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Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht. Im Laufschritt betrat Dr. Robert Daniel die Steinhausener Waldsee-Klinik. Eigentlich hätte er den lauen Herbstabend mit seiner Frau Manon und seinem kleinen Adoptivtöchterchen Tessa auf dem heimatlichen Balkon genießen wollen, doch ein alarmierender Anruf aus der Klinik hatte ihn hierher gehetzt. »Robert, gut, daß Sie so schnell kommen konnten«, rief die Gynäkologin der Klinik, Dr. Alena Reintaler, erleichtert. »Fräulein Neubert ist gerade in den Untersuchungsraum gebracht worden.« Dr. Daniel runzelte erstaunt die Stirn. »Eva-Maria Neubert?« vergewisserte er sich, während er Alena in die Gynäkologie folgte. Eine Antwort auf seine Frage erübrigte sich, denn jetzt betrat Dr. Daniel den Raum, wo sich Eva-Maria mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Untersuchungsliege zusammenkrümmte. Mit einem Schritt war Dr. Daniel bei ihr und nahm die Binde weg, die sich das junge Mädchen zwischen die Beine geklemmt hatte und die nun vollständig durchgeblutet war. Forschend sah Dr. Daniel das junge Mädchen an. »Eva-Maria, bist du schwanger?« Sie preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, doch dabei huschte eine verräterische Röte über ihr blasses Gesicht. »Ich muß dich untersuchen, Eva-Maria«, erklärte Dr. Daniel, während er sich schon Plastikhandschuhe überstreifte. Eva-Maria wimmerte leise vor sich hin, während der Arzt die Untersuchung vornahm. Dann streifte Dr. Daniel die Handschuhe ab und warf sie in den Abfall-eimer. »Du warst ja doch schwanger.« Wieder sah er das junge Mädchen ernst an. »Sei ehrlich, Eva-Maria. Hast du versucht, das Kind wegzumachen?« Heftig schüttelte sie den Kopf. »Ich habe plötzlich Bauchschmerzen bekommen, und dann hat es angefangen zu bluten. Bitte, Herr Doktor, das müssen Sie mir glauben.« »Natürlich glaube ich dir«, versicherte
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Seitenzahl: 109
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Im Laufschritt betrat Dr. Robert Daniel die Steinhausener Waldsee-Klinik. Eigentlich hätte er den lauen Herbstabend mit seiner Frau Manon und seinem kleinen Adoptivtöchterchen Tessa auf dem heimatlichen Balkon genießen wollen, doch ein alarmierender Anruf aus der Klinik hatte ihn hierher gehetzt.
»Robert, gut, daß Sie so schnell kommen konnten«, rief die Gynäkologin der Klinik, Dr. Alena Reintaler, erleichtert. »Fräulein Neubert ist gerade in den Untersuchungsraum gebracht worden.«
Dr. Daniel runzelte erstaunt die Stirn.
»Eva-Maria Neubert?« vergewisserte er sich, während er Alena in die Gynäkologie folgte.
Eine Antwort auf seine Frage erübrigte sich, denn jetzt betrat Dr. Daniel den Raum, wo sich Eva-Maria mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Untersuchungsliege zusammenkrümmte. Mit einem Schritt war Dr. Daniel bei ihr und nahm die Binde weg, die sich das junge Mädchen zwischen die Beine geklemmt hatte und die nun vollständig durchgeblutet war.
Forschend sah Dr. Daniel das junge Mädchen an. »Eva-Maria, bist du schwanger?«
Sie preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, doch dabei huschte eine verräterische Röte über ihr blasses Gesicht.
»Ich muß dich untersuchen, Eva-Maria«, erklärte Dr. Daniel, während er sich schon Plastikhandschuhe überstreifte.
Eva-Maria wimmerte leise vor sich hin, während der Arzt die Untersuchung vornahm. Dann streifte Dr. Daniel die Handschuhe ab und warf sie in den Abfall-eimer.
