Die schöne Lügnerin - Sissi Merz - E-Book

Die schöne Lügnerin E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Dr. Max Brinkmeier besitzt außergewöhnliche Fähigkeiten. Dennoch ist er, der lange Jahre erfolgreich in Afrika praktiziert hat und dort so viele Menschenleben retten konnte, einen Augenblick ratlos, als ihn der Hilferuf von daheim erreicht. Sein Vater, der in einem kleinen bayerischen Bergdorf als Landarzt mit ebenso großem Geschick jahrzehntelang tätig gewesen ist, kann die heimatliche Praxis nach einer Herzattacke nicht länger weiterführen. Max war damals nicht ganz im Frieden von zu Hause geschieden, und jetzt überlagern sich bei ihm verschiedene existentielle Gefühle. In Afrika hat er eine wirkliche Lebensaufgabe gefunden. In der Heimat wird er dringend benötigt. Die Ärztin, der seine große Liebe gilt, wirkt mit ihm gemeinsam auf der Missionsstation und ist inzwischen fest verwurzelt auf dem afrikanischen Kontinent. Dr. Max Brinkmeier muß sich entscheiden – und Sie erwartet die spannendste, gefühlvollste Arztromanserie! Die beliebte Schriftstellerin Sissi Merz erreicht in diesen eindrucksvollen Romanen den Höhepunkt ihres Schaffens. Christel Brenner reichte ihrem Chef Dr. Max Brinkmeier die Liste mit den Hausbesuchen. »Ist recht lang heut, hoffentlich wirst das alles schaffen, Doktor. Die Tina hab ich gar nicht aufgeschrieben, aber da sollst auch noch vorbeischauen.« Der Landarzt von Wildenberg machte ein verdutztes Gesicht. »Die Tina? Was soll denn der fehlen, glücklich verheiratet wie sie ist? Oder hat mein Bruderherz am Ende wieder mal einen Anfall von unsinniger Eifersucht nach dem anderen?« Die bewährte Sprechstundenhilfe mußte schmunzeln und versicherte: »Das gewiß net. Ich vermute eher, daß die beiden sich noch immer überaus gut verstehen. Jedenfalls nach den Beschwerden zu urteilen, die deine Schwägerin quälen...« Der hochgewachsene Mediziner mit dem sandblonden Haar lächelte fein. »So, so... Na, ich denke, das wird dann wohl eher ein angenehmer Besuch. Gute Neuigkeiten zu bringen ist meine Lieblingsbeschäftigung.« Max schnappte sich seine Tasche und wollte eben die Praxis verlassen, als sein Vater das Haus betrat. Sehr zur Überraschung seines Sohnes trug er einen flotten Sportanzug und Turnschuhe. »Was hat denn das zu bedeuten? Bist am End' unter die Jogger gegangen? Das finde ich aber recht unvernünftig«

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Dr. Brinkmeier Classic – 13 –

Die schöne Lügnerin

Sissi Merz

Christel Brenner reichte ihrem Chef Dr. Max Brinkmeier die Liste mit den Hausbesuchen. »Ist recht lang heut, hoffentlich wirst das alles schaffen, Doktor. Die Tina hab ich gar nicht aufgeschrieben, aber da sollst auch noch vorbeischauen.«

Der Landarzt von Wildenberg machte ein verdutztes Gesicht. »Die Tina? Was soll denn der fehlen, glücklich verheiratet wie sie ist? Oder hat mein Bruderherz am Ende wieder mal einen Anfall von unsinniger Eifersucht nach dem anderen?«

Die bewährte Sprechstundenhilfe mußte schmunzeln und versicherte: »Das gewiß net. Ich vermute eher, daß die beiden sich noch immer überaus gut verstehen. Jedenfalls nach den Beschwerden zu urteilen, die deine Schwägerin quälen...«

Der hochgewachsene Mediziner mit dem sandblonden Haar lächelte fein. »So, so... Na, ich denke, das wird dann wohl eher ein angenehmer Besuch. Gute Neuigkeiten zu bringen ist meine Lieblingsbeschäftigung.« Max schnappte sich seine Tasche und wollte eben die Praxis verlassen, als sein Vater das Haus betrat. Sehr zur Überraschung seines Sohnes trug er einen flotten Sportanzug und Turnschuhe.

