Dragon Age Band 1: Der gestohlene Thron - David Gaider - E-Book

Dragon Age Band 1: Der gestohlene Thron E-Book

David Gaider

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Beschreibung

Die Rebellenkönigin ist tot! Verraten und ermordet von ihren eigenen abtrünnigen Lords. Ihr Sohn Maric versammelt nun eine Armee von Aufständischen um sich, in dem verzweifelten Versuch, seine Nation dem Griff eines Tyrannen zu entreißen. Doch die Zeichen stehen gegen ihn. Sein Volk lebt in Angst und seine Kommandeure sehen in ihm nur den unerfahrenen Jüngling. Seine einzigen Verbündeten sind ein junger ungestümer Gesetzloser und Rowan, eine wunderschöne Kriegerin, die ihm seit seiner Geburt versprochen ist. Umgeben von Spionen und Verrätern muss Maric einen Weg finden, seine höchsten Ziele zu erreichen: Freiheit für Ferelden und die Rückkehr seiner Blutlinie auf den Thron. Die amerikanische Game-Schmiede BioWare machte sich vor allem durch die populäre Baldur's Gate-Reihe einen Namen. Nun wartet sie mit einer neuen epischen Saga auf. "Der Gestohlene Thron" schildert den heroischen Rachefeldzug eines betrogenen Königs gegen die Mörder seiner Mutter und ist der direkte Einstieg in das meist erwartete Rollenspielepos des Jahres.

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Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Rotebühlstraße 87, 70178 Stuttgart. Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin’s Press, L.L.C, durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen, vermittelt. Amerikanische Originalausgabe: „DRAGON AGE: The Stolen Throne“ by David Gaider published by Tom Doherty Associates, LLC, New York, March 2009. © 2009 by Electronic Arts Inc. EA is a trademark or registered trademark of Electronic Arts Inc. in the United States and/or other countries. All Rights Reserved. Dragon Age, the Dragon Age logo, BioWare, and the BioWare logo are trademarks or registered trademarks of EA International (Studio and Publishing) Ltd. in the United States, Canada, and other countries. EA is a trademark or registered trademark of Electronic Arts Inc. in the United States and/or other countries. All other trademarks are the property of their respective owners. All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. No similarity between any of the names, characters, persons and/or institutions in this publication and those of any pre-existing person or institution is intended and any similarity which may exist is purely coincidental. No portion of this publication may be reproduced, by any means, without the express written permission of the copyright holder(s). Übersetzung: Claudia Kern, Helga Parmiter Lektorat: Andreas Kasprzak Redaktion: Mathias Ulinski, Holger Wiest Chefredaktion: Jo LöfflerCover Art: Ramil SungaCover Design: Dean Andersen Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart Satz & eBook: Greiner & Reichel, Köln eBOOK-ISBN 978-3-8332-1970-2www.paninicomics.de/videogame

Für meine Oma

1

„Lauf weg, Maric!“

Er lief.

Die letzten Worte seiner sterbenden Mutter rissen ihn aus seiner Starre. Das Bild ihres grausamen Endes noch vor Augen, warf er sich herum und stürzte zwischen die Bäume am Rande der Lichtung. Die Äste zerkratzten sein Gesicht und zerrten an seinem Umhang, doch er beachtete es nicht und rannte blindlings weiter. Von hinten packten ihn kräftige Hände. Waren es die Leute seiner Mutter oder die Verräter, die für ihren Tod verantwortlich waren? Er vermutete das Letztere. Maric wehrte sich und stöhnte vor Anstrengung, während er verzweifelt versuchte, dem Griff zu entkommen. Noch mehr Äste schlugen ihm ins Gesicht, und ihr Laub nahm ihm die Sicht. Die Hände versuchten, ihn auf die Lichtung zurückzuzerren. Er stemmte seine Absätze in den Boden und fand an einigen Baumwurzeln unsicheren Halt. Maric schlug wütend um sich, und sein Ellbogen traf auf etwas Hartes … Etwas, das mit einem Knirschen nachgab, worauf ein schmerzerfülltes Grunzen zu hören war.

Der Griff lockerte sich, und Maric machte einen Satz vorwärts zwischen die Bäume, doch sein Umhang riss ihn zurück. Etwas hatte sich in seinem langen Ledermantel verfangen. Er zappelte wie ein wildes Tier, das in eine Falle geraten war, und schlug verzweifelt um sich, bis er es endlich schaffte freizukommen. Der zerfetzte Umhang blieb an einem Ast hängen. Maric schnappte nach Luft und rannte in die Dunkelheit des Waldes jenseits der Lichtung, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Die Bäume waren alt, und das wenige Mondlicht, das durch das dichte Blätterdach drang, reichte nicht aus, um etwas erkennen zu können. Es verwandelte den Wald vielmehr in ein Furcht einflößendes Labyrinth voller Schatten und undeutlicher Umrisse. Umgeben von dichten Büschen erhoben sich große knorrige Eichen wie Wachen in den Himmel, und überall waren dunkle Flecken, in deren Schwärze sich alles Mögliche befinden konnte.

