Zwei kleine Herzen brauchen Liebe - Sissi Merz - E-Book

Zwei kleine Herzen brauchen Liebe E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Dr. Max Brinkmeier besitzt außergewöhnliche Fähigkeiten. Dennoch ist er, der lange Jahre erfolgreich in Afrika praktiziert hat und dort so viele Menschenleben retten konnte, einen Augenblick ratlos, als ihn der Hilferuf von daheim erreicht. Sein Vater, der in einem kleinen bayerischen Bergdorf als Landarzt mit ebenso großem Geschick jahrzehntelang tätig gewesen ist, kann die heimatliche Praxis nach einer Herzattacke nicht länger weiterführen. Max war damals nicht ganz im Frieden von zu Hause geschieden, und jetzt überlagern sich bei ihm verschiedene existentielle Gefühle. In Afrika hat er eine wirkliche Lebensaufgabe gefunden. In der Heimat wird er dringend benötigt. Die Ärztin, der seine große Liebe gilt, wirkt mit ihm gemeinsam auf der Missionsstation und ist inzwischen fest verwurzelt auf dem afrikanischen Kontinent. Dr. Max Brinkmeier muß sich entscheiden – und Sie erwartet die spannendste, gefühlvollste Arztromanserie! Die beliebte Schriftstellerin Sissi Merz erreicht in diesen eindrucksvollen Romanen den Höhepunkt ihres Schaffens. »Jetzt beruhige dich halt, Tina. Wir sollten mal versuchen, vernünftig über die Angelegenheit zu reden.« Dr. Josef Brinkmeier schaute seine Schwiegertochter mitleidig und auch ein wenig hilflos an. Wie ein Häuflein Elend hockte sie auf seinem Sofa und heulte in ihr nasses Taschentuch. Sein Blick wanderte zu der Hauserin Afra, die nun die Stube betrat, und ihn wissen ließ: »Der Lukas ist draußen. Er will die Tina sprechen.« »Ich ihn aber net! Er soll sich schleichen, zu seiner … Freundin!«, giftete die hübsche Blondine, wobei die kalte Verzweiflung aus ihrer Stimme sprach. »Ich bitt dich, Tina, das hat doch keinen Sinn. Der Lukas ist dein Mann, und du solltest dir zumindest anhören, was er dir zu sagen hat, finde ich«, versuchte der pensionierte Landarzt von Wildenberg seine Schwiegertochter zu beschwichtigen, erreichte damit aber nichts. Im Gegenteil; Tina stellte sich stur. »Also schön, ich rede erst mal allein mit meinem Sohn«, entschied Dr. Brinkmeier daraufhin und verließ kopfschüttelnd seine gute Stube. Er konnte kaum nachvollziehen, wie sich ein friedlicher Winterabend so unvermittelt und unabänderlich in ein mittleres Chaos verwandelt hatte. Noch vor einer Stunde hatte Josef auf seinen Sohn Max und Anna Stadler, die nette Apothekerin, gewartet, die zusammen bei ihm zu Abend hatten essen wollen. Dann war Tina aufgetaucht, völlig aufgelöst und verzweifelt, und hatte behauptet, es gebe für sie nur noch einen Ausweg, die Scheidung.

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Dr. Brinkmeier Classic – 31 –

Zwei kleine Herzen brauchen Liebe

Nina und Thomas bangen um das Leben ihrer Mutter

Sissi Merz

»Jetzt beruhige dich halt, Tina. Wir sollten mal versuchen, vernünftig über die Angelegenheit zu reden.« Dr. Josef Brinkmeier schaute seine Schwiegertochter mitleidig und auch ein wenig hilflos an. Wie ein Häuflein Elend hockte sie auf seinem Sofa und heulte in ihr nasses Taschentuch. Sein Blick wanderte zu der Hauserin Afra, die nun die Stube betrat, und ihn wissen ließ: »Der Lukas ist draußen. Er will die Tina sprechen.«

»Ich ihn aber net! Er soll sich schleichen, zu seiner … Freundin!«, giftete die hübsche Blondine, wobei die kalte Verzweiflung aus ihrer Stimme sprach.

»Ich bitt dich, Tina, das hat doch keinen Sinn. Der Lukas ist dein Mann, und du solltest dir zumindest anhören, was er dir zu sagen hat, finde ich«, versuchte der pensionierte Landarzt von Wildenberg seine Schwiegertochter zu beschwichtigen, erreichte damit aber nichts. Im Gegenteil; Tina stellte sich stur.