»Was hat denn das zu bedeuten? Bist am End’ unter die Jogger gegangen? Das finde ich aber recht unvernünftig«, merkte dieser gleich besorgt an. Seit der alte Brinkmeier einen leichten Infarkt erlitten und die Praxis an seinen Sohn abgegeben hatte, mußte er sich ein wenig schonen. Übertriebene Anstrengungen waren tabu. Allerdings »vergaß« Josef Brinkmeier das ab und an.

Diesmal schien er sich aber keiner Schuld bewußt zu sein, denn er erwiderte gelassen: »So ein bissel Unvernunft kann recht anregend sein. Doch keine Sorge, Max, ich war nur spazieren.« Er senkte ein wenig die Stimme, damit Christel nichts mitbekam, als er zugab: »Die Witwe Bichler ist um die Zeit auch unterwegs. Na ja, sie ist noch ein fesches Weib. Und da möchte ich halt einen guten Eindruck machen, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Du gehst aufs Flirten aus? Vater, ich glaub’ es net!«

»Nicht so laut.« Josef zierte sich ein wenig. »Es muß ja nicht gleich ein jeder in Wildenberg wissen. Außerdem hab ich fast gar keine Absichten. Aber so ein nettes Gespräch unter Bekannten, das kann doch nix schaden, oder?«

»Die Bichlerin ist keinem Flirt abgeneigt«, ließ sich Christel Brenner da vernehmen. Sie schloß die Tür zur Praxis und lächelte dem Senior freundlich zu. »Und die Mannsbilder fallen reihenweise auf sie rein. Ja mei, sie hat halt das gewisse Etwas, das anderen anscheinend fehlt. Bis morgen!« Christel schwänzelte so betont ab, daß Max sich nur schwer ein herzhaftes Lachen verkneifen konnte. Josef schien das gar nicht lustig zu finden.

Er grollte: »Die Christel hält mich wohl für senil, was? So eine Frechheit! Als ob man im gesetzten Alter nimmer flirten dürfte. Sie ist ja schließlich auch kein junger Hüpfer mehr.«

»Reg’ dich nur net auf, Vater, das war gewiß nicht bös gemeint von der Christel. Aber ich muß jetzt los. Ach, übrigens, ich schaue nachher noch beim Lukas vorbei. Die Tina klagt über morgendliche Übelkeit, Schwindel und dergleichen. Na, läßt das vielleicht ein kleines Glöckerl in deinem Hinterkopf bimmeln?«

Der alte Landarzt machte ein betroffenes Gesicht. »Wenn du mir jetzt auch noch sagst, daß ich Großvater werde, dann vergeht mir die Lust am Flirten aber auf der Stelle.«

Max enthielt sich eines weiteren Kommentars und machte sich auf den Weg zu seinen Hausbesuchen. Es war ein sonniger und schon angenehm warmer Apriltag. Der Himmel spannte sich in makellosem Blau über das Tal von Wildenberg im schönen Berchtesgadener Land. Während Dr. Brinkmeier die schmale Landstraße befuhr, hatte er ein offenes Auge für die majestätische Bergwelt, die ihn umgab. Obwohl der junge Mediziner in Wildenberg geboren und aufgewachsen war, erfreute er sich doch immer wieder aufs Neue an der idyllischen Umgebung. Immerhin hatte Max zehn Jahre im Ausland gelebt und oft unter Heimweh gelitten. Der Landarzt war nach dem Studienabschluß in die Entwicklungshilfe gegangen. Zusammen mit Dr. Julia Bruckner, der Frau, die er von Herzen liebte, hatte er in Ruanda auf einer Missionsstation im Busch gearbeitet. Für Julia war dies zur Lebensaufgabe geworden, und auch Max hatte eine Zeitlang geglaubt, daß er in Holy Spirit bleiben würde. Aber dann war sein Vater erkrankt, und für den jungen Arzt war es eine Selbstverständlichkeit gewesen, die Praxis in Wildenberg zu übernehmen. Ganz leicht war ihm diese Entscheidung aber trotzdem nicht gefallen, hatte sie doch bedeutet, daß er und Julia sich auf unbestimmte Zeit trennen mußten.

