Herbstflüstern - Tanja Voosen - E-Book

Herbstflüstern E-Book

Tanja Voosen

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Beschreibung

**Ein wunderbar romantisch-verzwickter Herbstroman** Blonde Haare, lange Beine, blaue Augen… Wie wenig einen das im Leben weiterbringt, weiß Lucy spätestens, seit sie von ihrer großen Liebe Ben eiskalt abserviert wurde. Da hilft es auch nicht, dass er ständig vor ihrer Tür steht und alles erklären will. Und noch viel weniger, dass ihre große Schwester Taylor, ihre einzige Stütze, auf Reisen ist. Während jene total verknallt durch Amerika tourt, hält sich Lucy mit einem abendlichen Babysitterjob so fern von zu Hause, wie es nur geht. Und beobachtet Jasper, auch Mr Handsome genannt, der jede Nacht ein anderes Mädchen zum Weinen bringt. Bis Jasper sie eines Tages bemerkt... //Textauszug: »Kein Wunder, dass man dich ›Mr Handsome‹ nennt. Du legst es ja geradezu darauf an, dass man denkt, dass in deinem Oberstübchen nichts los ist«, meinte ich. Jetzt hatte ich Jaspers Interesse wirklich entfacht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mich mit großen Augen an – misstrauisch durch und durch. »Mr Handsome, mhh? Soll ich dich jetzt auch Ms Pretty nennen? Sind wir eine neue Spezies von Superhelden?«// //Alle Bände der packenden Romantik-Reihe: -- Sommerflüstern -- Herbstflüstern -- Winterflüstern -- Frühlingsflüstern// Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2015 Text © Tanja Voosen, 2015 Lektorat: Pia Praska Umschlagbild: shutterstock.com / © Ditty_about_summer / © faithie / istock.com / © Chepko Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund

Für alle, denen schon einmal das Herz gebrochen wurde. Wenn man nicht mehr genau weiß, wo man im Leben steht, dann wird es Zeit, einen Schritt vor den anderen zu setzen und langsam wieder nach vorne zu gehen.

*Prolog*

Es regnete seit Tagen. Die Sonne schien so fern wie eine Erinnerung an etwas, das es in diesem Leben nicht mehr geben würde. Eigentlich waren stürmische Herbsttage gar nicht so schlecht. Ein grauer Himmel und jede Menge Wasser bedeuteten, dass sie mehr Zeit mit ihm allein verbringen konnte. Abgeschottet von der Welt, dank des schlechten Wetters. Die vielen Pläne der beiden hatten inzwischen die Form eines kleinen Chaos angenommen. Beide hatten damit gerechnet den Heimweg früher anzutreten. Zurückzukehren zu ihren Familien. Es hatte sie beide überrascht, wie schnell der Sommer zu Ende gegangen war, ihre Reise war es jedoch nicht.

Manchmal machte ihr die ungewisse Zukunft Angst.

Irgendwann konnten sie nicht mehr weiterfahren, weil die Realität sie einholen würde, das wusste sie.

Taylor hatte aufgehört zu zählen, wie viele Stunden ihr noch blieben. Sie rechnete sich ihre Zeit mit Hunter lieber in Sonnenuntergängen, Frühstücken oder Kissenschlachten aus. An manchen Abenden blickte sie aus einem Fenster. Vielen unterschiedlichen Fenstern, an unterschiedlichen Tagen. An fremden Orten und in fremden Zimmern, dort, wo sie sich eben gerade aufhielten.

Sie und Hunter. Das große Wir in ihrem Leben.

In besonders wehmütigen Momenten betrachtete sie das Foto ihrer Familie, das sie eingepackt hatte. Und in besonders tristen und kalten Nächten flackerten Sorgen in ihrem Herzen auf. Sorgen und Ängste.

Das Einzige, was sie dann warmhielt, war Hunter selbst. Sein leises regelmäßiges Atmen, wie eine vertraute Melodie im Hintergrund. Die Worte, die er im Schlaf von sich gab, aber am meisten seine Arme, die sie festhielten und wie eine Botschaft sagten: Ich lasse dich nie wieder los.

Natürlich musste er sie loslassen.

Irgendwann tat er es immer.

So war das einfach mit Menschen, die man liebte. Nur wenn man sie gehen lassen konnte, würden sie irgendwann bereit sein für immer zu bleiben. Das hatte ihre Mom ihr mit auf den Weg gegeben. Ihr Dad wusste inzwischen ebenfalls, dass es stimmte. Dass Taylor einer dieser Menschen war, der zurückkommen würde, wenn man ihm genug Zeit und Freiraum gab.

Und ihre Schwester? Lucy, dachte Taylor und lächelte dabei, wird in meiner Abwesenheit wahrscheinlich ihr ganz persönliches Abenteuer erleben.

Da war sie sich wirklich sicher.

*1*

Es war Samstagabend, ich war allein und lernte. Diese Umstände erinnerten mich stark an meine Schwester. Früher war sie diejenige von uns beiden gewesen, die jeden x-beliebigen Mist der Gesellschaft anderer Leute vorgezogen hatte. Das änderte sich – wenn auch sehr langsam – als sie Hunter Reeves kennen und lieben lernte. Eigentlich änderte sich danach alles in ihrem Leben. Einschließlich ihrer Einsiedlerkrebs-Persönlichkeit. Liebe konnte so schön sein. Konnte. Das wusste ich selber. Ich hatte eine sehr lange Zeit auf Wolke sieben geschwebt, bis die Wolke verpufft und ich hart auf meinem Arsch gelandet war. In der Realität. Deshalb saß ich das dritte Wochenende in Folge auf einer fremden Couch, vertiefte mich in lateinische Verben und ignorierte den Rest der Welt, solange er mich auch in Ruhe ließ.