»Also schön, ich rede erst mal allein mit meinem Sohn«, entschied Dr. Brinkmeier daraufhin und verließ kopfschüttelnd seine gute Stube. Er konnte kaum nachvollziehen, wie sich ein friedlicher Winterabend so unvermittelt und unabänderlich in ein mittleres Chaos verwandelt hatte. Noch vor einer Stunde hatte Josef auf seinen Sohn Max und Anna Stadler, die nette Apothekerin, gewartet, die zusammen bei ihm zu Abend hatten essen wollen. Dann war Tina aufgetaucht, völlig aufgelöst und verzweifelt, und hatte behauptet, es gebe für sie nur noch einen Ausweg, die Scheidung. Und zwar von einem Mann, den sie doch von Herzen lieb und mit dem sie einen kleinen Buben hatte! Anna Stadler, die mit Tina befreundet war, hatte sich um diese gekümmert, doch dann hatte Max einen alarmierenden Anruf erhalten, und die beiden waren ohne große Erklärung verschwunden, hatten Josef mit Tina einfach allein gelassen.

Der alte Landarzt erhoffte sich nun von seinem jüngeren Sohn zumindest in diesem Fall eine Klärung der Situation, denn er hatte nach wie vor das Gefühl, völlig im Dunklen zu tappen.

Behutsam schloss Josef die Tür zur guten Stube hinter sich und betrat die Küche, wo Lukas am Fens­ter stand und mit finsterer Miene nach draußen, auf das tief verschneite Tal von Wildenberg starrte. Zamperl, Josefs treuer Hund, mus­terte den Bauern verständnislos. Sonst kraulte der große dunkelhaarige Mann ihn immer hinter den Ohren, aber an diesem Abend hatte er nicht mal einen Blick an ihn verschwendet …

»Lukas, was ist geschehen?«, fragte Josef und legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter. Sie sahen einander kaum ähnlich, der Senior hatte das gleiche sandblonde Haar wie sein Sohn Max, während der Jüngere nach der früh verstorbenen Mutter kam. Leider hatte er aber nicht deren sanfte Wesensart geerbt, sondern war im Gegenteil ein leicht erregbarer Zornnagel. Seit Lukas mit der patenten Tina verheiratet war, hatte sich das ein wenig gegeben. Doch nun fuhr er in altbekannter Manier auf: »Was geschehen ist, willst wissen? Ich wette, die Tina hat dir bereits eine Horrorstory von mir erzählt. Was soll ich denn noch dazu sagen? Mir glaubt ja eh keiner!«

»Ich glaub dir, Bub, das war schon immer so. Weil ich weiß, dass du eine ehrliche Haut bist. Also, wennst was zu sagen hast, ich hör dir zu. Aber ich bitt dich, setzen wir uns dabei hin.« Josef hatte unter einem schwachen Herzen zu leiden, deshalb musste er auch vor einer ganzen Weile die Praxis an seinen Sohn übergeben. Er hatte dies ein wenig bedauert, war er doch – genau wie Max – Mediziner mit Leib und Seele. Doch er hatte sich den Gegebenheiten angepasst, weil es eben hatte sein müssen. Als er Lukas gleich darauf an der Eckbank gegenübersaß, legte Zamperl seinen hübschen Kopf auf die Knie seines Herrn und wedelte, als dieser ihn streichelte. Lukas blickte finster vor sich hin. Er ließ sich Zeit, musste erst einmal seine Gedanken ordnen, bevor er berichtete: »Angefangen hat alles, als diese Magd bei uns eingestanden hat. Rosel Pölzinger heißt sie. Ich hab sie net beachtet, sie arbeitet als Küchenmagd. Aber irgendwann ist mir doch aufgefallen, dass sie es darauf anlegt, in meiner Nähe zu sein und mich immer wieder angesprochen hat.«

Josef bekam schmale Augen. »Willst damit vielleicht andeuten, dass du dich auf ein Gespusi eingelassen hast? Mei, Bub, ich bitt dich, das darf doch wohl net wahr sein!«

