Drachenzähmen leicht gemacht (10). Suche nach dem Drachenjuwel - Cressida Cowell - E-Book

Drachenzähmen leicht gemacht (10). Suche nach dem Drachenjuwel E-Book

Cressida Cowell

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Drachenrebellion hat begonnen - und es sieht nicht gut aus für Hicks und Ohnezahn. Nachdem Haudrauf, Hicks' Vater, verbannt wurde, ist nun ausgerechnet Rotznase der neue Häuptling des Raufbold-Stammes. Außerdem besitzt Alwin der Verräter bereits acht Artefakte des Drachenerbes und wurde zum neuen König von Wilderwest gekrönt. Was also kann Hicks jetzt noch tun, allein und auf sich gestellt? Ihm bleibt nur eine Möglichkeit: Er muss das Drachenjuwel finden - denn es ist die letzte und einzige Hoffnung für das Überleben der gesamten Menschheit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 293

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cressida Cowell

DRACHENZÄHMEN

LEICHT GEMACHT

Suche nach dem Drachenjuwel

Aus dem Englischen von Karlheinz Dürr

Mit Illustrationen von Clara Vath

In der Reihe »Drachenzähmen leicht gemacht« von Cressida Cowell sind im Arena Verlag erschienen: Band 1 Drachenzähmen leicht gemachtBand 2 Drachenzähmen leicht gemacht. Wilde Piraten voraus!Band 3 Drachenzähmen leicht gemacht. Strenggeheimes DrachenflüsternBand 4 Drachenzähmen leicht gemacht. Mörderische DrachenflücheBand 5 Drachenzähmen leicht gemacht. Brandgefährliche FeuerspeierBand 6 Drachenzähmen leicht gemacht. Handbuch für echte HeldenBand 7 Drachenzähmen leicht gemacht. Im Auge des DrachensturmsBand 8 Drachenzähmen leicht gemacht. Flammendes DrachenherzBand 9 Drachenzähmen leicht gemacht. Jagd um das DrachenerbeBand 10 Drachenzähmen leicht gemacht. Suche nach dem Drachenjuwel

www.drachenzaehmen.de

 

 

Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Drittewar ein Furcht einflößender Schwertkämpfer, ein Drachenflüsterer und überhaupt der größte Wikingerheld, der jemals lebte. Doch seine Memoiren entführen dich in die Zeit, als er noch ein ganz gewöhnlicher Junge war und sich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass aus ihm mal ein Held werden würde.

Cressida Cowellverbrachte ihre Kindheit in London sowie auf einer unbewohnten Insel an der schottischen Westküste. Sie war überzeugt, dass es dort nur so von Drachen wimmelte, und ist seither von ihnen fasziniert. Neben den Aufzeichnungen von Hicks’ Memoiren hat sie mehrere Bilderbücher geschrieben und illustriert. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern im englischen Hammersmith.

Clara Vathliebte es schon als Kind, bunten und verrückten Fantasiewesen eine Gestalt zu geben. Dass ihr dabei auch der ein oder andere Drache begegnet ist, kam ihr bei der Arbeit an Hicks’ Memoiren sehr gelegen. Seit 2012 arbeitet sie als freie Illustratorin für verschiedene Unternehmen.

Danke euch allen: Anne McNeil, Naomi Pottesman, Jennifer Stephenson, Judit Komar und vor allem Simon Cowell

Dieses Buch ist Xanny Cowell gewidmet

»Nimmerland ist wie eine Karte, die der Fantasie eines Jungen entsprungen ist …« (J. M. Barrie, Peter Pan)

Die Originalausgabe erschien erstmals 2012 unter dem Titel »How To Seize A Dragon’s Jewel« bei Hodder Children’s Books, London. © 2012 by Cressida Cowell

1. Auflage 2018 © 2018 Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Aus dem Englischen von Karlheinz Dürr Einband, Satz und Illustration: Clara Vath ISBN 978-3-401-80690-7

Besuche uns unter: www.arena-verlag.dewww.twitter.com/arenaverlag

 

 

 

PROLOG VON HICKS DEM HARTNÄCKIGEN VOM HAUENSTEIN III.

Eins wirst du brauchen, lieber Leser und liebe Leserin, wenn du weiterlesen willst: Mut.

Das ist NICHT der letzte Band meiner Memoiren. Aber die Geschichte wird jetzt düsterer, so düster, dass ich selbst all meinen Mut brauche, um sie überhaupt niederschreiben zu können.

Ich blicke auf die Zeit zurück, als ich dreizehn Jahre alt war – und ein Verbannter.

Der Rote Zorn hatte fast alle Drachen im Archipel ergriffen. Was als Aufstand der Drachen begonnen hatte, war zum Großen Krieg zwischen Menschen und Drachen geworden.

Die Wikinger wurden von Alwin dem Verräter angeführt, diesem furchtbaren Bösewicht, und der wiederum stand unter der Fuchtel seiner noch furchtbareren Mutter, der Hexe Excellinor.

Der Drache Wildwut war der Anführer des Drachenheers. Er hatte sich ein großes Ziel gesetzt: das gesamte Volk der Wikinger vollständig auszulöschen.

Und es sah ganz danach aus, als würde der Drache Wildwut diesen Krieg gewinnen.

Den Wikingern blieb nur noch eine einzige Hoffnung: Sie mussten einen aus ihrer Mitte zum neuen König von Wilderwest krönen. Doch einer uralten Weissagung zufolge konnte nur der zum König gekrönt werden, der alle Zehn Verlorenen Dinge des Königs besaß.

Neun der Verlorenen Dinge waren bereits gefunden worden. Nur das Drachenjuwel, das wichtigste dieser zehn Dinge, war noch immer verschollen.

Das Drachenjuwel hatte die Macht, die Drachen für immer zu vernichten … und es war das Einzige, vor dem sich der Drache Wildwut fürchtete.

Alwin der Verräter besaß acht der Verlorenen Dinge.