Dachte Max an Julia, dann wurde ihm das Herz sehr schwer. Die tiefe Liebe, die sie miteinander verband, hatte ihnen beiden in letzter Zeit viel Kummer eingebracht. Denn die Tatsache, daß die engagierte Ärztin Afrika auf Dauer nicht verlassen, Max aber in Wildenberg bleiben wollte, sorgte dafür, daß sie von Sehnsucht geplagt nach einem Ausweg suchten, der sich nicht finden ließ.

Das hatte dazu geführt, daß Julia sich für eine Weile Funkstille auserbeten hatte. Sie litt so sehr unter der Trennung von Max, daß sie ihre Arbeit auf der Missionsstation kaum noch erledigen konnte. Obwohl es dem Landarzt sehr schwerfiel, der geliebten Frau weder zu schreiben, noch sie anzurufen, war er ihrer Bitte doch nachgekommen. Er wollte es Julia ein wenig leichter machen, auch wenn er doppelt zu leiden hatte.

Während Dr. Brinkmeier dann seine Hausbesuche erledigte, schob er die trüben Gedanken beiseite. Er war stets freundlich, arbeitete präzise, und die Menschen im Tal vertrauten ihm, wußten ihn zu schätzen. Das war nicht von Anfang an so gewesen, Max hatte sich erst mal das Vertrauen seiner Patienten erarbeiten müssen. Doch mittlerweile hatte er einen ebenso guten Ruf wie sein Vater und sorgte dafür, daß der Name Brinkmeier auch in der nächsten Generation einen positiven Klang in Wildenberg hatte.

Der Brinkmeier-Hof war die letzte Station an diesem Tag. Es dämmerte bereits, als der Landarzt seinen Jeep auf dem Wirtschaftshof abstellte. Lukas, sein Bruder, trat aus dem Stall, winkte und steuerte dann auf ihn zu. Die Brinkmeiers sahen einander überhaupt nicht ähnlich. Sie waren nur ungefähr gleich groß, aber damit endete die Übereinstimmung auch schon. Während Max mit dem sandblonden Haar und den grau-blauen Augen nach dem Vater kam, war Lukas ein Ebenbild der bereits verstorbenen Mutter. Er war dunkelhaarig und hatte samtbraune Augen. Leider konnte er das sanfte Wesen von Walburga Brinkmeier nicht sein eigen nennen; im Gegenteil. Bis zu seiner Heirat war Lukas ein rechter Streitnagel gewesen, der es immer darauf anlegte, seinen Bruder zu provozieren. Nun hatten die beiden sich zusammengerauft, was nicht nur daran lag, daß Max den ewigen Streit leid war. Tina, Lukas’ Frau, hatte einen guten Einfluß auf den Bauern und sorgte dafür, daß dieser sich ein wenig zugänglicher und freundlicher gab als früher.

»Grüß dich, Max, nett, daß du gleich vorbeikommst.«

Der Landarzt drückte seinem Bruder die Hand und lächelte ihm zu. »Scheint mir so, als ob es gute Neuigkeiten bei euch geben wird. Da bin ich immer zur Stelle, kennst mich doch.«

»Schon recht, ich weiß, worauf du anspielst. Und ich kann dir sagen, es würde mich restlos glücklich machen, wenn wir bald unser erstes Butzerl in der Wiege schaukeln könnten.«

»Lukas, wie hast dich verändert«, kam es da verwundert von seinem Bruder. »Bevor du die Tina getroffen hast, da warst ein rechter Einsiedler. Und von den Madeln hast nix wissen wollen. Aber mit einemmal, da träumst von einer Familie.«

»Ja, mei, das kommt schon von selbst, wenn man sich liebhat. Aber das muß ich dir wohl nicht sagen, oder?« Der Bauer maß seinen Bruder mit einem vielsagenden Blick. »Die Tina meint, daß aus dir und der Anna Stadler noch was Rechtes werden könnte. Was sagst du, bist anderer Meinung?«

Anna Stadler führte in Wildenberg die Rosenapotheke und war mit dem Landarzt von Kindesbeinen an befreundet. Daß sie auch heimlich in den feschen Mediziner verliebt war, schien im Tal mittlerweile ein offenes Geheimnis zu sein.