Allmählich wurde es zur Gewohnheit den Babysitter für Riley, den Sohn von Hunters Bruder, zu spielen, damit er und seine Verlobte Fia ein wenig Zweisamkeit genießen konnten. Da! Ich war wirklich alles andere als verbittert und egoistisch. Ich gönnte anderen ihr Glück. Na gut. Solange ich diese anderen Leute kannte und sie Teil der Familie waren. Okay: Ich war verbittert. Und egoistisch. Aber wer konnte es mir verübeln?

In jedem Selbsthilferatgeber, den meine Mom versucht hatte mir unterzujubeln, stand: Nehmen Sie sich Zeit für sich. Nicht jedoch, was man mit dieser Zeit anfangen sollte.

Als mein Handy klingelte und Kates Nummer auf dem Display erschien, ließ ich es vor sich hin trällern. Meine beste Freundin hatte sich angewöhnt regelmäßig anzurufen, um zu checken, ob ich meine Meinung vielleicht geändert hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie ändern würde, war momentan sehr gering. Kate war mit Cole – dem Bruder meines Ex-Freundes – zusammen. Von allen Leuten hätte ihr doch am meisten klar sein müssen, dass ich nicht zu irgendeiner Party, einem Kinobesuch oder sonst was kommen konnte, um ihr Gesellschaft zu leisten, wenn Cole dabei war.

Cole erinnerte mich an Ben (besagter Ex-Freund) und Ben erinnerte mich an die furchtbare Szene, in der wir Schluss gemacht hatten. Und der Gedanke an diese Szene brachte mich an den Rand eines erneuten Nervenzusammenbruchs. Eine Katastrophe war also vorprogrammiert, wenn man irgendetwas in Zusammenhang mit Ben auch nur erwähnte.

Natürlich war ich total über ihn hinweg. Zumindest redete ich mir das immer wieder ein. Man sagt ja, dass Illusionen irgendwann zur Wahrheit werden, wenn man sie immer weiter und weiter in den eigenen Kopf hämmert.

Mein Handy klingelte ein zweites Mal. Ich griff es mir vom Tisch und schaltete es auf stumm. Dann wanderten meine Augen zum Babyfon, das ebenfalls auf dem Tisch lag und im Gegensatz zu meinem Handy verdächtig still war. Riley schlief seit Stunden tief und fest und war bisher kein einziges Mal aufgewacht.

Wenn er irgendwann nur halbwegs so gut aussah wie Ryan oder Hunter, dann würde er sicher auch einer ganzen Menge Mädchen die Herzen brechen. Gebrochene Herzen … Schmerzen … vielleicht sollte ich das aufschreiben und ein hasserfülltes Gedicht daraus machen?

Besser nicht. Bloß keine Energie auf irgendetwas, das mit B wie Blödmann zu tun hatte, verschwenden.

Ablenkung musste her, sofort! Einen Moment lang dachte ich darüber nach den Fernseher einzuschalten, aber dann wanderten meine Augen zur Uhr und ein Lächeln machte sich auf meinen Lippen breit. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es schon so spät war und ich etwas Besseres als TV-Serien zur Ablenkung haben konnte.

Rileys Eltern würden erst in circa einer Stunde wieder hier sein, das war so abgesprochen, also hatte ich noch genug Zeit, um ein wenig zu spionieren.

Entschlossen klappte ich mein Buch und meinen Schreibblock zu und stopfte das Zeug in meine Tasche. Dann dimmte ich die Lichter und schlich mich zur Hintertür hinaus, das Babyfon in der rechten Hand – nur für alle Fälle. Die Familie Cassel besaß ein wunderschönes Haus samt Grundstück, auf einem Privatgelände etwas abseits der Stadt, in der ich zusammen mit meinen Eltern und meiner Schwester lebte. Die Gegend hatte einen noblen Ruf, mit all ihren Villen und Anwesen, weshalb ich mich manchmal etwas unwohl fühlte. Nobel war nicht gerade das Wort, mit dem ich meinen eigenen Lebensstil beschreiben würde. Meine Familie war alles andere als arm, wir besaßen sogar ein eigenes Haus, aber hier sah einfach alles nach richtig viel Geld aus. Allein die Ausmaße der Häuser und Villen, all die akribisch gepflegten Gärten und teuren Sportwagen in den Einfahrten oder auf der Straße. Eine ganz andere Welt, wenn man sie sich im Schein der Nacht ansah.