Ich, Hicks der Verbannte, besaß nur noch ein einziges: meinen kleinen Jagddrachen Ohnezahn. Aber ich hatte auch die Karte, die Grimmbart der Abscheuliche gezeichnet hatte. Eine Karte, die den Weg zu der Stelle zeigte, an der das Drachenjuwel verborgen war.

Und deshalb wurde ich, der »Feind und Verräter Nummer eins«, im ganzen Archipel gesucht und gejagt, und nicht nur von den Menschen, sondern auch von den Drachen. An Hunderten verkohlter Baumstümpfe hing der Steckbrief, der alle dazu aufrief, mich zu töten.

Ich, ein Dreizehnjähriger, war ganz allein, von meinen drei Drachengefährten abgesehen: Ohnezahn, Espenlaubler, meinem Reitdrachen, und dem uralten Wotansfang, der die Königskrone bewacht hatte.

Mein Stamm, die Räuberischen Raufbolde, war vom Roten Zorn aus unserer Heimat auf der Insel Berk vertrieben worden. Mein Vater Haudrauf der Stoische und mein Freund Fischbein waren zu Sklaven erklärt und in die Bernstein-Sklavenlande verbannt worden.

Verstehst du jetzt, warum ich diese Zeit meine dunkelste Zeit nenne?

Nur die Hoffnung war mir geblieben, dass sich am Ende doch noch alles zum Besseren wenden würde. Dass die kleinen Dinge des alltäglichen Glücks und das große Glück des Friedens wieder zurückkehren würden.

Diese Hoffnung durfte ich nicht aufgeben. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, trotz all der Krallen, Zähne und Flammen, die mich bedrohten.

Ich musste MUT haben.

 

DIE PROPHEZEIUNG VON DEN VERLORENEN DINGEN DES KÖNIGS

DIEZEIT DERDRACHEN HAT BEGONNEN.EIN NEUERKÖNIG MUSS NUN KOMMEN. NUR ER KANN EUCH DIERETTUNG BRINGEN, IHR ERKENNT IHN AN DENLETZTENDINGEN: EIN ZAHNLOSERDRACHE, MEIN ZWEITBESTESSCHWERT, MEINRÖMISCHERSCHILD, EINRUBIN WIE EINHERZ, DERZAUBERSCHLÜSSEL UND DER DUNKLETHRON, DASTICKDINGS, DERPFEIL UND DIE GOLDNEKRON. UND ALS LETZTES UND BESTES VON DIESEN ZEHNDINGEN: DASDRACHENJUWEL–DENN ES WIRDERLÖSUNG EUCH BRINGEN.

1. DER KRIEGER

In einer kalten mondhellen Winternacht saß ein gigantischer Krieger wie ein grausamer Todesengel hoch oben im Geäst eines Baums im Vergessenen Wald.

Der Krieger war auf der Jagd. Seit vielen Tagen folgte er der Spur des Verbannten. Und er war entschlossen, den Verbannten, diesen Feind des Wilderwest, zu töten.

Das Visier hatte er heruntergeklappt. Das Schwert lag in seiner Hand, bereit für den Todeshieb. Er saß still wie eine Statue, nur die hellen blauen Augen blickten aufmerksam auf den Pfad hinab, der sich weit unter ihm durch den Wald schlängelte.

Es war eine Zeit, in der Drachen und Menschen gegeneinander Krieg führten, deshalb war es den Menschen streng untersagt, auf Drachen zu reiten. Doch dieser Krieger saß erstaunlicherweise auf dem Rücken eines Drachen, der sich faul, aber höchst aufmerksam auf der gesamten Länge des Astes ausgestreckt hatte. Der Drache war ein Luftdrache mit Hautschuppen wie aus reinstem Silber. Er war sehr, sehr selten. Und sehr, sehr gefährlich.

Auch er blickte auf den verschneiten Pfad hinunter, nur seine Schwanzspitze bewegte sich langsam und rhythmisch wie der Schwanz einer lauernden Katze.

Es herrschte völlige Stille. Erst nach einer Weile waren leise Geräusche zu hören. Der Krieger hatte die Augen geschlossen, aber jetzt, tief hinter dem geschlossenen dunklen Visier, flogen sie plötzlich auf.

Irgendwo in der Ferne stapfte ein Mensch auf dem Waldpfad daher. Dieser Mensch war »Der Verbannte« und genau die Person, auf die der Krieger wartete.

Der Krieger grunzte zufrieden und setzte sich aufrecht.

Wenn man sich diesen Verbannten aus der Nähe anschaute (was der Krieger nicht tun konnte, jedenfalls nicht aus dieser Entfernung), musste man zugeben: Er sah nun wirklich nicht aus, wie man sich einen Verbannten vorstellte. Und im Moment sah er auch ganz anders aus als der selbstbewusste, clevere Junge, der er noch vor zwei Stunden gewesen war, als er direkt unter den Nasen der Westgrobiane ein paar Drachen befreit hatte.

Er war ungefähr dreizehn Jahre alt und hieß Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte, ein sehr magerer und völlig gewöhnlich aussehender Junge, mit einer Narbe, die die Menschen »Sklavenmal« nannten – ein S-förmiges Brandmal, das ein wenig an die Umrisse eines Drachen erinnerte und sich dunkelviolett über eine Seite seiner Stirn zog.

Seit vielen Monaten hatte Hicks nur noch im Freien geschlafen, in Baumwipfeln oder in Höhlen, und alles, was er in dieser Zeit zu essen bekommen hatte, waren Beeren und Nüsse und die wenigen Essensreste, die er voller Angst aus den Dörfern gestohlen hatte, wenn alle Bewohner schliefen.

Jeden Tag setzte er sein Leben aufs Spiel – wenn er die Drachenfallen zerstörte, die die Wikinger aufgestellt hatten, und wenn er vor den Menschen und vor den Jagddrachen des Roten Zorns floh. Das alles hatte ihn völlig entkräftet.

