Am Tag, als Magda wiederkam... - Sissi Merz - E-Book

Am Tag, als Magda wiederkam... E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Dr. Max Brinkmeier besitzt außergewöhnliche Fähigkeiten. Dennoch ist er, der lange Jahre erfolgreich in Afrika praktiziert hat und dort so viele Menschenleben retten konnte, einen Augenblick ratlos, als ihn der Hilferuf von daheim erreicht. Sein Vater, der in einem kleinen bayerischen Bergdorf als Landarzt mit ebenso großem Geschick jahrzehntelang tätig gewesen ist, kann die heimatliche Praxis nach einer Herzattacke nicht länger weiterführen. Max war damals nicht ganz im Frieden von zu Hause geschieden, und jetzt überlagern sich bei ihm verschiedene existentielle Gefühle. In Afrika hat er eine wirkliche Lebensaufgabe gefunden. In der Heimat wird er dringend benötigt. Die Ärztin, der seine große Liebe gilt, wirkt mit ihm gemeinsam auf der Missionsstation und ist inzwischen fest verwurzelt auf dem afrikanischen Kontinent. Dr. Max Brinkmeier muß sich entscheiden – und Sie erwartet die spannendste, gefühlvollste Arztromanserie! Die beliebte Schriftstellerin Sissi Merz erreicht in diesen eindrucksvollen Romanen den Höhepunkt ihres Schaffens. »Ist der Doktor noch net daheim?« Afra, die betagte Hausperle, maß Dr. Josef Brinkmeier mit einem Blick, aus dem ziemlich gemischte Gefühle sprachen. »Es sind schon drei Tage …« Der alte Landarzt seufzte leise. Er trank einen Schluck Kaffee und murmelte: »Wir müssen ihn in Ruh lassen, Afra. Zwingen kannst den Max momentan zu nix. In seiner Lage …« »Aber im Grunde genommen hat sich doch nix geändert«, hielt Afra ihm entgegen. »Die Julia ist net erst seit gestern krank.« »Schon. Trotzdem ist es jetzt ärger als zuvor.« Josef kraulte Zamperl, seinen Hund, der ihm den Kopf aufs Bein gelegt hatte, gedankenverloren. »Es ist der Julia stetig ein bissel besser gegangen in den vergangenen Wochen. Freilich gab es manchen Rückschlag. Aber der Herzstillstand, ja mei, das hätte auch ganz anders ausgehen können. er net an Julias Bett wacht, verstehst?« Das flinke alte Weibel schüttelte den Kopf. »Na, das versteh ich net.

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Dr. Brinkmeier Classic – 33 –

Am Tag, als Magda wiederkam...

Sissi Merz

»Ist der Doktor noch net daheim?« Afra, die betagte Hausperle, maß Dr. Josef Brinkmeier mit einem Blick, aus dem ziemlich gemischte Gefühle sprachen. »Es sind schon drei Tage …«

Der alte Landarzt seufzte leise. Er trank einen Schluck Kaffee und murmelte: »Wir müssen ihn in Ruh lassen, Afra. Zwingen kannst den Max momentan zu nix. In seiner Lage …«

»Aber im Grunde genommen hat sich doch nix geändert«, hielt Afra ihm entgegen. »Die Julia ist net erst seit gestern krank.«

»Schon. Trotzdem ist es jetzt ärger als zuvor.« Josef kraulte Zamperl, seinen Hund, der ihm den Kopf aufs Bein gelegt hatte, gedankenverloren. »Es ist der Julia stetig ein bissel besser gegangen in den vergangenen Wochen. Freilich gab es manchen Rückschlag. Aber der Herzstillstand, ja mei, das hätte auch ganz anders ausgehen können. Und jetzt hat der Bub Angst, dass wieder was geschieht, wenn

er net an Julias Bett wacht, verstehst?«

Das flinke alte Weibel schüttelte den Kopf. »Na, das versteh ich net. Wennst mich fragst, ist das Ganze nur noch spinnert. Wieso macht der Max net Schluss? Die Frau hat ihm nur Kummer gebracht. Und ich bin sicher, dass sich daran auch nix ändern wird. Sie will ja net einmal mehr mit ihm leben.«

