Heimat-Roman Treueband 31 - Sissi Merz - E-Book

Heimat-Roman Treueband 31 E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 189: Engel oder kleines Hexlein?
Bergkristall 270: Sie gab ihr Jawort einem Fremden
Der Bergdoktor 1735: Blinder Stolz
Der Bergdoktor 1736: Dr. Burger und der Jagdunfall
Das Berghotel 126: Zwei Madeln sind eines zu viel

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 630

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2014/2015/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © Halfpoint / shutterstock ISBN 978-3-7517-2237-7 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Sissi Merz, Isa Halberg, Andreas Kufsteiner, Verena Kufsteiner

Heimat-Roman Treueband 31

Inhalt

Sissi MerzAlpengold - Folge 189An einem klaren Spätwintertag findet die hübsche Heinen-Burgl am Rand einer Lawine einen halb verschütteten Fremden. Wie selbstverständlich nimmt sie ihn auf ihrem Berghof auf, um ihn gesund zu pflegen. Doch auch nach Wochen kann der gut aussehende Mann, dem sie den Namen Peter gibt, sich nicht erinnern, was in der Lawinennacht am Berg geschehen ist. Immer spricht er von zwei dunklen Gestalten "ohne Gesicht", die bei ihm waren. Bald weiß Burgl, dass dieser rätselhafte Mann ihr Schicksal ist. Sie will ihn nie mehr gehen lassen. Doch plötzlich erscheint die Polizei auf dem Hof! Peter wird festgenommen! Er steht in dem Verdacht, ein gesuchter Betrüger zu sein! Und Peter, immer noch ohne Gedächtnis, kann sich nicht gegen die Vorwürfe wehren! Trotz allem hält Burgl unverbrüchlich zu ihm - und wird im Dorf Sonnweiler bald nur noch gehässig die schöne "Verbrecherbraut" genannt ...Jetzt lesen
Isa HalbergBergkristall - Folge 270Hand in Hand wandern die schöne Rosner-Silvia und der junge Heimo Sternauer der Zirbelhütte zu, die, eingebettet zwischen grünen Wiesen und Tannenwald, hoch über dem malerischen Bergdorf Hochleiten liegt. Eine Saison lang bewirtschaftet Heimo die Almhütte, die ein beliebtes Ziel von Urlaubern und Einheimischen ist. Woher er kam, das weiß niemand in Hochleiten zu sagen, auch nicht, was ihn aus seiner Heimat vertrieben hat. Für die junge Silvia ist dies auch völlig unwichtig, denn sie hat sich auf den ersten Blick in den feschen Burschen mit den blitzenden Augen verliebt - so sehr, dass sie ihm an einem lauen, sehr romantischen Sommerabend ihr Jawort gibt. Doch als der Sommer endet, da heißt es Abschied nehmen. Und Heimo geht, wie er gekommen ist: als Fremder ...Jetzt lesen
Andreas KufsteinerDer Bergdoktor - Folge 1735Lissy Wagenthaler, die von früh bis spät als Magd auf dem Hof des Bürgermeisters arbeitet, träumt von einem besseren Leben. Und dieses Leben kann ihr der reiche Unternehmer Rolf von Fernau bieten! Als er sie zum Tanzen nach Mayrhofen einlädt, ist sie entschlossen, ihre Chance zu nutzen. Jetzt steht Lissy vor dem Spiegel, um sich für ihr Rendezvous hübsch zu machen, als etwas Seltsames mit ihren Augen geschieht. Sie sieht Ruß, der vom Himmel rieselt. Erschrocken reibt sie sich über die Augen, aber der merkwürdige Rußregen lässt nicht nach. In Panik lässt Lissy die Schminkutensilien fallen und eilt zum Doktorhaus. Dabei hämmert in ihrem Kopf nur ein Gedanke: Ich will nicht blind werden! Denn ein blindes Madel wird Rolf von Fernau niemals heiraten ...Jetzt lesen
Der Bergdoktor - Folge 1736Immer wieder eilt Vroni zum Fenster und schaut ängstlich zum nahen Bergwald hinüber. Sie befürchtet, dass sich dort in den nächsten Stunden ein Drama abspielen wird. Denn Jan, ihr Liebster, ist auf dem Weg zu ihrem Vater, um ihn noch ein allerletztes Mal darum zu bitten, seine Einwilligung zur Hochzeit zu geben. Doch ob Alfred Dachser wirklich nachgibt? Niemals, so hat er erst gestern vor aller Augen im "Ochsen" lautstark erklärt, wird er Jan als Schwiegersohn akzeptieren. Da fällt ein Schuss im Forst - und Vroni ahnt Schreckliches ...Jetzt lesen
Verena KufsteinerDas Berghotel - Folge 126Für Pia ist es eine freudige Überraschung, als sie von den Eltern ihrer besten Freundin eingeladen wird, zusammen mit der Familie einen Urlaub im Zillertal zu verbringen. Die beiden bildhübschen Madeln sind seit vielen Jahren eng befreundet, obwohl sie auf den ersten Blick recht unterschiedlich sind. Die blonde Ellie hat es ihm Leben immer leicht gehabt, alles ist ihr ohne viel Mühe zugefallen, und sie strotzt nur so vor Unternehmungslust und Selbstbewusstsein. Die dunkelhaarige Pia hingegen hat eine schwere Zeit hinter sich, ihre Mutter ist früh verstorben, und zu ihrem Vater hatte sie nie einen guten Kontakt. Ihre Zeit verbringt sie am liebsten mit Büchern; während sie in romantischen Schmökern versinkt, kann sie vergessen, dass sie selbst noch nie einen Freund hatte. Im Berghotel lernen die Freundinnen den attraktiven Hanno kennen, und auf den ersten Blick verlieben sie sich in den feschen Burschen. Das allein wäre schon eine enorme Belastungsprobe für ihre Freundschaft, doch die Sache wird noch schwieriger, denn Hanno fühlt sich zu beiden Madeln hingezogen ...Jetzt lesen

Engel oder kleines Hexlein?

Warum die schöne Burgl ihren Ruf aufs Spiel setzte

Von Sissi Merz

An einem klaren Spätwintertag findet die hübsche Heinen-Burgl am Rand einer Lawine einen halb verschütteten Fremden. Wie selbstverständlich nimmt sie ihn auf ihrem Berghof auf, um ihn gesund zu pflegen. Doch auch nach Wochen kann der gut aussehende Mann, dem sie den Namen Peter gibt, sich nicht erinnern, was in der Lawinennacht am Berg geschehen ist. Immer spricht er von zwei dunklen Gestalten »ohne Gesicht«, die bei ihm waren. Bald weiß Burgl, dass dieser rätselhafte Mann ihr Schicksal ist. Sie will ihn nie mehr gehen lassen …

Doch plötzlich erscheint die Polizei auf dem Hof! Peter wird festgenommen! Er steht in dem Verdacht, ein gesuchter Betrüger zu sein! Und Peter, immer noch ohne Gedächtnis, kann sich nicht gegen die Vorwürfe wehren! Trotz allem hält Burgl unverbrüchlich zu ihm – und wird im Dorf Sonnweiler bald nur noch gehässig die schöne »Verbrecherbraut« genannt …

Die Dämmerung hing wie ein graues Tuch zwischen dem schroffen Gipfel der Gedererwand und dem im Norden himmelhoch aufragenden Wilden Kaiser.

Es hatte den ganzen Tag geregnet, auf der Höhe hatten sich auch noch Schneeflocken dazugesellt. Nun stiegen im Tal die Nebel, während am Berg die feuchte, milde Luft an den letzten verharschten Schneefeldern nagte. Mitten in den großen, weißen Flächen knisterte und knackte es geheimnisvoll.

Für die Gebirgler waren diese Geräusche nichts Ungewohntes. Im zeitigen Frühjahr gingen regelmäßig Lawinen ins Tal des Chiemgaus ab. Wer bergerfahren war, mied diese Abschnitte dann.

An diesem Märzabend bewegten sich drei Schatten über den Steig, der hinauf zur Gedererklamm führte. Sie verschmolzen mit der Dämmerung, während sie aufeinander zustrebten.

Der Himmel war nun klar, die letzten Wolken zogen nach Süden ab. Ein zunehmender Wind trieb sie eilig vor sich her und schuf so Platz für den vollen Mond, der gerade eben über den Horizont lugte. Sein silbernes Licht erhellte die Düsternis zwischen den steil abfallenden Felswänden und ließ die letzten Schneefelder wie Sternenstaub glitzern und flimmern.

Der Wind griff in die Äste der gedrungen gewachsenen Bergkiefern, bog sie und sorgte dafür, dass ein Geräusch entstand, das an leises, wehmütiges Seufzen erinnerte.

Die drei Schatten waren irgendwo zwischen Tal und Gipfel aufeinandergetroffen. Niemand sonst war an diesem Abend auf der Höhe unterwegs. Das Wetter war wechselhaft, und die ständige Gefahr abrupter Lawinenabgänge machte es riskant, wenn nicht sogar gefährlich, sich nun hier aufzuhalten.

Die Menschen aus Sonnweiler, dem Ort unterhalb des Steigs, wussten dies und beherzigten es. Die Schatten waren Fremde. Sie hatten eine bestimmte Absicht, es gab einen Grund, der sie eben zu dieser Stunde an jenen unwirtlichen Ort führte. Sie schienen Übles im Schilde zu führen, denn sie hatten für ihre Unternehmung nicht nur diesen menschenleeren Steig gewählt, sondern auch den Schutz der Dunkelheit.