Und deshalb sah er hier, im Mondlicht, genau so aus, wie er sich fühlte: einsam. Halb verhungert. Und voller Angst.

Hicks trug einen feuerfesten Anzug aus Drachenleder, der ihn von Kopf bis Fuß schützte, aber leider von Dornen und Ästen an vielen Stellen zerrissen war. Er war schmutzig und verdreckt und seine Augenlider zuckten nervös. Steif vor Kälte, Angst und Anstrengung schleppte er sich den Waldpfad entlang. Eines seiner Augen war blau unterlaufen; er hinkte ziemlich stark, wie auch der Reitdrache, der neben ihm ging. Der Espenlaubler war völlig erschöpft, weshalb Hicks nicht auf ihm ritt, und stieß müde Dampfwolken in die kalte Luft.

Um Hicks’ Kopf flatterten zwei kleine Jagddrachen. Der eine, der Wotansfang, war sehr, sehr alt, und seine Flügel ziemlich zerschlissen. Der andere, Ohnezahn, war sehr jung, grasgrün – und der unartigste Drache im ganzen Archipel.

Hicks und die beiden kleinen Drachen redeten leise auf Drachenesisch miteinander.

»Ich sage dir doch, Hicks«, sagte der Wotansfang mit seiner brüchigen, alten Stimme, »deine Suche ist eigentlich ganz einfach. Du musst nur das Drachenjuwel finden, und wenn du es hast, gehst du zur Insel des Neuen Tages und lässt dich zum König krönen. Danach werden dir die Wächter der Insel das Geheimnis des Drachenjuwels verraten und dann kannst du diesen dummen Krieg endlich beenden und die Drachen und die Menschen vor ihrem Untergang bewahren.«

»Ha-ha-hast du mich gesehen?«, quiekte Ohnezahn. »Ha-ha-hast du meinen Sturzflugangriff auf diesen blöden Westgrobian gesehen? War ich nicht clever? B-b-brillant? Ei-ei-einfach sagenhaft?«

»Ja, du warst ganz wunderbar, Ohnezahn. Aber könntest du vielleicht ein bisschen leiser reden? In diesem Wald halten die Walddrachen ihren Winterschlaf und die wollen wir wirklich nicht aufwecken.«

Hicks rieb sich den Nacken und seufzte, weil ihm seine Familie und seine Freunde so sehr fehlten. Ein Verbannter zu sein war doch eine sehr, sehr einsame Angelegenheit.

»Es ist nämlich so, Wotansfang, dass nichts ganz einfach ist. Die Stämme müssen mich erst mal als König haben wollen, mich, einen Sklaven! Wer König werden will, braucht also viele menschliche Gefolgsleute, nicht nur drei Drachen. Außerdem habe ich alle Verlorenen Dinge verloren und Alwinder Verräter besitzt jetzt schon acht davon.«

»Mi-mi-mich hast du aber noch!«, quiekte Ohnezahn und landete auf Hicks’ Arm. »Ich bin auch eines von den Verlorenen D-D-Dingen und außerdem das aller-aller-allerbeste!«

»Benimm dich anständig!«, mahnte der Espenlaubler milde. »Vergiss nicht, Ohnezahn, dass du nicht prahlen sollst!«

»Okay«, murmelte Ohnezahn und runzelte die Stirn. »Aber kann Ohnezahn wenigstens das … Beste sein, bi-bi-bitte?«

»Die Karte sagt, dass sich das Juwel in den Bernstein-Sklavenlanden befindet», sagte der Wotansfang. »Warum gehen wir nicht einfach dorthin?«

»Weil mir meine Instinkte sagen, dass das Juwel nicht dort ist«, antwortete Hicks.

»Das ist nur, weil dein Herz nicht bei der Suche ist«, sagte der Wotansfang ernst, »sondern auf einer ganz anderen Suche, nämlich der Suche nach deinem Vater und nach Fischbein. Gib es zu, das ist der Grund, warum wir hier sind.«

Und tatsächlich war das der Grund, warum sie hier waren. Gerüchten zufolge sollten sich die Raufbolde hier in dieser Gegend versteckt halten, nachdem ihr Dorf auf der Heimatinsel Berk vom Drachen Wildwut vollständig niedergebrannt worden war.

»Okay«, gab Hicks zu. »Ich mache mir Sorgen um Fischbein. Er hat sich immer auf mich verlassen …«

Fischbein war ein so genannter »Kümmerling«, der vor dreizehn Jahren als Säugling am Strand von Berk angespült worden war. Er hatte keine Eltern und so war es gekommen, dass sich Hicks um ihn gekümmert und dafür gesorgt hatte, dass ihn die anderen Raufbolde nicht ständig quälten und schikanierten.

»Und diese Suche kommt der anderen Suche in die Quere«, unterbrach ihn der Wotansfang, »nämlich der Suche nach dem Juwel.«

»Nicht ganz«, widersprach Hicks, »weil ich nämlichnicht glaube, dass sich das Drachenjuwel in den Bernstein-Sklavenlanden befindet, egal was die Karte sagt.«

Inzwischen waren sie sehr lange marschiert und hielten nun an, um sich ein wenig auszuruhen – genau unter dem Baum, auf dem der Krieger saß. Hicks holte die Karte heraus.

Die Karte war ganz schön kompliziert! Auf ihr war ein Bild von den Bernstein-Sklavenlanden zu sehen, mit einem Labyrinth aus Spiegeln und der Kerkerburg Düsterherz, und mittendrin hatte Grimmbart das Drachenjuwel eingezeichnet und netterweise sogar einen Pfeil dazugemalt und in Großbuchstaben »DRACHENJUWEL« darübergeschrieben.

Die drei Drachen schauten Hicks über die Schulter. Und genau das taten auch der Krieger und sein silberner Reitdrache, die hoch über Hicks drohend im Baum lauerten.