Maric hatte keine Ahnung, wohin er rannte, aber sein Fluchtinstinkt trieb ihn immer weiter voran. Er stolperte über Wurzeln, die aus dem Boden ragten, und prallte gegen Baumstümpfe, die wie aus dem Nichts aufzutauchen schienen. Immer wieder rutschte er auf dem schlammigen Boden aus und drohte das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Der Wald machte es ihm unmöglich, sich zu orientieren. Er war nicht einmal sicher, dass er nicht die ganze Zeit im Kreis lief. Maric hörte Männer rufen, die ihn im Wald verfolgten, und er vernahm Kampfgeräusche. Die Klingen stählerner Schwerter trafen aufeinander, und einige Männer stießen Todesschreie aus – es waren die Gefolgsleute seiner Mutter, von denen er die meisten schon sein Leben lang kannte.

Während er in Panik weiterrannte, wirbelten unablässig Bilder durch seine Gedanken. Vor ein paar Minuten noch hatte er auf der Waldlichtung in der Kälte gefroren und war überzeugt gewesen, dass seine Anwesenheit während dieses geheimen Treffens eine reine Formsache darstellte. Er hatte den Verhandlungen nicht einmal besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Seine Mutter hatte ihm gesagt, dass mithilfe dieser neuen Männer der Widerstand endlich an Macht gewinnen würde, denn sie seien bereit, sich gegen die orlesianische Herrschaft zu stellen. Sie wollte diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen – nicht nach all den Jahren der Flucht und der verzweifelten Kämpfe. Maric hatte keine Einwände gegen das Treffen gehabt. Ihm war nicht einmal der Gedanke gekommen, dass es eine Gefahr für sie bedeuten konnte. Seine Mutter war die berüchtigte Rebellenkönigin; sie hatte den Widerstand ins Leben gerufen und führte die Armee an. Es war immer ihr Kampf gewesen und nicht der seine. Er selbst hatte den Thron seines Großvaters nie zu Gesicht bekommen, und ihm war auch nicht bewusst, wie groß die Macht gewesen war, die seine Familie vor der Invasion der Orlesianer besessen hatte. Die achtzehn Jahre seines Lebens hatte er in Rebellenlagern und abgelegenen Burgen verbracht, war unentwegt marschiert und im Gefolge seiner Mutter mitgeschleppt worden. Er konnte sich kein anderes Leben vorstellen, denn er kannte es nicht anders.

Und jetzt war seine Mutter tot.

Plötzlich verlor Maric das Gleichgewicht und stürzte einen mit nassen Blättern bedeckten Abhang hinunter. Er prallte gegen einen Stein und schrie schmerzerfüllt auf. Vor seinen Augen verschwamm alles.

In der Ferne erklang ein gedämpfter Ruf seiner Verfolger. Sie hatten ihn gehört.

Maric lag in der Dunkelheit und umfasste seinen Kopf. Ein Feuersturm, der jeglichen klaren Gedanken auszulöschen drohte, schien durch seinen Kopf zu rasen. Er verfluchte sich für seine Dummheit. Mit mehr Glück als Verstand war es ihm gelungen, einigen Abstand zwischen sich und seine Verfolger zu bringen, und jetzt hatte er sich verraten. Unter seinen Fingern spürte er etwas Feuchtes, Klebriges. Das warme Blut verklebte sein Haar und lief an seinem Hals hinunter – die Wärme bildete einen deutlichen Gegensatz zu der frostigen Luft.

Einen Augenblick lang zitterte er, und ein leises Schluchzen drang aus seinem Mund. Vielleicht war es das Beste, einfach hier liegen zu bleiben. Sollten sie doch kommen und ihn umbringen. Sie hatten seine Mutter ermordet und sich somit die fürstliche Belohnung, die ihnen der Thronräuber zweifellos versprochen hatte, bereits verdient. Wer war er denn schon? Ein junger Mann, den sie ebenso abschlachten konnten wie die wenigen Anhänger seiner Mutter. Doch plötzlich erstarrte er. Eine furchtbare Erkenntnis durchfuhr ihn: Er war nun der König.

Das war doch lächerlich. Er? Er, der an so vielen ungeduldigen Seufzern und besorgten Blicken schuld war? Er, für den seine Mutter sich immer wieder hatte entschuldigen müssen? Zwar hatte sie ihm ein ums andere Mal versichert, dass er eines Tages mit derselben Leichtigkeit wie sie eine natürliche Autorität ausstrahlen würde, doch war dies nicht geschehen. Es hatte ihm nichts ausgemacht, da er sich nie ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigt hatte, dass seine Mutter irgendwann sterben würde. Sie war unverwundbar und allen überlegen. Ihr Tod war etwas rein Hypothetisches, etwas, das keinerlei Bezug zur Wirklichkeit hatte.