In dieser Nacht sollte einer von ihnen zum Opfer werden, so hatten die beiden anderen entschieden. Der Dritte ahnte davon nichts. Und der Plan schien aufzugehen.

Zwischen den stillen Almen, auf denen das erste frische Grün des Frühlings zu sprießen begann, und dem feuchten, schroffen Fels der Gedererwand, an der das Schmelzwasser zu Tal floss, hallte ein Schrei durch die Stille. Irgendwo pfiff ein Murmeltier hoch und erregt. Es war ein Alarmruf, der seine Artgenossen warnen sollte.

Den Verlorenen, dessen Schicksal sich in der Düsternis dieser Frühlingsnacht erfüllen sollte, erreichte es nicht. Noch einmal schrie jemand. Heftiges Keuchen war zu hören, Geräusche wie von einem verzweifelten Kampf auf Leben und Tod, den nur einer gewinnen konnte.

Dann mischte sich, zunächst unterschwellig, ein tiefes Brummen in die unheimlichen Laute, die von einem unentdeckten Drama erzählten.

Das Brummen schien tief aus der Erde zu kommen. So, als hätte jemand in einer unterirdischen Höhle viele Basstrommeln aufgestellt. Ein langsames Schwingen und Vibrieren, das von der ganzen Erde oberhalb des Tals Besitz ergriff. Es wurde ganz allmählich lauter, stärker. Es schien von überallher zu kommen, erfüllte die Luft und schwoll noch weiter an.

Der Mond war in der Zwischenzeit aufgegangen. Sein silbernes Licht riss die Konturen der Berggipfel aus der Finsternis und streute funkelnde Taler auf das Wasser des Chiemsees im Tal.

Auf der Höhe aber beleuchtete der Erdtrabant ein zugleich großartiges und Furcht einflößendes Schauspiel.

Das Brummen wurde nun von einem Knirschen und Krachen begleitet, als sich ein großes Schneebrett löste und sich langsam nach unten bewegte. Die Lawine kam. Und nichts, was sich ihr in den Weg stellte, konnte gegen sie bestehen. Die vereisten, harschigen Schneemassen trugen Erde und Geröll mit sich. Sie rissen ganze Soden aus dem weichen Almboden, knickten junge Föhren und brachen Kiefernzweige wie Streichhölzer.

Die Lawine wuchs auf ihrem Weg ins Tal. Sie walzte über freie Flächen, stürzte über steile Abbrüche und verschonte auch den Steig nicht, an dem noch immer ein tödliches Drama seinen Lauf nahm. Was sich dort abspielte, nahm die Aufmerksamkeit der Akteure voll in Anspruch. Erst als die Lawine sie fast erreicht hatte, stoben die Schatten wie getrieben auseinander.

Wieder ertönte ein Schrei, heiser, verzweifelt, wie in Todesangst ausgestoßen. Dann war das Verhängnis da.

Ein Rauschen und Tosen erfüllte die Luft, die nur mehr aus Schnee, Eis und aufgewirbelter Erde zu bestehen schien. Nichts hielt ihr stand. Schon einen Atemzug später war es allerdings vorbei. Das Brummen entfernte sich und verstummte bald ganz.

Die Lawine lief sich tot, das Tal erreichte sie nicht mehr. Auf halber Höhe zwischen Gedererwand und Sonnweiler rollten die letzten Steine und Eisbrocken aus.

Über dem Steig lag eine dünne Schicht Schnee, die am nächsten Morgen den ersten Sonnenstrahlen zum Opfer fallen würde. Zu beiden Seiten türmten sich Eis und Schnee. Aber der Frühling war nicht mehr weit, der Winter musste sein eisiges Regiment beenden, auch wenn er dies mit Getöse und scheinbarem Unmut tat.

Gab es Opfer zu beklagen in dieser Nacht? Was war aus den Schatten geworden, deren unseliges Treiben im Dunkeln verborgen geblieben war?

Nichts rührte sich mehr auf dem Steig, niemand ging hinunter ins Tal, keiner stieg hinauf zur Klamm. Was geschehen war, das sollte zunächst ein Geheimnis bleiben …

***

Am nächsten Morgen schien die Sonne von einem hellblauen Frühlingshimmel. Ihre goldenen Strahlen brachten den Chiemsee im Tal zum Funkeln, beleuchteten die liebliche Landschaft, die von jeher ein wahrer Magnet für den Fremdenverkehr gewesen war.

Aber auch auf der Höhe wirkte die Welt ganz neu. Walburga Heinen, von allen nur Burgl genannt, war bereits früh auf den Beinen. Das bildhübsche Madel stand heuer im zwanzigsten Jahr. Burgl lebte seit fünf Jahren bei ihrem Großvater Xaver auf dem traditionsreichen Berghof. Der knorrige Gebirgler war ein tüchtiger Bergbauer und für seinen hervorragenden Schafskäse in der Region bekannt.

Burgl hatte schon als kleines Madel ihre Ferien bei den Großeltern verbracht. Das Leben in der Stadt hatte ihr nie wirklich gefallen. Sie hatte es geliebt, in der Natur herumzustromern, die Tiere zu streicheln und der Großmutter im Haus zu helfen.

Manchmal hatte der Großvater sie auf die höher gelegenen Almweiden mitgenommen und sie auch mal an die Käseharfe gelassen. Wie stolz war sie gewesen, wenn sie einen fertigen Laib mit Salzwasser einreiben oder auf ein Zicklein aufpassen durfte!

Diese Erlebnisse hatten sich dem kleinen Madel tief eingeprägt. Die herrlichen Sonnenaufgänge im Gebirge, der Schrei des Bergadlers, der für sie grenzenlose Freiheit bedeutete, der liebevolle Umgang der Großeltern miteinander und das Leben auf dem Berghof, all das war für Burgl von klein auf Heimat gewesen.

Als sich ihre Eltern dann hatten scheiden lassen, war es für die Fünfzehnjährige keine Frage gewesen, wo sie leben wollte. Freilich bei den Großeltern! Die hatten Burgl gerne aufgenommen. Ein wenig war das wie ein Geschenk für sie gewesen, denn Burgls Mutter hatte vom Landleben nie etwas wissen wollen. Mit dem Madel, das ihr Leben teilte und liebte, bekamen sie quasi eine zweite Chance.

Leider war Burgls Großmutter vor zwei Jahren verstorben. Xaver hatte schwer am Verlust der geliebten Frau zu tragen.

Burgl hatte dem Großvater nach Kräften beigestanden. Und in den vergangenen drei Jahren waren die beiden zu einer eingeschworenen Gemeinschaft geworden. Der Alte weihte seine Enkelin in alle Geheimnisse der Almwirtschaft ein. Burgl sollte später den Berghof übernehmen, diese Gewissheit gab seinem Herzen Frieden. Und das fleißige Madel war ja auch die geborene Berghofbäuerin.

Während draußen die Sonne ihre goldenen Strahlen über die Gedererwand schickte, bereitete Burgl das Frühstück für sich, ihren Großvater und das Gesinde zu.

Es war Tradition auf dem Berghof, dass alle zusammen die Mahlzeiten einnahmen. Im Esszimmer stand ein großer Tisch, an dem jeder Bewohner des Hofes Platz fand.

Als das goldene Sonnenlicht die Küche erfüllte, warf Burgl einen kurzen Blick nach draußen. Ihr weizenblondes Haar leuchtete und schimmerte, ihre himmelblauen Augen strahlten, und sie summte lächelnd vor sich hin.

Endlich kam der Frühling! Es war für Burgl die schönste Zeit im Jahr. Wenn der Himmel wieder klar und blank geputzt war, die Sonne Kraft hatte und es überall grünte und blühte, dann lebte auch das naturverbundene Madel so richtig auf.

Trotz aller Begeisterung für den schönen Morgen vergaß Burgl aber nicht, sich ein wenig zu sputen. Wenn sie ihre Pflichten im Haus erfüllt hatte, musste sie nämlich ins Tal absteigen.

Das fleißige Madel besuchte nebenher die Hauswirtschaftsschule in Prien, um dort sozusagen den letzten Schliff als zukünftige Bäuerin zu bekommen. Der Unterricht machte Burgl Spaß, vor allem der praktische Teil.

Fast verstand es sich von selbst, dass eine bildsaubere Hoferbin wie Walburga Heinen viele Verehrer hatte. Die Burschen aus dem Tal fanden nur zu gern den Weg zu ihr hinauf. Und manch einer hatte bereits sein Glück beim »Fensterln« versucht.

Doch Burgl hielt ihr Fenster stets verschlossen. Sie achtete auf ihren Ruf, fand nichts altmodisch dabei, sich »sittsam« zu geben, und hatte sich durch diese Einstellung den scherzhaften Spitznamen »Engel von der Schafsalm« eingehandelt.

Das Madel ärgerte sich darüber nicht, im Gegenteil. Wenn einer sie mit dieser Bezeichnung necken wollte, dann lachte sie herzlich mit.

Einen Burschen gab es aber doch, den Burgl gern hatte. Er hieß Tobias Streibler und war Jungbauer im Tal.