»Du warst ja doch schwanger.« Wieder sah er das junge Mädchen ernst an. »Sei ehrlich, Eva-Maria. Hast du versucht, das Kind wegzumachen?«
Heftig schüttelte sie den Kopf. »Ich habe plötzlich Bauchschmerzen bekommen, und dann hat es angefangen zu bluten. Bitte, Herr Doktor, das müssen Sie mir glauben.«
»Natürlich glaube ich dir«, versicherte Dr. Daniel, dann sah er Alena an. »Sofort OP bereitmachen. Es war offensichtlich keine vollständige Fehlgeburt. Ein Teil der Plazenta muß im Uterus zurückgeblieben sein.« Er wandte sich dem jungen Mäd-chen wieder zu. »Keine Angst, Eva-Maria. Du wirst jetzt ein bißchen schlafen, und wenn du aufwachst, ist alles wieder gut.«
Aufmerksam betrachtete er das Mädchen, dann griff er nach ihrem Handgelenk, um den Puls zu messen.
»90«, murmelte er besorgt, während er eiligst das Blutdruckmeßgerät holte. »100 zu 60.« Instinktiv ahnte er, wo er nach dem Grund für den drohenden Schockzustand suchen mußte, und tastete vorsichtig den Bauch der Patientin ab. Der Befund bestätigte seinen Verdacht. Rasch wandte er sich der eintretenden Schwester zu, die Eva-Maria in den Operationssaal bringen wollte. »Bianca, holen Sie mir schnellstens ein Infusionsbesteck.«
»Was ist los, Robert?« wollte der Anästhesist Dr. Jeffrey Parker wissen, der unbemerkt den Raum betreten hatte. »Ich dachte, wir bekommen einen Notfall ins OP?«
»Bekommen wir auch«, entgegnete Dr. Daniel. »Aber die Behandlung des Schocks ist im Moment vorrangig. Die Patientin hat vermutlich innere Blutungen.«
Dr. Parker nickte. »Ich kümmere mich darum.«
»Danke, Jeff. Ich gehe inzwischen in den Waschraum, damit ich nachher gleich mit der Operation beginnen kann.«
Während Dr. Daniel das Zimmer verließ, kontrollierte Dr. Parker noch einmal Puls und Blutdruck. Die Pulsfrequenz lag bereits bei 120, während der Blutdruck noch weiter unter 100 abgefallen war. Rasch und geschickt legte Dr. Parker die Infusion.
»Und jetzt ab mit ihr in den OP«, ordnete er an. »Aber schnell.«
Er half Schwester Bianca, die fahrbare Trage in den Operationssaal zu bringen, dann ließ er sich von der OP-Schwester Petra Dölling keimfreie Handschuhe überstreifen, nahm die vorbereitete Spritze entgegen und preßte deren Inhalt direkt in die Infusionskanüle, die er zuvor gelegt hatte. Das Medikament wirkte rasch und ließ Eva-Maria einschlafen, während Dr. Parker noch einmal Puls und Blutdruck kontrollier-
te.
»Wie sieht’s aus?« wollte Dr. Daniel wissen, der jetzt in Alenas Begleitung in den Operationssaal kam.
»Nicht besonders«, antwortete Dr. Parker. »Die Infusion bringt leider nur wenig.« Er trat an das Kopfende des OP-Tisches und begann mit der Instubation.
»Tubus ist drin«, erklärte er schließlich. »Sie können anfangen, Robert.«
Dr. Daniel streckte die rechte Hand aus und bekam von der OP-Schwester ohne Aufforderung das Skalpell gereicht. Er führte den Bauchschnitt durch, dann setzte Alena die Operationshaken an.
»Meine Güte«, stieß sie hervor, als sie einen ersten Blick auf das Operationsfeld werfen konnte. »Wie kann eine Fehlgeburt zu so massiven intraabdominalen Blutungen führen?«
Dr. Daniel seufzte. »Ich fürchte, Eva-Maria hat mich belogen. Vermutlich hat sie versucht abzutreiben und dabei die Gebärmutterwand durchstoßen.«
Währenddessen hatte die OP-Schwester schon begonnen abzusaugen, doch es dauerte eine Weile, bis Dr. Daniel freie Sicht bekam.