Dennoch verbrachte ich momentan mehr Zeit im Haus der Cassels als in meinen eigenen vier Wänden. Dabei spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen passte ich gerne auf Riley auf – er war einfach das beste Babysitterkind überhaupt: ruhig, friedlich und umgänglich. Zum anderen hatte ich während des Jobs das Haus meistens für mich allein und bei mir waren am Wochenende meine Eltern daheim, die wegen der Abwesenheit meiner älteren Schwester all ihre Liebe auf mich projizierten. Dabei waren Taylor und ich nur ein Jahr auseinander und ich mit meinen sechzehn Jahren selbstständig genug. Taylor war gerade mit ihrem Freund Hunter Road-Trip-mäßig unterwegs und meine Eltern vermissten sie schrecklich. Der springende Punkt meines Aufenthalts bei den Cassels war jedoch, dass niemand wirklich wusste, dass ich hier war. Weder Kate noch meine andere Freundin Roxy und ganz zu schweigen von ihm. Erst letzten Freitag hatte ich fast einen Herzinfarkt erlitten, als er vor meiner Haustür gestanden hatte und reden wollte. Reden. Als würde das alles wiedergutmachen. Worte waren in meinen Ohren nur noch magisch, wenn sie Beleidigungen meinem Ex gegenüber enthielten. Da war sie wieder, diese verbitterte Seite in mir, die ihn richtig hasste.

Bei den Cassels würde er jedenfalls niemals vor der Tür stehen. Ihr Haus war mein Sicherheitshafen.

Ich war inzwischen am Ende des Gartens angekommen und blieb vor dem hohen Zaun, der das Grundstück eingrenzte, stehen. Das, was ich sehen wollte, war auf der anderen Seite, also suchte ich mit den Augen nach etwas, auf das ich klettern konnte, um über den Zaun zu spähen. Letzte Woche hatte hier noch eine Gartenbank gestanden. Mist. Kurz quälte mich mein schlechtes Gewissen, weil ich mir wirklich angewöhnt hatte die Nachbarn auszuspionieren und dazu noch meine beste Freundin belog.

Meine Eltern kannten die Wahrheit, aber Kate hatte ich erzählt, ich würde mich mit einem mysteriösen Unbekannten treffen, weil ich wusste, dass sie ihre Klappe nicht halten konnte. So gern ich sie hatte, aber Kate würde Cole alles weiterleiten und er wiederum – BAM! – dem Geräusch nach zu urteilen, war gerade eine Autotür lautstark zugeflogen. Adios schlechtes Gewissen!

Wenn ich mich nicht beeilte, verpasste ich das ganze Drama. Es gab zwar keinen festen Zeitplan dafür, wie bei der Ausstrahlung einer Sendung, die jede Woche um die gleiche Zeit, auf dem gleichen Sender lief, aber inzwischen hatte ich festgestellt, dass es eine Art Muster in den Abendstunden gab. Die Nachtluft war kühl und weil es geregnet hatte, war das Gras unter mir feucht und rutschig. Ich musste vorsichtig sein, wenn ich mich nicht auf die Nase legen wollte. Im hinteren Teil des Gartens gab es keine Beleuchtung, weshalb mir der schwache Lichtschein von der Terrasse reichen musste. Im Halbdunkeln setzte ich langsam einen Schritt vor den anderen und fixierte die schattenhaften Umrisse einiger Mülltonnen.

Ich zögerte kurz, dann klemmte ich mir das Babyfon unter den Arm und zog mich an einer Mülltonne hoch, was schwieriger war als gedacht. Die Tonne war größer als ich und dank des glatten Plastiks konnte ich nicht wirklich etwas greifen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich es schaffte mich genug vom Boden abzustemmen, um Halt zu finden und meinen Hintern hochzubekommen. Das Ding wackelte auch noch beunruhigend. Ich versuchte stillzuhalten und packte mit einer Hand den Zaun, um mich ein Stück weiter hochzuziehen. Endlich konnte ich über die Barriere hinwegblicken. Zuerst lugte ich mehrmals kurz auf die andere Seite und dann wagte ich es, in einer Position innezuhalten, in der ich genug sah.

Ich hatte freien Blick auf die Einfahrt der Nachbarn. Es war erstaunlich, wie klein die Welt doch war, denn der Junge, der neben Fia wohnte, ging auf meine Schule. Zuerst hatte ich ihn gar nicht zuordnen können. Dann war mir vorletzte Woche aufgefallen, dass er mit Kate zusammen Spanisch hatte, ergo ein Mitschüler war. Nachdem ich mir sein Gesicht halbwegs eingeprägt hatte, fiel er mir immer wieder ins Auge. Mal beim Lunch, ein anderes Mal in den Fluren.

Er war einer dieser ganz steinreichen Schnösel. Beliebt, gutaussehend und er hatte einen Verschleiß an Freundinnen, der nicht mal mehr dem Niveau einer männlichen Hure entsprach. Meinen Beobachtungen an den drei Spionage-Wochenenden zufolge, schleppte er jede Woche ein anderes Mädchen ab. Lud es am Wochenende zu sich nach Hause ein und wenn sie mit ihm in die Kiste gehüpft war (der Teil war natürlich nur eine Theorie von mir), servierte er sie mitten auf der Einfahrt ab. Als wollte er irgendeinen öffentlichen Auftritt hinlegen. Obwohl, wenn ich es mir ganz genau überlegte, würde er die Mädels nicht wohl eher tagsüber abschieben, wenn es ihm darum ging, jemanden bloßzustellen? Das hier waren eher heimliche Techtelmechtel. Richtige Bootycalls.