Im vergangenen Jahr waren sie sich beim Tanz auf Kirchweih nähergekommen. Tobias schaute gut aus, war lustig und nicht eben schüchtern. Burgls Herz hatte er allerdings erobert, weil er auch sensibel war. Er respektierte ihre Wünsche und Anschauungen und fand auch nichts lachhaft dabei, dass sie sich nach dem richtete, was ihr Großvater sagte und bestimmte.

Tobias hätte seinen »Engel von der Schafsalm« gerne vom Fleck weg geheiratet. Xaver war allerdings der Meinung, dass seine Enkelin noch zu jung war, um das Band der Ehe zu knüpfen. Und Burgl widersprach ihm nicht. Zudem hatte sie ja miterleben müssen, wie leicht eine Ehe zerbrechen konnte. Wenn sie es selbst wagte, dann sollte einfach alles stimmen. Und dazu gehörte für sie auch, sich Zeit zu lassen.

Dass Tobias sich geduldig zeigte, rechnete sie ihm dabei hoch an.

Das Madel war in der Küche fast fertig, als sich ihr Handy meldete. Es lag auf dem Tisch, Burgl griff danach und lächelte, als sie die Kurznachricht las, die von Tobias kam.

Heut Abend sehen wir uns, mein Engerl. Ich freu mich schon, dein Tobi!, stand da, und hinter seinen Namen hatte der Bursch ein dickes Herz gesetzt.

Sie schickte ihm ein Kurzes ich freu mich auch!, dann musste sie den Tisch decken, denn es wurde Zeit fürs Frühstück.

Xaver kam aus dem Stall, er hatte bei einer kranken Kuh gewacht. Burgl reichte ihm als Erstes ein Haferl schwarzen Kaffee. Den brauchte der Alte, um wieder richtig munter zu werden. Er ließ sich kurz auf der Eckbank nieder, nahm das aromatische Getränk in kleinen Schlucken zu sich und wirkte dabei recht zufrieden.

Xaver Breitlinger hatte die siebzig fast erreicht, konnte aber nach wie vor fleißig schaffen. Manchmal machte ihm der Rücken Probleme, und sein Herz versah seinen Dienst nicht immer so, wie er wollte.

Burgl achtete darauf, dass der Großvater regelmäßig seinen Hausarzt im Tal aufsuchte. Dr. Gruber hatte ihm ein herzstärkendes Medikament auf pflanzlicher Basis verschrieben sowie eine Rheumasalbe, wenn der Rücken schmerzte.

Xaver war zu stolz, um die Salbe auch nur anzurühren. Doch wenn er das Gesicht vor Schmerzen verzog, rieb Burgl ihn ein und machte daraus keine große Sache. Die beiden kamen gut miteinander aus, und der Alte dankte seinem Schöpfer, dass Burgl bei ihm war.

»Wie geht es der Milli?«, fragte sie ihren Großvater nun.

»Besser. Das Fieber ist gesunken. Und gefressen hat sie eben auch wieder. Ich glaub, das Ärgste ist überstanden.«

»Das ist gut. Wollen wir später die Hochalmen begehen? Ich würde gerne nachschauen, ob die Lawine von letzter Nacht dort großen Schaden angerichtet hat. Schließlich sollen unsere Schafe und Ziegen bald wieder hinauf, net wahr?«

Xaver bedachte seine Enkelin mit einem wohlwollenden Blick.

»Von mir aus gerne. Es hat ordentlich gekracht letzte Nacht, gelt? Hoffentlich hat die Lawine den Steig net auch in Mitleidenschaft gezogen!«

»Dann nehm ich den Pfad ins Tal. Der ist zwar jetzt im Frühjahr recht matschig, aber ich werde schon irgendwie durchkommen. Auf meine Kurse in Kochen und Backen heut kann ich schließlich net verzichten.«

»Mein fleißiges Bienerl«, nannte Xaver seine Enkelin schmunzelnd und erhob sich. »Dann sollten wir jetzt frühstücken, damit du net zu spät zum Unterricht kommst. Triffst du dich nachher auch mit dem Tobias?«

»Er kommt heut auf d’ Nacht zu uns.«

»Sehr gut.« Xaver rieb sich die Hände, doch Burgl mahnte ihn: »Dass du mir den Tobias net wieder zum Schafskopfen verführst. Letzte Woche hat unser gemeinsamer Abend’ dadurch nämlich ein jähes Ende genommen.«

Xaver setzte eine wahre Unschuldsmiene auf, als er beteuerte: »Es käme mir nie in den Sinn, euch Turteltauberln zu stören. Schon gar net mit einem Kartenspiel.«

»Ja, gewiss«, seufzte Burgl und musste doch schmunzeln, denn dem Großvater böse sein, das konnte sie einfach nicht.

***

Nach dem Frühstück räumte Burgl den Tisch ab und besprach mit der Küchenmagd Zenzi das Mittagsmahl. Danach musste sie sich sputen, um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen.

Als das Madel ins Freie trat, atmete es einmal tief durch. Herrlich frisch und klar war die Luft an diesem Morgen! Im Beet neben der Haustür leuchteten Schneeglöckchen, Krokus und Winterling um die Wette. Mit ihren zarten und doch robusten Blüten schienen sie den Frühling zu begrüßen. Und im Hausbaum, der alten Kastanie, sangen Meise und Buchfink ihr fröhliches Lied.

Ja, das Leben war schön, wenn die Tage wieder lichter und heller wurden!

Bester Dinge machte Burgl sich auf den Weg ins Tal. Dabei ließ sie den Blick schweifen und genoss mit offenen Augen die herrliche Majestät der Bergwelt.

Im Norden erhob sich der Geigelstein mit seiner charakteristischen Silhouette, daneben der Wilde Kaiser, der das ganze Jahr über eine Schneemütze trug. Gegenüber lag Prien, direkt am See mit den beiden Inseln, der größeren Herrenchiemsee und der kleinen Frauenchiemsee. Im Osten fand sich die Gedererwand, der Hausberg von Sonnweiler. Und westlich blickte man auf Hirnsberg, den Nachbarort.

Es war eine entzückende Landschaft, die ganz vom Kontrast lebte. Das liebliche Tal mit dem See, umgeben von schönen, gepflegten Häusern, Höfen und Fremdenpensionen, und darüber die majestätische Bergwelt in all ihrer ursprünglichen und großartigen Schönheit.

Burgl liebte diesen Landstrich und konnte sich nicht denken, woanders zu leben. Die Stadt mit ihrem Lärm, der Hektik und Anonymität sollte ihr gestohlen bleiben! In Sonnweiler kannte sie jeden, und wenn ihr jemand begegnete, dann grüßte sie freundlich und sprach auch ein paar Worte. Sie fühlte sich hier ganz daheim, hatte Wurzeln geschlagen.

So in Gedanken versunken, folgte Burgl dem vertrauten Steig. Sie war fast erstaunt, wie wenig die nächtliche Lawine dem Weg hatte anhaben können. Das einseitige Geländer war noch intakt, nur hier und da lagen ein paar größerer Steine. Zu beiden Seiten des Steigs türmte sich freilich noch der Schnee auf, teilweise fast einen Meter hoch. Es würde dauern, bis die Sonne ihn geschmolzen hatte, doch das störte das Madel nicht. Der Steig war gut zu passieren, das war für sie die Hauptsache.

Auf halber Höhe stutzte Burgl plötzlich, denn etwas Buntes stach ihr ins Auge. Es war blau und machte sich in der seitlichen Schneemasse unpassend aus. Was mochte das sein? Hatte die Lawine etwas mitgerissen, das so ausschaute wie … ein Anorak? Das Madel blieb so abrupt stehen, dass es beinahe gestolpert wäre. Burgl starrte auf den Anorak. Sie war einen Moment lang wie erstarrt.

Das Bild, das sich ihr bot, war so unerwartet und zugleich so erschreckend, dass sie fast den Eindruck hatte, nur zu träumen. Doch sie war hellwach. Sie hörte den Wind, das Vogelgezwitscher, sie roch die ersten würzigen Bergkräuter, die Kiefernnadeln. Und sie sah den Mann, der direkt neben dem Steig lag, bis zu den Hüften im Schnee steckte und sich nicht regte.

Scheu trat Burgl ein paar Schritte vor, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte. Der Mann war erschreckend blass, seine Lippen blau angelaufen. War er vielleicht … erfroren?

Bei diesem Gedanken wich sie wieder zurück. Kurz überfiel Panik das sonst so patente Madel. Und ein Gedanke meldete sich unüberhörbar: Du musst Hilfe holen!

Sie wollte den Bewusstlosen zuerst ansprechen, um zu sehen, ob er noch lebte. Aber sie traute sich nicht. Ohne lange darüber nachzudenken, machte Burgl auf dem Absatz kehrt und rannte wie von Furien gehetzt zurück zum Berghof.

Während sie bergan flog, klopfte ihr Herz wie ein Schmiedehammer in der Brust. Es lag weniger an der Anstrengung, es war vielmehr die Angst, zu spät zu kommen, die sie quälte.

Zugleich fragte Burgl sich, wer der Bewusstlose wohl sein mochte. Sie kannte ihn nicht und war überzeugt, dass er nicht aus Sonnweiler kam. Ein Einheimischer wäre bei der großen Lawinengefahr auch nicht in die Berge gegangen.