»Uterusperforation durch…« Der Arzt stockte. »Oh, das ist ja die Spirale… und ich dachte…« Er beendete den Satz nicht, sondern entfernte die Spirale, die sich durch die Muskulatur der Gebärmutter gebohrt und damit zu den extremen inneren Blutungen geführt hatte.
»Petra, noch einmal absaugen, bitte.«
Die OP-Schwester kam Dr. Daniels Aufforderung nach, dann warf der Arzt einen kurzen Blick zum Anästhesisten.
»Wie sieht’s jetzt aus, Jeff?« wollte er wissen.
Dr. Parker zuckte die Schultern. »Noch immer nicht gut, aber etwas stabiler.«
Dr. Daniel behob den Schaden, den die Spirale bei der Gebärmutter angerichtet hatte, doch trotzdem sickerte noch immer weiter Blut in den Bauchraum.
»Sie sackt wieder ab«, knurrte Dr. Parker. »Mensch, Mädchen, mach doch keinen Mist.« Er nahm eine der bereitgestellten Blutkonserven, schloß die Infusion an und regelte die Tropfgeschwindigkeit. Über einen weiteren Zugang bekam die Patientin Kochsalzlösung, doch das Ergebnis war unbefriedigend. Der Blutdruck war noch immer bedenklich niedrig. »Er liegt jetzt bei sechzig. Der zweite Wert ist nicht mehr meßbar.«
»Die zurückgebliebene Plazenta scheint ebenfalls Blutungen zu verursachen«, erklärte Alena.
Dr. Daniel nickte. »Das kann aber nicht das einzige sein.« Er warf Dr. Parker einen kurzen Blick zu. »Geben Sie ihr Ergometrin.« Er konzentrierte sich wieder auf das Operationsfeld, und plötzlich erkannte er, daß die verirrte Spirale noch ganz andere Schäden angerichtet hatte. »Ich hab’s. Kein Wunder, daß Sie die Patientin nicht stabil kriegen.« Ohne von seiner Arbeit aufzusehen, fuhr er fort: »Petra, lassen Sie meinen Sohn rufen. Ich brauche hier noch mehr Hände.«
Schwester Petra gab die Anweisung weiter und stand wenig später wieder am OP-Tisch, um Dr. Daniel weiter zu assistieren. Auch sein Sohn Stefan ließ nicht lange auf sich warten. In knappen Worten informierte Dr. Daniel ihn, dann übernahm Stefan von Alena die Operationshaken, während die junge Gynäkologin Dr. Daniel half, die vielen kleinen Wunden zu schließen, die die verirrte Spirale gerissen hatte.
»Sie kollabiert!« rief Dr. Parker in diesem Moment.
Dr. Daniel brauchte nicht eine Sekunde, um zu einem Entschluß zu kommen.
»Alena, legen Sie einen arteriellen Zugang«, ordnete er an, dann wandte er sich Dr. Parker zu. »Geben Sie ihr das Blut im Druckbeutel.«
Alena und der Anästhesist kamen der Aufforderung unverzüglich nach, während Dr. Daniel nun allein versuchte, der vielen Blutungen in Eva-Marias Körper Herr zu werden, doch der Zustand der Patientin blieb weiterhin bedenklich.
»Alena, geben Sie ihr einen Milliliter Atropin«, ordnete Dr. Daniel an, ohne von seiner Arbeit aufzublicken, dann wandte er sich an die OP-Schwester. »Petra, bereiten Sie eine Doparmin-Infusion vor.«
»Multifokale Extrasystolen!« rief Dr. Parker.
»Auch das noch«, knurrte Dr. Daniel und warf einen Blick auf den Monitor, der anzeigte, daß Eva-Marias Herz den Belastungen nicht mehr standhielt. »Jeff, spritzen Sie der Patientin hundert Milligramm Lidocain intravenös.«
Der schrille Piepton, der im nächsten Augenblick vom Monitor ertönte, fuhr allen Ärzten in die Glieder. Herzstillstand!
