Heimat-Roman Treueband 51 - Sissi Merz - E-Book

Heimat-Roman Treueband 51 E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 209: Wer hat dein Lächeln gestohlen?
Bergkristall 290: Der Skandal am Traualtar
Der Bergdoktor 1775: Warum tust du mir so weh?
Der Bergdoktor 1776: Das Aschenputtel vom Dreiföhrenhof
Das Berghotel 146: Zu jung für die Ehe?

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Der Wildbiologe Tobias Gruber lebt nun seit einem halben Jahr in der Sennhütte oberhalb von Hallschlag. Heute steigt er ins Dorf hinab, um seine Vorräte aufzufüllen. Als er die Landstraße erreicht, glaubt er im ersten Moment, Opfer einer Sinnestäuschung zu sein. Nein, er hat sich nicht geirrt. Dort im Straßengraben liegt eine junge Frau, sie ist bewusstlos. Was soll er tun? Das nächste Spital ist weit entfernt.

Kurzentschlossen nimmt Tobias die Verletzte mit auf seine Sennhütte, um sie dort zu verarzten. Sein Angebot, bei ihm zu bleiben, bis sie sich von den Verletzungen erholt hat, nimmt die junge Frau voller Dankbarkeit an. Tobias erfährt, dass das bildhübsche Madel Evi heißt und kein Zuhause mehr hat. Mehr will sie ihm nicht über ihr Leben verraten. Sie ist immer freundlich, doch sie lächelt nie.

Wer ist diese geheimnisvolle Unbekannte, fragt er sich, und warum hat sie ihr Lächeln verloren?



"Willst du, Anton Scherer, die hier anwesende Regina Magdalena Erlbacher zu deiner Frau nehmen, sie lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?"
Spannung liegt in der Luft, liebevoll schauen Reginas Augen auf ihren Bräutigam, alle Gäste in der kleinen Kirche von Wolkenstein freuen sich mit dem jungen Paar.
Da zerreißt Tonis Antwort die Stille: "Nein!"
"Toni!" Mit tränenerstickter Stimme schreit die wunderschöne Braut auf.
Aber der junge Mann ist schon verschwunden - fort aus der Kirche, fort aus dem Dorf, fort aus Reginas Leben. Ihre Beine versagen der schönen Braut den Dienst, ohnmächtig bricht sie vor dem Altar zusammen ...



Das darf doch alles nicht wahr sein!, denkt sich die junge Polizistin Kathi Grießl. Da der Gendarm von St. Christoph krankheitsbedingt ausfällt, wird die Städterin für einige Wochen in das beschauliche Bergdorf versetzt - strafversetzt, findet Kathi -, und gleich an ihrem ersten Tag gerät sie an so einen unverschämten Bauernburschen! Was bildet sich dieser Hannes Hinterlechner eigentlich ein, ihr erzählen zu wollen, wie sie ihren Job zu machen hat?

Als dann auch noch ein seit Langem gesuchter Trickbetrüger ausgerechnet in St. Christoph wieder zuschlägt, ist Kathi völlig am Boden zerstört. Niemand der Einheimischen traut ihr zu, den Fall zu lösen.

Nur der sympathische Anwalt Robert von Reuthen, der in St. Christoph Urlaub macht, scheint sie zu verstehen. Doch meint es der attraktive junge Mann wirklich gut mit ihr?



Ängstlich nähert sich die siebzehnjährige Sofia dem Dreiföhrenhof am Fuß des Feldkopfs. Nie zuvor ist sie hier gewesen, obwohl ihr Großvater der Besitzer des stolzen Anwesens ist. Aber weil ihre Mutter sich einst in einen fremden, nicht standesgemäßen Mann verliebt hat, hat Josef Meindel seine Tochter vom Hof gewiesen. Danach ist der Kontakt abgebrochen.

Doch nun ist Veronika Meindel gestorben, und Sofia hofft, dass ihre einzigen Verwandten sie gnädig bei sich aufnehmen. Sie ahnt nicht, dass für sie am Tag ihres Einzugs die Hölle auf Erden beginnt ...



Besorgt sieht Fabian auf Elisa hinab, die sich schluchzend an seine Brust presst. Schon wieder hat Elisas Vater seinen Jähzorn an ihr ausgelassen.
Fabian will nicht zulassen, dass so etwas noch ein einziges Mal passiert! Doch solange sie bei ihrem Vater auf dem Hof in St. Christoph lebt, ist Elisa dessen Wut hilflos ausgeliefert, das ist dem Burschen klar. Deshalb muss er handeln, um eine Tragödie zu verhindern.
Spontan kniet er sich vor die erst Siebzehnjährige hin und nimmt ihre Hand ...

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Seitenzahl: 597

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Sissi Merz Nora Stern Andreas Kufsteiner Verena Kufsteiner
Heimat-Roman Treueband 51

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2015/2016/2017 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Boiko Olha / Shutterstock

ISBN: 978-3-7517-4694-6

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Heimat-Roman Treueband 51

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Alpengold 209

Wer hat dein Lächeln gestohlen?

Bergkristall - Folge 290

Der Skandal am Traualtar

Der Bergdoktor 1775

Warum tust du mir so weh?

Der Bergdoktor 1776

Das Aschenputtel vom Dreiföhrenhof

Das Berghotel 146

Zu jung für die Ehe?

Guide

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Contents

Wer hat dein Lächeln gestohlen?

Das ergreifende Schicksal der jungen Evi vom Waldhof

Von Sissi Merz

Der Wildbiologe Tobias Gruber lebt nun seit einem halben Jahr in der Sennhütte oberhalb von Hallschlag. Heute steigt er ins Dorf hinab, um seine Vorräte aufzufüllen. Als er die Landstraße erreicht, glaubt er im ersten Moment, Opfer einer Sinnestäuschung zu sein. Nein, er hat sich nicht geirrt. Dort im Straßengraben liegt eine junge Frau, sie ist bewusstlos. Was soll er tun? Das nächste Spital ist weit entfernt.

Kurzentschlossen nimmt Tobias die Verletzte mit auf seine Sennhütte, um sie dort zu verarzten. Sein Angebot, bei ihm zu bleiben, bis sie sich von den Verletzungen erholt hat, nimmt die junge Frau voller Dankbarkeit an. Tobias erfährt, dass das bildhübsche Madel Evi heißt und kein Zuhause mehr hat. Mehr will sie ihm nicht über ihr Leben verraten. Sie ist immer freundlich, doch sie lächelt nie.

Wer ist diese geheimnisvolle Unbekannte, fragt er sich, und warum hat sie ihr Lächeln verloren?

»Aschenputtel, Aschenputtel, wach auf!«

Evi drehte sich im Halbschlaf auf die andere Seite. Was war denn das? Ein schlechter Traum vielleicht? Oder musste sie schon wieder aufstehen? Aber sie hatte das Klingeln des Weckers gar nicht gehört.

»Aschenputtel!« Zwei Stimmen waren es, die das Madel endgültig aus dem Schlaf holen wollten. Und sie wurden nun langsam ungeduldig. »Wach endlich auf, du dumme Gans! Die Prinzessinnen sind daheim und wollen einen Schlaftrunk!«

Evi stöhnte. Sie wollte nicht aufwachen, sie war so schrecklich müde! Die Nacht konnte unmöglich schon vorbei sein. Doch es hatte keinen Sinn, sich zu wehren, denn nun spürte sie überall spitze Stiche. Jemand zog sie an den Haaren und piekte sie in den Arm. Und dabei erklang ein gemeines Kichern.

»Die liegt im Koma«, mutmaßte eine der Stimmen. »Die schläft wie ein Mühlstein, das kannst du fei vergessen, Sandra.«

»Die wird wach. Und wenn ich einen Eimer kaltes Wasser holen muss …«

Evi schlug erschrocken die Augen auf und starrte in die angemalten Gesichter ihrer Stiefschwestern.

»Na endlich!« Nicole versetzte ihr noch einen Schlag gegen die Stirn, dass es klatschte. »Mach dich auf die Socken, blöde Kuh. Wir brauchen unseren Kakao mit Zimt, sonst können wir net einschlafen. Also, wird’s bald?«

»Macht ihn euch doch selber«, knurrte Evi nach einem Blick auf den Wecker.

Halb drei! Es war Samstag, und die Zwillinge waren zusammen aus gewesen, in dieser neuen Disco in Sonthofen. Sie trugen metallisch glänzende Leggings und dazu Longpullover aus schimmerndem Garn. Ihre blonden Mähnen fielen offen bis auf die Schultern. Und wie sie es schafften, auf diesen himmelhohen High Heels zu tanzen, blieb Evi ein Rätsel, das sie wohl niemals lösen würde. Dass Nicole und Sandra sie mit zum Tanzen nehmen würden, war nämlich ungefähr so wahrscheinlich wie ein Schneeschauer im August.

»Du hast wohl nimmer alle Tassen im Schrank«, fuhr Nicole auf, doch Sandra, die zehn Minuten älter war als ihre Zwillingsschwester, blieb gelassen.

»Was regst du dich auf? Wir wecken einfach die Mama. Sie kann dieses dumme Huhn zur Räson bringen und ihm erklären, was hier seine Pflichten sind. Offenbar ist unser kleiner Bankert zu deppert, um sich das zu merken.« Nicole kicherte albern. »Vielleicht sollte sie sich’s aufschreiben. Oder kann sie das auch net?«

Sandra hob die Schultern, dabei zuckte es abfällig um ihren himbeerrot geschminkten Mund. »Was weiß ich? Die taugt doch zu nix, ebenso ein Blödian wie ihre selige Mama.«

»Lasst meine Mama aus dem Spiel«, fuhr Evi auf und erhob sich. »Ich komme ja schon.«

»Na also …« Sandra hängte sich bei Nicole ein, und sie folgten dem Madel mit einem zufriedenen Haifischgrinsen in die Küche des großen Bauernhauses. Sie war sehr geräumig und modern ausgestattet. Es hätte Spaß machen können, hier zu haushalten, zumal Evi eine hervorragende Köchin und Zuckerbäckerin war. Doch das Wort »Spaß« war für das bildsaubere Madel ein Fremdwort.