Der Mann schien gewandert zu sein, das schloss sie aus seinem Anorak. Vielleicht hatte er sich ja verlaufen und war dann in die Lawine geraten.

Jedenfalls musste ihm schnellstens geholfen werden. Jeder in den Bergen wusste, wie gefährlich eine Unterkühlung sein konnte. Und so, wie der Fremde aussah, hatte er vermutlich seit dem Lawinenabgang in der vorigen Nacht dort gelegen. Was für eine schreckliche Vorstellung!

Endlich hatte Burgl den Berghof wieder erreicht. Sie rannte zum Kuhstall, riss die Tür auf und huschte hinein.

Xaver kümmerte sich gerade um die kranke Kuh, er wartete auf den Tierarzt. Als er Schritte hörte, meinte er, dieser komme, stutze aber, denn es war seine Enkelin, die da aufgeregt angelaufen kam. Er musterte sie fragend.

»Burgl, was ist denn?«

»Schnell, Großvaterl!«, schnappte sie. »Am Steig liegt einer, den hat die Lawine erwischt. Er schaut halb erfroren aus und rührt sich net. Wir müssen ihn bergen und ihm helfen!«

Für den Bergbauern war das keine Frage. Hier droben war man aufeinander angewiesen, da war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass einer dem anderen half. Er wies zwei Knechte an, Stricke und Decken zu holen und ihnen zu folgen. Es dauerte nur ein paar Minuten, dann machten die Retter sich auf den Weg.

»Weißt du, wer es ist?«, fragte Xaver seine Enkelin.

»Nein, ich hab ihn noch nie gesehen. Er schaute aus wie ein Bergwanderer. Ich kann es net verstehen, dass die Leut allerweil so unvernünftig sind und in die Berge gehen, wenn eine Lawinenwarnung besteht. Sie müssen doch wissen, dass so was lebensgefährlich sein kann!«

»Vielleicht ist er Gast in einer Pension am See und hat sich mit der Zeit verschätzt. Ein Städter hat keine rechte Ahnung, wie lange so ein Aufstieg in die Berge dauern kann«, gab Xaver zu bedenken. »Aber das wird er uns ja hoffentlich gleich selbst sagen können.«

Burgl machte ein bekümmertes Gesicht, denn sie war gar nicht sicher, ob der Mann im Schnee ihnen noch Auskunft würde geben können. Fast graulte sie sich davor, wieder nach ihm zu sehen.

Doch weil der Großvater ihr schon in jungen Jahren beigebracht hatte, dass es Christenpflicht war, einen Hilflosen in Bergnot zu retten, gab es auch für sie kein Zögern. Sie hielt mit den Mannsbildern mit, und wenig später hatte man den Verunglückten erreicht.

Er lag unverändert da und rührte sich nicht.

»Bimberl, geh du ins Schneefeld. Wir sichern dich mit einem Seil«, bestimmte der Bergbauer. »Der Ferdi und ich werden dir den Mann abnehmen, wenn du ihn zu uns geschoben hast.«

Burgl blieb ruhig stehen und schaute zu, wie die drei ihre Hilfsaktion starteten. Der Großvater hatte schon manch einen aus Bergnot gerettet und kannte sich aus. In jungen Jahren war er selbst aktives Mitglied der Bergwacht gewesen. Das Madel wartete ab, bis er auch ihr eine Anweisung gab.

Zunächst musste Bimberl den Bewusstlosen erreichen, was sich als nicht so einfach erwies. Die Schneemassen neben dem Steig waren tief und schon angetaut. Der Knecht hatte zu kämpfen und strauchelte einige Male, bis er am Ziel war. Dann packte er beherzt zu und zog den Mann aus dem Schnee.

Es ging mühsam voran, und wieder kam Bimberl zu Fall, denn der Untergrund war wie Schmierseife. Endlich konnten Ferdi und der Bauer zupacken. Mit vereinten Kräften schafften sie es dann relativ schnell, den Mann auf den Steig zu ziehen.

Xaver winkte nun seine Enkelin herbei. Er kannte sich aus in Erster Hilfe und wusste auch, was bei einer Unterkühlung am Wichtigsten war: Wärme. Nun kamen die Decken zum Einsatz, die beide Knechte geschleppt hatten. Burgl half dem Großvater, den Mann dick einzupacken. Xaver massierte seine Arme und Beine und Ferdi flößte ihm einen Schluck Obstler ein. Es dauerte ein paar Minuten, dann zeigte der Verunglückte eine Reaktion.

Er schlug kurz die Augen auf, schaute sich aber um, als wäre er hier völlig fremd und könnte sich nicht erinnern, wie er an diesen Ort gekommen war. Sein Blick streifte Burgl, dann verlor er wieder das Bewusstsein.

»Der ist arg schwach, der Doktor muss kommen«, stellte Ferdi fest.

Der Bauer konnte ihm nicht widersprechen.

»Lauf schnell heim, Burgl, und ruf den Dr. Gruber an!«, bat er das Madel, das sich ärgerte, kein Handy dabeizuhaben. »Er soll gleich kommen, es ist sehr dringend. Wir bringen den armen Kerl derweil vorsichtig zum Hof.«

»Ist recht!« Burgl rannte los.

Zum zweiten Mal an diesem Morgen eilte sie heim, ganz erfüllt von dem Wunsch, dem Bedauernswerten zu helfen. Ihre Back- und Kochkurse hatte sie darüber ganz vergessen.

***

Dr. Georg Gruber war schon kurze Zeit später auf dem Berghof. Er untersuchte den Verunglückten gründlich, was eine Weile dauerte. Xaver schickte die beiden Knechte wieder an die Arbeit und wartete dann zusammen mit seiner Enkelin auf das, was der Doktor ihnen zu sagen hatte.

»Gewiss muss er in ein Spital«, meinte Burgl. »Er war ja in einem ganz schrecklichen Zustand. Nur gut, dass ich ihn gefunden hab. So oft wird der Steig um die Zeit im Jahr noch net benutzt. Mei, ich mag es mir gar net ausmalen, was sonst aus ihm geworden wäre …« Ihr hübsches Gesicht spiegelte deutlich das tief empfundene Mitleid, das ihr Herz erfüllte.

Xaver lächelte mild. In solchen Momenten erinnerte Burgl ihn sehr an seine selige Resi. Auch sie hatte ein goldenes Herz gehabt und für jeden ein gutes Wort. Er vermisste sie noch an jedem Tag, den der Herrgott werden ließ. »Du hast ihn ja gefunden. Und ich denk mir, wenn er sich ein bisserl erholt hat, wird es schon wieder gehen. Verletzt scheint er jedenfalls net zu sein.«

»Aber er hat so komisch reagiert, als er auf dem Steig kurz zu sich gekommen ist. Es war beinahe so, als schaute er durch einen hindurch, schon ein bisserl unheimlich.«

»Er hat vermutlich einen Schock erlitten. Wenn die Lawine kommt, ist das wie ein Weltuntergang.«

Burgl nickte. »Vor allem, wenn man es net gewohnt ist …«

In diesem Moment erschien Dr. Gruber in der Tür zur Küche, wo Xaver und seine Enkelin auf der Eckbank saßen.

»Und? Wie geht es ihm?«, platzte das Madel sofort heraus.

»Sein Zustand ist erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass er mehrere Stunden im Schnee gelegen haben muss.« Der Doktor setzte sich zu ihnen und bedankte sich für das Haferl Kaffee, das Burgl ihm brachte. »Allerdings hat er eine dicke Beule am Hinterkopf. Daraus resultiert eine leichte Gehirnerschütterung. Und das ist noch net alles.«

»Und das nennen Sie gut?«, wunderte Xaver sich.

»Der Mann ist sportlich fit, er verfügt über eine gute Kondition. Deshalb ist er körperlich schon wieder recht ordentlich aufgestellt. Die Beule allerdings hat einen Gedächtnisverlust bewirkt. Und da er keine Papiere bei sich hat, wird sich fürs Erste wohl net klären lassen, wer er ist.«

Diese Neuigkeit mussten Burgl und ihr Großvater erst einmal verdauen. Das Madel überwand als Erste seine Betroffenheit und fragte: »Was soll denn nun aus ihm werden?«

Dr. Gruber hob die Schultern. »Ich werde den Dorfgendarmen informieren, damit er versuchen kann, die Identität des Mannes zu ermitteln. Vermutlich ist er ein Feriengast am See. Dann sollte es in relativ kurzer Zeit gelingen festzustellen, wer er ist. Sollte das aber net der Fall sein, ja mei … Dann müssen wir einfach abwarten, bis er sich wieder erinnern kann.«

»Und wie lange wird das dauern?«, wollte Xaver wissen. Er klang nicht begeistert. »Wäre es net sinnvoller, wenn er in ein Spital käme?«

»Nun, er braucht gute Pflege, Ruhe und sollte noch ein paar Tage das Bett hüten, bis die Folgen der Gehirnerschütterung abgeklungen sind. Ich könnte täglich nach ihm schauen, wenn ihr euch um ihn kümmern wollt. Das wäre durchaus möglich.«

»Ja, Großvaterl, das sollten wir tun!«, stimmte Burgl spontan zu. »Wenn der arme Mann eine Gehirnerschütterung hat, darf er net herumgefahren werden. Dann ist es bestimmt das Beste, er bleibt fürs Erste bei uns. Ich kümmere mich um ihn!«

Der Bergbauer musterte seine Enkelin streng und bat: »Komm einmal mit, Burgl, ich muss kurz allein mit dir reden. Wir sind gleich wieder zurück, Doktor.«

»Ist recht«, nickte der.