»Den Defibrillator!« rief Dr. Daniel, doch die OP-Schwester stand schon bereit und reichte ihm die beiden Defibrillatorpaddel.
»Auf 260 laden«, kommandierte Dr. Daniel, dann drückte er die Defebrillatorpaddel auf Eva-Marias Brust. »Zurücktreten!« Er bestägte den Knopf, der einen kurzen Stromstoß durch den Körper der Patientin jagte. Noch immer schrillte der entsetzliche Piepton durch den Raum.
»300!« rief Dr. Daniel und wiederholte das Manöver. Der schrille Pfeifton verstummte und machte dem regelmäßigen Piepen Platz, das anzeigte, daß das Herz seine Arbeit wieder aufgenommen hatte.
»Wir haben sie«, stieß Dr. Daniel hervor, und die Erleichterung war ihm dabei deutlich anzuhören.
»Der Blutverlust ist noch immer enorm hoch«, gab Alena zu bedenken.
»Geben Sie ihr eine weitere Konserve«, ordnete Dr. Daniel an. »Ich muß zusehen, daß ich die Blutungen endlich zum Stillstand bringe.«
»Blutdruck ist noch immer nicht meßbar«, erklärte Dr. Parker.
Dr. Daniel erwiderte nichts. Er wußte, daß Eva-Marias Leben am seidenen Faden hing, und wenn es ihm nicht gelang, die vielen kleinen Wunden zu schließen und damit die Blutung zu stoppen, bevor ihr Herz ein weiteres Mal versagte, würden wohl alle Wiederbelebungsversuche versagen.
»Kammerflimmern!« rief Dr. Parker.
»Halte durch, Mädchen«, murmelte Dr. Daniel wie beschwörend vor sich hin. »Ich hab’s ja gleich.«
Diesmal war es Dr. Parker, der den Defibrillator betätigte, und er brauchte schon doppelt so viele Versuche wie Dr. Daniel zuvor, obwohl es noch nicht einmal zu einem Herzstillstand gekommen war.
»Ein drittes Mal kriegen wir sie nicht mehr«, prophezeite er, aber das wußte auch Dr. Daniel. Es grenzte fast an ein Wunder, daß es Dr. Parker überhaupt noch gelungen war, den Herzschlag der Patientin wieder stabil zu bekommen.
Angestrengt blickte Dr. Daniel auf das Operationsfeld, doch es schien, als wäre es ihm nun endlich gelungen, sämtliche Wunden zu schließen.
»Blutdruck ist wieder meßbar«, meldete sich Dr. Parker in diesem Moment. »Siebzig zu
fünfzig. Nicht berauschend, aber immerhin.«
Dr. Daniel atmete auf. »Ich glaube, wir haben’s geschafft.« Noch einmal vergewisserte er sich, ob wirklich kein Blut mehr in den Bauchraum trat, dann sah er seinen Sohn an. »Stefan, du kannst die Wunde schließen. Ich muß mich jetzt um die Reste der Plazenta kümmern.«
Die Beine der Patientin wurden vorsichtig auf die speziellen Bügel gelegt, um Dr. Daniel die nötige Sicht zu verschaffen. Vorsichtig begann er, mit Dehnungsstiften die Zervix zu weiten, dann führte er die Kürette ein und nahm die Ausschabung vor.
Währenddessen hatte Stefan den Bauchschnitt geschlossen.
»Das war ziemlich knapp«, meinte er.