Während Evi Milch wärmte, fläzten ihre Stiefschwestern sich auf die Eckbank. Sandra stopfte lustlos ein paar Kekse in sich hinein, Nicole tippte auf ihrem Smartphone herum.

Wenig später dampfte der Schlaftrunk für die verwöhnten Hoftöchter in zwei Bechern – mit einer Haube aus Milchschaum, auf den feine Schokolade gepudert war, und nach Zimt und Muskat duftend.

»Und? Zufrieden?«, brummte Evi unfreundlich, als sie die Becher laut auf den Tisch stellte.

Nicole bediente sich wortlos, während Sandra forderte: »Einen Löffel für den Milchschaum! Wie oft muss ich dir das denn noch sagen, du Depp? Kannst du dir net die kleinste Kleinigkeit merken? Tochter einer Dienstmagd.«

Die letzten Worte hatte sie aufreizend gedehnt, wobei ihre rehbraunen Augen gemein glitzerten. Sie wusste genau, wie sie Evi ärgern konnte. Und sie tat dies, so oft sie nur konnte, und mit sichtlichem Vergnügen.

Evi drehte sich um, nahm hastig einen Löffel aus der Besteckschublade und knallte ihn auf den Tisch. Dann verließ sie rasch die Küche. Sandras perlendes Lachen verfolgte sie noch bis in ihre bescheidene Schlafkammer.

Nach dieser Episode lag Evi lange wach. Obwohl die Müdigkeit eines anstrengenden Arbeitstages dafür sorgte, dass ihr immer wieder die Augen zufielen, wollte der Schlaf doch nicht so leicht kommen.

Das schöne Madel mit dem ebenmäßig geschnittenen Gesicht, in dem die klaren tiefblauen Augen dominierten, fragte sich einmal mehr, warum es für sie einfach kein Glück im Leben gab. War es denn ihr Schicksal, als Fußabstreifer für zwei verwöhnte Hoftöchter und ihre hartherzige Mutter herzuhalten? Würde sich daran nie etwas ändern?

Evi seufzte schwer und vergrub das Gesicht in den Kissen. Traurigkeit und Verzweiflung erfüllten ihr reines Herz. Dachte sie über die zweiundzwanzig Jahre nach, die sie nun auf dieser Welt lebte, so fiel ihr kein einziger fröhlicher Tag ein.

Von klein auf war sie zweite Wahl gewesen, hatte hinter den Zwillingen zurückstehen und sich deren Gemeinheiten gefallen lassen müssen. Und daran hatte sich bis auf den heutigen Tag nichts geändert.

Es gab nur einen Menschen auf dem Waldhof, der immer gut zu Evi gewesen war, und das war ihr Vater. Doch sein weiches Herz und seine tiefe Zuneigung konnten ihr auch nicht über das schwere Los hinweghelfen, das sie zu tragen hatte.

Evi Zacharias war das Madel, das niemals lächelte. Dabei wünschte sie sich tief im Herzen, fröhlich und ausgelassen zu sein, das Leben zu genießen, so wie alle anderen das auch taten. Aber dieser Wunsch hatte sich bislang nicht erfüllt. Und es sah auch nicht danach aus, als ob sich dies in absehbarer Zeit ändern würde …

***

Der Waldhof war das schönste und größte Anwesen in Griesbach, einem idyllisch gelegenen Dorf unweit von Sonthofen im Oberallgäu. Der landwirtschaftliche Betrieb mit Milchvieh, Getreidewirtschaft und Schweinemast wurde von der Familie Zacharias mittlerweile in der fünften Generation geführt.

Julius Zacharias, der heuer im sechzigsten Lebensjahr stand, war ein fleißiger und bodenständiger Bauer. Er hatte seinerzeit die Landwirtschaftsschule in Sonthofen mit gutem Erfolg besucht und das Praktische von seinem seligen Vater gelernt, so wie es auf dem Waldhof Sitte war.

Der große Besitz am Ortsrand, zu dem eine von Linden gesäumte Allee führte, wurde zu beiden Seiten von Feldern und Weiden eingerahmt. Hinter dem weitläufigen Obst- und Gemüsegarten begann der Forst, der auch zum Besitz der Familie Zacharias zählte und dem Hof seinen Namen gegeben hatte.

Das Haupthaus, solide und großzügig im Stil der Region errichtet, wies mit der Jahreszahl 1895 über der Haustür auf eine lange, bäuerliche Tradition hin. Geräumige Stallungen, Wirtschaftsgebäude und das Gesindehaus schlossen sich daran an und vermittelten den Eindruck eines Gutshofes.

Die Menschen in Griesbach sprachen mit Respekt und Anerkennung vom Waldhof, und ein jeder Zacharias hatte bislang seinen festen Sitz im Rat und sein Jagdrevier im eigenen Forst gehabt.

Julius Zacharias war ein gutmütiger Mensch. Schon als junger Bursche hatte kaum einer es geschafft, mit ihm Streit anzufangen oder ihn gar zum Raufen zu animieren.

Groß gewachsen, mit breitem Kreuz und Händen, die zupacken und etwas wegschaffen konnten, war der Bauer ganz nach seinen Vorfahren geraten. Nur sein duldsames Wesen, das manch einer als Beschränktheit betrachtete, unterschied ihn von den vorherigen Waldhof-Bauern.

Diese Duldsamkeit hatte er von seiner seligen Mutter Sophia geerbt. Sie war eine Seele von einem Menschen gewesen, hatte Mann und Sohn innig geliebt und war mit allen auf dem Erbhof ausgekommen. Dass Julius es ebenso hielt, hatte seinem Vater nicht sonderlich gefallen. Und manch einer hatte darüber gelacht, wenn der Bursche bei einer kranken Kuh gewacht oder dafür gesorgt hatte, dass herrenlose Katzenkinder in gute Hände vermittelt wurden.

Julius hatte eben ein Herz für alle, Menschen wie Tiere, und war die Friedfertigkeit in Person.

Einem solchen Menschen hätte man eine passende Frau gewünscht, doch das Schicksal hatte es anders gewollt.

Maria Hartstöckel, die älteste Tochter eines Bergbauern aus dem Nachbardorf Tiefental, hatte Julius einmal beim Maitanz gesehen und es sich daraufhin in den Kopf gesetzt, die Seine zu werden. Und was Maria sich vornahm, das schaffte sie auch.

Das Leben auf dem Berghof mit fünf Geschwistern und einer kranken Mutter hatte dem ehrgeizigen Madel schon lange nicht mehr geschmeckt. Maria wollte es zu etwas bringen, eine gute Partie machen und als Bäuerin über einen Stab von Gesinde befehlen. Das war ihr erklärtes Ziel.

In dem ruhigen, freundlichen Bauernsohn Julius Zacharias fand sie den Mann, den sie suchte. Damals war Maria ein hübsches Madel gewesen, ganz ähnlich wie heute ihre beiden Töchter Sandra und Nicole. Nur dass ihr Haar dunkelblond war und ihre großen Augen von einem apart schillernden, geheimnisvollen dunklen Grau. In diese Augen hatte Julius sich seinerzeit verschaut. Der Glanz darinnen, der eigentlich nur die Härte von Marias Charakter widerspiegelte, hatte ihn genarrt und ihm die Sinne verwirrt.

Maria war sehr geschickt darin, Julius für sich zu gewinnen. Vom ersten Augenblick an übernahm sie die Führung und bestimmte, wo es lang ging. Er fügte sich, erfüllte ihr ganz selbstverständlich alle Wünsche, ohne sich nur einmal nach dem Grund zu fragen oder selbst einen Wunsch zu äußern. Maria redete ihm ein, dass er mit ihr wunschlos glücklich sei. Und er glaubte ihr, ebenso blind und unkritisch, wie er ihr von Anfang an erlaubte, über sein Leben zu bestimmen.

Die erste Zeit der Ehe verlief für beide in scheinbarer Harmonie. Julius nahm es hin, dass Maria sofort die Hofführung an sich riss und begann, über alles zu bestimmen. Oft geriet sie hart mit ihren Schwiegereltern aneinander. Doch sie konnte es sich erlauben, auf ihrer Meinung zu beharren, denn Julius stand ihr als treuer Heinrich stets zur Seite.

Es dauerte nicht lange, bis man in ganz Griesbach über den »Drachen vom Waldhof« spöttelte.

Dann wurden die Zwillinge geboren. Julius war stolz und glücklich. Er liebte seine Kinder von ganzem Herzen und verwöhnte sie nach Strich und Faden.

Maria hatte keinen Sinn für die Kinder. Sie wollte sie nicht stillen und sich auch nicht um sie kümmern. Je mehr ihre Schwiegermutter sie mahnte, ihre Mutterpflichten zu erfüllen, desto abweisender wurde sie den Kindern gegenüber. Schließlich stellte sie eine Magd ein, die sich nur um die Säuglinge kümmern sollte, damit Maria, wie sie es ausdrückte, »endlich Ruhe vor den lästigen Wurmerln« hatte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die junge Ehe schon manchen Knacks erhalten. Julius litt sehr unter der Kälte und Zurückweisung seiner Frau. Er hatte Maria lieb, doch plötzlich konnte er ihr nichts mehr recht machen. Seine Zärtlichkeiten empfand sie als lästig, und schließlich machte sie ihm deutlich, dass sie keine weiteren Kinder mehr haben wollte.