»Lass mich halt weiterreden, Vater, dann wirst erfahren, dass es ganz anders gekommen ist. Ich hab die Tina lieb, das weißt und sie weiß es auch. Eine andere schau ich net an. Und früher hab ich auch net eben den Casanova markiert, das kannst doch bestätigen, net wahr?«

»Freilich«, murmelte der Senior ungeduldig. »Worauf willst hinaus, was war zwischen dir und dieser Magd?«

»Nix. Aber sie behauptet was anderes. Immerzu hat sie komische Andeutungen gemacht, hat davon geredet, dass wir uns von früher kennen. Ich hab’s net ernst genommen, bis sie dann plötzlich eine Geschichte erzählt hat, die von vorne bis hinten erlogen ist. Sie hat der Tina den dicksten Bären auf’bunden, den Wildenberg je gesehen hat. Und zwar hat sie ihr weismachen wollen, dass ich früher ein Hallodri gewesen bin, der nix hat anbrennen lassen. An Kirchweih hab ich sie angeblich verführt und geschwängert. Vor fünf Jahren soll das gewesen sein. Sie sagt, sie hat einen Buben, der so alt und von mir ist. Freilich stimmt kein Wort von der Geschichte. Aber damals hat die Tina mich noch net gekannt. Und diese Magd ist sehr selbstbewusst, die geht auf ihr Ziel aus, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich hab sagen können, was ich wollte, sie war mir über. Und was das für Folgen hat, siehst ja. Diese Rosel hat sich in den Kopf gesetzt, die Tina zu vertreiben und als meine Bäuerin mit ihrem Balg Einzug auf dem Brinkmeier-Hof zu halten. Was sagst jetzt?«

Josef war eine Spur blasser geworden, betroffen murmelte er: »Das kann ich kaum glauben. Wie kommt diese Person dazu, so was zu erzählen? Was ist mit dem Kind, schaut’s dir denn ähnlich?«

»Vater!« Lukas war so empört, dass der Alte sich bemüßigt fühlte, ihm zu versichern: »Ich hab dir nix unterstellen wollen. Es ist nur, ich versuche halt, zu verstehen, wie diese Magd es angestellt hat, eure Ehe zu ruinieren.«

»Das Kind hab ich nie gesehen«, brummte der Bauer bärbeißig. »Angeblich lebt’s bei seiner Oma. Aber ich wette mit dir, Vater, dass dieses Kind überhaupt net exis­tiert. Und wenn, dann kann’s net von mir sein, da bin ich ganz sicher!«

»Und warum? Fünf Jahre ist eine lange Zeit. Vielleicht warst rauschig an dem Abend. Auf deine Erinnerung allein kannst dich net verlassen. Da brauchst schon handfeste Beweise, wennst diese Person wieder loswerden willst. Hast die?«

»Ich denke schon. Auf Tanzfeste hat’s mich noch nie gezogen, das steht schon mal fest. Aber Kirchweih vor fünf Jahren, das war ganz gewiss net möglich, weil das Fest damals nämlich abgesagt worden ist. Es gab ein schweres Unwetter mit Erdrutschen. Ich hab das nimmer gewusst, der Bimberl hat mich drauf gebracht. Er konnte sich noch gut erinnern, war nämlich mit einem sauberen Dirndl verabredet, konnte aber net hingehen, weil eine Kuh aus Stress eine Fehlgeburt hatte. Als er dann erfahren hat, dass das ganze Fest ausgefallen ist, war’s fei nimmer so schlimm für ihn.«

Josef dachte kurz nach, dann nickte er. »Stimmt, daran kann ich mich auch noch erinnern. Es war viel los in dieser Nacht, ein paar leicht Verletzte, Menschen mit Schock. Ich war bis zum nächsten Morgen unterwegs.« Er lächelte schmal. »Da hast ja deinen Beweis. Das musst der Tina nur sagen und dann …«

»Von wegen. Ich hab’s ihr schon gesagt, aber sie glaubt mir net, vertraut mir nimmer. Mei, Vater, was soll ich nur tun? Ich hab die Tina lieb, sie und mein Bub sind alles für mich. Soll ich mir mein Leben denn von so einer Dahergelaufenen zerstören lassen? Das darf doch aber net wahr sein!«