Dr. Daniel war jetzt ebenfalls fertig und erhob sich. »Das kann man wohl sagen. Eine halbe Stunde später, und sie wäre uns auf dem Tisch weggestorben. Mit achtzehn Jahren – sie ist ja noch ein halbes Kind.« Er betrachtete die Reste der Fehlgeburt und schüttelte verständnislos den Kopf. »Sie muß bestimmt schon im dritten Monat gewesen sein. Ich verstehe das nicht. Sie muß doch gewußt haben, daß die Spirale immer noch in der Gebärmutter war.«
Stefan runzelte die Stirn. »Sie trug eine Spirale? Wie konnte sie dann überhaupt schwanger werden?«
»So etwas kommt vor«, entgegnete Dr. Daniel. »Sehr selten, aber es kann doch passieren. Jede Verhütungsmethode hat eine gewisse Fehlerquote.« Er seufzte. »Wenn sie sich wieder erholt hat, werde ich noch eingehend mit ihr über all das sprechen müssen.« Er wandte sich seinem Sohn zu. »Stefan, bring’ sie vorerst mal auf Intensiv. Ich will kein Risiko eingehen.« Dann sah er auf die Uhr. »Ich werde noch hierbleiben, bis sie das erste Mal zu sich kommt.«
*
Es war schon beinahe Mitternacht, als Eva-Maria die Augen öffnete. Dr. Daniel beugte sich über sie.
»Hast du Schmerzen, Eva-Maria?« fragte er.
Das junge Mädchen öffnete den Mund, doch nur ein heiseres Krächzen kam hervor.
»Du mußt nicht sprechen«, erklärte Dr. Daniel. »Nicken oder Kopfschütteln genügt.«
Eva-Maria brachte ein schwaches Nicken zustande, dann versuchte sie, eine Hand zu heben, um Dr. Daniel zu zeigen, wo sie Schmerzen hatte, doch die Nachwirkungen der Narkose ließen noch keine koordinierten Bewegungen zu.
»Nur nicht anstrengen, Eva-Maria«, meinte Dr. Daniel. »Ich kann mir schon vorstellen, wo du Schmerzen hast.« Er zog eine Spritze auf und injizierte das Medikament direkt in die Infusionskanüle. »Es wird gleich besser werden, mein Kind.«
Tränen rollten über Eva-Marias blasse Wangen. Dr. Daniel griff nach einem Papiertaschentuch und wischte sie vorsichtig weg.
»Nicht weinen, Mädchen, es kommt alles wieder in Ordnung.« Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Deine Eltern lassen dich ganz lieb grüßen. Sie kommen dich morgen besuchen.« Er streichelte sanft über ihr langes blondes Haar, dann kontrollierte er an dem speziellen Thermometer noch die Temperatur der Patientin. Sie war leicht erhöht, doch das besagte nach dem schweren Eingriff, den Eva-Maria hinter sich hatte, nicht viel.
Dr. Daniel wartete noch, bis sie wieder eingeschlafen war, dann verließ er die Intensivstation.
»Sie scheinen das Mädchen sehr gut zu kennen«, stellte Dr. Parker fest, der heute die Nachtschicht hatte und auf seinem Rundgang auch zur Intensivstation gekommen war, obwohl er gewußt hatte, daß Dr. Daniel noch hier war. Aber auch dem jungen Anästhesisten hatte die Sorge um die Achtzehnjährige keine Ruhe gelassen.
Jetzt nickte Dr. Daniel. »Eva-Maria war eines der ersten Babys, die ich in meiner Eigenschaft als Gynäkologe hier in Steinhausen auf die Welt geholt habe.« Er warf einen Blick durch die Glasscheiben der Intensivstation. »Jetzt wäre sie an ihrer ersten Schwangerschaft beinahe gestorben.«
»Sie wußten weder etwas von dieser Schwangerschaft noch von der Spirale, die sie immer noch trug«, stellte Dr. Parker fest. »Gehört Fräulein Neubert denn nicht zu Ihrem Patientenkreis?«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist vor knapp einem Jahr zu meiner Kollegin in die Kreisstadt gewechselt. Wahrscheinlich hatte sie auf einmal Bedenken, sich von einem Mann an ihren intimsten Stellen untersuchen zu lassen. Viele Mädchen entwickeln in dieser Richtung plötzlich starke Schamgefüh-
le.«
Dr. Parker dachte eine Weile nach, dann lächelte er. »Irgendwie kann ich das verstehen. Wenn ich mir vorstelle, ich müßte mich von einer Urologin untersuchen lassen…, ich glaube, da hätte ich auch Hemmungen, mich vor ihr auszuziehen.«