Stattdessen führte sie in Haus und Hof ein strenges Regiment. Nach dem frühen Tod der Schwiegereltern gab es niemanden mehr, der ihr noch Grenzen hätte setzen können. Sie bestimmte alles und war nun die uneingeschränkte Herrscherin auf dem Waldhof. Und das war bis auf den heutigen Tag so geblieben.

Annamirl Burger, die Magd, die sich um die Kinder kümmern sollte, brachte frischen Wind auf den Waldhof und zündete ein Lichtlein im Dunkel von Julius’ freudloser Ehe an.

Das sanfte, hübsche Madel gefiel dem Bauern vom ersten Moment an. Zart und scheu wie ein Reh war Annamirl in seinen Augen und so einfühlsam und lieb, dass sein Herz ihr sogleich zuflog.

Freilich wehrte der Bauer sich gegen seine Gefühle. Es war Sünde, die Ehe zu brechen, nur an eine andere zu denken, daran glaubte der gute Katholik fest. Und doch …

Wenn er im Kinderzimmer saß und zuschaute, wie Annamirl die Butzerln wickelte, fütterte und herzte, dann empfand er ein tiefes Glück, das ihm in der Ehe mit Maria fremd geblieben war.

So nahm das Verhängnis seinen Lauf und führte in scheinbarer Ausweglosigkeit zwei einsame Herzen zueinander, denen doch kein dauerhaftes Glück vergönnt war.

Annamirl hatte den gutherzigen Mann vom ersten Moment an lieb gehabt und für ihn alles aufgegeben, wodurch ihr Leben bis dahin einen sicheren Rahmen hatte. Sich niemals auf ein Gespusi mit ihrem Brotherren einzulassen, sich niemals Gefühle zu erlauben, die sie sich nicht leisten konnte und durfte.

Und so wurde aus Annamirl und Julius ein heimliches Liebespaar, das einander in aller Stille das große Glück schenkte. Das schöne, sanfte Madel war für den Bauern die wahre Liebe.

Alles hätte Julius dafür gegeben, sie zu seiner Bäuerin zu machen. Aber er wusste, dass es unmöglich war und er sich niemals gegen Maria würde durchsetzen können.

Annamirl erduldete alles still, wenn Julius nur bei ihr sein konnte. Als sie dann in der Hoffnung stand und den einzigen Ausweg darin sah fortzugehen, bat der Bauer sie zu bleiben. Das Kind wollte er als seines anerkennen, es sollte immer ein Daheim auf dem Waldhof haben.

Maria wusste darüber Bescheid und schwieg. Doch sie war fest entschlossen, das Neugeborene umgehend fortzubringen, damit es zur Adoption freigegeben werden konnte.

Und dann kam Annamirl in einer stürmischen Herbstnacht nieder, zu früh und ganz allein. Als Julius sie fand, kam jede Hilfe für sie zu spät.

Das Kind lebte jedoch, ein winziges Mädchen, dessen klägliches Schreien selbst das harte Herz der Bäuerin erweichte. Maria duldete das Kind und war auch mit der Adoption einverstanden. Doch schon sehr bald gewann ihre kalte und berechnende Art wieder die Oberhand, und sie begann, Unterschiede zwischen den drei Mädchen zu machen, die nun ihre Töchter waren.

So war es bis auf den heutigen Tag geblieben.

Julius schloss Evi fest ins Herz, denn sie erinnerte ihn sehr an ihre selige Mutter und damit an die wahre Liebe seines Lebens. Doch im Laufe der Jahre verlor der Bauer immer mehr Terrain an seine Frau. Nun hatte er nichts mehr zu sagen, wurde nur geduldet auf dem eigenen Hof und hatte es längst aufgegeben, Maria zu widersprechen.

Er litt, wenn er sah, dass Evi als bessere Magd gehalten wurde. Er litt, wenn er hörte, in welch kaltem Befehlston Maria mit dem Madel sprach. Und er litt, wenn er miterlebte, wie gemein und niederträchtig Sandra und Nicole Evi behandelten.

Julius Zacharias versuchte, all dies mit seiner Liebe und Fürsorge ein wenig zu relativieren. Doch es war wenig, was er tun konnte. Und er schämte sich dafür vor Evi.

***

Maria Zacharias beaufsichtigte die beiden Küchenmägde, als Evi leise in den Raum schlich. Sie war hundemüde, der fehlende Nachtschlaf machte sich bemerkbar. Wenn möglich, wollte sie einer Strafpredigt entgehen, doch die scharfen Augen der Stiefmutter hatten das Madel bereits erspäht.

Die Bäuerin baute sich vor Evi auf. Ungnädig bohrte sich ihr Blick in den des Madels. Die Jahre waren nicht freundlich mit Maria umgegangen. Ihr herrschsüchtiges Wesen, ihr Geiz und ihre emotionale Armut hatten sich allzu deutlich in ihren nun harten Zügen abgezeichnet.

Das ergraute Haar, das die Bäuerin zu einem festen Kränzel um den Kopf geflochten trug, umrahmte ein blasses, hageres Gesicht. Die einst schimmernden Augen blickten nun kalt und sezierend auf ihr Gegenüber. Der schmale Mund war nach unten verzogen, und ihre Stimme hatte einen unangenehm metallischen Klang.

»Ist dein Wecker vielleicht stehen geblieben?«, fuhr sie Evi an. »Oder bist du krank? Eine andere Entschuldigung kann ich mir net denken, wenn du erst um halb acht hier angekrochen kommst. Also?«

»Ich …«

»Ja, was, ich?« Maria packte Evi an der Schulter. Ihre sehnigen Finger bohrten sich schmerzhaft in das Fleisch.

Abfällig musterte die Bäuerin das schöne Gesicht. Wie hübsch Evi geworden war! Beinahe hübscher als ihre eigenen Töchter. Eine Frechheit war das! Aber Maria würde diesen Umstand zu ihrem Vorteil verwenden, ihn in klingende Münze verwandeln. Sie wusste bereits, wie sie dies anstellen konnte. Ein höhnisches Grinsen verzerrte bei diesem Gedanken kurz ihre Züge.

»Gib gefälligst eine vernünftige Antwort, wenn ich dich was frage«, herrschte sie das Madel an. »Oder bist du vielleicht schwachsinnig?«

»Ich musste heut Nacht aufstehen und Kakao kochen, danach konnte ich lange net einschlafen, deshalb …«

»Ach, red doch keinen Mist!« Die Bäuerin stieß Evi von sich und höhnte: »Du lügst dir was zusammen. Willst du wieder deine Schwestern verleumden, ja? Die beiden können gewiss nix dazu, wenn du ein faules Stück Malheur bist. Ja, ja, wie die Mutter, so die Tochter!«

Evi konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Das machte Maria nun erst recht wütend. Sie verpasste dem Madel eine Watschen, die sich gewaschen hatte.

»So, da hast du was zum Heulen!«, keifte sie. »Und jetzt an die Arbeit, aber hurtig! Zur Kirche gehst du heut net mit, das kannst du dir abschminken. Und wehe, das Sonntagsessen steht nachher net pünktlich auf dem Tisch, oder ich find nur ein Stäuberl auf einem Teller oder einen Fleck auf dem Besteck, dann kannst du die Nacht im Einmachkeller verbringen!«

Sie stieß Evi Richtung Herd und stolzierte dann hoch erhobenen Hauptes aus der Küche.

Die beiden Mägde, die schweigend ihre Arbeit getan hatten, reichten Evi nun ein Taschentuch und ein Haferl Kaffee. Jeder auf dem Waldhof mochte das Madel, das so viel zu erleiden hatte, gern. Evi bedankte sich knapp und ging dann rasch daran, das Mittagsmahl vorzubereiten.

Während die anderen frühstückten, werkelte das Madel in der Küche. Ab und an biss es etwas von einer Scheibe trockenem Brot ab, zu mehr kam Evi nicht.

Sie tröstete sich mit dem Gedanken an das Mittagsmahl, das sonntags auf dem Erbhof stets üppig ausfiel. Zugleich gab sie sich beim Kochen besondere Mühe, denn sie wollte ihrer Stiefmutter keinen Anlass zu weiterem Streit liefern.

Mit Schaudern dachte sie an die vielen Nächte, die sie aus nichtigen Gründen zwischen den Vorratsregalen im Keller hatte verbringen müssen. Der Vater hatte ihr dann heimlich eine Matratze und Decken gebracht. Trotzdem wollte sie so etwas nicht noch einmal erleben. Sie wusste, dass die Bäuerin zu allem fähig war, wenn sie einen ihrer gefürchteten Wutanfälle bekam.

Evi war gerade damit beschäftigt, die Speckkruste des Schweinsbratens einzuschneiden und zu spicken, als der Bauer die Küche betrat.

Julius Zacharias war im Laufe der Jahre in die Breite gegangen. Sein einst starkes Kreuz war gebeugt, ein Speckbäuchlein zeugte von seiner Vorliebe für gutes und reichliches Essen. Sein volles Haar war nun gelichtet und ergraut. In seinen gutmütigen Zügen aber spiegelte sich noch immer der Mensch wider, mit dem keiner so schnell Streit bekam.

Er lächelte Evi warm zu und setzte sich auf die Eckbank. »Bist du schon wieder so fleißig? Wir wollen gleich in die Kirche, das hast du doch hoffentlich net vergessen vor lauter Arbeit.«

»Ich komm net mit. Die Mutter hat es verboten«, erwiderte das Madel leise. »Weil ich so spät aufgestanden bin.«

»Was? So ein Schmarrn. An Heilige Drei Könige wirst du daheimbleiben? Das leid ich net. Hochwürden wird freilich eine schöne Predigt halten. Die willst du doch nicht verpassen.« Er griff nach dem Brotrest, der auf dem Tisch lag, und runzelte die Stirn. »Ist das alles, was du zum Frühstück gegessen hast?«

Evi senkte den Blick und nickte.

