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Allein mit dir
Dr. Holl und ein Vater zwischen Glück und Leid
Von Katrin Kastell
Seit dem positiven Schwangerschaftstest hat sich Alexander Zeissberg gemeinsam mit seiner Frau Katharina auf die Ankunft ihres Wunschkinds gefreut. Sie haben Fachbücher gewälzt, Ratgeber gelesen und das Kinderzimmer mit viel Liebe hergerichtet. Jetzt ist alles bereit für die sehnlichst erwartete kleine Erdenbürgerin!
Doch während der Geburt wird das Unfassbare Wirklichkeit. Es kommt zu Komplikationen - und Katharina stirbt!
Alexander ist völlig traumatisiert, als man ihm sein Töchterchen in die Arme legt. Statt purer Freude empfindet er vor allem Zorn auf die junge Hebamme Sabrina, die, seiner Ansicht nach, nicht konzentriert genug gearbeitet hat ...
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Allein mit dir
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: pixdeluxe / iStockphoto
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-8963-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Allein mit dir
Dr. Holl und ein Vater zwischen Glück und Leid
Von Katrin Kastell
Seit dem positiven Schwangerschaftstest hat sich Alexander Zeissberg gemeinsam mit seiner Frau Katharina auf die Ankunft ihres Wunschkinds gefreut. Sie haben Fachbücher gewälzt, Ratgeber gelesen und das Kinderzimmer mit viel Liebe hergerichtet. Jetzt ist alles bereit für die sehnlichst erwartete kleine Erdenbürgerin!
Doch während der Geburt wird das Unfassbare Wirklichkeit. Es kommt zu Komplikationen – und Katharina stirbt!
Alexander ist völlig traumatisiert, als man ihm sein Töchterchen in die Arme legt. Statt purer Freude empfindet er vor allem Zorn auf die junge Hebamme Sabrina, die, seiner Ansicht nach, nicht konzentriert genug gearbeitet hat …
„Guten Abend, Frau Fenrich. Wie schön, dass Sie so schnell kommen konnten.“ Alexander Zeissberg, der sympathische werdende Vater, öffnete Sabrina die Tür. „Ich glaube, bei Katharina haben die Wehen eingesetzt. Ihr ist übel, und sie hat heftige Schmerzen.“
In Windeseile überschlug Sabrina die wichtigsten Fakten: Katharina Zeissberg war dreißig Jahre alt und erwartete nach langem Kinderwunsch und einer In-Vitro-Fertilisation, einer Methode zur künstlichen Befruchtung, ihr ersehntes erstes Kind. Sie war in der sechsunddreißigsten Schwangerschaftswoche, und bei der Untersuchung, die Sabrina vor ein paar Tagen durchgeführt hatte, war alles in bester Ordnung gewesen.
Als pflichtbewusste Hebamme hatte sie alle notwendigen Informationen über die Mütter, die sie betreute, im Kopf. Das galt umso mehr für Frauen, die wie Katharina Zeissberg zur Geburt nicht in ein Krankenhaus gehen, sondern in der privaten Atmosphäre ihres Zuhauses entbinden wollten.
Wenn Sabrina ehrlich war, zog sie Entbindungen in der Berling-Klinik, in der sie angestellt war, vor. Chefarzt Dr. Holl sorgte dafür, dass auch in der Hektik des Krankenhausalltags ein werdendes Elternpaar genug Ruhe und Privatsphäre vorfand, um ihr neues Familienmitglied gebührend auf der Welt zu begrüßen. Und wenn es während der Geburt zu einem Notfall kam, was Sabrina natürlich keiner Mutter der Welt wünschte, standen alle erforderlichen Ärzte und Geräte sofort zur Verfügung.
Sabrinas eigene Erfahrungen bestärkten sie in diesen Vorbehalten gegenüber einer Hausgeburt. Aber sie respektierte die Wünsche der Eltern, und die meisten Geburten verliefen ja auch völlig frei von Komplikationen. Hielten am Ende Vater und Mutter ein kerngesundes Baby in den Armen, dann gab es dafür natürlich keinen schöneren Ort als das eigene Heim.