Max legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter und schlug vor: »Kümmern wir uns erst mal um die Tina, hernach sehen wir weiter, einverstanden?«

Lukas hob die breiten Schultern und murmelte: »Keine Antwort ist auch eine Antwort...«

Gemeinsam betraten sie das Haus. Tina Brinkmeier hatte die Brüder bereits bemerkt und lächelte ein wenig verlegen. »Macht mir nur kein solches Brimborium. Ich bin schließlich selbst Krankenschwester und kenne die Symptome. Eigentlich hätte ich auch einen Schnelltest bei der Anna holen können.«

»Kommt net in Frage!« Lukas legte einen Arm um Tinas Taille und drückte ihr ein Busserl auf die Schläfe. »Wenn man den Doktor schon in der Familie hat, kann man das doch gleich richtig abklären lassen, net wahr?«

»Recht hast, Lukas. Komm, Tina, gehen wir in die gute Stube, da kann ich dich untersuchen. Und hernach machen wir einen Schnelltest, aber einen präzisen, dem auch zu trauen ist.«

»Also schön, wie ihr meint.« Die junge Frau folgte ihrem Schwager und schloß die Tür zur guten Stube. Nachdem Max sie gründlich untersucht und ihr ein wenig Blut abgenommen hatte, stellte er fest: »Dein Blutdruck ist leicht erhöht, Tina. Sonst bin ich mit dir zufrieden. Hast Ärger gehabt?«

Sie wollte nicht so recht heraus mit der Sprache, gab schließlich eher widerwillig zu: »Der Lukas hat seine dumme Eifersucht immer noch nicht abgelegt. Gestern habe ich mich mit dem Großknecht unterhalten. Ich mag nämlich einen größeren Auslauf für die Hühner haben, direkt hier am Haus. Weißt, das ist einfach praktischer. Der Bimberl hat das auch recht schnell begriffen und versprochen, sich darum zu kümmern. Am Abend hat dein Bruder ihn dann in sein Arbeitszimmer zitiert und ihn zur Schnecke gemacht. Ich konnte mir das gar net erklären. Bis der Lukas zugegeben hat, daß er mal wieder eifersüchtig gewesen ist. Angeblich hat der Bimberl mich angestarrt und mit mir flirten wollen. So ein Schmarrn!«

»Die Eifersucht von Lukas hat euch doch schon mal fast auseinander gebracht, net wahr?«

»Leider, ja. Ich habe gehofft, daß er jetzt endlich vernünftig geworden ist. Schließlich müßte der Lukas doch längst gespannt haben, daß ich keinen anderen anseh’ und nur ihn lieb habe. Aber er wird anscheinend net schlau. Ich hab mich ziemlich geärgert.«

»Du solltest das gelassener sehen, vor allem in deinem Zustand.« Max lächelte seiner Schwägerin zu. »Herzlichen Glückwunsch, Tina, du stehst in der Hoffnung.«

»Mei, ist das schön! Ich will es gleich dem Lukas sagen!«

»Komm in den nächsten Tagen mal in der Praxis vorbei, dann besprechen wir alles und legen auch die ersten Termine für die Vorsorge fest. Ich freu’ mich für euch beide. Und wennst willst, dann rede ich deinem Mann noch ins Gewissen. In deinem jetzigen Zustand hat der Lukas Nachsicht walten zu lassen, da muß er sich mal ehrlich am Riemen reißen, was seine Gefühle angeht.«

»Ich denke, das wird er. Aber schaden kann es nix, wennst ihm ins Gewissen fährst, er hört nämlich immer auf dich, auch wenn er es nicht zugeben will.«

Der Bauer freute sich von Herzen, als er die große Neuigkeit hörte. Er schenkte seiner Frau ein inniges Busserl und bat seinen Bruder, noch zu bleiben.

»Wir trinken natürlich ein Glaserl Sekt auf die gute Nachricht«, beschloß er. »Das muß gefeiert werden!«

»Also schön, ich bin dabei.« Max stieß mit Bruder und Schwägerin an, dann mahnte er Lukas, bevor er sich verabschiedete: »Du solltest deine Frau jetzt besonders gut behandeln. Die Tina braucht keine Aufregungen, sondern Liebe und Verständnis. Weißt schon, was ich meine, gelt?«

Der Bauer hob die breiten Schultern und wirkte recht verlegen. »Ich hab die Tina halt so lieb, deshalb reagiere ich manchmal wohl ein bissel übertrieben. Aber ich will mich am Riemen reißen. Versprochen!«

Die junge Frau lächelte leicht, doch ein wenig skeptisch schaute sie noch immer drein. Denn daß Lukas sich tatsächlich ändern konnte, das erschien ihr nicht sehr wahrscheinlich.