In der Schule hatte ich jedenfalls nicht viel über ihn herausgefunden. Nur, dass er anscheinend einen Haufen Mädchen gedatet hatte, wenn man das bei der Kurzlebigkeit der angeblichen Treffen noch so nennen konnte. Obwohl ich richtig neugierig war, hatte ich mich einfach nicht getraut offensichtlicher in der Gerüchteküche herumzufragen. Kate hätte den Braten sofort gerochen.

Nachdem die Autotür vor einer Weile zugeknallt war, hatte ich keine weiteren Geräusche gehört. Ich wartete darauf, dass etwas passierte. Bis auf den fetten Kater, der unter der Laterne auf der anderen Seite saß und zu mir herüberschaute, war noch niemand aufgetaucht. Normalerweise kam der Nachbarskerl irgendwann die Einfahrt herunter, brachte das Mädchen zu ihrem Wagen und wollte sie loswerden. Und dann ging das Drama so richtig los. Ich musste das Theater genießen, so lange ich konnte, denn bald würden Fia und Ryan hier wegziehen. Die beiden hatten bereits mehrere Häuser besichtigt, die für sie in Frage kamen. Fias Eltern, denen das Haus gehörte, würde ich ohne Grund jedenfalls nicht besuchen.

Der Umzug würde dann für mich bedeuten: keine Real-Life-Soap mehr. Ich erinnerte mich an die Kandidatin von letzter Woche und musste fast grinsen. Sie war vollkommen durchgedreht, hatte ihm eine saftige Ohrfeige verpasst und geschrien. Drama pur. Vermutlich machte es mich zu einem schlechten Menschen, mich an dem Elend anderer zu erfreuen, aber ich konnte nicht anders. Es minderte etwas von meinem eigenen Schmerz und wenn ich ehrlich war, tat mir keines der Mädchen leid. Sie ließen sich dank irgendeiner billigen Masche abschleppen und fuhren dann noch am Wochenende zu ihm nach Hause.

Allmählich wurde es schwer weiter auf der Mülltonne zu hocken. Meine Beine schwächelten schon. Außerdem dachte ich an Riley. Ich wollte ihn nicht länger als nötig alleinlassen. Erwartungsvoll spähte ich zu dem Tor hinüber, das von mehreren Laternen ausgeleuchtet wurde, als wären es Scheinwerfer für das Event, das folgte. Nach weniger als einer Minute betraten die Figuren die Bühne. In der Hauptrolle: Jasper Ransom. An meiner Schule nannten ihn fast alle Mr Handsome und das nicht nur, weil es sich so schön auf seinen Nachnamen reimte. Jasper war heiß. Ein Junge, über den Kate und ich stundenlang hätten reden können. Er war genau mein Typ, aber welches Mädchen hätte das bei seinem Anblick nicht von sich behauptet? Seine blonden Haare hatten genau die richtige Länge, um sich in seinem Nacken zu rollen und der restliche Mopp auf seinem Kopf bestand aus Locken, in die man am liebsten seine Finger graben würde. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten, wodurch sein Gesicht aus dem richtigen Blickwinkel wie gemeißelt aussah. Fast zu perfekt, mit der hohen Stirn, der schmalen Nase und diesen mandelförmigen Augen. Am vergangenen Dienstag hatte mein Sportkurs draußen Unterricht gehabt und nach dem Ende der Stunde hatte das Leichtathletikteam den Platz übernommen. Dort hatte ich Jasper das letzte Mal gesehen und direkt mitbekommen, wie ein paar der Mädchen aus meinem Kurs darüber gesprochen hatten, dass er der Schnellste und Beste sei. Natürlich. Immerhin erklärte das, wieso er so gut gebaut war und so ansehnliche Arme hatte. Beides fiel mir jetzt nämlich besonders auf, als ich so ungeniert zu ihm hinüberstarrte. Vielleicht lag es ihm auch einfach in den Genen. Das gute Aussehen und die Sportlichkeit. Meine Schwester Taylor hatte mir oft das Gleiche unterstellt, dass mir alles Gute in den Genen lag und ihr nicht – ob sie das wirklich ernst meinte oder nicht, hatte ich bis heute nicht herausgefunden. Taylor hatte immer etwas mit ihren Haaren gemacht, farbige Strähnchen rein, sie geschnitten oder irgendwie aufgepeppt und ich war jahrelang davon besessen gewesen, meine einfach nur wachsen zu lassen. Wahrscheinlich war ich einfach das typische Mädchen-Mädchen, das auf lange Haare, Make-up und schicke Klamotten stand. In dieser Hinsicht waren Taylor und ich sowieso sehr gegensätzlich. Sie war mehr der Typ Grunge-Look und ich hatte immer an meiner blonden Mähne und den Vintage-Klamotten gehangen. Ben hatte mir oft gesagt, er würde mich hübsch finden. Er hatte mir viele Dinge gesagt. Ich hatte sie geglaubt, sie gerne gehört, gelacht und mich unendlich glücklich dabei gefühlt. Wenn mir mein Aussehen und Charisma also tatsächlich in den Genen lag, bedeutete das nicht auch gleich, dass ich verflucht war? Dazu bestimmt, immer wieder an dieselbe Sorte Kerl zu geraten, die mich deshalb irgendwie toll fand?