»Schaut doch, hier«, sagte Hicks und deutete auf einen Fisch, der am oberen Rand der Karte eingezeichnet war – so groß, dass er sich von der linken zur rechten Ecke erstreckte. »Was soll das sein?«

Man kann sich immer darauf verlassen, dass Wikinger und ihre Drachen, die ständig auf und über dem Meer unterwegs sind, sämtliche Fischarten genau kannten.

»Dieser Fisch gehört zur Familie der Heringe«, erklärte der Wotansfang.

»Aber welche Fischart ist es genau?«

»Eine Finte!«, krähte Ohnezahn triumphierend. »Frag mich noch mal was! Ich kenne nämlich a-a-alle Fische!«, vertraute er dem Wotansfang an.

»Eine Finte, genau!«, sagte Hicks. »Und eine Finte bedeutet bei den Menschen auch, dass man auf eine falsche Fährte geführt wird! Und nach allem, was ich über Grimmbart den Abscheulichen gelernt habe, war er ein trickreicher, listiger Mann. Das hier passt genau zu ihm. Damit will er sagen, dass sich das Drachenjuwel gar nicht in den Sklavenlanden befindet! Na, was sagst du jetzt dazu, Wotansfang?«

Als einziger der vier Gefährten war der Wotansfang alt genug, um Grimmbart den Abscheulichen tatsächlich persönlich gekannt zu haben, denn dieser hatte vor über hundert Jahren gelebt. Jetzt blickte er in jene längst vergangene Zeit zurück und erinnerte sich an diesen schrecklichen Wikinger. Und seine Erinnerung sagte ihm, dass Grimmbart der listigste und fieseste Mann seit jenen finsteren Zeiten gewesen war, als Loki, der Gott der Lüge und des Betrugs, sein Unwesen getrieben hatte.

»Hmmm«, machte der Wotansfang nachdenklich. Das schien nun wirklich genau die Art von Trick zu sein, die Grimmbart sich ausgedacht haben könnte. Und plötzlich kam es auch ihm sehr unwahrscheinlich vor, dass sich in der Kerkerburg Düsterherz tatsächlich ein Spiegelkabinett befand, denn so ein Sklavengefängnis war doch bestimmt eher spärlich möbliert.

Doch dann hob der Wotansfang listig eine Augenbraue. »Aber es könnte doch auch eine doppelte List sein …?«

»Aber«, mischte sich der etwas verlottert aussehende Espenlaubler mit seiner sanften Stimme ein, »wenn das Drachenjuwel nicht in den Bernstein-Sklavenlanden ist, wo ist es denn dann?«

»Genau das macht die Sache ja so schwierig!«, rief Hicks und breitete die Arme aus. »Es könnte überall sein!«

In diesem Augenblick war hoch über ihnen ein deutliches Rascheln zu hören, als sich der Krieger und sein Drache höchst interessiert vorlehnten, um besser sehen zu können, was auf Hicks’ Karte geschrieben stand.

Das Rascheln ließ bei den vier Gefährten unten auf dem Weg sofort sämtliche Alarmglocken läuten.

Der Wotansfang schoss senkrecht in die Höhe, wobei sich seine halb zerfetzten Ohren wie durch einen starken Stromschlag steil aufstellten und glühend rot anliefen, während er sie erst nach Westen, dann nach Süden, dann nach Osten und schließlich nach Norden richtete.

»Gefahr!«, kreischte der Wotansfang mit Flüsterstimme, so laut man eben mit Flüsterstimme kreischen konnte. »GEFAHR! Schnell! Hicks, setz den Helm auf!«

»Ach nein, Jungs, wirklich – er ist mir viel zu groß, ich kämpfe lieber ohne …«

Aber die drei Drachen verbündeten sich gegen ihn. »Du brauchst ihn!«, flüsterte der Wotansfang aufgebracht. »Weißt du denn nicht mehr, was auf den Brutalo-Inseln passiert ist, als du beinahe ein Ohrverloren hättest? Und was ist mit dem Giftpfeil, der knapp an deinem Kopf vorbeisurrte, als du die Drachenfallen der Westgrobiane zerstören wolltest?«

»Und was ist mit dem Zwischenfall drüben im Niemandsland, als dir die Kopfabschläger den Kopf abschlagen wollten?«, fügte der Espenlaubler hinzu und flatterte ängstlich mit den Flügeln.

»Ein Helm hindert niemanden daran, mir den Kopf abzuschlagen!«, erklärte Hicks.

»A-a-aber der Wotansfang hat recht!«, stimmte Ohnezahn zu, der in letzter Zeit immer öfter allem zustimmte, was der Wotansfang sagte. Quiekend hoben die beiden kleinen Drachen den verhassten Helm von Hicks’ Rucksack herab, setzten ihn Hicks auf den Kopf und alle drei hämmerten ihn mit ein paar kräftigen Flügelschlägen richtig schön fest.

Es handelte sich um einen sehr alten Westgrobianhelm, den sie vor ein paar Wochen geklaut hatten und der ausgesprochen schlecht auf Hicks’ Kopf passte.

»Er ist wirklich sehr unbequem«, grummelte Hicks. »Außerdem falle ich mit dem großen Federdings auf dem Kopf überall auf. Ich soll doch im Untergrund leben, wann kapiert ihr das endlich? Ein Verbannter muss so unauffällig wie möglich sein und praktisch mit dem Hintergrund verschmelzen!«

»Pssst!« Der Wotansfang legte einen Flügel über seine Schnauze. »Ich hab’s dir schon mal gesagt – ich habe das ungute Gefühl, dass der Drache Wildwut irgendeinen neuen Drachen losgeschickt hat, um dich ermorden zu lassen … ein wirklich grauenhaft furchtbares Ding …«

»Ja, schon klar, Wotansfang, du hast doch immer solche unguten Gefühle. Aber spitz mal die Ohren, dann merkst du, dass alles ganz still ist.«

»Genau darum geht es bei dem neuen Drachen, Hicks!«, flüsterte der Wotansfang aufgeregt. »Er ist fast unentdeckbar. Bestimmt ist er einer von diesen neumodischen Späherdrachen.«

Die vier Gefährten spitzten die Ohren und lauschten angestrengt in die weiß-gedämpfte Welt von Bäumen und Schnee.