Bei dem, was Alexander Zeissberg ihr gerade berichtet hatte, schrillte in ihrem Kopf jedoch eine leise Alarmglocke. Eine Geburt in der sechsunddreißigsten Woche war kein Drama, zumal Katharina Zeissbergs Kind für diese Schwangerschaftswoche groß, kräftig und gut entwickelt war. Übelkeit kam bei einsetzenden Wehen durchaus vor, und viele Erstgebärende empfanden die Schmerzen von Anfang an als heftig.
Dennoch war etwas daran, das Sabrina nicht gefiel.
Vermutlich meldete sich da wieder einmal ihre Überbesorgtheit, die auf ihren eigenen Erfahrungen beruhte. Sabrina war entschlossen, diese Gefühle im Zaum zu halten und die werdenden Eltern nicht unnötig zu beunruhigen.
„Am besten sehe ich mir Ihre Frau erst einmal an“, sagte sie daher betont munter zu Alexander Zeissberg. „Danach werde ich Ihnen bestimmt sagen können, ob Sie morgen früh schon zu dritt sein werden oder ob der neue Erdenbürger noch etwas auf sich warten lässt.“
„Vielen Dank“, erwiderte Alexander Zeissberg, machte aber noch keine Anstalten, ihr voran ins Schlafzimmer zu gehen. „Meine Frau hat furchtbare Angst, dass aus der geplanten Hausgeburt nichts wird und sie nun doch ins Krankenhaus muss, weil das Baby zu früh kommt. Sie werden ihr doch sicher sagen, dass das nicht nötig ist, nicht wahr?“
„Wegen der Schwangerschaftswoche dürfte es keine Probleme geben“, antwortete Sabrina. „Vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin kann ein gesundes Kind durchaus auf natürlichem Wege und ohne ärztliche Hilfe zur Welt kommen.“
„Gott sei Dank, liebe Frau Fenrich.“ Sabrina hatte noch weitersprechen wollen, doch Alexander Zeissberg war ihr einfach ins Wort gefallen. Entwaffnend lächelte er sie an. Sein dunkles Haar war zerzaust wie bei einem kleinen Jungen, der es sich vor Nervosität gerauft hatte. „Sie wissen doch, wie sehr Katharina Krankenhäuser hasst. Sie will unbedingt, dass unser kleiner Robert hier, in unserem Zuhause, das wir uns extra für ihn geschaffen haben, zur Welt kommt.“
Das kann man ihr nicht verdenken, dachte Sabrina und sah sich in dem großen Empfangsraum noch einmal um.
Der kleine Robert Zeissberg konnte sich glücklich schätzen – er kam in ein wahres Kinderparadies. Das Haus, das Alexander Zeissberg als Architekt selbst entworfen hatte, war geräumig und bot alles, was ein Kind sich nur wünschen konnte. Die hellen Möbel strahlten Wärme und Fröhlichkeit aus, die dicken Teppiche luden dazu ein, auf nackten Babyfüßchen darüberzutrappeln. Der Garten war ein richtiger Märchenwald mit Schaukel und Buddelkiste, und das Kinderzimmer, das Katharina Zeissberg Sabrina gezeigt hatte, war einfach ein Traum.
An die Wände hatte die künstlerisch begabte Katharina eine Dschungellandschaft gemalt, in der kuschelige Tiere den Schlaf des kleinen Jungen bewachen würden. Die junge Mutter war ebenfalls Architektin, plante aber, ihre Arbeit im gemeinsamen Büro des Ehepaares eine Zeit lang auf Eis zu legen, um sich ganz ihrem Sohn zu widmen.
Dem Kleinen würde es an nichts fehlen. In den drei Jahren, die sie jetzt als Hebamme tätig war, hatte Sabrina noch nie ein Paar erlebt, das sich so sehr auf seinen Nachwuchs freute.
Hinzu kam Alexander Zeissbergs Mutter, die Sabrina auch schon kennengelernt hatte – eine richtige Omi aus dem Bilderbuch, die es gar nicht erwarten konnte, ihr Enkelkind nach Strich und Faden zu verwöhnen.