Die nagenden Gedanken machten mich plötzlich wütend. Und überhaupt – konnte ich mein Gehirn nicht mal für eine Minute abstellen und mich auf das Wesentliche konzentrieren? Vielleicht sollte ich heute einfach über den Zaun springen und Jasper erwürgen. An irgendjemandem musste ich meine Gefühle abreagieren und er kannte das schließlich zur Genüge von anderen Mädchen. Vermutlich gefiel es ihm sogar Herzen am Fließband zu brechen. Meiner Meinung nach hatte er eine Abreibung verdient. Okay. Jetzt befand ich mich im Zwiespalt. Entweder ich hielt die Mädchen für naiv oder Jasper für – Ich schluckte schwer, als sich etwas tat und ich das Mädchen an Jaspers Seite erkannte. Nebenrolle des Abends: Marina Jones. Blond, niedlich und in meiner Stufe.

Sofort schlug mein Beschützerinstinkt an. Was hatte ich mir nur dabei gedacht wieder zu spionieren? Ich konnte unmöglich weiter auf der Tonne hocken und zusehen, wie sie in ihr Verderben lief. Andererseits, wenn ich mich jetzt bewegte, würde man mich sicher hören.

Mein Herz begann panisch schneller zu schlagen.

»Es war wirklich ein schöner Abend«, sagte Marina und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Sie fasste Jasper am Arm und ihre Augen funkelten dabei. Er erwiderte das Lächeln auf ziemlich falsche Weise, aber das merkte Marina nicht, so verknallt musste sie in ihn sein. »Vielleicht wiederholen wir das alles bald mal wieder?«

»Marina, ich muss dich um etwas bitten«, antwortete Jasper sanft. Seine Hand umschloss ihre und er öffnete erneut den Mund, um den Todesstoß auszusprechen, den er bisher allen anderen verpasst hatte. Marina stoppte ihn mit einem flüchtigen Kuss. Sie beugte sich vor und drückte ihre Lippen rasch auf seine. Dann zog sie den Kopf zurück und holte tief Luft.

»Lass mich zuerst etwas sagen. Ich habe die ganze Woche genossen und ich bin auch nicht dumm, Jasper. Ich weiß, was die Leute so über dich sagen und es ist mir egal. Egal was andere denken, solange wir von heute an zusammen sein können.«

Uff. Die fuhr aber schwere Geschütze auf. Armes Ding. Und Jasper? Der verdrehte doch tatsächlich die Augen. So ein arrogantes Arschloch aber auch!

»Ich dachte, ich könnte das«, murmelte er und seufzte. Ganze drei Mal, als leide er an irgendeiner Erkrankung der Atemwege. Marina zog die Augenbrauen zusammen. Skepsis vereinnahmte nun ihre Miene und auf ihrer Stirn bildeten sich Sorgenfalten.

»Was willst du damit sagen?«, fragte sie zittrig.

Er ließ sie abrupt los.

»Dass du mir tierisch auf die Nerven gehst«, sagte er grob. Jasper leckte sich über die Lippen und setzte zu seiner Standardrede an, aber dieses Mal kam er nicht dazu. Im selben Moment rutschte mein linker Fuß von der Mülltonne ab, weil mein Bein angefangen hatte sich zu verkrampfen. Ich schaffte es nicht mehr zu reagieren und mich irgendwo festzuhalten. Die Mülltonne kippte samt mir darauf nach hinten weg. Unsanft fiel ich ins nasse Gras und wurde unter einem Haufen Müllbeutel begraben, die sich beim Umfallen der Tonne verselbstständigt hatten. Obwohl mein Rücken und mein Hintern gewaltig schmerzten, rührte ich mich nicht, presste die Augen zusammen und hielt den Atem an. Bitte lass das niemanden gehört haben, betete ich im Stillen vor mich hin.

»Was war das?«, kreischte Marina hysterisch. »Hat uns jemand beobachtet? Belauscht? Ist das irgendein krankes Spiel, das du so treibst? Und ich dachte …«

»Warte! Ich war noch nicht fertig«, hörte ich Jasper, jetzt verzweifelt, rufen. »Ich wollte dir sagen –«

»Spare es dir!«, fauchte Marina zornig. »Ich hoffe, du und deine Freunde hatten ihren Spaß!«

Schuhe klackerten über den Asphalt, ein Motor heulte auf und quietschende Reifen verrieten Marinas Abfahrt, eine, die sie so schnell hinlegte, dass ich Abgase in der Luft riechen konnte. Langsam richtete ich mich auf und schob den Müll von mir herunter. Ich hatte mir den rechten Ellbogen aufgeschürft und das Babyfon verloren. Das war jedoch mein geringstes Problem, denn im nächsten Augenblick war es, als flog ein Schatten über den Zaun. Kurz hoffte ich noch, dass der fette Kater von nebenan plötzlich Superkräfte entdeckt hatte, aber natürlich war es Jasper Ransom, der wie ein Gott höchstpersönlich über den Zaun gesprungen war. Wie zur Hölle auch immer der Kerl das geschafft hatte!

Seine Augen funkelten durch die Dämmerung und fixierten mich bedrohlich. Da bekam man ja richtig Angst.

»Wer zur Hölle bist du?«, fuhr er mich an.

»Jemand, der dir gehörig die Tour versaut hat, was?«, sagte ich feindselig, sofort im Verteidigungs-Modus.