»Aber die beiden waren zehn Jahre lang ein Paar. So was kann man net einfach beiseiteschieben. Außerdem haben sie sich nach wie vor lieb. Auch wenn der Max hier in Wildenberg arbeitet und die Julia auf der Missionsstation in Afrika.«

Afra winkte ab. »Das sind doch nur Worte. Wenn sie unseren Doktor wirklich lieb hätte, dann wäre sie mit ihm gegangen, als er die Praxis hier übernommen hat. Sie hat sich net entscheiden können. Und das sagt meiner Meinung nach alles!« Damit verließ sie die Stube und überließ Brinkmeier senior seinen recht trüben Gedanken. In gewisser Weise hatte die Hauserin ja Recht. Bedachte Josef, was sein älterer Sohn in den vergangenen Monaten alles hatte durchmachen müssen, dann kam er zu dem Schluss, dass Max’ Liebe zu Julia ihm tatsächlich mehr schadete als nützte.

Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Vor mehr als zehn Jahren hatte der junge Max Brinkmeier, eben mit dem Studium fertig, seine schöne Kollegin Dr. Julia Bruckner nach Ruanda begleitet. Für die anmutige Ärztin, die Max’ große Liebe war, hatte bereits während des Studiums festgestanden, dass sie in die Entwicklungshilfe gehen wollte. Julia war ein Scheidungskind, hatte während ihrer Schulzeit ein enges Verhältnis zu ihrem Onkel aufgebaut, der eine Herzklinik in München leitete. Er war zu ihrem Vorbild geworden, er hatte sie dazu inspiriert, Medizin zu studieren. Ihr Wunsch, Menschen zu heilen und zu helfen, war aber noch weiter gegangen. Julia wollte sich um die Ärmsten kümmern, um Menschen ohne Hoffnung und Zukunft. Ein wenig hatte sie sich als Kind auch so gefühlt. Und allein deshalb war die Arbeit in der Entwicklungshilfe für sie eine wahre Berufung gewesen.

Die gemeinnützige Organisation »Ärzte für Afrika« hatte das Paar zu einer vergessenen Missionsstation mitten im ruandischen Hochland geschickt. Damals waren die Spuren des Bürgerkriegs noch überall deutlich zu sehen. Holy Spririt hatte im Krieg als Auffangstation für Flüchtlinge gedient. Verwundete, hungernde Menschen waren hier mit Nahrung versorgt und notdürftig medizinisch behandelt worden. Der Standard war niedrig, die frommen Schwestern hatten immer wieder improvisieren müssen. Erst Julia und Max hatten durch ihre unermüdliche Fleißarbeit ein funktionierendes Buschhospital aus der Station gemacht. Max hatte von Anfang an gewusst, dass Julia Holy Spirit nicht wieder verlassen würde, dass sie die Station als ihr Lebenswerk betrachtete. Er selbst hatte ein wenig differenzierter dazu gestanden. Die Arbeit in Afrika war für den engagierten Mediziner eine wichtige Erfahrung gewesen. Doch er hatte nicht gezögert, nach Wildenberg zurückzukehren, als es nötig geworden war.

Josef dachte nicht gern an diese Zeit zurück, als es ihm gesundheitlich sehr schlecht gegangen war. Er hatte die Praxis aus Verzweiflung sogar zusperren wollen, denn er hatte nicht wirklich mit Max’ Rückkehr gerechnet. Als er dann vor seiner Tür gestanden und ganz selbstverständlich die Arbeit übernommen hatte, war Brinkmeier senior natürlich erleichtert und glücklich gewesen. Doch einen Wermutstropfen gab es dabei. Josef wusste, wie sehr Max Julia vermisste. Sein Sohn hatte ihm erzählt, dass er die schöne Kollegin bereits in Afrika immer wieder gebeten hatte, die Seine zu werden. Doch Julia zögerte, die Erinnerung an die unglückliche Ehe der Eltern, den frühen Tod der Mutter, ließ sie nicht los.