„Auf meine alten Tage lerne ich noch Fußball zu spielen“, hatte sie stolz verkündet. „Muss schließlich sein, wo’s doch ein Junge wird.“
Mein Kleines hätte es nicht so gut getroffen, durchfuhr es Sabrina.
Ihre Eltern hatten sie vor die Tür gesetzt, als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatten. Hendrik hatte behauptet, nicht der Vater zu sein, und als Schülerin hatte sie froh sein müssen, ein Zimmer im Wohnheim zu finden. Die Erstausstattung für ihr Baby hatte sie aus zweiter Hand zusammengekauft, und ein paar Spielsachen hatten ihr mitleidige Seelen geschenkt.
Das Schönste war die Spieluhr: Ein kleiner Bär, der verträumt auf einer lächelnden Mondsichel schaukelte und Guter Mond, du gehst so stille … spielte. Sabrina hatte sie in einem verträumten kleinen Antiquitätenladen entdeckt, hatte sie gereinigt und aufgearbeitet, bis sie ausgesehen hatte wie neu.
Wenn sie abends in ihrem einsamen Zimmer im Bett gelegen hatte, hatte sich Sabrina den Bären auf den Bauch gelegt, das kleine Wiegenlied abgespielt und dem Kind in ihrem Leib versichert, dass es trotz aller Sorgen und Schwierigkeiten innig geliebt wurde und von Herzen willkommen war.
„Wir machen uns ein schönes Leben, mein Kleines“, hatte sie ihm versichert. „Du und ich, wir werden das schon schaffen. Ich liebe dich so sehr.“
Björn hatte sie ihr Kind genannt, nachdem sie genau wie die Zeissbergs bei der Ultraschalluntersuchung erfahren hatte, dass sie einen Jungen bekommen würde. Ganz sicher war die Voraussage nicht, hatte Dr. Holl ihr ausdrücklich erklärt, denn allzu deutlich hatte ihr Kleiner sich nicht in die Karten schauen lassen. Sabrina aber war sich ganz sicher gewesen, und am Ende hatte sie recht behalten – ihr Kind war ein kleiner Björn.
Sabrina riss sich zusammen und rief sich in die Gegenwart zurück. Um Björn ging es jetzt nicht, sondern um Robert Zeissberg und seine Eltern, die ihre ungeteilte Aufmerksamkeit brauchten. Dass ihre Erinnerungen sie übermannten, durfte sie nicht zulassen, denn dann konnte sie sich auf ihren Beruf nicht mehr konzentrieren und brachte Eltern und Kind in Gefahr.
„Wie gesagt, die Schwangerschaftswoche stellt kein Problem dar“, sagte sie zu Alexander Zeissberg. „Ob es aber wirklich ratsam ist, zu Hause zu entbinden, kann ich Ihnen erst mit Sicherheit sagen, wenn ich Ihre Frau untersucht habe.“
„Natürlich“, erwiderte Alexander Zeissberg. „Aber mit Katharina ist bestimmt alles in Ordnung. Sie hat eben Wehen, und ihr ist übel, aber das ist ja zu erwarten bei einer Geburt.“
„Lassen Sie uns zu ihr gehen“, schlug Sabrina vor. „Dann weiß ich mehr.“
„Sie haben recht.“ Der werdende Vater lachte fröhlich. Seine schönen dunklen Augen strahlten regelrecht vor Glück. „Wir sollten die Arme nicht zu lange warten lassen, sondern ihr gleich sagen, dass sie sich wegen des Krankenhauses keine Sorgen zu machen braucht.“
Er ging ihr voraus zur Treppe. Auf der letzten Stufe drehte er sich nach ihr um.