*

Josef Brinkmeier freute sich wie ein Schneekönig auf sein erstes Enkelkind. Sein »sportlicher« Flirt schien vergessen, er sprach bereits von seinen Pflichten als Großvater und fing an, für das Kind zu planen, bis Max ihn ein wenig bremsen wollte und ihn daran erinnerte, daß das Kleine ja noch gar nicht auf der Welt war. Doch damit beeindruckte er seinen Vater nicht.

»Das erste Enkel ist immer was Besonderes. Und Pläne für die Zukunft kann man gar nicht zu früh machen«, meinte Josef voller Überzeugung. »Gewiß denkt der Lukas auch schon darüber nach, was er dem Butzerl später einmal Gutes tun kann.«

»Ich fürchte eher, er verfällt wieder in alte Angewohnheiten.« Max erzählte seinem Vater, worüber Tina sich beklagt hatte, und endete mit der Feststellung: »Der Lukas ist unverbesserlich. Er nimmt sich zwar zusammen, aber im Grunde seines Herzens scheint er noch immer unsicher zu sein. Es fällt ihm nicht leicht, sein Glück zu genießen, ohne Angst zu haben, daß er alles wieder verlieren könnte.«

»Ja, so ist er schon immer gewesen«, sinnierte Josef. »Eure Mutter selig und ich, wir haben versucht, ihn zu bestärken. Und immer, wenn ihm in der Schule was gelungen ist, haben wir ihn viel mehr gelobt als dich. Aber geholfen hat es anscheinend net wirklich. Was meinst, Max, könnte es da Probleme mit der Tina geben? Vielleicht sollte ich mal mit deinem Bruder reden.«

»Ich habe da schon eine Andeutung gemacht, und wie es ausschaut, sieht er das auch ein. Aber ich glaube, es wäre auf jeden Fall besser, wenn du noch mal mit ihm sprichst.«

»Also schön, ich werde die zwei gleich morgen besuchen«, entschied der alte Landarzt. »Bis dahin wird der Lukas sich gewiß am Riemen reißen.« Doch in dem Punkt hatte Josef sich leider geirrt...

Lukas Brinkmeier hatte sich zwar fest vorgenommen, Tina zu vertrauen und ihr nicht mißtrauisch hinterher zu schnüffeln, doch in der Praxis erwies sich dieser Vorsatz als recht schwierig. Als Lukas seine Frau nämlich in der Küche fand, wo der Großknecht bei einem Haferl Kaffee auf der Eckbank saß und die Abendzeitung las, schwoll ihm gleich wieder die Zornesader.

»Bimberl, geh her, ich hab noch was mit dir zu bereden«, erklärte er mühsam beherrscht.

Der Großknecht folgte seinem Brotherren arglos, schließlich war er sich keiner Verfehlung bewußt. Kaum hatte er aber die Tür zum Arbeitszimmer des Bauern geschlossen, da fuhr dieser ihn an: »Was fällt dir eigentlich ein, dich ständig in der Nähe meiner Frau umeinant zu drücken? Habe ich dir net deutlich gemacht, daß ich das nicht dulde?«

Bimberl hob die breiten Schultern. »Ich hab doch nur meine Zeitung gelesen und einen Kaffee getrunken. Das mach ich jeden Abend. Das hat aber doch nix mit der Bäuerin zu tun.«

»Mag sein, du hast es bisher immer so gehalten, aber ab sofort ist das anders, hast mich?« Lukas starrte sein Gegenüber erbost an. »Deine Zeitung kannst wohl auch im Gesindehaus lesen, net wahr? Oder gehst bald auch darauf aus, mit uns zusammen vor dem Fernseher zu sitzen, hah?«

»Sei halt net sauer, ich hab nicht daran gedacht, Bauer«, bat der Bursch beschwichtigend. Er war ein ruhiger Mensch, mit dem man nur schwer streiten konnte. »Ich setz’ mich in meine Kammer.«

Lukas war damit allerdings immer noch nicht ganz zufrieden. Er schärfte dem Großknecht ein: »Ich will nicht, daß du so viel mit der Bäuerin redest und ständig in ihrer Nähe bist. Hast mich?«