Trotzdem war die Trennung auf Dauer für Julia unerträglich. Mehrfach hatten sie und Max sich wieder gesehen, eine Weile war sie sogar in Wildenberg geblieben, hatte zusammen mit dem jungen Brinkmeier praktiziert. Dachte Josef an diese Zeit zurück, war er überzeugt, dass sie die glücklichste für Max gewesen war, seit seiner Rückkehr aus Afrika. Doch auch sie war nicht von Dauer gewesen, immer wieder hatte es Julia nach Afrika gezogen. Und Max war unglücklich zurückgeblieben.

Vor einer Weile hatte die schöne Ärztin sich dann mit einer aggressiven Abart des Gelbfiebers infiziert und lange um ihr Leben gekämpft. Sie hatte überlebt, doch einen Herzfehler davongetragen. Hätte ihr Kollege Tom Kennedy sie nicht nach Deutschland in die Klinik ihres Onkels gebracht, wären die Chancen auf eine langfristige Genesung minimal gewesen. Nun befand Julia sich bereits seit Wochen in München, doch ihr Zustand war nach wie vor ernst. Ob sie wieder gesund wurde, stand in den Sternen.

Vor ein paar Tagen hatte die Kranke sogar einen Herzstillstand erlitten. Prof. Leopold Bruckner hatte seine Nichte im letzten Moment retten können. Seither lag sie bewusstlos auf der Intensivstation. Und Max wachte an ihrem Bett. Der schwere Rückfall der geliebten Frau hatte ihn ganz aus der Bahn geworfen.

Josef hoffte von Herzen, dass es Julia bald besser ging. Ihre Erkrankung stellte auch für Max eine Zerreißprobe dar, der er schon zu lange Stand halten musste. Der junge Landarzt war kaum noch in der Lage, seinen Alltag zu meistern und seine Pflichten zu erfüllen, denn die große Sorge um Julia ließ keinen Platz mehr für anderes.

Mit einem Seufzer erhob Josef sich und sagte zu Zamperl: »Komm, jetzt machen wir rasch unsere Runde, und hernach muss ich die Praxis aufmachen. Auch wenn der Max es net gern sieht, einer sollte sich schon um unsere Patienten kümmern …«

Eine Weile später betrat der alte Landarzt die Praxis, die sich im Erdgeschoss des Doktorhauses befand. Christel Brenner, altgediente Arzthelferin und seit langem mit der Familie Brinkmeier freundschaftlich verbunden, warf ihrem ehemaligen Chef einen strengen Blick zu. Noch ehe sie etwas sagen konnte, meinte der aber: »Ich weiß selbst, dass das net die ideale Lösung ist. Aber was soll ich denn sonst machen?« Er ging hinüber ins Sprechzimmer, Christel folgte ihm. Sie war eine wuselige kleine Person mit einem grauen Haarschopf und wirkte sehr agil. »Wann kommt der Max denn endlich heim?«, fragte sie drängend. »So kann es doch net weitergehen. Du steuerst wieder auf eine Krise zu, Doktor, wennst weiterhin das volle Programm absolvierst.«

»Ich schaffe das schon. Die Hausbesuche übernimmt der Haselbeck, ich hab’s gestern so mit ihm abgesprochen. Und ich bin sicher, dass der Max bald aus München zurückkommt.«

»Klingt akkurat so, als hättest auch noch eine Freud’ an diesem unhaltbaren Zustand«, warf Christel ihm vor.

»Schmarrn. Ich verstehe nur, was der Max durchmacht. Damals, als ich meine Walburga hab’ hergeben müssen, da konnte ich auch nimmer klar denken. Das ganze Dasein war mir einerlei. Am liebsten hätte ich mich zur Walli gelegt und dem Leben Ade gesagt. Dem Max ergeht es net viel anders. Zwar kann die Julia wieder gesund werden, aber es könnte auch anders enden.«

»Weiß er das denn? Ich dachte, er ist optimistisch.«

»Ach, Christel, der Max ist in

erster Linie Mediziner. Er macht sich vielleicht was vor, weil er die Wahrheit net ertragen könnte. Aber er weiß freilich, dass er die Julia jederzeit verlieren kann. Als sie den Herzstillstand hatte, da hätte es schon soweit sein können. Und das hat ihm einen argen Schock versetzt. So was soll nimmer geschehen, verstehst?«

»Trotzdem kann er net die

nächsten Wochen und Monate an ihrem Bett hocken. Er muss sich am Riemen reißen, find ich.«