»Das geht so net.« Julius erhob sich, verließ kurz die Küche und kam gleich darauf mit einem Teller zurück, auf dem ein süßes Hörnchen mit Marmelade lag, wie Evi es liebte. Dazu brachte er ihr auch ein Haferl Kaffee.

»Mei, Vater, du verwöhnst mich«, seufzte sie mit einem sehnsüchtigen Blick auf den Teller. »Aber ich hab keine Zeit, das zu essen. Wenn das Mittagsmahl net zeitig fertig wird, dann …«

»Dann? Evi, was war wieder los? Willst du es mir nicht erzählen? Hat die Mutter dich wieder arg gequält?«

»Ist schon recht.« Sie schob den Braten in den Backofen, wusch sich die Hände und setzte sich kurz zu ihrem Vater.

Während sie hastig das Hörnchen aufass, betrachtete er sie bekümmert. Wie hübsch sie geworden war, das Ebenbild ihrer seligen Mutter! Was hätte Julius dafür gegeben, ihr das Leben zu ermöglichen, das ihr zustand! Doch er konnte es nicht, denn er war zu schwach, um sich gegen seine Frau zu behaupten.

In letzter Zeit litt der Bauer zudem unter Herzbeschwerden, und sein Blutdruck war zu hoch. Der Doktor hatte ihm geraten, sich mehr zu schonen und Ärger zu vermeiden. Doch wie sollte er das anstellen? Er dachte oft an Annamirl, öfter als in all den Jahren, die seit ihrem Tod vergangen waren. Wie sehr wünschte er sich, die Zeit zurückzudrehen und alles ganz anders zu machen. Sich nur einmal durchzusetzen, für das zu kämpfen, was ihm am Herzen lag! Das hatte er nie wirklich gekonnt.

Und seit Maria über ihn herrschte, hatte er jede Selbstachtung verloren. Er hatte sich aufgegeben, doch er empfand noch immer den Wunsch, für Evi da zu sein, ihr beizustehen. Sie allein war der Grund, weshalb er noch an seinem elenden Dasein hing, auch wenn er sich tief im Herzen wünschte, wieder mit Annamirl vereint zu sein …

Evi hatte ihren Teller leer gegessen und stellte ihn bereits in den Spüler, dann begann sie, Erdäpfel zu schälen.

»Du kommst mit in die Kirche, ich red mit der Mutter«, entschied er und erhob sich ein wenig schwerfällig. »Das Essen können auch die Kuchelmägde vorbereiten.«

»Lass nur, Vater, ich will keinen Unfrieden, net am Sonntag.«

Der Bauer wollte ihr widersprechen, da erschienen die Zwillinge in der Küche. Sie trugen ihre guten Dirndlkleider und hatten sich die Haare gegenseitig zum Kränzel frisiert. Fesch schauten sie aus, aber gegen Evi verblassten sie, fand Julius.

»Du sollst zur Mama kommen«, ließ Sandra ihn wissen. »Sie ist in der guten Stube und will mit dir reden.«

»Wir gehen gleich in die Kirche«, erwiderte er.

»Gehen?« Sandra warf Nicole einen pikierten Blick zu. »Bei der Kälte? Ich denk, wir fahren mit dem Auto.«

»Die drei Meter?« Der Bauer konnte über seine verwöhnten Töchter nur den Kopf schütteln, schenkte sich aber einen weiteren Kommentar. Setzte er durch, dass sie zu Fuß gingen, würde seine Frau gewiss das Gegenteil anordnen. Also schwieg er lieber.

Bevor er die Küche verließ, warf er Evi noch einen aufmunternden Blick zu, den diese mit einem angedeuteten Nicken beantwortete. Doch dass sie wirklich mit zum Gottesdienst kam, wagte er zu bezweifeln. Sie würde sich vermutlich ebenso dem Druck beugen, den Maria auf alle ausübte, wie er es tat …

***

Maria stand in der guten Stube hinter dem Fenster. Ihr Mann hielt sich hier nicht sonderlich gern auf, denn das Zimmer war nun ganz anders, als er es mochte.

Früher standen dort die alten Eichenmöbel, die der Urgroßvater noch selbst gedrechselt hatte. Im Schrank das Porzellan, das eine Vorfahrin aus Südtirol als Mitgift auf den Hof gebracht hatte. Und die vielen schönen Alpenveilchen, die seine Mutter selig gepflegt hatte. Es war eine gemütliche Bauernstube gewesen, in der man sich wohlfühlen konnte. Auch der Schaukelstuhl des Großvaters hatte nicht gefehlt und die alten Stiche von Griesbach und der umgebenden Landschaft. All das war längst verschwunden.

Die Eichenmöbel waren in der Remise eingelagert, das Porzellan ebenso verkauft wie die Stiche. Und die Alpenveilchen hatten unter Marias »Pflege« reihum den Geist aufgegeben.

Jetzt waren die Wände hell gestrichen, es gab eine Couch aus cremefarbenem Leder, einen Tisch aus Glas und Metall und statt eines Wandschranks Regale, auf denen moderne Elektronik zu finden war. An den Wänden hingen abstrakte Bilder, mit denen Julius nichts anzufangen wusste. Und das Dröhnen der Heimkinoanlage, die die Zwillinge gerne bis zum Anschlag aufdrehten, ging ihm ebenso auf die Nerven wie die bunte, indirekte LED-Beleuchtung des flachen Fernsehers.

Hier war nichts mehr, was ihm gefiel, und er fühlte sich in den eigenen vier Wänden nicht mehr daheim. Maria war das einerlei. Sie gab jedem Wunsch der Zwillinge nach, und die mochten es eben schick und modern. Da war ihr nichts zu teuer, auch wenn sie sonst jeden Cent umdrehte und Evi von klein auf gezwungen hatte, die alten Kleider von Sandra und Nicole aufzutragen.

»Du wolltest mit mir reden?«

Die Bäuerin drehte sich um und nickte angedeutet.

»Setz dich, Julius. Du sollst dich doch schonen.« Was eigentlich fürsorglich gemeint war, klang aus ihrem Mund nur spöttisch und abfällig.

Der Bauer nahm trotzdem Platz, erinnerte seine Frau aber: »Wir müssen bald los, wenn wir net zu spät in die Kirche kommen wollen. Sag, Maria, du wirst doch der Evi net ernsthaft verbieten, uns zu begleiten? Grad heut, an Heilig …«

»Wir sparen uns den Kirchgang, bei dem Wetter kann uns das keiner verübeln«, schnitt sie ihm knapp das Wort ab.

Julius warf einen Blick nach draußen, wo es unablässig schneite. Der Januar hatte so angefangen, wie der Dezember geendet hatte, mit Eiseskälte und Unmengen von Schnee.

»Wir haben es doch net weit. Und wenn es unbedingt sein muss, nehmen wir halt das Auto«, wagte er noch einzuwenden.

Maria ging nicht auf seine Worte ein und setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel.

»Ich muss was mit dir besprechen, das ist jetzt wichtiger«, begann sie. »Es geht um die Evi.«

Er schaute sie mit verschlossener Miene an, durchaus bereit, es auch auf einen sonntäglichen Streit ankommen zu lassen, sollte sie wieder auf seine Tochter losgehen. Auch wenn er wusste, dass er wenig erreichen konnte, mochte er doch nicht einfach klein beigeben. Das hatte er schon viel zu lange und viel zu oft getan.

»Das Madel ist jetzt zweiundzwanzig, das rechte Alter zum Heiraten«, fuhr die Bäuerin ruhig fort. »Evi hat die Haushaltsschule besucht und kann alles, was eine gute Bäuerin können muss. Es besteht also kein Grund, sie noch länger hierzubehalten.«

»Sie hierzubehalten?«, wiederholte Julius ungläubig. »Du redest von ihr wie von einer Fremden. Die Evi ist unsere Tochter ebenso wie die Sandra und die Nicole. Wieso sollten wir sie loswerden wollen?«

»Dafür gibt es viele Gründe.« In den kalten Augen der Bäuerin blitzte es böse auf. »Ich hätte den Wurm niemals hier dulden sollen, keinen Tag lang! Sie erinnert mich ständig an deine Untreue. Oder hast du das vielleicht schon vergessen? Ich bin schließlich diejenige, die betrogen worden ist.«

»Maria, bitte …« Der Bauer senkte beschämt den Blick.

»Schon gut! Reden wir nimmer davon, es ist eh nix mehr zu ändern. Aber die Evi kann net länger hierbleiben, das sollte selbst dir einleuchten. Sie ist zu hübsch. Solange sie da wohnt, werden sich keine gescheiten Bewerber für unsere leiblichen Töchter einstellen. Dass die Sandra und die Nicole die besten Partien in Griesbach machen werden, versteht sich wohl von selbst. Zuerst muss allerdings deine Tochter unter die Haube.«

Julius sagte nichts. Er war ganz anderer Meinung, denn er wusste, dass Evi nicht aufs Flirten aus war. Sie ging niemals zum Tanz und schaute keinen Burschen an. Mit ihrem ernsten, bescheidenen Wesen war sie vermutlich auch noch keinem Burschen aufgefallen.

Die Zwillinge hingegen hatten an jedem Finger mehrere Verehrer. Wenn Maria Evi also loswerden wollte, dann bestimmt nicht, weil diese ihren Töchtern die Chance auf eine gute Partie nahm. Es geschah aus anderen Gründen. Und einer davon war wohl ihr ständiges Bestreben, ihren Mann für seine damalige Untreue zu bestrafen und ihn immer weiter herabzusetzen und zu demütigen. Das war das einzige Interesse, das Maria noch an ihm hatte, da machte Julius sich nichts vor.