Sie gingen in die Diele, Xaver schloss die Küchentür und sagte dann streng zu dem Madel: »Hast du eine Ahnung, was du dir da aufhalst? Zu deiner Arbeit im Haushalt und der Schule willst du auch noch einen Kranken pflegen? Einen, der selbst net weiß, wer er ist, und den wir net kennen. Was, wenn er ein gesuchter Verbrecher ist?«

Burgl musste lachen. »Mei, Großvaterl, so ein Schmarren! Das ist ein ganz netter und normaler Mann. Außerdem kann es doch sein, dass der Gendarm Steiner schon morgen weiß, wer er ist. Gewiss hat er Familie, die ihn abholen kann. Magst du dann als so wenig gastfreundlich dastehen?«

»Du weißt, dass du mir damit unrecht tust«, grummelte Xaver. »Allerdings hast du etwas ganz Wichtiges vergessen: deinen guten Ruf. Was denkst du, wird der Tobias sagen, wenn er heut auf d’ Nacht vorbeischaut und du sitzt am Bett eines Fremden?«

»Ich werde ihm alles erzählen, und er wird es verstehen«, sagte das Madel überzeugt. »Es ist ja nur ein gutes Werk, was ich tu.« Sie musste kichern. »Wenn man dir zuhört, könnte man denken, ich hätte mir einen fremden Mann auf den Hof geholt.«

»Also, jetzt reicht es«, bestimmte Xaver ungehalten. »Ich bitte mir ein bisserl mehr Ernst aus.«

Burgl schluckte. »Du magst ihn also wegschicken in seinem Zustand. Mei, Großvaterl, das hätte ich net von dir erwartet.«

»Ich mag gar nix«, widersprach er knapp. »Von mir aus kann er bleiben.« Er seufzte. »Ich weiß, ich werde es bereuen. Aber du hast deinen kleinen Dickschädel wieder einmal durchgesetzt.«

»Ich dank dir!« Das Madel fiel seinem Großvater um den Hals, dann eilte es zurück in die Küche und fragte den Doktor gleich nach allem Wichtigen aus. Burgl wollte es ganz genau wissen, denn schließlich sollte ihr erster »Patient« es bei ihr gut haben.

Dr. Gruber gab ihr ein paar Tipps, was die Ernährung anging, und wies sie auch auf Anzeichen hin, dass der Zustand des Unbekannten sich verschlechterte. Dann sollte sie ihn sogleich alarmieren.

»Was kann denn da passieren?«, forschte Xaver sogleich nach. Er schien sich noch immer nicht recht mit Burgls Hilfsaktion angefreundet zu haben.

»Im Grunde genommen net viel. Aber eine Gehirnerschütterung kann tückisch sein, damit sollte man nie spaßen. Der Patient braucht Ruhe und gute Pflege.« Dr. Gruber lächelte dem Madel väterlich zu. »Ich glaub, bei der Burgl hat er beides, gelt?«

»Ich will mich bemühen!«, versicherte diese mit Nachdruck.

Wenig später verabschiedete der Landarzt sich dann mit dem Versprechen, am nächsten Tag wieder nach dem Patienten zu sehen. Xaver brachte ihn noch zur Tür, während Burgl bereits nach ihrem neuen Pflegling schaute.

»Halten Sie es wirklich für sinnvoll, dass der Mann bei uns bleibt?«, fragte er zweifelnd. »Er wäre doch in einem Spital gewiss sehr viel besser aufgehoben.«

»Da kann man geteilter Meinung sein. Aber wenn es dir gar so zuwider ist, ihn hier zu haben, Bauer, organisiere ich ein Bett im Spital in Prien.«

Xaver dachte kurz nach, dann brummte er: »Bemühen Sie sich net! Vielleicht geht ja alles gut, und er weiß bald wieder, wer er ist …«

***

Burgl klopfte zuerst an, bevor sie die gute Stube betrat. Sie ging ein wenig zögerlich zum Sofa, wo der junge Mann unter einer Wolldecke lag. Sein Gesicht hatte nun schon wieder Farbe angenommen.

Das Madel stellte fest, dass er recht fesch ausschaute mit dem dichten, dunklen Haar und den klugen, grauen Augen. Er blickte sie jetzt ganz wach und aufmerksam an und lächelte ihr ein wenig zu.

Da scheute sie sich nicht mehr, sich in den Sessel ihm gegenüber zu setzen und zu sagen: »Ich bin die Walburga Heinen, aber hier sagt ein jeder nur Burgl zu mir. Wie geht es Ihnen?«

»Es ging mir schon mal besser«, erwiderte er mit feiner Ironie. »Aber dank Ihnen, liebe Burgl, lebe ich noch. Der Doktor hat mir erzählt, dass Sie meine Retterin sind.«

»Sozusagen.« Sie errötete. »Es war ja Zufall, dass ich da vorbeigekommen bin.«

»Jedenfalls danke ich Ihnen sehr. Ich steh nun in Ihrer Schuld. Leider kann ich so gar nix tun, um das wiedergutzumachen. Ich kann Ihnen noch net mal sagen, wie ich heiße.«

»Das ist nicht schlimm. Wir können uns ja einen Namen ausdenken, der uns beiden gefällt. Haben Sie einen Vorschlag?«

Er seufzte leise. »Ich fürchte, mein Schädel brummt zu sehr. Wenn es net zu viel verlangt ist, suchen Sie einen aus.«

Das Madel dachte kurz nach. »Wie wäre es mit Peter? Den Namen mag ich sehr, mein erster Hund hieß so. Er war ein Dackel.«

Der junge Mann musste lachen, hielt sich aber gleich den Kopf und stöhnte.

»Kennen Sie den Spruch, dass es nur wehtut, wenn man lacht? Ich fürchte, ich hab gerade diese Erfahrung gemacht.«

»Tut mir leid, ich werde mich bemühen, nix Lustiges mehr zu sagen«, versprach Burgl betroffen.

»Das wäre nett. Aber jetzt mal ganz was anderes: Hat der Doktor schon gesagt, ob ich ins Spital muss? Ich hab vergessen, ihn danach zu fragen. In meinem Zustand weiß ich ja net, wohin.«

»Sie können gerne bei uns bleiben.«

»Geht denn das? Wo bin ich hier überhaupt?«

»Das ist der Breitlinger-Hof oberhalb von Sonnweiler. Im Tal liegt der Chiemsee. Es ist ein sehr beliebtes Urlaubsgebiet. Vielleicht wohnen Sie ja hier in einer Pension als Gast?«

»Wäre möglich.« Er machte ein bekümmertes Gesicht. »Ich wünschte nur, ich könnte mich erinnern.«

»Keine Sorge. Unser Gendarm, der Alois Steiner, wird sich mal umhören. Wenn Sie im Tal als Feriengast wohnen, findet er das heraus. Vielleicht wartet ja Ihre Familie auf Sie und macht sich schon Sorgen. Wenn wir Glück haben, geben die gleich eine Vermisstenanzeige auf, und alles klärt sich.«

»Ja, wenn …« Der junge Mann schaute Burgl bekümmert an. »Und wenn net? Ich meine, was wird, falls mich niemand vermisst und ich mich nimmer daran erinnere, wer ich bin? Was soll ich denn dann anfangen? Ich fühl mich praktisch wie ein neugeborenes Baby. Und das ist wirklich kein schönes Gefühl.«

»Sie sollten sich net narrisch machen.« Burgl lächelte ihm lieb zu. »Sie reden wie jemand aus der Gegend hier. Es könnte sein, dass Sie gar net weit weg sind von daheim. Fürs Erste bleiben Sie jetzt bei uns. Ich werde Sie pflegen, und der Dr. Gruber kommt jeden Tag vorbei, um nach Ihnen zu schauen. Wenn es net anders ist, dann müssen wir halt warten, bis Ihre Erinnerung zurückkommt. Der Doktor hat gesagt, das geschieht gewiss, sobald die Beule weg ist.«

»Sie sind sehr nett, Burgl. Als ich Sie eben am Steig gesehen hab, da kamen Sie mir vor wie ein Engerl.« Er lächelte verlegen. »Nehmen Sie mir das bitt schön net übel. Ich hab wirklich geglaubt, ich wäre gestorben und im Himmel.«

»Warum sollte ich Ihnen das übel nehmen? Es ist doch schmeichelhaft, mit einem Engel verglichen zu werden«, meinte sie scherzhaft und erhob sich. »Jetzt werde ich mal eine Kammer für Sie herrichten. Der Doktor hat gesagt, Sie dürfen nachher aufstehen, aber nur ganz vorsichtig. Ich werde Sie dann stützen. Wenn Ihnen das unangenehm ist, kann auch einer der Knechte diese Aufgabe übernehmen. Aber die Pflege lasse ich mir net aus der Hand nehmen. Ich hab mich schlaugemacht, was dabei zu beachten ist, und werde alles tun, damit es Ihnen bald besser geht.«

»Das ist sehr lieb von Ihnen. Haben Sie denn Zeit, mich zu pflegen? Ich möchte Ihnen net zur Last fallen.«

»Schmarren! Sie fallen mir net zur Last, Peter. Bis später!«

Burgl eilte voller Tatendrang davon, denn sie war fest entschlossen, ihren »Patienten« perfekt zu versorgen und auch alle anderen Pflichten im Haus zu erfüllen.