»Gewiss net. Zuerst musst dich mit der Tina aussprechen. Wennst magst, bleibe ich dabei, ich kenne ja jetzt die Wahrheit. Und was diese Magd angeht, da musst Nägel mit Köpfen machen. Als Erstes bringst mal heraus, ob es da tatsächlich ein Kind gibt. Am bes­ten nimmst dir einen Detektiv und auch einen Anwalt. Stellt sich raus, dass der Bub existiert, wirst einen DNA-Test beantragen. Das kannst, wenn der berechtigte Verdacht besteht, dass sie dir die Vaterschaft verheimlicht hat.«

Lukas machte ein wenig begeis­tertes Gesicht. »Meinst, ich soll so weit gehen? Ich hab gehofft, wir schaffen es zusammen, die Magd vom Hof zu jagen. Wenn ich jetzt gleich mit einem Anwalt und diesem Test daherkomme, dann denkt die Tina doch bestimmt, ich hab was zu verbergen oder ein schlechtes Gewissen.«

»Hast das?« Der alte Landarzt schaute seinen Sohn offen an. »Ich frag dich nur dieses eine Mal, hernach ist die Sache erledigt. Kann es sein, dass du was mit dem Kind zu tun hast? Es wäre schließlich kein Verbrechen, damals bist ja noch einschichtig gewesen.«

»Ich kenne diese Rosel erst, seit sie bei uns auf dem Hof eingestanden ist. Und ich bin hundertprozentig sicher, dass ich nie was mit ihr gehabt hab. Wennst willst, schwöre ich das vor dem Hochwürden auf die Heilige Schrift.«

»Schon gut, so dick wollen wir es net machen. Als dann, komm mit in die gute Stube und sprich dich mit deiner Frau aus.«

»Wo ist eigentlich der Max? Ich dachte, er wird sich kümmern, wenn er hört, was geschehen ist.«

Brinkmeier senior hob leicht die Augenbrauen und behauptete: »Ich weiß es net. Er war da, aber dann kam ein Anruf und hernach ist er zusammen mit der Anna Stad­ler verschwunden.« Er kratzte sich am Kinn. »Ein bissel seltsam war das schon. Na ja, er wird mir gewiss erzählen, was los war, wenn er zurückkommt …«

*

Zur gleichen Zeit waren Max Brinkmeier und Anna Stadler vor München in zäh fließenden Verkehr geraten. Die hübsche Blondine spürte, wie der Stop-and-Go-Rhythmus dem jungen Landarzt an den Nerven zerrte. Sie hätte ihm gerne etwas Tröstliches gesagt, doch es fiel ihr schwer, ihre eigenen Empfindungen in den Griff zu kriegen. Deshalb schwieg sie lieber und hing ihren Gedanken nach. Und diese kehrten in die jüngere Vergangenheit zurück … Nicht mal zwei Jahre war es her, dass der attraktive Mediziner in sein Heimatdorf Wildenberg im schönen Berchtesgadener Land zurückgekehrt war, um die Landarztpraxis seines Vaters zu übernehmen. Max und Anna kannten einander von Kindesbeinen an, ihre alte Freundschaft hatte sich in der vergangenen Zeit wieder gefestigt. Doch Anna empfand mehr für den Mediziner, sie liebte ihn aufrichtig. Dass sein Herz nicht frei war, hatte sie vom ersten Moment an gewusst, er war da ganz aufrichtig gewesen.

Nach dem Studium hatte Dr. Brinkmeier zusammen mit seiner Kommilitonin Julia Bruckner Deutschland den Rücken gekehrt und war für mehr als zehn Jahre in die Entwicklungshilfe gegangen. Sie hatten eine kleine Missionsstation mitten im ruandischen Hochland zu einem funktionierenden Buschhospital ausgebaut und darin beide ihre Lebensaufgabe gesehen. Julia war eine besondere Frau, entschlossen, tatkräftig und willensstark. Max liebte sie und hatte sie immer wieder gebeten, seine Frau zu werden. Doch Julia stammte aus zerrütteten Familienverhältnissen und litt unter Bindungsangst. Dann war Josef krank geworden, und es war für Max keine Frage gewesen, die Nachfolge des Vaters in Wildenberg anzutreten. Er hatte Julia gebeten, ihn zu heiraten und mit ihm zu kommen. Beides hatte sie – schweren Herzens zwar – abgelehnt. Und seither hatte es für Max ein ewiges Hin und Her gegeben zwischen Hoffen und Resignation, zwischen Sehnsucht und Verzweiflung.