»Und was stellst du dir vor?«, fragte er ergeben. »Soll die Evi von jetzt an mehr ausgehen, um einen passenden Burschen zum Heiraten zu finden?«

Maria betrachtete ihren Mann mit jenem unpersönlichen Interesse, das ein Wissenschaftler wohl zeigte, wenn er ein seltenes Tier sezierte.

»Das hätte wenig Sinn«, ließ sie ihn in verächtlichem Tonfall wissen. »Denkt man daran, wen ihre Mutter sich ausgesucht hat …« Ein kaltes Glitzern trat in ihre Augen, als sie sah, wie Julius leicht zusammenzuckte. »Nein, das müssen wir anders anpacken. Ich hab mir bereits Gedanken darüber gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es in Griesbach einen Burschen gibt, der genau zur Evi passen tät.«

Selbstgefällig fuhr sie fort: »Deshalb hab ich schon mal bei seinen Eltern vorgefühlt. Und wie es ausschaut, könnte daraus was werden. Freilich kriegt die Evi eine gescheite Mitgift, da lassen wir uns nix nachsagen. Aber die Heirat wird sich trotzdem rechnen, weil der Krummbacher Vermögen und Geschäft mit in die Ehe bringt.«

Der Bauer starrte seine Frau ungläubig an.

»Du redest doch wohl net etwa von dem jungen Krummbacher? Ich bitt dich, Maria, das kann unmöglich dein Ernst sein!«

»Freilich ist es mein Ernst. An dem Burschen ist nix auszusetzen, die Evi wird die Seine, und damit basta!«

Julius konnte nur noch den Kopf schütteln. Gewiss waren die Krummbachers angesehene Leute in Griesbach, das stimmte schon. Sepp und seine Frau Helga bewirtschafteten einen großen Hof und besaßen neben einem Viehhandel und einer Metzgerei auch einen Forst samt Holzwerk. Doch Andreas, der Metzger gelernt hatte, ging bereits auf die dreißig zu, war übergewichtig und hatte ein gemeines Wesen.

Das war im Dorf kein Geheimnis. Deshalb hatte der Bursche auch bislang keine Braut finden können. Nicht einmal die Madeln aus einfachen Verhältnissen, die sich sonst nach einer solchen Partie alle Finger geleckt hätten, mochten etwas mit dem Burschen zu tun haben. Dass Maria ihm nun Evi zuführen wollte, empörte den Bauern, überraschte ihn aber nicht.

»Sie wird ihn net wollen. Der Bursche ist ein Lump, ein gräusliger. Kein anständiges Madel gibt sich mit dem ab. Und wir haben es net nötig, Evi an ihn zu verfüttern, um unser Vermögen zu vergrößern«, fuhr Julius erbost auf.

Maria lachte nur. »Red keinen Schmarrn daher. Hier bestimme immer noch ich. Die Evi wird da einheiraten. Als Metzgerfrau macht sie sich gewiss gut, fleißig wie sie ist.« Sie grinste niederträchtig. »Und bei ihrer Abstammung erschreckt sie auch net so schnell.«

»Maria, bitte, tu das net!«, flehte Julius betroffen. »Ich stimm ja zu, dass die Evi heiratet, auch wenn ich sie lieber noch auf dem Waldhof behalten tät. Du weißt, wie ich an dem Madel hänge. Aber ich kann unter keinen Umständen erlauben, dass sie diesen Hundling nimmt, unter keinen Umständen! Das lässt mein Gewissen net zu.«

Die Bäuerin musterte ihren Mann kalt. Und so klang auch ihre Stimme.

»Die Evi wird die Frau vom jungen Krummbacher«, erwiderte sie. »Dagegen kann weder sie noch du etwas tun. Ich warne dich, Julius, stellst du dich gegen mich, wirst du es bereuen!«

Er wollte auffahren, aber als er in die kalten Augen seiner Frau schaute, blieben ihm die Worte im Halse stecken. Beschämt senkte er den Blick und hörte sie kurz und bellend auflachen. Dann klappte die Stubentür, und der Bauer war allein.

Julius lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss die Augen. Das Blut rauschte in seinen Ohren, Schwindel überkam ihn und eine zähe Übelkeit. Noch immer kreisten Ohnmacht und Empörung in seinen Adern, steigerten seine hilflose Wut und sorgten dafür, dass er sich einfach nicht beruhigen konnte.

Er dachte an das, was der Doktor ihm geraten hatte. Ärger zu vermeiden war ein frommer Wunsch, der sich kaum verwirklichen ließ. Ebenso wenig wie das sinnlose Unterfangen, Evi vor den niederträchtigen Plänen der Bäuerin zu beschützen. Trotzdem wollte Julius es zumindest versuchen. Er dachte dabei nicht mehr an sich selbst, seine Gesundheit war ihm einerlei. Wenn er aber wusste, dass er seine Tochter vor Marias bösen Absichten bewahrt hatte, konnte er diese Welt in Frieden verlassen.

***

Obwohl Evi nie ausging und nach keinem Burschen schaute, kannte sie doch ihre Nachbarn in Griesbach. Und sie wusste, wer Andreas Krummbacher war, schließlich kaufte die Bäuerin in dessen Metzgerei regelmäßig ein. Als Maria ihr nach dem Mittagsmahl knapp erklärte, dass der junge Metzger sie am Nachmittag besuchen kam, wurde Evi blass vor Schreck.

»Der Krummbacher? Aber was … ich mein, wieso …«, stotterte sie bestürzt und starrte ihre Stiefmutter ungläubig an.

»Bist du so dumm, oder stellst du dich nur so dumm an?«, putzte diese sie sogleich herunter. »Du bist dem Andreas aufgefallen. Er mag dich näher kennenlernen. Muss ich dir das auch noch auseinandersetzen, oder kannst du dir darunter was vorstellen?«

Das Madel wurde glühend rot und murmelte: »Der schreckliche Kerl, mit dem mag ich nix zu tun haben.«

»Wer fragt dich denn? Mach dich manierlich zurecht und sei nett zum Andreas, dann ist alles gut. Hast du Glück, wirst du bald in die Familie Krummbacher einheiraten können und dann ein angesehenes Gemeindemitglied werden. Was man ja nun net gerade von dir behaupten kann als Bankert einer Magd.«

»Ich mag den net treffen«, trotzte Evi ganz ungewohnt.

Maria hatte nicht mit Widerstand gerechnet, vermutete aber, dass ihr Mann Evi bereits präpariert hatte, damit sie es wagte, sich zu wehren. Das wollte die Bäuerin unter keinen Umständen hinnehmen. Sie verpasste dem Madel zwei schallende Watschen.

»Du gehorchst, du dummes Ding!«, keifte sie. »Zweiundzwanzig Jahre hast du da wie die Made im Speck residiert. Denkst du vielleicht, das kann allerweil so weitergehen? Du bist im heiratsfähigen Alter und wirst jetzt tun, was ich dir sage, verstanden?«

»Ich … ich …«, stammelte Evi, während ihr die Tränen aus den Augen stürzten.

Maria verzog abschätzig den Mund. »Und benimm dich net wie ein Depp, wenn der Andreas nachher kommt, sonst meint er noch, du wärst schwachsinnig!«

Evi wusste nicht, was sie tun sollte. Jeder im Dorf kannte die Geschichten über Andreas Krummbacher, der schon als Bub die anderen Kinder gequält und mit seinem Luftgewehr wehrlose Tiere abgeknallt hatte. Nun hockte er in seiner Freizeit daheim, fraß sich voll und kippte einen Schnaps nach dem anderen. War er rauschig, belästigte er die Mägde oder schlug auch einmal alles in seiner Umgebung kurz und klein.

Die Krummbachers hatten genug Geld, um solche Schäden sozusagen aus der Portokasse zu begleichen. Und weil Andreas ihr einziger Sohn war, noch dazu ein geschickter Metzger und gewiefter Geschäftsmann, ließen sie ihn gewähren. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie die Hoffnung auf eine gescheite Schwiegertochter und Enkelkinder fast aufgegeben hatten, weil sich nicht einmal die einfachste Küchenmagd mit ihrem Sohn abgeben wollte.

Es hieß, Andreas besuche mit einigen gekauften Spezln des Öfteren ein gewisses Haus in Sonthofen, dessen Bewohnerinnen sich gegen entsprechende Zahlungen recht zugänglich gaben. Aber selbst dort sollte er wegen seines unbeherrschten Wesens und seiner abseitigen Wünsche mittlerweile Hausverbot haben. Und diesen Kerl hatte Maria für Evi als Mann ausgesucht!

Das Madel dachte daran, den Vater um Hilfe zu bitten. Doch vermutlich konnte er diesen arrangierten Besuch auch nicht mehr verhindern. Und dass er sie auf lange Sicht vor dem gemeinen Andreas bewahren konnte, wagte sie zudem zu bezweifeln.

Während Evi ihr gutes Dirndlkleid anzog und sich frisierte, weinte sie verzweifelt. Als ob ihr Leben nicht schon trist genug wäre, sollte sie nun auch noch ein wahres Ungeheuer heiraten. Am liebsten wäre sie einfach fortgelaufen. Doch sie wusste nicht, wohin. Der Waldhof war ja schließlich ihr Zuhause. Und sie mochte sich auch nicht von dem geliebten Vater trennen.

Unglücklich fügte sie sich in ihr Schicksal und ahnte nicht, dass es noch viel schlimmer kommen sollte, als sie vermutete …

Andreas Krummbacher erschien pünktlich auf dem Waldhof. Er stellte seinen protzigen Jeep mitten auf dem Wirtschaftshof ab und zog dann so kräftig am Klingelstrang, dass dieser fast aus der Verankerung sprang. Maria öffnete dem Gast selbst die Tür. Das kam sonst nie vor und zeigte, wie wichtig ihr dieses Treffen war.