Xaver sagte dazu erst einmal gar nichts weiter, er kannte schließlich den Dickschädel seiner Enkelin. Hatte sie sich etwas vorgenommen, dann setzte sie es auch in die Tat um. Widerstände konnten Burgl nicht bremsen, im Gegenteil. Sie spornten sie nur an. Allerdings war der Bergbauer trotzdem fest entschlossen, den »Mann ohne Gedächtnis«, wie er ihren Logiergast bei sich nannte, gut im Auge zu behalten.

Burgl war ein kluges, patentes Madel, doch sie ging an diese Sache seiner Meinung nach etwas zu naiv heran. Immerhin hatten sie keine Ahnung, wen sie da unter ihrem Dach beherbergten.

Xaver fand den Gedanken, dass dieser Mann womöglich in etwas Kriminelles verwickelt war, gar nicht so abwegig. Wie kam man denn sonst in eine solche Lage, wenn nicht auch durch eigene Mitschuld?

Für den Bauern lag auf der Hand, dass man hier Vorsicht walten lassen musste. Und er nahm sich auch vor, einmal in aller Ruhe mit Tobias darüber zu reden.

***

Tobias Streibler ahnte nicht, was ihn erwartete, als er am Abend bester Dinge zum Berghof aufstieg. Der fesche Jungbauer brachte seiner Liebsten einen Strauß früher Tulpen mit, die im Tal bereits in Blüte standen. Er wusste, dass Burgl solche Frühlingsblumen am allerliebsten hatte. Und er dachte daran, dass auch Tulpen in ihrem Brautstrauß stecken sollten.

Bei diesem Gedanken lächelte der Bursch versonnen. Wie lieb er die Burgl hatte! Sie war in vielen Dingen noch ein wenig kindlich und naiv, aber eben das reizte ihn. Er konnte Einfluss auf sie nehmen, sie sozusagen nach seinen Wünschen formen. Freilich durfte sie davon nichts merken, weil ihr kleiner Trotzkopf schnell erwachte. Aber Tobias wusste, wie er diesen umgehen und doch erreichen konnte, was er wollte.

An diesem klaren Frühlingsabend wollte er noch einen kurzen Spaziergang mit seiner Liebsten unternehmen. Den ganzen Tag hatte er sich schon darauf gefreut.

Als Tobias dann aber die Küche betrat, wo er Burgl vermutete, traf er dort nur auf die Küchenmagd Zenzi. Die blickte gleich begehrlich auf die schönen Tulpen.

»Wo ist denn die Burgl?«, wollte Tobias von ihr wissen.

Die Magd, die sonst kaum beachtet wurde, sah ihre Chance auf etwas Aufmerksamkeit. Sie machte ein wichtiges Gesicht und erklärte: »Heut ist bei uns ganz was Besonderes passiert!«

»So? Und was soll das sein?«, fragte der Bursch mit mäßigem Interesse.

Küchenklatsch war nicht sein Ding. Bevor Zenzi die Gelegenheit bekam, sich wichtig zu tun, erschien allerdings Xaver in der offenen Küchentür, begrüßte Tobias per Handschlag und meinte: »Hab ich mich doch net geirrt. Mir war, als hätte ich deine Stimme gehört. Komm einmal mit, Tobi, ich hab was mit dir zu bereden, das net ein jeder hören muss.«

Dabei maß er die Küchenmagd knapp und streng, woraufhin diese einen Flunsch zog. Keiner gönnte es ihr, auch nur einmal für fünf Minuten im Mittelpunkt zu stehen. Das Leben konnte schon sehr ungerecht sein …

»Was ist denn geschehen?«, wollte Tobias derweil vom Bauern wissen.

Er folgte diesem in die gute Stube, wo der ihm Platz und ein Stamperl anbot und dann erzählte: »Die Burgl hat heut einem das Leben gerettet. Deshalb wirst du dich noch ein bisserl gedulden müssen, sie ist nämlich mit Krankenpflege beschäftigt.« Er berichtete von dem Mann im Schnee, der sein Gedächtnis verloren hatte und nun von Burgl gesund gepflegt wurde.

Tobias staunte nicht schlecht. »Mei, so was bringt auch nur die Burgl zustande«, meinte er anerkennend. »Aber dass sie sich auch in Krankenpflege auskennt, das wusste ich net. Dieses Madel schafft es allerweil wieder, mich zu überraschen.«

»Tut sie auch net«, stellte Xaver richtig. Seine Miene wurde verdrießlich, als er fortfuhr: »Diese ganze Geschichte gefällt mir net. Deshalb wollte ich auch mit dir reden, bevor das Madel dich mit seiner Begeisterung einnebelt.«

»Und was soll falsch daran sein, wenn sie einem Verletzten hilft? Ich kann das net schlecht finden.«

»Erstens weiß keiner, wer der Kerl ist. Er macht einen guten Eindruck, das schon. Er scheint Manieren zu haben, kann sich ausdrücken und ist auch net unsympathisch. Aber er kann ebenso gut ein Massenmörder sein.«

Tobias lachte. »Xaver, du schaust zu viel fern!«

»Jetzt mal im Ernst. Solange keiner weiß, wen wir da aufgenommen haben, ist meiner Meinung nach Vorsicht geboten. Oder gefällt dir die Vorstellung, dass die Burgl ständig an seinem Bett hockt, seine Hand hält und ihm sozusagen jeden Wunsch von den Augen abliest?«

Der Bursch stutzte. »So wie du das sagst, hört es sich gar nimmer harmlos an. Denkst du, ich sollte ihr verbieten, sich um den Mann zu kümmern? Er könnte doch auch in ein Spital gehen.«

Xaver winkte ab. »Das hab ich schon versucht, ohne Erfolg. Dr. Gruber hat net mitgespielt, der meinte, dass der Kerl auch bei uns gesund werden kann. Und die Burgl geht ganz auf in ihrer neuen Aufgabe. Wenn du was tun willst, red halt mir ihr. Aber vorsichtig. Verbieten wirst du ihr nix können, du kennst doch ihren Dickschädel. Versuch lieber, sie ein bisserl von dem Kerl abzulenken, erinnere sie an ihre Verpflichtung dir gegenüber. Na, dir wird gewiss was einfallen, gelt?«

»Ich denk schon, bin ja net auf den Kopf gefallen.«

In diesem Moment öffnete sich die Tür zur guten Stube, und Burgl erschien. Sie war überrascht, dass Tobias bereits da war und sich noch nicht bei ihr gemeldet hatte.

»Hat die Zenzi dir net gesagt, wo ich bin? Du hättest gleich meinen Patienten, den Peter, kennenlernen können«, erklärte sie unbekümmert und ließ sich neben ihrem Schatz auf dem Sofa nieder.

»Peter?«, wiederholte Tobias irritiert. »Ich dachte, keiner weiß, wie der Typ heißt. Ist denn sein Gedächtnis wieder in Ordnung?«

Burgl lachte. »Freilich net! Ich hab ihn so getauft, denn schließlich muss ich ihn ja irgendwie anreden. Und mit Peter’ war er einverstanden.« Sie schaute zu ihrem Großvater, der mit verschlossener Miene da hockte. »Er fühlt sich ganz wohl und ist eben eingeschlafen. Ich schau später wieder nach ihm.«

»Ist schon recht«, brummte der Alte, erhob sich und beschloss: »Ich geh in den Stall, muss mich um die Milli kümmern. Außerdem will ich euch beide net stören. Bis später!« Er warf Tobias einen kurzen, verschwörerischen Blick zu, der Burgl nicht entging. Als sie allein waren, nahm der Bursch sein Madel gleich in die Arme und schenkte ihm ein inniges Busserl. Burgl schmiegte sich an Tobias und lächelte.

»Das war eine nette Begrüßung, die lass ich mir gefallen. Aber was hast du denn mit dem Großvater abgemacht? Ich nehm an, er hat dir bereits vom Peter erzählt.«

»Dir entgeht auch nix, du kleiner Naseweis«, neckte er sie und stahl ihr gleich noch ein Busserl. »Ja, er hat mir die Geschichte erzählt. Und ich muss sagen; Respekt! Du hast alles richtig gemacht. Am End wirst du noch Ehrenmitglied in der Bergwacht.«

Burgl musste lachen. »Mei, du und deine Späße!«

»Das war ganz ernst gemeint, ich bewundere dich, mein Schatz. Aber dass du den Mann pflegen willst, das finde ich net so gut. Weißt du, dein Großvater fürchtet, dass du dir zu viel aufgeladen hast. Und außerdem weiß man doch nie so genau, wen man sich da ins Haus holt, gelt?«

»Wie meinst du denn das?«, wunderte sie sich. Seit wann war Tobias solch ein Spießer? So kannte sie ihn gar nicht.