Nichts.

»Vielleicht war es nur falscher Alarm«, flüsterte Ohnezahn.

Oben in den Baumwipfeln saßen der Krieger und sein Drache so still und stumm wie Steinstatuen. Kein Blatt regte sich; der Wald schien den Atem anzuhalten.

Doch dann …

RRRAAAUUUHHHAAAUUU!!!

Mit einem Kampfgebrüll, lauter, als ein wütender Gorilla brüllen konnte, brachen der Krieger und sein Drache aus dem Gewirr der Äste und stürzten sich in einem irren Sturmwirbel von Schnee, Blättern, Rinde, Ästen und Zweigen auf Hicks und seine drei Gefährten herab wie ein riesiger albtraumhafter Racheengel.

Wuuuuusch! ZZZiiinnnggg!

Wenn Hicks und der Espenlaubler nicht schon während der gesamten Zeit in der Verbannung in höchster Alarmbereitschaft hätten leben müssen, hätten sie ganz bestimmt nicht so schnell zurückweichen können und Hicks wäre jetzt so tot gewesen wie ein toter Dodo*.

Und dann zischte etwas mit lautem ZZZIIINNNGGG! dicht vor Hicks’ Nase vorbei, das typische Zzziiinggg, das man von einem Pfeil zu hören bekommt, der eineinhalb Zentimeter vor der Nase vorbeizischt und sich in den Baumstamm bohrt, keine drei Fuß von Hicks entfernt.

Hicks zuckte jäh zurück, wobei sein Helmvisier so heftig herunterklappte, dass es sich verklemmte.

Oh-oh, dachte Hicks, der ein ziemlich cleverer Junge war. Diese Person will mich töten.

BANG! BANG! BANG!

Drei weitere Pfeile prallten harmlos von Hicks’ verhasstem Helm ab.

Danke, Jungs. Das mit dem Helm war vielleicht doch keine so schlechte Idee, dachte Hicks, während er auf den Rücken des Espenlaublers sprang, der mit einem perfekten Senkrechtstart durch das Baumdickicht in die Höhe schoss.

Und Hicks traute kaum seinen Augen, als er einen Blick über die Schulter zurückwarf und den Drachen sah, der sich mit mächtigen Flügelschlägen an die Verfolgung machte.

Ohhh, um Thors willen! Ein Silberphantomdrache!

Obwohl es mitten in der Nacht war, leuchtete jede einzelne Silberschuppe am Körper des Phantoms heller, als es eigentlich möglich war. Der Drache strahlte so hell wie der bleiche Mond. Sein Schrei war so schrill und so laut, dass es schien, als schössen jedem, der diesen Schrei mit anhören musste, Flammen aus den Ohren.

Und mit dem Schrei stieß der Drache einen leuchtend blauen Feuerstrahl aus, der wie ein Flammenwerfer alles Laub ringsum in grell aufleuchtende grüne Sterne verwandelte, bis sie ausgebrannt in einem puderigen Aschenebel auf den Waldboden rieselten.

Der Silberphantomdrache war absolut unverkennbar – ja, vollkommen einzigartig.

Und er war zufälligerweise der Reitdrache von Hicks’ Mutter.

Was wiederum bedeutete, dass der Krieger, der gerade einen weiteren Pfeil in seinen Nordmannsbogen legte und damit sehr sorgfältig auf Hicks zielte – dass genau dieser Krieger in Wirklichkeit …

… Hicks’ Mutter Valhallarama war.

* Dodos sind bekanntlich ausgestorben. Toter geht’s also nicht.

2. EIN PAAR (KLEINERE) VERSTÄNDIGUNGSPROBLEME

»HALT! MUTTER! ICH BIN’S, HICKS!«, brüllte Hicks.

Aber natürlich war das Visier seines grauenhaften Helms heruntergeklappt, weshalb nichts weiter als ein dumpfes »MUMMFFF!« zu hören war.

Verzweifelt versuchte Hicks, das Visier hochzuschieben, aber es war so verbogen, dass es sich keinen einzigen Millimeter bewegen ließ.

Oh, bei Thors rostigem Hammer!

Das war nun wirklich keine gute Situation. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass Valhallarama nicht nur Hicks’ Mutter war, sondern auch eine wahrhaft prächtige Heldin, eine der aller-aller-allerbesten. Und das bedeutete, dass Hicks in größten Schwierigkeiten steckte, wenn er ihr nicht endlich klarmachen konnte, wer er war.

Es war nämlich so, dass Valhallarama furchtbar oft auf irgendwelchen Reisen war, auf der heldenhaften Suche nach … irgendwas.

Seine ganze Kindheit hindurch war Hicks nie ganz sicher gewesen, wonach sie eigentlich suchte, aber sein Vater Haudrauf der Stoische hatte ihm immer versichert, dass es etwas ganz, ganz Wichtiges sei.

Und das bedeutete, dass Hicks seine Mutter nicht sehr oft zu sehen bekommen hatte. Jetzt gerade war es bestimmt schon zwei Jahre her. Es war also durchaus möglich, dass Valhallarama keine Ahnung hatte, dass ihr einziger Sohn der so genannte Verbannte war, den man für den größten Feind des Archipels hielt. Und wahrscheinlich hatte sie auch keinen blassen Schimmer, dass ihr Ehemann Haudrauf der Stoische jetzt ein Sklave war und dass auch Hicks das Sklavenmal auf der Stirn trug … und sie wusste auch sonst eine ganze Menge anderer Dinge nicht, die Hicks ihr gerne in einem netten Mutter-Sohn-Gespräch anvertraut hätte.

Denn er hatte wirklich gehofft, ihr die ganze Sache erklären zu können – nämlich dass er eigentlich nur versuchte, die Drachen vor der Ausrottung zu retten. Und dass sie dann hoffentlich zu den wenigen Menschen gehören würde, die sich auf seine Seite stellten. (Tja, Hicks war oft ziemlich gutgläubig.)

