll beschäftigt.«

»Wenn wir schon mal hier sind, können wir ja auch ein Geschenk besorgen«, schlug Elina vor. »Gleich um die Ecke sind doch die ganzen Geschäfte.«

»Ich hab eine Idee«, meinte Robin. »Kommt mit.«

Gemeinsam gingen die drei zum Markplatz.

»Was schleppst du da eigentlich für einen Beutel mit dir rum?«, fragte Elina.

»Da ist eine Süßigkeit drin, die ich abliefern muss«, sagte er.

Charlie stupste Robins Beutel an. »Abliefern? Bist du jetzt bei der Keks-Mafia?«

»Na ja, seit meine Eltern ihre Süßigkeitenwerker-Lizenz haben, sind sie ständig beim Wunschbaum im Park und halten Ausschau nach Menschen, denen sie helfen können«, sagte Robin. »Früher durften sie das ja nur heimlich machen.«

»Oh«, machte Charlie. »Stimmt.«

»Und was für eine Süßigkeit ist das? Wer bekommt sie?«, fragte Elina.

»Ich weiß gar nicht, ob ich was dazu sagen darf«, grübelte Robin. »Es geht immerhin um eine persönliche Bitte. Aber die Süßigkeit haben meine Eltern ›Fundstück-Fruchtbomben‹ genannt, das sind dicke Geleegummis mit Fruchtfüllung.«

»Ah«, entfuhr es Elina. »Weil jemand etwas wiederfinden möchte.«

Robin legte sich einen Finger an die Lippen und grinste. »Pst.«

Sie stoppten und Robin zog die Tür zu einem Geschäft auf, an dem Elina bisher immer vorbeigelaufen war, weil es von außen so unscheinbar wirkte. Hier gab es bunt zusammengewürfelte gebrauchte Sachen zu kleinen Preisen.

»Valentin mag Dinge mit Geschichte«, erklärte Robin.

Charlie nahm eine mit Fell überzogene Teetasse in die Hand. »So kann man das auch nennen.« Sie verzog das Gesicht und stellte das Teil mit spitzen Fingern zurück.

»Ähm ja, sehr außergewöhnlich, der Laden«, murmelte Elina. Zu ihrer Rechten standen lauter Glasglocken, in denen sich verschrumpelte Pflanzen befanden.

Vorsichtig schlängelten sich die drei zwischen engen Regalen bis zu einer Ecke mit Wühlkisten durch. Elina blickte hinein und fand, dass die Sachen darin halbwegs normal aussahen. Robin begann sofort, darin herumzugraben, und schon bald hatte er eine Stirnleuchte, einen Lupenbecher und einen Kompass zusammengesucht.

»Perfekt! Ein richtiges Abenteurer-Set«, sagte Robin überzeugt.