»Hast schon Recht. Aber lassen wir ihm noch ein bissel Zeit«, schlug Josef nachsichtig vor. »Er wird sich fangen, da bin ich sicher. Und jetzt schickst mir bitt’ schön den ersten Patienten herein. Wir sind ja schließlich zum Arbeiten hier, gelt?«

Man sah Christel Brenner an, dass sie mit dem momentanen Zustand alles andere als zufrieden war. Doch sie musste einsehen, es gab keine Alternative. Solange Max sich nicht wieder gefangen hatte, musste es im Doktorhaus von Wildenberg eben irgendwie weitergehen, wie auch immer …

*

Anna Stadler führte in Wildenberg die Rosenapotheke, die sie vor ein paar Jahren von ihren Eltern übernommen hatte. Die hübsche junge Blondine war von Kindesbeinen an mit Max Brinkmeier befreundet. Seit er die Praxis von seinem Vater übernommen hatte, verband die beiden ein inniges Verhältnis. Max wusste, dass Anna ihn lieb hatte, und er mochte sie sehr. Doch er hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass sein Herz Julia Bruckner gehörte.

In der jetzigen Situation stand Anna Max nach Kräften bei. Sie stellte ihre eigenen Empfindungen hintenan, war ganz für den Mann da, der ihr alles hätte sein können. Und sie machte sich an diesem diesigen, kalten Wintermorgen so ihre Gedanken.

Anna wusste, dass Max seit ein paar Tagen in München war. Sie war bei ihm gewesen, als die schreckliche Nachricht gekommen war. Seit langem hatten sie mal wieder ein freies Wochenende dazu genutzt, zusammen Ski laufen zu gehen. Am frühen Nachmittag war Josef aufgetaucht, er hatte einen Anruf aus der Klinik von Prof. Bruckner erhalten. Nie würde Anna die Verzweiflung und Hilflosigkeit in Max’ Augen vergessen. In diesen schlimmen Momenten war er ihr ganz fremd gewesen. Da hatte sie nichts für ihn tun können, kein Wort, keine Geste, das ihn erreicht hätte. Da war nur Julia gewesen, die Angst um sie, die tiefe Liebe und Verbundenheit. Diese Erkenntnis hatte Anna lange zu schaffen gemacht. Fast war sie entschlossen gewesen, sich von Max fernzuhalten. Zumindest solange, bis feststand, wie es zwischen ihnen noch weitergehen konnte.

Aber jetzt machte sie sich Sorgen um ihn. Sie konnte nicht nur an sich denken, sie musste Max helfen, für ihn da sein. Auch wenn sie am Ende vielleicht mit leeren Händen dastand. Ihr liebendes Herz ertrug es nicht, untätig zuzusehen, wie der junge Landarzt litt, das schaffte sie nicht.

Susi Angerer, Annas einzige Angestellte, rumorte im Lager. Es herrschte kaum Betrieb, weshalb die hübsche Blondine beschloss, auf einen Sprung im Doktorhaus vorbeizuschauen. Sie musste einfach Gewissheit haben. Und vielleicht konnte sie ja doch irgendwie helfen.

»Susi, ich geh mal kurz rüber zum Doktor, es dauert net lang«, ließ sie das Madel wissen, das gerade einen Karton mit Hustensaft öffnete. »Wenn was ist …«

»Lassen Sie sich nur Zeit, Chefin«, meinte diese. »Heut ist eh net viel los. Ich werde die Stellung schon halten.«

»Das ist lieb von dir, Susi. Bis gleich.« Anna wandte sich zum Gehen, als sie ihre Angestellte fragen hörte: »Wie soll denn das jetzt weitergehen? Wird der Doktor die Praxis schließen?«

Sie drehte sich noch einmal um und forschte: »Was soll denn das heißen? Wie kommst auf so einen Gedanken, Susi?«

»Ja mei …« Das Madel lächelte ein wenig verlegen. »Es wird halt so allerlei geredet im Dorf. Die Leut sagen, dass der junge Brinkmeier es net der’packt. Der Kummer wegen seiner Freundin macht ihm doch so sehr zu schaffen. Und es heißt, er wird gemütskrank. Jetzt muss schon der Alte einspringen, weil sein Sohn nimmer arbeiten mag. Wer weiß, wohin das führt …«