Denn Valhallarama liebte die Drachen. Und Hicks wusste das.

Oder wenigstens glaubte er zu wissen, dass sie die Drachen liebte.

Doch plötzlich dämmerte es Hicks – während er auf dem Espenlaubler in halsbrecherischer Geschwindigkeit durch den Wald raste, auf der Flucht vor seiner eigenen Mutter –, dass er seine eigene Mutter vielleicht doch nicht ganz so gut kannte, wie er gedacht hatte.

Auch der Wotansfang und Ohnezahn legten eine beachtliche Geschwindigkeit vor, flogen aber nicht mit ihrer Höchstgeschwindigkeit, sondern blieben bei Hicks und flogen direkt rechts und links neben seinem Kopf wie zwei kleine Drachenschutzengel.

»Du wirst zugeben müssen, dass er ein prächtiger Krieger ist!«, sagte der Wotansfang und seine brüchige Stimme bebte vor Bewunderung. »Was meinst du, wie groß ist er? Mehr als sechs Fuß? Oder sogar sieben? Ich glaube nicht, dass ich jemals einen so mächtigen Krieger gesehen habe, jedenfalls nicht seit Felsquetscher dem Grausigen … Aber das war ein bisschen vor deiner Zeit, so ungefähr vor zweihundert Jahren …«

»Er ist eine Sie! Kein Er!«, brüllte Hicks zurück.

Aber durch den Helm hörte sich das eben nur wieder wie »MUMMFFF!« an.

Nun, sicherlich waren wir alle schon mal in so einer Situation. Na gut, vielleicht nicht in genau so einer Situation. Aber so was Ähnliches. Jedenfalls wissen wir, wie es ist, wenn man einem geliebten Mitmenschen etwas furchtbar Wichtiges zu sagen hat, aber irgendwie immer was dazwischenkommt.

Die Wahrheit ist: Es ist manchmal entsetzlich schwer, der eigenen Mutter oder dem eigenen Vater etwas zu erklären. Und noch schwerer ist es, wenn diese Mutter mit Höchstgeschwindigkeit hinter dir herrast, weil sie dich für den größten Feind des Wilderwest hält.

Glücklicherweise hatte sich der Espenlaubler in letzter Zeit zu einem außergewöhnlich schnellen Drachen entwickelt, und weil er viel kleiner als der Silberphantom war, konnte er sich leichter zwischen Bäumen und Ästen hindurchwinden, was wiederum bedeutete, dass er dem Verfolger immer noch knapp voraus war.

Aber der Silberphantom holte auf.

»Er ho-ho-holt uns ein, wenn wir hier unten bleiben!«, rief Ohnezahn. »W-w-warum fliegen wir nicht hö-hö-höher?«

In den vergangenen Monaten waren sie ihren Drachenverfolgern oft entkommen, indem sie einfach höher flogen, so hoch, dass ihnen die normalen Drachen nicht mehr folgen konnten. Die meisten Drachen zogen die Luft vor, die über den Wäldern und Hügeln lag, und nicht die Luft in den höheren Regionen, wo sie immer dünner wurde. Nur ganz wenige Drachenarten konnten in der höheren Atmosphäre fliegen.

Und zu diesen wenigen Arten gehörten auch die Silberphantomdrachen.

Hicks hätte seinen Drachen gern erklärt, dass der Silberphantom zu den besten Fliegern der Welt zählte und am weitesten und höchsten fliegen konnte. Und dass Valhallarama den Höhenflug in der dünnen Luft so intensiv trainiert hatte, dass sie sogar in den extremsten Flughöhen nicht ohnmächtig wurde. All das wollte er ihnen erklären, was er aber wegen des verflixten Helms nicht tun konnte.

Bei einem besonders engen Slalombogen um einen Baum verschätzte sich der Espenlaubler und geriet ins Schlingern, sodass ihn der Phantomdrache an einem Bein erwischte, ihn aber nicht fest genug packen konnte. Verzweifelt wand sich der Espenlaubler aus dem Griff und schoss in panischer Angst senkrecht in die Höhe.

»Nein … nein …«, stöhnte Hicks und versuchte, seinen Flugdrachen wieder nach unten zu lenken, aber der Espenlaubler drehte vor Panik fast durch, sodass er nur noch einen Fluchtweg sah: noch steiler und noch höher zu fliegen.

Hicks blickte hinunter. Schon war der Wald nur noch ein großer dunkler Fleck weit unter ihnen – ein Fleck, aus dem der Silberphantom wie ein glänzender silberner Pfeil in einem wunderbar geflogenen Bogen herausschoss.

Mit zwei Schlägen seiner mächtigen Silberflügel stieg er in die Luft, viel zu schnell für den armen, erschöpften Espenlaubler, und schwang sich mit einem athletischen Sprung üüüüüber die Fliehenden hinweg, und während er das tat, beugte sich Valhallarama seitwärts herab, packte Hicks mit ihrem starken Arm und pflückte ihn wie eine reife Pflaume vom Rücken des Espenlaublers.

Und hinunter schwang sich der Silberphantom, mit Hicks, der hilflos im Arm seiner Mutter hing, schoss durch den Blätterbaldachin und landete elegant auf dem Waldboden.

Ohne Hicks loszulassen, sprang Valhallarama vom Rücken ihres Reitdrachen. Sie lehnte ihn an einen gefallenen Baum, zog die Karte aus seinem Wams und warf sie dem Silberphantom zu.

Um Thors willen, dachte Hicks. Ich hätte die Karte wirklich besser verstecken sollen. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Als verdeckt arbeitender Verbannter bin ich die totale Null …

In einer einzigen, flüssigen Bewegung fing der Silberphantom die Karte auf, schwang sich mit zwei prächtigen Flügelschlägen wieder in die Höhe und verschwand durch das Laubdach.