»Bist du … hast du mich gestalkt?« Bei der Vorstellung schien er nicht so entsetzt, wie es ein Normalsterblicher hätte sein sollen. Sein Ärger wich einem kleinen Lächeln, ehe er den Mund wieder zu einer harten Linie verzog. Seine Augenbrauen schossen hoch. »Verfolgst du mich etwa oder spionierst du mir nach?«

In diesem Moment? Versuchte ich noch immer herauszufinden, wie er es über den Zaun geschafft hatte.

»Ich befinde mich jedenfalls nicht auf einem fremden Grundstück«, stellte ich sachlich fest.

»Du wohnst hier nicht«, sagte er energisch. »Ich kenne die Leute, die hier wohnen.«

»Ich bin die Babysitterin«, erklärte ich und deutete wie zum Beweis auf das Babyfon, das mir in diesem Augenblick ins Auge gesprungen war. Es hatte direkt neben mir gelegen und reflexartig griff ich danach.

»Ich rufe die Polizei«, meinte Jasper todernst.

»Tu das und dann kannst du den Polizisten erklären, warum ich nass und blutend auf dem Boden liege, während du dich auf dem Grundstück der Cassels wie ein Irrer aufführst. Und nur zu deiner Information, ich bin kein Stalker, wenn schon eine Stalkerin.«

Jasper glotzte mich verwundert an. »Dann gibst du zu mich beobachtet zu haben?«, fragte er barsch.

»Ich war zufällig am falschen Ort zur falschen Zeit«, antwortete ich. »Außerdem, stell dich nicht so an. Morgen steht schon die Nächste vor deiner Tür und will die Erde küssen, auf der du dich bewegst. Müsstest du doch zur Genüge kennen. Du bist echt ein Dreckskerl.«

»Das beweist nur, dass du wirklich eine Stalkerin bist«, erwiderte Jasper und deutete anklagend mit dem Finger auf mich. »Sonst wüsstest du das alles nicht.«

Super, jetzt hatte ich mich auch noch verraten!

»Wenn du das sagst, muss es natürlich stimmen«, sagte ich verächtlich, um zumindest meinen Trotz zu erhalten.

»Bist du eine Freundin von Marina? Oder einer der anderen … was zur Hölle machst du bitte hier?«

Jetzt, wo Jasper angefangen hatte über die Situation nachzudenken, schien er mehr Fragen zu haben als ich.

»Ich hab den Müll rausgebracht«, log ich prompt. »Und ich kenne keine deiner Freundinnen. Alles Zufälle.«

Meine Lügen brachten Jasper ein paar Sekunden zum Schweigen. Ich nutzte die Zeit, um mich endlich aus dem nassen Gras hochzustemmen und die Müllbeutel einzusammeln. Als ich ihm den Rücken zugedreht hatte, seufzte ich und sammelte meine Gedanken, ehe ich die Mülltonne wieder aufstellte und das Chaos beseitigte. Ich würde einfach zurück ins Haus marschieren – fertig! So weit, so gut, doch als ich mich langsam in Bewegung setzte, versperrte Jasper mir den Weg.

»So schnell kommst du mir nicht davon.«

»Willst du den Rest deiner Beleidigungen an mir auslassen, weil du keine Chance hattest, sie Marina noch an den Kopf zu werfen?«, fragte ich belustigt. »Dann nur zu. Ich hab nicht die ganze Nacht dafür Zeit.«

Jasper reagierte aber alles andere als mürrisch auf meine Kommentare. Stattdessen wirkte er plötzlich seltsam nachdenklich und kein Stück mehr bedrohlich.

»Das sollte dieses Mal anders laufen«, sagte er zögernd und sah mich eindringlich an, als wären wir beide so etwas wie Freunde und würden jetzt sein Problem systematisch durchgehen. Ich konnte nicht widerstehen. Da war sie wieder, diese schreckliche Neugier, die mich in den letzten Tagen dazu gebracht hatte, mehr über Jasper und seine Motive in Erfahrung bringen zu wollen.

»Wirklich?«, fragte ich zynisch.

»Wirklich! Sie sollte meine Freundin werden.«

Jasper verzog das Gesicht, als hätten ihm die Worte körperliche Schmerzen zugefügt. Als er bemerkte, wie sich meine Mundwinkel zu einem Grinsen verzogen, schien er es auch direkt zu bereuen sie überhaupt ausgesprochen zu haben. Jasper und Freundin klang in einem Satz für uns beide wahrscheinlich gleich lächerlich.

Clever wie ich war, ging ich an ihm vorbei und versuchte unauffällig weiter in Richtung Haus zu kommen. Als ich mich in Bewegung setzte, folgte Jasper mir jedoch. Vermutlich war das eine ganz normale Sache, wenn die Person, mit der man sprach, weiterlief.

»Du hast ihr gesagt, dass sie dir auf die Nerven geht«, erinnerte ich ihn. »Ziemlich unfreundlich.«

»Das war doch erst der Anfang unseres Gesprächs!«

»Ein ziemlich schlechter Anfang.«

»Wer zur Hölle bist du?«, fragte er erneut.

»Keines deiner Groupies«, sagte ich spöttisch. Jasper begann mich eingehend von der Seite zu mustern. Er runzelte die Stirn und dann wurden seine Augen ein klein wenig größer, als habe ihn eine Erkenntnis getroffen.