„Bitte entschuldigen Sie – vermutlich rede ich lauter dummes Zeug. Unser Traum von einer Familie geht in Erfüllung, ich kann es noch gar nicht glauben. Zu Weihnachten wird ein kleiner neuer Mensch in unseren Armen liegen und mit großen Augen die leuchtenden Kerzen bestaunen …“
„Sie reden kein dummes Zeug.“ Sabrina folgte ihm und lächelte ihm beruhigend zu. „Ich finde es wunderschön mitzuerleben, wie Sie beide sich auf Ihr Kind freuen, und wünsche Ihnen nur das Beste.“
„Danke, Frau Fenrich. Wir sind so froh, dass Sie uns betreuen. Ihre Ratschläge haben sich bisher alle als hilfreich erwiesen, und wir sind sicher, dass Roberts Geburt mit Ihrer Hilfe die schönste Erfahrung unseres Lebens wird.“
Sie hatten das Obergeschoss erreicht, und Alexander Zeissberg öffnete die Tür des Schlafzimmers.
„Liebling?“, wandte er sich mit zärtlicher Stimme an seine Frau, die in dem großen Bett lag. „Sabrina Fenrich ist hier. Sie sagt, du brauchst nicht ins Krankenhaus, unser Robert kann wie geplant in der Geborgenheit seines Zuhauses zur Welt kommen.“
„Gott sei Dank.“ Katharina Zeissbergs Antwort klang eher wie ein Stöhnen. Ihr Gesicht war totenblass, schweißbedeckt und vom Schmerz verzerrt.
„Augenblick!“, rief Sabrina. „Ich habe gesagt, ob der Weg in die Klinik ratsam ist, kann ich erst entscheiden, wenn ich Sie untersucht habe. Aber selbst wenn es aus gesundheitlichen Gründen besser ist, brauchen Sie wirklich keine Sorgen zu haben. Doktor Holl sorgt dafür, dass jede Geburt in seinem Krankenhaus etwas ganz Besonderes ist und Eltern und Kind ihre erste Begegnung rundum genießen können.“
„Ich will in kein Krankenhaus“, quetschte Katharina Zeissberg heraus. Ein erstickter Schmerzlaut entfuhr ihr. „Alles, aber bitte nicht das!“
„Jetzt lassen Sie mich doch erst einmal schauen“, sagte Sabrina.
Sie setzte sich mit Ihrer Tasche zu der werdenden Mutter ans Bett und gab sich alle Mühe, ruhig zu sprechen. Ihr Herz aber raste in ihrer Brust. Schon beim Eintreten und dem ersten Blick auf Katharina Zeissberg war aus der leisen Alarmglocke eine laute geworden. Sabrina war überzeugt, dass bei dieser Geburt etwas ganz und gar nicht verlief, wie es verlaufen sollte.
Katharina Zeissbergs Gesicht wirkte nicht nur bleich, sondern gelblich, außerdem unnatürlich aufgeschwollen. Auch an den Armen der zierlichen Frau stellte Sabrina Schwellungen fest. Natürlich waren Wassereinlagerungen während einer Schwangerschaft keine Seltenheit, doch bei Katharina hatte Sabrina bisher nichts dergleichen bemerkt.
„Wo tut es Ihnen denn weh?“, fragte sie und versuchte, den galoppierenden Schlag ihres Herzens zu ignorieren.
„Hier.“ Wieder stöhnte Katharina und wies auf ihren Oberbauch.
Für einen normalen Wehenschmerz viel zu hoch, durchfuhr es Sabrina. Dabei wusste sie doch selbst, dass es nicht einfach war, so starke Schmerzen präzise zu lokalisieren. Dramatisierte sie nicht? Zog sie zu schnelle Schlüsse, weil sie glaubte, die Symptome wiederzuerkennen?
„Und mein Rücken.“ Die werdende Mutter ächzte. „Aber das Schlimmste ist die Übelkeit.“
„Haben Sie sich übergeben?“, erkundigte sich Sabrina.
Katharinas Körper bäumte sich vor Schmerzen auf. Sie konnte nur nicken.