»Na ja, stell dir mal vor, der wartet, bis nachts alle schlafen, und klaut dann, was net niet- und nagelfest ist.«

»Ernsthaft?« Sie schüttelte den Kopf und musste schon wieder lachen. »Du spinnst!«

»Ich mein das so, wie ich es sag. Hör mal, Schatzerl, du magst noch net heiraten, das muss ich akzeptieren. Aber ich mach mir schon so meine Gedanken um dich und finde, dass ich auch Verantwortung für dich hab. Ganz davon abgesehen, dass ich es net recht finde, wenn du mit einem Wildfremden unter einem Dach wohnst. Ich mein, wo du doch sonst so auf deinen Ruf hältst …«

Burgl musterte ihren Schatz abwägend. Sie fragte sich, ob Tobias das alles wirklich meinte oder ob er sich nur zum Sprachrohr des Großvaters gemacht hatte, um bei diesem Punkte zu sammeln. Tat sie ihm damit unrecht? Das wollte sie nicht. Aber sie konnte auch nicht glauben, dass er mit einem Mal eine dermaßen kleinkarierte Einstellung hatte.

»Meinen Ruf wird der Peter kaum beschädigen. Sobald er gesund ist, braucht er ja meine Hilfe nimmer. Aber bis dahin kann er bei uns bleiben. Wir haben ihm unsere Gastfreundschaft angeboten, da können wir ja jetzt keinen Rückzieher machen.«

»Du meinst, du kannst net.« Der Bursch wirkte verärgert.

Burgl ahnte, dass hinter Tobias’ Verhalten vielleicht doch mehr steckte. Womöglich sogar Eifersucht, auch wenn das eigentlich absurd war.

Aber sie wollte ihren Liebsten nicht absichtlich ärgern und lenkte deshalb ein: »Wenn du so um meinen Ruf besorgt bist, musst du halt öfter vorbeikommen. Und jetzt machen wir unseren Spaziergang wie abgemacht.«

Sie lächelte ihm so lieb zu, dass sein Ärger rasch verflog. Zärtlich küsste er sie, dann nahm er ihre Hand, und gleich darauf verließen sie zusammen das Haus.

So klang der Abend für Burgl und Tobias doch noch harmonisch aus. Doch als der Bursch sich später auf den Heimweg machte, da beschloss er, Burgls Vorschlag in die Tat umzusetzen. Solange der Logiergast auf dem Berghof wohnte, wollte Tobias dort jeden Abend nach dem Rechten sehen!

***

Am nächsten Morgen stand Burgl noch zeitiger auf als sonst. Draußen war es beinahe noch ganz dunkel, nur im Osten schimmerte am Horizont bereits ein tiefes Violett, das den neuen Tag ankündigte. Das Madel unterdrückte ein Gähnen und schaffte es, bei einer wechselwarmen Dusche rasch munter zu werden. Dann ging sie das große Pensum, das in nächster Zeit für sie anstand, mit Schwung an.

Als Erstes erledigte Burgl ihre Pflichten im Haushalt. Als Zenzi in die Küche kam, war die Hoftochter schon mit allem fertig und stellte gerade das Frühstück für ihren Patienten auf ein Tablett. Die Küchenmagd blinzelte überrascht.

»Willst du den Peter jetzt schon wecken? Es ist noch arg früh«, gab Zenzi zu bedenken.

»Ich weiß, aber anders geht es net, sonst schaffe ich mein Pensum nicht und komme zu spät zum Unterricht. Das kann ich mir net leisten, da ich gestern schon gefehlt hab.«

Zenzi kicherte albern. »Ist ja wie im Spital, wo die Leut auch so zeitig geweckt werden. Willst du am End hier eine Privatklinik eröffnen, Burgl?«

Das Madel bedachte die Magd mit einem knappen Blick, sagte aber nichts. Dann trug sie ihr Tablett die Stiege hinauf und klopfte leise an die Tür des Gästezimmers. Drinnen regte sich noch nichts. Burgl beschloss, das Tablett neben dem Bett des Kranken abzustellen und ihn schlafen zu lassen, solange er wollte. Als sie aber das Gästezimmer betrat, fragte der: »Sind Sie das, Burgl? Wie spät ist es denn schon?«

Sie öffnete die Gardinen und ließ das erste Morgenlicht ins Zimmer, während sie erwiderte: »Erst kurz nach sieben. Ich hoff, Sie sind mir net bös, dass ich Sie so zeitig wecke. Aber ich muss nachher zum Unterricht.«

»Sie gehen noch in die Schule?«, fragte er interessiert.

»In die Hauswirtschaftsschule. Da kriege ich als Bäuerin sozusagen den letzten Schliff.« Sie stellte das Tablett ab und lächelte ihrem Patienten freundlich zu. »Haben Sie gut geschlafen? Wie fühlen Sie sich?«

»Ganz gut. Ich sollte vielleicht aufstehen und …« Er machte tatsächlich Anstalten, das Bett zu verlassen, doch dagegen hatte Burgl etwas.

»Kommt net infrage!«, entschied sie resolut. »Der Doktor hat gesagt, Sie müssen noch eine Woche liegen. Sie wollen doch wieder gesund werden, oder?«

Er musterte sie eine Weile nachdenklich, dann gab er zu: »Es ist wohl wirklich besser so. Mein Schädel brummt noch arg.«

»Sehr vernünftig. Haben Sie denn was geträumt heut Nacht? Vielleicht von früher, ich meine, etwas, das Ihnen dabei helfen könnte, sich zu erinnern …«

Er dachte kurz nach und meinte dann: »Ich habe wirklich was geträumt. Aber ich kann mich net genau daran erinnern. Es ist sehr verschwommen und vage. Ich glaub, ich war in den Bergen unterwegs. Ich war auch nicht allein, da war jemand bei mir. Und dann kam eine Lawine …«

Burgl erschrak. »Wenn Sie von Ihrem Unfall geträumt haben, dann könnte das bedeuten, dass noch jemand unter dem Schnee der Lawine liegt. Das müssen wir der Bergwacht melden, damit die eine Suche starten können. Wissen Sie, ob es eine oder mehrere Personen waren, die Sie begleitet haben?«

»Keine Ahnung. Wie gesagt, es ist alles recht vage. Ich hab nur dunkle Gestalten gesehen, ich kann net einmal mit Sicherheit sagen, dass jemand bei mir war.« Er wirkte sehr bekümmert. »Es ist so, als wäre da ein schwarzes Loch in meinem Kopf.«

Burgl empfand Mitleid, zu gern hätte sie dem Mann, der ihr auf Anhieb sympathisch gewesen war, geholfen. Doch das war leider nicht möglich. Seine Erinnerung, die musste er ganz allein wiederfinden.

»Es wird schon wieder werden.« Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Uhr und erschrak. »Oje, ich muss mich sputen. Nebenan ist das Bad, wenn Sie Hilfe brauchen, schick ich Ihnen einen der Knechte. Ich schau dann wieder vorbei, wenn ich aus der Schule zurück bin, einverstanden?«

»Ich komme schon zurecht. Vielen Dank für alles!« Er suchte ihren Blick und lächelte ihr verhalten zu. Sacht drückte er ihre Hand, als er bekannte: »Ich steh tief in Ihrer Schuld, Burgl. Hoffentlich kann ich das irgendwann wiedergutmachen.«

Das Madel errötete und murmelte verlegen: »Das ist net nötig. In den Bergen hilft man sich gegenseitig, da ist gar nix dabei.«

An diesem Tag konnte Burgl sich nur schlecht auf den Unterricht konzentrieren. Sie machte Fehler, die ihr sonst nie unterliefen, und war froh, als sie heimgehen konnte.

Am Nachmittag schaute Dr. Gruber auf dem Berghof vorbei. Er war mit dem Zustand seines Patienten zufrieden, brachte aber zugleich wenig ermutigende Nachrichten.

»Der Gendarm Steiner hat sich in allen Fremdenpensionen und Hotels am See nach unserem Unbekannten erkundigt, leider ohne Erfolg. Wie es ausschaut, ist er hier net im Urlaub.«

»Das bedeutet, er wohnt in der Nähe«, vermutete Burgl. »Er redet auch wie ein Hiesiger. Gewiss wird seine Familie bald eine Vermisstenanzeige aufgeben.«

»Ja, das bleibt zu hoffen. Ansonsten müssen wir halt abwarten, bis er sein Gedächtnis wiederfindet«, stellte der Landarzt fest. »Das wird allerdings noch eine Weile dauern. Die Beule muss erst abschwellen, das geht net so von heut auf morgen. Ich hab aber den Eindruck, dass er sich bei euch recht wohlfühlt.«

»Er kann bleiben, solange es nötig ist«, erklärte Burgl spontan. »Das bisserl zusätzliche Arbeit schaff ich leicht.«

Nachdem der Doktor wieder gegangen war, monierte Xaver: »Du gehst recht großzügig mit unserem Gastrecht um. Ich finde das Ganze nach wie vor falsch. Und jetzt steht doch wohl fest, dass der Kerl auf nicht absehbare Zeit bei uns bleiben wird. Willst du dir das wirklich weiterhin antun, Madel?«

»Der Peter macht mir kaum Arbeit, er ist ein sehr angenehmer Gast«, beteuerte Burgl. »Er kann dich doch net stören.«

»Mich vielleicht net, aber den Tobias schon.«

»Der Tobias versteht mich«, behauptete sie da rasch. »Und jetzt muss ich nach meinem Patienten schauen.« Bevor es dem Großvater einfiel, ihr noch weitere Vorhaltungen zu machen, eilte Burgl schleunigst davon.