»Grüß dich, Zacharias-Bäuerin«, sagte der junge Metzger freundlich und drückte ihr die Hand so fest, dass es schmerzte. Maria ließ sich nichts anmerken. Sie bat Andreas ins Haus und führte ihn in die gute Stube, wo Evi für zwei hatte decken müssen. Der Rest der Familie würde im Esszimmer den Sonntagskaffee trinken, das hatte die Bäuerin bestimmt.

Sandra und Nicole spähten durch die Tür, als der Besucher vorbeiwalzte, und kicherten ihm albern hinterher.

»Mei, der schaut aus wie ein Berggorilla«, stellte Nicole fest, blies die Backen auf und imitierte King Kong.

Sandra lachte dreckig. »Ich find, er hat was von einem Höhlenmenschen. Gewiss liegt seine Keule noch im Auto.«

Die Zwillinge schütteten sich aus vor Lachen, als ihr Vater das Esszimmer betrat. Julius maß die beiden mit einem strengen Blick, dem sie keine Beachtung schenkten.

Wenig später erschienen dann Maria und eine Magd, die Kaffee und Kuchen auftrug. Die Familie aß schweigend, nur ab und zu kicherten die Zwillinge, denn sie fanden das Ganze offenbar sehr lustig. Der Bauer brachte kaum einen Bissen herunter. Jedes Mal, wenn er ansetzte, etwas zu sagen, schaute Maria ihn dermaßen herrisch und schneidend an, dass er schwieg.

Evi hatte derweil ihre liebe Not, ein Gespräch in Gang zu halten. Sie lud Andreas ein Stück Kuchen nach dem anderen auf den Teller und sorgte auch dafür, dass sein Kaffeehaferl nie leer wurde. Die unangenehm glitzernden Blicke, mit denen er ihre Figur ständig beglotzte, waren ihr unheimlich.

»Wie läuft denn das Geschäft?«, fragte sie freundlich. »Machst du einen guten Umsatz?«

»Es reicht fürs Leben.« Er grinste kalt. »Eine Frau und eine Kinderschar kann ich schon ernähren, wenn du es wissen willst.«

»So? Schön für dich. Und daheim alles gesund?«

»Freilich. Ich hoff, du bist auch gesund. Ein Madel muss was aushalten können, verstehst?«

»Ich fürchte, das verstehe ich net. Und eigentlich will ich es auch gar nicht verstehen«, murmelte sie betroffen.

Andreas lachte und fuhr sich über seinen Bürstenhaarschnitt, der weit über dem Nacken endete und einen fingerdicken Speckwulst freiließ. In seinen kleinen Äuglein funkelte es, und er leckte sich über die Lippen, als habe er gerade etwas sehr Appetitliches erspäht. Dass sein Blick dabei an ihrem Ausschnitt klebte, war Evi mehr als unangenehm. Sie zog die Dirndlbluse zusammen und räusperte sich nervös.

»Man hört so allerlei über dich. Gelt, du warst im letzten Jahr der Schützenkönig von Griesbach?«

»Freilich. Ich treff immer das Ziel«, erwiderte er anzüglich und lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzer in seinem Sessel nach hinten. Dabei präsentierte er seinen umfangreichen Bauch, der in eine teure Wildlederweste mit Grantelkette verpackt war. »Und du, schönes Kind, magst dich net ein bisserl auf meinen Schoß setzen, damit wir zwei uns besser kennenlernen?«

»Das geht mir doch zu schnell«, wehrte sie verlegen ab und wich seinem forschenden Blick aus.

»So, so, schüchtern bist du. Na, macht nix, das werden wir noch ändern.« Er grinste schmierig, langte in die Innentasche seines Jankers und förderte ein goldenes Zigarettenetui zutage. Evi konnte es nicht fassen, als er eine Mentholzigarette in eine ebenfalls goldene Spitze steckte und dann mit abgespreizten Wurstfingern rauchte. Von dem unangenehmen Geruch musste sie husten. Andreas lachte und rauchte genüsslich.

»Du bist schon ein bisserl empfindlich, gelt? Na, wenn du den Rauch net verträgst, nehm ich natürlich Rücksicht.« Er drückte die Zigarette aus, dann beugte er sich vor und klopfte ihr ganz sacht den Rücken.

Evi zuckte leicht zurück, aber noch ehe sie ihm ausweichen konnte, waren seine Wurstfinger schon in Richtung ihres Ausschnitts unterwegs. Sie wusste sich nicht anders zu helfen, als ihm auf die Hand zu klopfen.

»Mei, du bist wirklich eine Betschwester.« Er gab sich friedlich, denn er dachte an das, was sein Vater ihm geraten hatte. Er sollte sich Evi gegenüber nett und gesittet benehmen, denn sie war vielleicht seine letzte Chance auf eine Frau und Kinder. Er wusste, wie sehr seine Eltern sich dies wünschten. Allerdings fiel es ihm nicht ganz leicht, sich zu beherrschen. Evi war bildschön. Er wollte sie besitzen. Sie brachte sein Blut in Wallung, und er musste ihr zumindest ein Busserl stehlen, das seine Fantasie anregen und ihm helfen konnte, die Zeit bis zum nächsten Treffen zu überbrücken …

Evi gab sich einen Ruck und erklärte offen: »Eigentlich hab ich mich net mit dir treffen wollen, Andreas. Ich bin ganz zufrieden mit meinem Leben und hab nicht vor, es in absehbarer Zeit zu ändern. Es war die Idee meiner Mutter, dass ich heiraten soll. Na ja, du weißt ja gewiss, wie Mütter sind und …« Das Madel verstummte erschrocken, als der Besucher sie am Arm packte und mit Gewalt auf seinen Schoß zwang. Evi wehrte sich, doch Andreas hielt sie eisern fest. Er starrte sie gierig an, seine Stimme klang allerdings ebenso kalt und gefühllos wie die ihrer Stiefmutter.

»Red keinen Blech daher«, forderte er. »Wir wissen beide, was los ist. Die Bäuerin ist net deine Mutter, du bist nur der Bankert von einer Magd. Weil du aber so fesch bist, will ich großzügig über deine Herkunft hinwegsehen. Ich geb dir meinen Namen und alles, was dazugehört. Aber dafür will ich eine Gegenleistung.« Er gewahrte die Panik in ihren Augen und grinste anzüglich. »Keine Sorge, nur ein Busserl. Den Rest heben wir uns für später auf, wenn wir uns besser kennen.«

Evi wehrte sich verbissen, doch Andreas gab nicht nach. Er presste seine Lippen rücksichtslos auf ihren Mund und hielt sie dabei so fest, dass sie das Gefühl hatte, zerquetscht zu werden. Für das Madel war dies wie ein schrecklicher Albtraum. Und die Vorstellung, diesem brutalen, rücksichtslosen Kerl ein Leben lang ausgesetzt zu sein, war kaum zu ertragen.

Endlich ließ Andreas sie los. Sie sprang auf und rannte wie von Furien gehetzt aus der guten Stube.

Schwer atmend kam der Bursche auf die Füße. Er stand ein paar Sekunden nur reglos da, starrte vor sich hin, und dabei verzog sich sein Mund langsam zu einem genüsslichen Grinsen.

»Net schlecht«, murmelte er, griff sich die letzten beiden Stücke Kuchen und verschlang sie, während er die Stube verließ. »Net schlecht, das Hasi. Lässt sich ausbauen …«

***

»Jetzt red halt! Wie hat er sich benommen? Hast du ihm auch ein Busserl geben müssen? Mei, das hat gewiss so recht geknallt bei den fetten Lippen!« Sandra hielt sich den Bauch vor Lachen.

»Ach ja, und mit seinen dicken Wurstfingern, da hat er dir sicher das Haar gestreichelt, gelt?«, fragte ihre Schwester. Sie streckte ihre Hand aus, aber Evi, die reglos auf der Eckbank saß, wich ihr aus.

»Hat er auch was reden mögen oder nur gegrunzt wie die Schweine, aus denen er die Wurst macht?«, setzte Sandra noch eins drauf, woraufhin Nicole vor Vergnügen kreischte.

»Was soll denn der Schmarrn da? Schleicht euch!« Maria war in der offenen Küchentüre erschienen und winkte die beiden Madeln mit einer knappen Handbewegung aus dem Raum. Während sie näherkam, erhob Evi sich.

»Ich richte gleich das Nachtmahl«, murmelte sie matt und ging zum Kühlschrank.

»Setz dich wieder. Ich hab mit dir zu reden«, forderte die Bäuerin sie auf.

Das Madel folgte der Aufforderung. Blass und stumm ließ Evi sich nieder und faltete die Hände im Schoß.

»Wie habt ihr euch verstanden?«, fragte Maria sachlich. Und als das Madel ihr nicht sofort eine Antwort gab, stellte sie klar: »Ich will alles wissen. Du brauchst dich net zu schämen, sag mir nur die Wahrheit. Aber ich mag auch keine Arie darüber hören, wie schrecklich der Andreas ist. Wenn du dich vernünftig benimmst, können wir über alles reden.«

Evi horchte auf. So hatte die Bäuerin noch nie mit ihr gesprochen. Beinahe freundlich, aber zumindest doch wie mit einem anderen Erwachsenen. Allerdings gab das Madel sich nicht der Illusion hin, dass dies etwas änderte. Dazu kannte Evi die Bäuerin zu genau. Was sie sich einmal vorgenommen hatte, das setzte sie auch durch. Sie war es gewohnt, immer ihren Willen zu bekommen. Vermutlich war sie jetzt nur darauf aus, diese Sache ohne viel Streit und Unfrieden über die Bühne zu bringen.