»So ein dummes Gerede«, ärgerte Anna sich. »Das will ich in meinem Laden net hören, hast mich? Der Max macht eine schwere Zeit durch, aber das bedeutet noch lange net, dass er gleich aufgibt. Das ist nämlich net seine Art, hörst?«

»Bitt’ schön, Chefin, seien Sie mir net bös. Ich denk bestimmt net so. Aber die Leut machen sich halt ihre Gedanken. Es war doch von Anfang an net klar, ob wir unseren Landarzt behalten können, oder? Hat er net oft daran gedacht, wieder fortzugehen? Ich mein, das kann man ja auch begreifen …«

»Der Max hat sich entschlossen, die Praxis von seinem Vater zu übernehmen, und dazu steht er auch. Jeder Mensch macht schwere Zeiten durch. Und der Max ist kein Supermann. Das ist aber noch lange kein Grund, über ihn herzuziehen«, regte Anna sich auf, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte aus dem Laden.

Während sie durch die feuchte, kalte Winterluft ging, wurde ihr der Kopf langsam wieder klar. Einen Moment lang blieb sie noch vor dem Doktorhaus stehen und warf einen Blick in die Runde. Der Himmel war trüb, schwere Wolken zogen tief und vermischten sich mit Nebel, der in bizarren Fetzen um die schroffen Felsen des Untersbergs waberte. Die Welt schien in Tristesse zu versinken, aber Anna war entschlossen, sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Sie würde Max wieder auf die Beine helfen. Und sie ahnte, dass sie Susi nur deshalb so angefahren hatte, weil diese den Finger in die Wunde gelegt hatte.

Max ließ sich hängen, er war offenbar nicht mehr in der Lage, mit dem umzugehen, was ihn niederdrückte. Und es wurde höchste Zeit, dass ihn jemand aufrichtete. Er sollte zumindest wieder den schwachen Trost erfahren, den das Eingebundensein in die täglichen Pflichten mit sich brachte.

Christel Brenner begrüßte die junge Apothekerin freundlich und ließ sie wissen: »Gut, dass du kommst, der Doktor übertreibt es mal wieder. Er will’s net zugeben, aber die Vertretung ist ganz nach seinem Geschmack. Dass er sich übernimmt und nachher wieder Herzbeschwerden hat, scheint ihm dabei einerlei zu sein.«

»Ich werde mit ihm reden, deshalb bin ich gekommen«, erwiderte Anna. »Eigentlich ist es mir um den Max gegangen, aber wo ich grad da bin … Hängt eh eins am anderen.«

»Wem sagst das. Soll ich mal ehrlich sein? Ich glaub, der Max könnte jetzt glücklicher sein, wäre ihm die Julia nie über den Weg gelaufen. Klingt hart, ich weiß. Aber wennst überlegst, wie viel Kummer sie ihm schon gemacht hat, das geht fei auf keine Kuhhaut, net wahr?«

Anna sagte dazu nichts, sie lächelte nur schmal und betrat dann das Sprechzimmer. Josef Brinkmeier machte gerade einen Eintrag in eine Patientendatei. Er freute sich stets, die junge Frau zu sehen, und bat: »Warte kurz, bin gleich für dich da.«

»Ist schon recht, lass dir nur Zeit, Josef.«

Er warf ihr einen fragenden Blick zu. »Bist vielleicht hier, um mich daran zu erinnern, dass ich eigentlich schon Rentner bin? Dann hättest dir den Weg fei sparen können, denn das weiß ich selber. Nutzen tut’s mir allerdings wenig.«

»Darüber hab’ ich mit dir reden wollen, Josef. Was ist los mit dem Max, wieso kommt er net heim und macht seine Arbeit? Seit er wieder in Wildenberg ist, hat er sich noch nie so egoistisch verhalten. Ich finde, einer müsste ihm mal ins Gewissen reden.«

»Ich kann dir net widersprechen, Anna. Aber ich verstehe auch den Max. Er macht viel durch …«

»Das ist doch keine Entschuldigung. Er hat hier seine Patienten, die verlassen sich auf ihn.«