In letzter Zeit schien er sich langsam damit abzufinden, dass er und Julia nicht mehr zusammenleben konnten. Keiner wollte nachgeben, keiner ihre Liebe zueinander absolut setzen. Eine Liebe, der die Distanz zwar nichts anhaben konnte, die sie aber auf Dauer unmöglich machte.

Anna Stadler hatte wieder Hoffnung geschöpft, gerade war sie soweit gewesen, an eine Chance für Max und sich zu glauben. Da war ein Anruf von Prof. Leopold Bruckner aus München gekommen. Der bekannte Herzspezialist hatte Max eine Geschichte erzählt, die diesem den Boden unter den Füßen weggezogen hatte …

Julia und ihre Kollegen auf der Missionsstation hatten in letzter Zeit mit einer Epidemie zu kämpfen gehabt. Eine aggressive Abart des Gelbfiebers hatte viele Opfer unter der armen Landbevölkerung gefordert und die kleine Station mit Unmengen von Kranken überschwemmt. Julia hatte sich infiziert, über Wochen in der Klinik in Kigali gelegen. Dort war das Fieber zwar ausgeheilt, hatte aber einen Herzschaden verursacht. Und nun lag die schöne Ärztin in der Herzklinik ihres Onkels und wartete darauf, operiert zu werden. Bei ihrem mehr als schlechten Allgemeinzustand ein risikoreiches Unterfangen …

Endlich lichteten sich die beiden Fahrzeugreihen ein wenig, Julia konnte Gas geben. Die Lichter der bayerischen Landeshauptstadt waren bereits zu sehen, als Max zu ihr sagte: »Ich fühle mich schuldig. In letzter Zeit habe ich keinen Versuch mehr unternommen, mit Julia in Kontakt zu treten. Sie war wochenlang sehr krank, stand an der Schwelle des Todes. Und ich hatte nicht mal eine Ahnung …«

»Woher solltest du es auch wissen?« Anna lächelte vage. »Du musst dir nichts vorwerfen. Ihr habt euch entfremdet. Das ist doch ganz normal, wenn man längere Zeit getrennt lebt. Du hast selbst gesagt, dass du nicht mehr an eine gemeinsame Zukunft für euch glauben kannst.«

»Vielleicht war das ein Fehler.« Max starrte trübsinnig vor sich hin. »Du hast mich doch erst darauf gebracht, wie wichtig es ist, die Liebe immer an erste Stelle zu setzen. Dass es nichts geben kann, was wichtiger ist als der Mensch, den man liebt. Und das habe ich wohl vergessen.«

Am liebsten hätte Anna eine Vollbremsung gemacht. Sie fragte sich, ob Max denn gar nicht wusste, wie ihr zu Mute war, wenn er so etwas sagte. Aber sie nahm sich zusammen, ließ sich nichts anmerken. Schließlich befand er sich in einer Ausnahmesituation. Er machte sich die größten Sorgen um Julia. Und sie hatte sich nicht nur erboten, ihn in die Stadt zu fahren, sie wollte auch für ihn da sein, ihre eigenen Gefühle einmal mehr hinten anstellen. »Ich denke, du hast das immer getan«, hielt sie ihm besonnen entgegen. »Julia hat sich gegen ein Leben mit dir entschieden, und das mehr als einmal. Manchmal entwickeln die Dinge sich eben anders, als wir uns das wünschen. Und wenn man nichts daran ändern kann, muss man lernen, das hinzunehmen.«

»Ich wünschte, ich könnte das.« Max seufzte schwer und fuhr sich mit einer hilflos wirkenden Geste durch sein dichtes Haar. »O ja, ich wünschte es wirklich …«

Prof. Leopold Bruckner hatte die späten Besucher schon erwartet. Der Klinikchef war eine distinguierte Erscheinung Ende der fünfzig, und wirkte mit den grauen Schläfen und der schmalen Goldrandbrille Vertrauen erweckend. Er drückte Max knapp die Hand und sagte: »Es ist gut, dass Sie gleich herkommen konnten, Herr Kollege. Julias Zustand macht mir Sorgen. Eigentlich hätte sie schon längst operiert werden müssen. Aber sie ist einfach nicht stabil genug für den Eingriff.«

»Bitte, Herr Professor, könnten Sie uns noch einmal ausführlich alles erzählen?«, bat Anna Stadler.