„Meine arme Liebste.“ Alexander Zeissberg hatte sich auf die andere Seite des Bettes gelegt und einen Arm um seine Frau gebreitet. „Unser Robert macht es dir wirklich nicht leicht. Aber bald hast du es überstanden, und dann haben wir unser Glück bei uns. Jeden Morgen. Jeden Abend. Jeden Tag und jede Nacht. Wir geben ihn nie wieder her. Wenn er eines Tages heiraten will, muss die Schwiegertochter eben mit hier einziehen, und wir beiden Alten sitzen dann unten am Kamin, wo uns die Enkelkinder umtanzen.“
Seine Worte berührten Sabrina im Innersten. Der liebevolle Umgang des Paares miteinander war ihr vom ersten Tag an aufgefallen. Für gewöhnlich empfanden Gebärende die Nähe und den Zuspruch ihrer Partner als tröstlich, doch Katharina Zeissberg schien im Augenblick die kleinste Berührung zu viel. Sie konnte nur noch stöhnen und vor Schmerzen wimmern.
Sabrina fasste sich ein Herz.
„Es tut mir leid, Frau Zeissberg, ich weiß, Sie haben es sich anders gewünscht, aber ich würde gern einen Rettungswagen rufen und Sie in die Berling-Klinik bringen lassen. Es gibt einige Untersuchungen, die ich hier nicht durchführen kann, und ich denke, Sie wären bei Doktor Holl in den besten Händen.“
„Nein! Kein Krankenhaus!“ Katharina Zeissberg schrie regelrecht auf. „Mein Robert soll hier zu Hause zur Welt kommen, nicht in einer Geburtsfabrik.“
„Aber die Berling-Klinik ist doch keine Geburtsfabrik“, beschwor sie Sabrina. „Sie werden sich dort sicher und geborgen fühlen, das verspreche ich Ihnen. Und wenn das Kleine auf der Welt ist und Doktor Holl aus ärztlicher Sicht keine Bedenken hat, dürfen Sie doch auch sofort wieder nach Hause.“
„Kein Krankenhaus!“ Katharina Zeissberg krümmte sich und brach in Tränen aus. „Bitte nicht, ich schaffe das, es schaffen doch alle Frauen auf der Welt.“
„Nicht, wenn ein gesundheitliches Problem vorliegt“, widersprach Sabrina. „Sie sind doch deshalb keine schlechtere Mutter!“
Aber sie wusste nur allzu gut, wie die Gebärende sich fühlte. Auch sie selbst hatte sich so gefühlt wie eine schlechte Mutter, die das nicht schaffte, was Frauen seit Anbeginn der Zeit spielend gelang: ihr Kind gesund und sicher auf die Welt zu bringen.
„Hören Sie endlich auf, Katharina zu quälen“, herrschte Alexander Zeissberg sie an. „Sie hat Ihnen doch gesagt, dass sie es schaffen kann, warum lassen Sie es sie dann nicht wenigstens versuchen?“
Sabrina nahm ihm seinen Ton nicht übel. Dem werdenden Vater war anzusehen, dass er vor Sorge außer sich war. Und wenn er recht hatte? Wenn Katharina imstande war, die Geburt zu bewältigen, und sie, Sabrina, lediglich hysterisch reagierte, weil sie bei ihr dieselbe Krankheit vermutete, die bei ihr selbst aufgetreten war?
„Also schön“, sagte sie mit einem Seufzen. „Wenn Sie es wollen, versuchen wir es. Können Sie sich bitte halb aufsetzen, die Beine aufstellen und anwinkeln, damit ich Ihren Muttermund untersuchen kann?“
Die Schmerzenslaute der Frau waren kaum zu ertragen, doch sie tat, worum Sabrina sie gebeten hatte. Diese streifte sich in aller Eile Einmal-Handschuhe über und begann, Katharinas Muttermund zu ertasten. Wenn diese grauenhaften Schmerzen gewöhnliche Wehen waren, musste die Geburt begonnen, der Muttermund sich bereits leicht geöffnet haben. Was sie jedoch im Unterleib der Frau fühlte, bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen:
Der Muttermund war noch fest verschlossen.
Die Geburt war nicht im Gange, und das, was Katharina Zeissbergs armen Körper so entsetzlich quälte, waren mit größter Wahrscheinlichkeit keine Wehen.
Sie musste eine Entscheidung treffen. Und jede Sekunde, die sie dabei verlor, war eine Sekunde zu viel.
Entschlossen erhob sich Sabrina, zog einen Handschuh ab und holte ihr Handy aus ihrer Tasche.