Doch während Valhallarama kurz abgelenkt war, wand sich Hicks aus dem Wams und damit aus ihrem Griff und rannte weg, bis er außer Reichweite war. Valhallarama riss ein bisschen angeberisch ihr mächtiges Schwert Todsicher aus der Scheide.

Und Hicks zückte ebenfalls sein Schwert.

Allmählich war er doch ein wenig beleidigt, weil sie ihn immer noch nicht erkannt hatte. Schließlich war er ihr Sohn! Man sollte doch wirklich denken, dass sich in ihr endlich irgendeine Art Mutterinstinkt regen würde!

Aber Valhallarama ist eben schon sehr lange nicht mehr zu Hause gewesen, dachte Hicks bitter. Er wollte gar nicht daran denken, wie oft er ihr geschrieben hatte, als er noch ein Kind gewesen war, wie er sie angefleht hatte, nach Hause zurückzukommen, und wie selten sie zurückgeschrieben hatte und dabei meist nur erklärte, wie wichtig ihre Suche war.

Wichtiger als ich, dachte Hicks verbittert. Kein Wunder, dass sie mich nicht erkennt. Sie hat mich seit zwei Jahren nichtmehr gesehen!

Valhallarama griff an.

Hicks wehrte den Angriff ab und antwortete mit einem Ausfall, den er aber eher höflich ausführte und dem daher die tödliche Entschlossenheit fehlte – aber nichtsdestotrotz war es ein beeindruckendes Stück Schwertkampfarbeit.

Er sah Valhallaramas hellblaue Augen hinter dem Visier überrascht aufleuchten, was Hicks ein wenig Genugtuung verschaffte, so schwierig die Umstände auch sein mochten.

Denn der Schwertkampf war das Einzige, in dem Hicks wirklich sehr, sehr begabt war. Und in den letzten Monaten hatte er ungefähr zweimal täglich gegen Leute und Drachen kämpfen müssen und dadurch jede Menge Gelegenheiten zum Trainieren bekommen – und es waren durchaus ernsthafte Gegner gewesen: Keiner hatte nur ein bisschen herumspielen wollen, nein, sie hatten Hicks aus tiefster Seele gehasst und wollten ihn töten.

Es war deshalb wie eine Hymne an die Kriegsgötter, Hicks beim Schwertkampf zuzusehen, ungefähr so, wie wenn man einer Sängerin zuhört, die mit Engelsstimme singt.

Außerdem war Hicks Linkshänder, und wie jeder weiß, ist ein guter Linkshänder einem guten Rechtshänder gegenüber allemal im Vorteil.

Allerdings hatten seine Drachenfreunde nicht vor, irgendetwas dem Zufall zu überlassen.

Denn inzwischen waren auch sie am Schauplatz angekommen und der Wotansfang, der den Kampf begeistert verfolgte, brüllte: »Nummer vier, Jungs, Nummer vier!«

Nummer vier war eines der vielen Kampfmanöver, die sie im Verlauf dieser aufregenden Zeit in der Verbannung entwickelt und intensiv trainiert hatten. Und sicherlich war es eine ihrer erfolgreichsten Angriffsmethoden.

»MUMMFFF!«, brüllte Hicks verzweifelt, »MUMMFFF!«, »MUUUUUMMFFF!«

(Was er eigentlich sagen wollte, war: »Nein, Jungs, nein! Wir wollen sie nicht töten! Das ist ein riesiges Missverständnis! sie ist meine Mutter!«)

Allerdings hatten seine Drachen absolut null Ahnung, was er eigentlich sagen wollte, und deshalb begannen sie sofort mit dem Nummer-vier-Manöver.

Der Espenlaubler sprang in riesigen Sprüngen und mit lautem Brüllen um die beiden Kämpfenden herum und versuchte so, Hicks’ Gegnerin abzulenken.

Dann stürzte sich Ohnezahn im Sturzflug auf Valhallaramas Kopf herab, krallte sich fest, biss in ihren Metallarm (wobei er sich heftige Zahnschmerzen zuzog), während der Wotansfang den untersten Teil des Baumstamms direkt hinter Valhallarama in Brand steckte.

Selbst Hicks’ sagenhafte Schwertkampffähigkeiten wurden auf eine harte Probe gestellt, weil er sich nicht nur gegen Valhallarama verteidigen musste, sondern zugleich auch versuchen musste, sie von dem Baum wegzumanövrieren, bevor er lichterloh brennend auf sie herabstürzte.

Bei allen Göttern, das war unmöglich! Denn dieser sechs Fuß große weibliche Eisenschrank dachte natürlich nicht daran, auch nur einen Schritt nachzugeben.

Hicks griff sie mit den raffiniertesten Ausfällen, Finten und Attacken an, die er beherrschte – mit Grimmbarts Durchstecher, Blitzbrenners Haschmich-Finte und dem berühmten Zweischneidigen Duckdich-Ausfall –, bis ihm endlich dämmerte, dass er sie niemals vom brennenden Baum weglocken konnte. Denn der gute Wotansfang hatte sich beim Abfackeln des Baums ziemlich ins Zeug gelegt; er wankte bereits ein wenig und um seinen Stamm herum war nun auch der Schnee weggeschmolzen, sodass das Gras und die Wurzeln ebenfalls Feuer gefangen hatten.

Verzweifelt verteidigte sich Hicks mit der linken Hand gegen die Angriffe des Schwertes Todsicher, während er sich mit der rechten den verdammten festgeklemmten Helm vom Kopf zu reißen versuchte.

»Feuuuerhoooolz!«, sangen Ohnezahn und der Wotansfang begeistert im Chor. »Brennen soll’s!« Und tatsächlich wankte der halb durchgebrannte Baum jetzt bereits wie ein sturzbesoffener Wikinger.

Hicks riss noch einmal in höchster Verzweiflung am Helm – und ENDLICH flog er so brutal von seinem Kopf, dass ihm die Ohren klingelten.