»Der Andreas ist mir zuwider. Ich hab mich ehrlich bemüht, freundlich zu ihm zu sein. Seine Art ist abstoßend, genau wie sein Äußeres. Ich … hab Angst vor ihm.«

»Du bist voreingenommen.«

»Nein, ich hab ja versucht, mit ihm auszukommen. Aber er hat so eine Art, dass es einem kalt den Buckel herunterläuft. Fast wie ein … Sittenstrolch.«

Maria Zacharias musterte ihre Stieftochter aufmerksam. In ihren kalten Augen glomm dabei ein seltsames Feuer. »Du kennst den Andreas schon lange. Wir kaufen bei ihm ein. Ist er dir da auch wie ein Sittenstrolch vorgekommen?«

»Nein, natürlich net, ich meine …«

»Dieser Bursche hat es net einfach. Er ist nicht besonders fesch und zu dick. Aber das sind nur Äußerlichkeiten. In der Ehe kannst du dafür sorgen, dass er abnimmt und sich manierlich benimmt. Du weißt gewiss, dass eine Frau gewisse Druckmittel hat, um das, was sie will, bei ihrem Mann zu erreichen.«

Evi wurde rot. »Das mag ich mir net einmal vorstellen. Der Andreas ist so grob, so gemein, mir graust vor ihm.«

»Die Leute reden schlecht über ihn, weil die Krummbachers reich sind. Hast du dir mal überlegt, dass all das Gerede dem Neid entspringt, den solcher Reichtum allerweil auslöst?«

»Ich weiß net … Der Andreas war schon als Bub unbeliebt. Er hat es immer darauf angelegt, andere zu ärgern und zu quälen. Ich hab öfter gesehen, dass er kleinere Buben gemein gerauft hat und …« Evi verstummte abrupt, als ihre Stiefmutter ihr eine Watschen verpasste.

Dann erhob Maria sich und drohte mit eisiger Stimme: »Nimm dich zusammen, du dummes Ding. Du wirst den Andreas heiraten, das hab ich so bestimmt. Und was ich bestimme, geschieht auf dem Waldhof. Weigerst du dich, wirst du es sehr bereuen!«

»Ich will ihn net, net in tausend Jahren«, schluchzte Evi.

»Du wirst ihn heiraten, dafür sorge ich«, unterstrich die Bäuerin noch einmal und verließ die Küche.

Das Madel legte den Kopf auf die Unterarme und weinte verzweifelt und bitterlich. Gleich darauf erklang noch einmal die herrische Stimme ihrer Stiefmutter.

»Richte jetzt das Nachtmahl«, befahl sie. »Ich hab keine Lust, wegen deiner dummen Plärrerei zu spät zu essen!«

Später am Abend, Evi hatte abgewaschen und räumte noch die Küche auf, denn die Mägde hatten sonntags frei, erschien ihr Vater und bat sie um ein Haferl Kaffee.

»Setz dich doch noch ein bisserl zu mir, Tschapperl«, schlug er freundlich vor. »Ich würde gerne mit dir reden.«

Evi nickte, füllte zwei Haferln mit Kaffee und gesellte sich dann zu Julius, der einen Arm um sie legte und ihr ein zartes Busserl aufs Haar drückte. Da war es um ihre Fassung geschehen. Aufschluchzend warf sie sich in die Arme des Vaters.

»Hilf mir, Vaterl!«, flehte sie. »Ich will den gräusligen Andreas nie wiedersehen. Lieber geh ich ins Wasser, als den zu heiraten!«

»Jetzt aber langsam«, bat der Bauer, erschrocken über die Heftigkeit dieses Ausbruchs. »Wir finden gewiss eine Lösung. Keine Sorge, diesmal lasse ich dich net im Stich. Ich werde nicht zulassen, dass die Mutter dir das auch noch antut.«

Evi schnäuzte sich. »Es ist mir einerlei, was ich hier arbeiten muss«, murmelte sie mit niedergeschlagenen Augen. »Und es ist mir auch einerlei, wie ich behandelt werde. Wenn ich nur bei dir sein darf, Vaterl, und der gemeine Andreas mich net kriegt.«

Julius seufzte schwer. Ganz ähnlich hatten Annamirls Worte geklungen. Wie oft hatte sie ihm beteuert, dass ihr nichts zu schwer und zu arg war, wenn er nur bei ihr war. Er hatte sie nicht beschützen können, und das würde er sich niemals verzeihen. Bei Evi aber wollte der Bauer unter gar keinen Umständen den gleichen Fehler machen. Er musste nun Stärke zeigen, sich nur einmal im Leben gegen Maria durchsetzen. Und er war fest dazu entschlossen. Evis Elend brach ihm das Herz.

»Den fetten Kerl musst du auf keinen Fall heiraten«, versicherte er seiner Tochter mit Nachdruck. »Ich geb dich net so bald her, mein Engerl. Und wenn, dann nur an einen Burschen, den du lieb hast.«

»Ich dank dir, Vaterl.« Sie schaute ihm in die Augen, und er erkannte in ihrem ehrlichen Blick die Erleichterung.

Sie verließ sich nun auf ihn. Zum ersten Mal im Leben würde er dafür sorgen, dass sie nicht mehr unter den Gemeinheiten ihrer Stiefmutter zu leiden hatte. Und er durfte sie unter gar keinen Umständen enttäuschen!

***

»Sind die net schön?« Maria brachte einen protzigen Strauß tiefroter Rosen in die Küche und legte sie behutsam auf den Tisch. »Da, von deinem Verehrer. Und ein Karterl hat er auch hineingelegt, ist das nicht nett?«

Evi reagierte nicht, sie würdigte auch die Blumen keines Blickes, was ihre Stiefmutter natürlich ärgerte.

»Stell die Blumen ins Wasser. Die waren zu teuer, um sie einfach verwelken zu lassen. Und heut Abend fährst du mit dem Andreas nach Sonthofen ins Kino, verstanden?«

»Ganz gewiss net«, murmelte Evi freudlos.

»Was hast du gesagt?« Maria packte sie an der Schulter und stieß sie nach hinten. »Magst du dir Maulschellen fangen? Du tust, was ich dir sage, oder aber ich zieh andere Saiten auf!«

Einen Moment lang wollte Evi aufbegehren, aber dann senkte sie den Blick und nickte stumm.

»Na also«, knurrte die Bäuerin und verließ die Küche, um hinüber ins Arbeitszimmer ihres Mannes zu gehen.

Julius saß über den Lohnabrechnungen. »Ich bin noch net fertig«, erklärte er, denn er meinte, Maria wolle seine Arbeit kontrollieren. Das tat sie immer und bei allem, was er auf dem Hof machte. Viel war es sowieso nicht mehr, das sie ihm noch überließ. Am liebsten hätte sie alles selbst erledigt, doch dazu fehlte ihr die Zeit.

»Du hast die Evi gegen mich aufgehetzt«, warf sie ihm vor.

»Wie kommst du denn auf die Idee?«, fragte er leise und musterte sie überrascht. »Ich hetz nie jemanden auf, das geht mir gegen die Natur. Ich wünsch mir Harmonie auf dem Waldhof.«

»So? Und warum traut die Evi sich mit einem Mal, Widerworte zu geben? Das hat sie nie getan. Plötzlich begehrt sie gegen alles auf, was ich ihr sage. Dahinter kannst nur du stecken mit deiner Affenliebe zu diesem Bankert!«

Der Bauer wurde blass, zugleich zeigte sich eine hektische Röte auf seinem Hals.

»Lass die Evi endlich in Ruh!«, erwiderte er erbost. »Und verschon sie mit deiner kranken Idee, dass sie diesen verfetteten Metzger heiraten soll. Das Madel hat dir nie was getan. Sei lieber froh, dass du in ihr eine so fleißige und noch dazu kostenlose Hauserin hast!« Julius rang nach Luft, denn die Stimme versagte ihm vor Empörung. All der Ärger der vergangenen Jahrzehnte schien ihn wieder einzuholen und mit Macht nach oben zu drängen. Er atmete schwer.

Maria verzog nur verächtlich den Mund. »Reg dich net auf, das ist ungesund. Der Doktor hat es dir doch verboten«, spottete sie beißend. »Das kleine Stück Malheur ist es eh nicht wert.«

»Die Evi ist meine Tochter! Hör endlich auf, sie zu beleidigen und herunterzuputzen, dazu besteht kein Anlass.«

»Ach, rutsch mir doch den Buckel runter, du Depp«, knurrte sie und winkte ab. »Ich dulde es net, dass du mir das Madel weiter aufhetzt, hörst du? Sie tut, was ich ihr sage, wie alle auf dem Hof.« Ihre kalten Augen betrachteten ihn voller Genugtuung, als sie noch hinzufügte: »Und du ganz besonders, du erbärmliche Jammergestalt!«

Nachdem Maria das Zimmer verlassen hatte, goss Julius sich mit zittrigen Händen ein Glas Wasser ein und schluckte zwei der Tabletten, die der Doktor ihm für Notfälle verschrieben hatte. Er zitterte am ganzen Körper, kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, und er nahm seine Umgebung kaum noch wahr. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Bauer sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Danach aber fühlte er sich matt und abgeschlagen und hätte sich am liebsten ins Bett gelegt.

Hoffnungslosigkeit überkam ihn, als er ahnte, dass er sich zu viel vorgenommen hatte. Er war Maria nie gewachsen gewesen. Nach all den Jahren, in denen sie auf dem Waldhof die Alleinherrscherin war, erschien es sinnlos, noch aufzubegehren. Sie hatte ihm ja deutlich ins Gesicht gesagt, was sie von ihm hielt. Für sie war er nur eine Jammergestalt, ein Nichts, über das sie nicht einmal mehr lachte.