»Du gehst auf meine Schule«, sagte er und ich konnte nicht deuten, ob es eine Feststellung oder Frage war.

»Und wer ist jetzt der Stalker?«, scherzte ich. Nur noch ein paar Schritte, dann war ich an der Terrasse und konnte über die Tür in der Küche verschwinden. Ich richtete den Blick nach vorne auf mein Ziel.

»Du gehst auf meine Schule. Ich hab dich neulich gesehen. Beim Sportunterricht.« Jetzt waren seine Worte wirklich eine Feststellung. »Wir haben darauf gewartet, dass der Platz frei wird, und du hast ein Tor geschossen. So war das doch, oder?«

Die Vorstellung, dass Jasper mich beobachtet hatte, war irgendwie surreal. Jetzt waren wir irgendwie quitt.

»Leila oder so ähnlich.«

»Lucy«, sagte ich genervt. »Ich heiße Lucy.«

»Lucy Reagan.«

Das Ganze wurde immer verstörender. Jetzt kannte er schon meinen Nachnamen. »Ist es dein heimliches Hobby Vor- und Nachnamen deiner Mitschüler herauszufinden?«, meinte ich etwas kratzbürstig.

»Es war eher Zufall, dass ich deinen mitbekommen habe. Außerdem hast du ganz schön einen Ruf weg.«

Ich blieb abrupt stehen. »Ich habe einen Ruf weg?« Ich winkelte den Arm an, um Jasper einen Boxhieb gegen die Seite zu verpassen, aber ein scharfer Schmerz begann auf meinem Ellbogen zu brennen und mir fiel wieder ein, dass ich mich beim Sturz eben verletzt hatte. Schnell ließ ich den Arm wieder sinken, um mir nichts anmerken zu lassen. Fehlte ja noch, dass Jasper Mitleid mit mir hatte. Stattdessen bohrte ich weiter nach.

»Also, was soll das bitte heißen?«

»Du hast mir die Tour vermasselt, dir sage ich rein gar nichts mehr«, antwortete Jasper. »Das werde ich dir übrigens noch heimzahlen, verlass dich drauf.«

»Oh, jetzt hab ich aber Angst.«

Ich zog eine Grimasse, aber meine Finger schlossen sich fester um das Babyfon. In Zeiten der Not konnte alles als Waffe dienen, wie ich einmal im Selbstverteidigungskurs gelernt hatte. Für den Fall der Fälle.

Jasper fuhr sich über das Gesicht.

»Du hast echt Nerven«, murmelte er und klang plötzlich müde.

»Hopse wieder über den Zaun und verschwinde«, schlug ich vor. »Dann gehen wir beide getrennte Wege.«

»Nein«, sagte er hartnäckig.

»Schön«, meinte ich und verschränkte jetzt die Arme vor der Brust. »Was dann?«

»Du musst meine Freundin werden. Noch heute.«

Ich wusste nicht so wirklich, ob ich nun lachen oder weinen sollte. »Sicher«, sagte ich, »weil wir uns so gut kennen. Du hast wirklich starke Probleme damit, einen vernünftigen Gesprächsanfang zu finden, oder? Ich glaube, das kann man trainieren. Jedenfalls die kommunikative Seite. Idiotismus wurde noch nicht geheilt.«

»Mein Leben hängt sozusagen davon ab«, sagte Jasper, wieder ganz der todernste nachdenkliche Kerl.

»Wenn du möchtest, bringe ich dich jetzt auf der Stelle um, dann musst du dir darüber keine Sorgen mehr machen. Ein Babyfon als Mordwaffe wäre ziemlich innovativ«, sagte ich leichthin. Jasper besaß die Frechheit, über meine Worte zu lachen. Dann schüttelte er erheitert den Kopf und räusperte sich anschließend.

»Ich glaube, wir haben uns auf dem falschen Fuß erwischt.« Höflich hielt er mir eine Hand hin. »Mein Name ist Jasper Ransom. Freut mich deine Bekanntschaft zu machen.« Als ich keine Anstalten machte, mich zu bewegen oder etwas zu sagen, fuhr er fort: »Ich könnte dich bezahlen, wenn du willst. Das wäre ein ziemlich leichter Deal. Ich verspreche es dir. Jeder Mensch wünscht sich doch irgendetwas, oder?«

»Sehe ich aus wie eine Prostituierte?«, blaffte ich ihn an. »Was fällt dir überhaupt ein, mir so etwas vorzuschlagen? Besitzt du keinen Funken Respekt gegenüber anderen? Ach, wen frage ich das überhaupt. Du schläfst dich durch die Weltgeschichte und nimmst dir nicht mal ein paar Minuten Zeit, um eine deiner Bekanntschaften näher kennenzulernen. Könnte ja sein, dass hinter ihrer hübschen Fassade etwas steckt, das dich interessiert.«

»Lass mich raten, Lu. Du hast bereits alles über mich herausgefunden, was es zu wissen gibt, indem du mich abgecheckt hast, nicht wahr?«

»Nenn mich nicht so. Die einzige Person, die mich so nennt, ist meine Schwester.«

»Okay, Lucy«, sagte er. »Dann verrate mir eines: Wieso hast du mich beobachtet, wenn ich deiner Meinung nach ein solch egoistischer Widerling bin? Könnte ich nicht das Gleiche über dich sagen, nur weil du hübsch bist? Dass du einen oberflächlichen Charakter hast und alle Klischees erfüllst, die mir spontan so einfallen?«

Ich wollte Du kennst mich überhaupt nicht sagen, hielt mich aber zurück. Irgendwie hatte er Recht.