Und Hicks brüllte, so laut er nur brüllen konnte: »MUTTER! NICHT KÄMPFEN! Ich bin’s doch, dein Sohn Hicks! Und geh endlich von dem Baum weg, bevor er dir auf den Kopf fällt!«

Aber leider – LEIDER! – und völlig unbewusst brüllte er diese Warnung in der Sprache, in der er seit vielen Monaten ununterbrochen gesprochen hatte (denn, verstehst du, er hatte ja in dieser ganzen Zeit keinen menschlichen Gefährten gehabt). Also brüllte er nicht auf Nordisch, sondern auf Drachenesisch.

»Mi Mamma! Nö Aua tun! Is ikse, ti jämmerlik Söhni Hicks …«

So läuft das eben manchmal, wenn ein Sohn in einer ruhigen Minute mal ein ernstes Wörtchen mit seiner Mama reden will.

Dafür ist das Leben manchmal eben doch zu chaotisch.

Valhallarama fielen fast die blauen Augen aus dem Visier, so weit riss sie sie in ihrer völligen Verblüffung auf. Vor Schock erstarrte sie förmlich in der ein bisschen lächerlichen Haltung, die man beim Halbsprungdreherstoß einnehmen musste. Das war eine der besonders ausgefallenen Schwertkampftechniken, die Blitzbrenner erfunden hatte und die eigentlich nur jemand ausführen sollte, der mindestens zehn Jahre jünger und höchstens halb so … nun ja, vollschlank war wie Valhallarama.

Aber es war ja auch kein Wunder, dass sie wirklich richtig überrascht war. Denn in der Sekunde, in der sie total verblüfft und mit erstarrtem Schwert dastand, wurden ihr schlagartig vier Dinge absolut klar, nämlich:

1. dass sie gerade versehentlich versucht hatte, ihren einzigen Sohn einen Kopf kürzer zu machen,

2. dass dieser, ihr eigener, leiblicher Sohn, in Wahrheit der Verbannte und größte Feind des Wilderwest war, von dem alle (und nicht nur die Hexe) behaupteten, er hätte den Drachen Wildwut befreit und sei daher schuld, dass der Krieg zwischen Drachen und Menschen ausgebrochen war,

3. dass der besagte Sohn das Sklavenmal auf der Stirn trug,

4. dass ebendieser Sohn offenbar fließend Drachenesisch sprach, also die verbotene Sprache. Die allerdings außer Hicks sowieso niemand beherrschte.

Das war eine Menge – weit mehr, als eine Mutter in einem einzigen mondhellen Augenblick normalerweise verkraften konnte.

Aber die einzige Information, die gar nicht erst zu ihr durchgedrungen war, war eine, die ihr auf Drachenesisch gegeben worden war. Und das war genau die Information, die ihr in diesem Augenblick am meisten genutzt hätte.

Nämlich die Information, dass ihr ein lichterloh brennender Baum auf den Kopf fallen würde.

KRRRRRAAAAACHCHCHCHCH!!!

Der Baumstamm brach an der durchgebrannten Stelle und …

BUMMMMM!

… krachte ganz genau auf Valhallaramas behelmten Schädel …

… prallte davon ab und fiel auf den Waldboden.

Valhallarama stand still wie ein Fels, drei volle Herzschläge lang. Dann reckte sie sich zu einer würdevolleren Haltung auf.

Schwankte leicht hin und her.

Und …

KRRRRRAAAAACHCHCHCHCH!!!

… stürzte wie der Baum auf den Waldboden. »NEEEEEIIIINNNNN!!!!!«

Ach du heiliger Strohsack! Um Thors willen! Hicks hüpfte fassungslos von einem Fuß auf den anderen.

»VO-VO-VOLLTREFFER!«, kreischte Ohnezahn begeistert. »TOTAL SUPER, WOTANSFANG!«

Und Ohnezahn flatterte aufgeregt zu Valhallarama hinunter und schrie ihr Beleidigungen ins Visier.

»DU G-G-GROSSER GEMEINER RABAUKE!«

Hicks versuchte zwar, Ohnezahn wegzuwinken, aber der kleine Drache glaubte, Hicks wollte ihn nur wegen schlechten Benehmens rügen.

»O-O-OKAY, TUT MIR LEID, DU G-G-GROSSER ROSTIGER EISENMOLCH! OH, VERZEIHUNG, SIE SCHLEIMQUALLIGE DICKBAUCHMORÄNE! OH, BITTE VERGEBT MIR, IHR TROCKENGEPINSELTES MANNSWEIB! ... hab ich mich anständig genug benommen?«, fragte Ohnezahn den Wotansfang.

»Ja, ganz prima, Ohnezahn«, lobte der freundlich. »Besonders das Entschuldigen kriegst du allmählich ganz gut hin.«

Hicks stieß Ohnezahn beiseite und schob das Visier am Helm seiner Mutter hoch.

Danke, Großer Thor, sie atmet noch …

Ja, sie atmete noch, aber im Moment weilte sie erst einmal im Land der Träume und auf ihrer Stirn prangte eine riesige Beule. Unglücklicherweise war der Espenlaubler durch die ganze Kämpferei in hysterische Panik geraten. Als er sah, dass der furchtbare Krieger immer noch atmete und womöglich gleich wieder aufspringen konnte, versuchte er, Hicks aus der Gefahrenzone zu schaffen. Er drehte völlig durch, packte Hicks mit seinen starken Klauen, obwohl der sich aus dem Griff winden wollte und unaufhörlich schrie: »Neiiiiin!!! Sie ist meine Mutter! Meine MUTTER!!!«

Aber der Espenlaubler war so außer sich vor Angst, dass er mit Hicks in den Pranken in die Luft schoss.

Der Wotansfang und Ohnezahn flatterten um Hicks’ Kopf und redeten besänftigend auf ihn ein. Sie waren völlig überzeugt, dass Hicks wegen der ganzen Kämpferei jetzt endgültig ausgerastet war.