Wie sollte er Evi noch beschützen? Er fühlte sich so schwach …

Als Evi am frühen Abend in den Jeep von Andreas Krummbacher stieg, stand Julius hinter dem Fenster des Arbeitszimmers und schaute den beiden bekümmert nach, bis das protzige Fahrzeug den Wirtschaftshof verlassen hatte. Gleich darauf erschien Maria mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht.

Sie trat neben ihren Mann und musterte ihn lauernd.

»Na, was hab ich gesagt? Hier auf dem Waldhof geschieht, was ich will«, frohlockte sie. »Ich dachte, du hättest das schon längst begriffen, Julius. Aber anscheinend braucht net nur die Evi eine Lektion, damit sie ihren Platz, auf den sie gehört, wieder findet …«

Es blitzte kurz in seinen Augen auf, heftig und hitzig. Und für einen Moment schien es, als wollte der Bauer die Hand gegen seine Frau erheben. Doch dann wandte er sich ab und schaute nur stumm aus dem Fenster.

»So ist es gut«, spöttelte sie. »Du bist offenbar doch net ganz so dumm, wie ich geglaubt hab …«

Julius blieb lange auf, obwohl er sich matt und erledigt fühlte. Er wollte unbedingt da sein, wenn Evi heimkam, falls sie seinen Beistand brauchte. Gegen halb zwölf hielt der Jeep des jungen Metzgers wieder auf dem Wirtschaftshof. Der Bauer war in seinem Schreibtischsessel eingedöst und schreckte auf, als eine Autotür geschlossen wurde. Er wollte rasch aufstehen, doch ein starker Schwindel zwang ihn, sitzen zu bleiben.

Gleich darauf wurde die Haustür aufgeschlossen, und leichte Schritte näherten sich. Da Julius die Tür zum Arbeitszimmer offen gelassen hatte, schaute Evi herein und machte ein überraschtes Gesicht.

»Du bist noch wach, Vaterl? Es ist spät«, sagte sie.

»Ich hab auf dich gewartet. Wie geht es dir?«

Evi hob die Schultern. Ihr hübsches Gesicht war blass und angespannt. Man sah ihr an, dass der Abend mit Andreas Krummbacher alles andere als schön gewesen war. Doch sie gab sich Mühe, sich dies nicht allzu deutlich anmerken zu lassen.

»Ganz gut. Wir waren im Kino und haben hernach noch an einer Wurschtbude was gegessen. Der Andreas hat sich halbwegs manierlich benommen.«

»An einer Wurschtbude?«, wunderte der Bauer sich. »Weiß denn der Kerl net, was sich gehört?«

»Ich hab darauf bestanden. In ein Restaurant wollte ich net, das hätte mir zu lang gedauert. Ich wollte das Ganze so rasch wie möglich hinter mich bringen. Aber, Vaterl, du solltest gleich ins Bett gehen, du schaust schlecht aus, bist ja ganz grau im Gesicht. Muss ich mich sorgen?«

»Ist schon recht, ich hab heut mit der Mutter gestritten.«

»Aber doch net wegen mir.«

»Freilich.« Er erhob sich mühsam und legte einen Arm um ihre Schultern. »Schließlich hab ich dir versprochen, dass ich dich vor dem Krummbacher bewahre. Du sollst net gezwungen sein, einen Kerl zu heiraten, der dir zuwider ist.«

Evi schmiegte sich mit einem leisen Seufzer an den geliebten Vater. Sie war ihm sehr dankbar, denn sie wusste, wie schwer es ihm fiel, sich gegen Maria zu behaupten. Zugleich hatte sie aber auch ein schlechtes Gewissen. Dass er ihretwegen Ärger hatte, der seiner sowieso schon angeschlagenen Gesundheit schaden konnte, war ihr gar nicht recht. Sie machte sich nämlich schon seit einer Weile Sorgen um den Vater. Es schien ihm immer schlechter zu gehen …

***

Evi war an diesem Abend recht unfreundlich und distanziert zu Andreas Krummbacher gewesen. Sie hoffte, dass er sie nun endlich in Ruhe lassen und sich eine andere suchen würde. Leider ging ihr Kalkül nicht auf – im Gegenteil.

Der Bursche hatte Blut geleckt, er war in das schöne Madel verliebt, und ihre spröde Art machte ihn narrisch. Obwohl seine Eltern ihn ständig mahnten, Geduld mit Evi zu haben und es langsam anzugehen, damit etwas daraus werden konnte, war er doch kaum noch in der Lage, sein ungestümes Verlangen im Zaum zu halten. Allein Evis Nähe ließ ihn alles andere vergessen.

Um das schöne Madel endlich für sich zu gewinnen, überhäufte Andreas Evi mit Geschenken. Täglich brachte ein Bote verschwenderische Blumenbouquets, Pralinen und kleine, verspielte Schmuckstücke, wie sie Andreas’ Meinung nach einem jungen Mädchen Freude bereiten mussten.

Evi würdigte all diese Liebesgaben keines Blickes. Sie kümmerte sich auch nicht darum, wenn Nicole oder Sandra sich eines der Schmuckstücke »borgten« und nicht wiederbrachten. Die ganze Geschichte war Evi absolut zuwider, und sie wünschte sich von Herzen, nie wieder etwas von Andreas Krummbacher zu hören.

Leider erfüllte sich dieser Wunsch nicht. Maria trieb das Ganze noch voran, indem sie die Krummbachers öfter einlud und bei diesen Gelegenheiten eindeutige Hinweise auf Evis Heiratswilligkeit in die Gespräche einstreute. Freilich freuten Sepp und Helga Krummbacher sich sehr über diese Entwicklung. Die reiche Bäuerin klagte Maria oft ihr Leid darüber, wie wählerisch und eigen ihr Andreas doch sei und dass er sich bislang einfach für kein Madel hatte entscheiden können.

»Auswahl gab es allemal genug«, behauptete die rundliche Frau mit den scharfen Augen dreist. »Aber er will sich halt auch so recht von Herzen verlieben.« Sie lachte glucksend. »Doch jetzt scheint es endlich passiert zu sein. Charmant, net wahr? Dass er so gar nicht auf die Herkunft oder die Mitgift schaut, sondern einzig nach dem Herzen geht! Aber so ist er, unser Andi.«

Maria schluckte hart an einer passenden Erwiderung, schwieg aber mit einem verzerrten Lächeln. Sie dachte fest ans Geld und daran, dass das verhasste Madel bald den Waldhof verlassen würde. Das half ihr, die selbstgefälligen Krummbachers besser zu ertragen.

Freilich stattete Andreas Evi bei diesen Gelegenheiten auch einen Besuch ab. »In allen Ehren«, wie er das nannte. Für das Madel wurden diese Stunden allerdings jedes Mal zum Spießrutenlauf, bei dem sie darauf bedacht war, den Burschen mit genügend Brotzeiten oder Kuchenplatten auf Distanz zu halten. Denn das Einzige, was Andreas offenbar noch mehr reizte als Evi, war ein gut gefüllter Teller …

Julius schaute sich dieses Theater mit wachsendem Unmut an. Nach jedem Besuch der Krummbachers gab es zwischen ihm und Maria Streit, der immer heftiger ausfiel. Evi hatte mittlerweile Angst um den geliebten Vater und dachte daran, den Waldhof heimlich zu verlassen, um diesem unwürdigen Spiel endlich ein Ende zu bereiten. Aber sie fürchtete, dass die Bäuerin ihrem Mann dann erst recht Vorwürfe machen würde und dass damit auch nichts gewonnen wäre. Eine verzwickte Lage, die noch weitaus schlimmer werden sollte.

Nachdem Andreas sich eine ganze Weile zurückgehalten hatte, war er der Meinung, dass Evi ihm nun endlich ein wenig entgegenkommen könnte. Als er wieder einmal zum Sonntagskaffee eingeladen war, fiel er plötzlich und ohne Vorwarnung über das Madel her, küsste es rücksichtslos und betatschte Evi ohne jede Hemmung. Das Madel wehrte sich heftig, aber Andreas war stärker. Er presste sie mit seinem ganzen Gewicht auf die Couch und schob seine dicken Finger unter ihren Rock.

Evi war wie gelähmt vor Schreck und Ekel. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie den Schock überwunden hatte und schreien konnte. Und das tat sie dann auch. Andreas ließ sich nicht stoppen, er war wie von Sinnen. Erst als Julius ihn am Kragen zu Boden zog und ihm eine gepfefferte Watschen verpasste, kam der Bursche wieder zu sich.

Das Madel raffte seine Kleider zusammen und rannte weinend aus der Stube. Andreas hockte wie bedeppert auf dem Boden, und der Bauer beugte sich wütend über ihn.

»Du Hundling!«, knurrte er. »Anzeigen sollte man dich! Ein Sittenstrolch bist du, ein gemeiner Verbrecher! Einmal noch seh ich, dass du deine fetten Pratzen nach meiner Tochter ausstreckst, dann …«

»Reg dich ab, Zacharias, ist doch nur eine Magd«, brummte Andreas, woraufhin er sich noch zwei Watschen einfing.

In diesem Moment erschienen Maria und die Krummbachers. Julius blickte in drei entsetzte Mienen, von denen die seiner Frau sogleich vereiste. Helga Krummbacher hob neckisch den Finger.

»Hast du es wieder übertrieben, Andi?«, wollte sie wissen. »Wie oft haben wir dich davor gewarnt, dass dein Temperament dir noch mal großen Ärger einbringen wird. Ein rechter Waghals bist du …«

»Wir sollten besser gehen«, brummte der Krummbacher. Er schien die Lage richtig einzuschätzen, denn er nickte dem Bauern knapp zu und murmelte: »Es tut mir leid, soll nimmer vorkommen.«