»Siehst du!«, sagte er triumphierend.

»Kannst du jetzt etwa Gedanken lesen?«

»Einer meiner vielen Vorzüge«, meinte Jasper. »Gerade in dieser Sekunde denkst du, wie atemberaubend ich im Mondlicht aussehe und dass du am liebsten ganz andere Dinge mit mir tun würdest als zu streiten, obwohl ich das ziemlich heiß finde. Genau wie die Tatsache, dass es dir egal zu sein scheint, dass ich dich hübsch genannt habe.«

Ich verdrehte die Augen und wandte mich endlich zum Flüchten ab. Der Kerl war echt nicht zu fassen.

»Jedes Mädchen will das doch gerne hören, oder?«, setzte er nach und folgte mir. Die eine Minute, in der er mich von der Seite anstarrte, kam mir so ewig lang vor, dass ich schließlich doch antwortete.

»Würdest du gerne auf dein Aussehen reduziert werden?«, fragte ich ihn. »Sicher, es kann ein paar nette Komplimente geben, aber die kommen auch nur an, wenn man es ehrlich meint und nicht damit um sich schmeißt. Im Augenblick verströmst du den Charme der Mülltonne, mit der ich eben Bekanntschaft gemacht habe.« Unwillkürlich rieb ich mir über den blutigen Ellbogen. Au, au, au!

»Hast du dich verletzt? Du meintest eben –«

Er war aufmerksamer, als ich ihm zugetraut hatte. Jasper streckte eine Hand nach mir aus, aber ich wich zurück und sprang auf die Terrasse, als sei sie eine rettende Insel in einem Ozean voller Haie.

»Stopp!«, sagte ich. »Bis hierher und nicht weiter.«

Ein paar Schritte noch und – endlich war ich durch den Seiteneingang wieder in der Küche. Bevor Jasper mir – dreist wie er war – weiter folgen konnte, schob ich ihm die Glastür vor der Nase zu und lächelte.

»Willst du mich nicht reinbitten?«, fragte er, garantiert, um mich zu reizen. »Ich bin echt verletzt.«

»Es tut mir leid, dass ich dir deinen Abend ruiniert habe. Das war nicht meine Absicht«, leierte ich herunter. »Jetzt hast du deine Entschuldigung und einen Teil meiner Würde. Schönes Leben noch.«

Ohne mit der Wimper zu zucken, schloss ich die Tür ab und hob die Hand zu einer theatralischen Auf-Wiedersehen-Geste, um es ihm heimzuzahlen. Gerade, als ich mich umdrehte, klopfte er gegen die Glastür und ich machte den Fehler und blickte zurück.

»Wir sehen uns wieder, Lu.«

Seine Stimme klang hohl und abgestumpft durch die Barriere zwischen uns. Ich stieß einen frustrierten Seufzer aus und zeigte ihm den Mittelfinger.

»Ich heiße Lucy«, rief ich energisch.

Als ich das Licht ausschaltete und die Küche verließ, meinte ich noch, Jasper leise lachen zu hören.

*2*

Der erste Gedanke, der mir am Montagmorgen nach dem Aufstehen kam, war: Taylor, wo bist du nur? Ich vermisste meine Schwester. Dieses Gefühl überkam mich hin und wieder, seitdem sie mit ihrem Freund Hunter losgezogen war, aber heute fehlte sie mir besonders. Als sie noch da gewesen war, hatte ich mich immer furchtbar darüber aufgeregt, dass wir uns ein Badezimmer teilen mussten oder dass sie beim Frühstück ihr Essen immer, ohne zu kauen, herunterschlang. Eigentlich hatten mich tausend Dinge an ihr genervt und manchmal hätte ich sie am liebsten zum Mond geschossen. Aber nach dem Zusammentreffen mit Jasper am Samstag hätte ich gerne jemanden zum Reden gehabt und Taylor war eine gute Zuhörerin. Es war schwer mir das einzugestehen, aber ich war ein wenig eifersüchtig auf Hunter und auch ein wenig wütend, weil er sie noch immer nicht zurückgebracht hatte. Nicht, dass das nur seine Schuld war.

Taylor und Hunter waren zu Beginn der Sommerferien aufgebrochen, um etwas von der Welt zu sehen– ein richtig chaotischer Road-Trip, und der Plan hatte beinhaltet, zu Beginn des neuen Schuljahres ihres Senior-Years wieder nach Hause zu kommen. Pustekuchen! Die Schule lief seit knapp zwei Wochen, aber das Einzige, was ich regelmäßig von Taylor gesehen hatte, war ihr Gesicht über Videochats bei Skype. Als sie mir mitgeteilt hatte, dass sie und Hunter nicht zum abgemachten Zeitpunkt zurück sein würden, war mir das zuerst völlig schnuppe gewesen. Ich hatte schließlich mein eigenes (wenn auch momentan einsames) Leben, aber jetzt, wo der Alltag nach den Ferien wieder einschlug wie eine Bombe, kam es mir unnatürlich vor, dass sie fehlte.

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