***

Der Kranke lächelte, als Burgl gleich darauf seine Kammer betrat. »Da sind Sie ja wieder, mein rettender Engel«, scherzte er. »Hat der Doktor Ihnen schon die schlechten Neuigkeiten überbracht? Ich mein, dass mich offensichtlich keiner kennt.«

»Das macht gar nix«, versicherte das Madel freundlich. »Sie werden sich bald an alles erinnern. Und bis dahin erholen Sie sich einfach hier bei uns.«

»Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann erscheint mir das Leben ganz leicht und problemlos. Ich nehme an, Sie haben nie Kummer.«

»Da irren Sie sich aber gewaltig. Als ich fünfzehn war, haben meine Eltern sich scheiden lassen. Ich war sehr unglücklich, das können Sie sich wohl denken. Ich wollte und konnte mich net zwischen den beiden entscheiden, deshalb bin ich hierhergekommen. Bei den Großeltern hab ich mich schon immer mehr daheim gefühlt. Leider ist meine Oma vor ein paar Jahren gestorben. Der Großvater hat schwer daran zu tragen. Sie sehen, auch in meinem Leben läuft net immer alles glatt.«

»Aber Sie haben noch nie Ihr Gedächtnis verloren. Kann es denn sein, dass ich mich net erinnern will? Vielleicht habe ich Schuld auf mich geladen und deshalb einfach alles verdrängt.«

»Das glaube ich net. Sie machen auf mich keinen solchen Eindruck. Ein Gewissen haben Sie jedenfalls, sonst wären sie net auf so trübe Gedanken gekommen.«

»Ja, mag sein. Trotzdem ist es sehr belastend, wenn man sich an nix erinnern kann.«

»Ich hab dem Großvater von Ihrem Traum erzählt, wegen der anderen Wanderer, die vielleicht mit Ihnen unterwegs waren. Die Bergwacht wird das ganze Lawinengebiet absuchen. Womöglich findet sich da ja eine Spur.«

»Und wenn net?« Er seufzte schwer. »Ich wünschte, ich könnte so optimistisch sein wie Sie, Burgl. Aber das gelingt mir einfach nicht. Net zu wissen, wer man ist, das macht Angst.«

»Ich versteh Sie schon.« Spontan legte sie ihre Hand auf seine und lächelte ihm aufmunternd zu. Dass gerade in diesem Augenblick Tobias die Kammer betrat, war Zufall. Doch der Bursch hatte den Eindruck zu stören. Und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Sofort verfinsterte sich seine Miene. Burgl stand auf und sagte: »Grüß dich, Tobias. Nett, dass du mal nach unserem Gast schaust! Leider kann ich ihn dir net mit seinem richtigen Namen vorstellen. Aber wir nennen ihn Peter. Peter, das ist Tobias Streibler, mein Freund.« Sie machte eine aufmunternde Geste, aber der Bursch dachte nicht daran, den Kranken richtig zu begrüßen. Er nickte nur knapp, dann forderte er: »Komm einmal mit, Burgl, ich möchte dich was fragen.«

Sie stutzte, tat ihm dann aber doch den Gefallen. Bevor sie das Gästezimmer verließ, versicherte sie ihrem Patienten, dass sie gleich wieder für ihn da sei.

Da platzte Tobias der Kragen. »Sag mal, was soll das eigentlich? Bist du neuerdings Krankenpflegerin?«, fuhr er auf.

Das Madel schloss erschrocken die Tür zum Gästezimmer und bat: »Sei doch net so laut. Der Peter braucht Ruhe. Außerdem besteht kein Grund, mir Vorwürfe zu machen. Gestern bist du noch so verständig gewesen und jetzt …«

»Da hab ich dich ja auch net an seinem Bett sitzen und Händchen halten gesehen«, warf er ihr erbost vor.

Also doch, Tobias war eifersüchtig! Burgl musterte ihn von der Seite, während sie die Stiege heruntergingen. Bis jetzt war es für sie selbstverständlich gewesen, dass sie einander vertrauten. Sie wusste, dass Tobias sie lieb hatte und keine andere anschaute. Ebenso hielt sie es. Wusste er denn das nicht? Oder vertraute er ihr nicht mehr? Sie spürte die Enttäuschung in sich aufsteigen, und zum ersten Mal, seit sie und Tobias ein Paar waren, fühlte sie sich in seiner Gegenwart nicht wohl.

Es war, als ginge ein haarfeiner Riss durch ihre Liebe. Noch war er mit dem bloßen Auge nicht zu sehen, doch im Herzen spürte Burgl ihn dafür umso deutlicher.

»Magst du mit uns zu Abend essen?«, fragte sie ihn, als sie die Diele betraten.

Er zögerte kurz, nickte dann. »Gehen wir nachher noch raus? Das Wetter war heut so schön. Oder musst du …«

»Wir können gern noch ein bisserl spazieren gehen. Aber nur, wenn du aufhörst, mir zu misstrauen.«

»Das tu ich net!« Tobias wirkte überrascht. »Ich vertrau dir, mein Schatz. Aber ich trau diesem Kerl da oben net.«

Das wurde ja immer schöner! »Wie kommst du nur darauf, ihm ständig etwas Schlechtes zu unterstellen? Peter ist krank und braucht Hilfe«, betonte sie ärgerlich.

»Aber er scheint net zu krank zu sein, um deine Hand zu halten. Oder hab ich mir das vielleicht nur eingebildet?«, versetzte er erbost, und seine Augen funkelten dabei wütend.

»Ich hab seine Hand gehalten«, stellte Burgl spontan richtig. »Ich hab ihn trösten wollen, weil er recht verzweifelt war. Oder wie stellst du dir das vor, wenn man sich an nix erinnern kann und befürchten muss, dass es so bleiben könnte?«

»An nix erinnern, so ein Schmarren! Das gibt es gar net, nur im Film«, behauptete Tobias giftig. »Der Kerl simuliert! Er hat sich bei euch eingeschlichen und lässt sich bedienen. Ich wette, der ist ein Landstreicher, der nur ein Dach über dem Kopf gesucht hat. Und du bist auf ihn reingefallen, typisch! Du mit deinen spinnerten, kindischen Ideen!«

Burgls ebenmäßige Miene verschloss sich, als sie erwiderte: »Wenn du so über mich denkst, dann wäre es vielleicht besser, du bleibst fürs Erste im Tal. Ich hab sowieso den Eindruck, dass deine Besuche hier Kontrollen sind. Du sagst zwar, dass du mir vertraust, aber du handelst ganz anders.« Sie wollte sich von ihm abwenden, da packte er sie am Arm und herrschte sie an: »So kannst du net mit mir umspringen, hörst? Ich hab ein Recht, meine Meinung zu sagen. Und wenn du erst meine Frau bist, dann kannst du auch nimmer einfach tun, was dir in den Kopf kommt. Dann sag ich, wo’s langgeht?«

Tobias wurde erst im Nachhinein bewusst, dass er sich mit diesen Ansagen vergaloppiert hatte. Dass Burgl sich so selbstlos um den Fremden kümmerte, gefiel ihm einfach nicht. Noch viel weniger konnte er sich aber mit der Tatsache anfreunden, dass er ihr dies nicht einfach verbieten konnte. Er fühlte sich hilflos, weil die Dinge sich anders entwickelten, als er das wollte. Und dieses Gefühl machte ihn einfach nur wütend.

Dass er bei Burgl aber nicht mit dem Kopf durch die Wand kam, zeigte sich nun. Sie blieb ganz ruhig und schaute ihn mit einem Blick an, der zwischen Vorwurf und Enttäuschung schwankte. Ihre Stimme klang allerdings ruhig, als sie forderte: »Lass mich los, du tust mir weh.«

»Es tut mir leid, ich …« So schnell die Wut aufgeflammt war, so schnell fiel sie in sich zusammen wie ein Aschehäuflein. Tobias murrte reuig: »Sei mir wieder gut, Liebes. Ich hab’s net so gemeint. Aber als ich dich mit dem anderen gesehen hab, da sind bei mir einfach die Sicherungen rausgesprungen. Soll net wieder vorkommen, versprochen!«

Allerdings hatte Burgl nicht vor, sich auf eine laue Versöhnung einzulassen, denn sie entgegnete nun kühl: »Solange der Peter hier ist, solltest du lieber net hinaufsteigen. Und danach müssen wir uns beide mal Gedanken darüber machen, wie wir zueinanderstehen.«

»Ich muss mir keine Gedanken machen. Aber du scheinst dir da nimmer sicher zu sein. Also doch …«

Burgl seufzte leise und senkte den Blick. »Geh jetzt, Tobias. Merkst du denn net, dass du alles nur schlimmer machst?«

»Ich … ach!« Er winkte zornig ab, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte davon. Die Haustür fiel krachend hinter ihm ins Schloss.

Der Bauer kam aus dem Arbeitszimmer und wollte wissen, was los sei. »Ist der Tobias rauschig? So hat der sich ja noch nie benommen«, wunderte Xaver sich.

»Das net. Aber er vertraut mir nimmer. Deshalb hab ich ihn wegschicken müssen«, antwortete das Madel bekümmert.