Doch nun gab es sie nicht mehr, und er sollte jetzt König sein? Er sollte den Widerstand anführen?

Maric konnte sich lebhaft vorstellen, wie der Thronräuber auf seinem Thron in der Hauptstadt saß und in schallendes Gelächter ausbrach, wenn er die Nachricht von Marics Amtsnachfolge erhielt. Er dachte, dass es wohl das Beste sei, hier zu sterben. Ein Schwert durch die Eingeweide gestoßen zu bekommen – wie sie es bei seiner Mutter getan hatten – war immer noch besser, als zum Gespött der Einwohner Fereldens zu werden. Vielleicht ließe sich ja ein entfernter Verwandter finden, der die Flagge der Rebellion weitertragen konnte. Und wenn nicht, war es ohnehin das Beste, die Linie von König Calenhad dem Großen hier ihr Ende finden zu lassen, nachdem die Rebellenkönigin ihr Ziel – wenn auch nur knapp – verfehlt hatte. Warum sollte der Kampf unter der Führung ihres unfähigen Sohns unnötig in die Länge gezogen werden?

Dieser Gedanke hatte etwas Beruhigendes. Maric lag auf dem Rücken, und er empfand die Kälte der feuchten Blätter und des Schlamms auf seiner Haut beinahe als tröstlich. Die vereinzelten Rufe der Männer kamen näher, aber Maric hörte sie kaum noch. Er versuchte, sich ganz auf das Rascheln der Blätter über ihm zu konzentrieren. Um ihn herum ragten hohe Bäume auf, die wie Riesen auf die kleine Figur hinunterzustarren schienen, die ihnen vor die Füße gestolpert war. Er konnte den scharfen Geruch von Kiefernharz ausmachen. Die Wächter des Waldes würden die einzigen Zeugen seines Todes sein.

Während er dort lag und der Schmerz in seinem Kopf zu einem beharrlichen dumpfen Pochen wurde, nagte der Verrat weiter an ihm. Die Männer, die seine Mutter mit falschen Versprechen hierher gelockt hatten, waren adlige Gefolgsleute aus Ferelden, die vor den Orlesianern auf die Knie gefallen waren, um ihre Ländereien nicht zu verlieren. Statt zu ihrem Lehnseid zu stehen, hatten sie es vorgezogen, ihre rechtmäßige Königin zu verraten. Wenn niemand davonkam und den zurückgebliebenen Rebellen berichtete, was wirklich geschehen war, würden sie nie die Wahrheit erfahren. Zwar würden sie sich denken können, was geschehen war, aber was konnten sie ohne Beweise schon ausrichten? Der Tod seiner Mutter, der rechtmäßigen Königin, würde ungesühnt bleiben.

Maric setzte sich auf, und das Pochen in seinem Kopf wurde zu einem nahezu unerträglichen Hämmern. Alles tat ihm weh, und er zitterte am ganzen Leib, da er bis auf die Knochen nass und vollkommen durchgefroren war. Es war schwierig, sich zu orientieren, aber er vermutete, dass er sich in der Nähe des Waldrandes befand. Er war nicht tief in den Wald eingedrungen, und die Männer, die ihn suchten und sich mit Rufen verständigten, waren nicht weit entfernt. Allerdings schienen ihre Rufe leiser zu werden. Vielleicht sollte er sich einfach nur still verhalten? Er war in eine Senke gefallen, und wenn er lange genug hier liegen blieb, liefen die Männer möglicherweise an ihm vorbei, und er würde wieder zu Kräften kommen. Er konnte dann die Lichtung wiederfinden und nachsehen, ob es Überlebende unter den Gefolgsleuten seiner Mutter gab.

Plötzlich knackte ein Ast in seiner Nähe, und er erstarrte. Maric lauschte einen qualvollen Moment lang angestrengt in die Dunkelheit hinein, aber er hörte nichts mehr. Das Geräusch rührte von einem Fußtritt her, dessen war er absolut sicher. Er wartete weiter ab und wagte nicht, auch nur mit der Wimper zu zucken … und dann hörte er es wieder. Diesmal noch leiser. Jemand versuchte sich anzuschleichen. Ob sie ihn sehen konnten, obwohl er sie nicht sah?

Maric schaute sich verzweifelt um. Die Senke, in der er sich befand, ging in einen abfallenden Hang über. Es war schwer, sich in dem schwachen Mondlicht einen Eindruck von dem Gelände zu verschaffen.

Die Bäume, Wurzeln und dichten Büsche würden ihn daran hindern davonzukriechen. Entweder musste er bleiben, wo er war … oder aus der Senke herausklettern.

Maric duckte sich, so tief er nur konnte, als er in der Nähe erneut das schmatzende Geräusch von Schritten auf nassen Blättern vernahm. Genau hinzuhören war fast unmöglich, da aus der Ferne noch immer die Rufe seiner Verfolger dumpf herüberklangen und der Wind durch die hohen Wipfel strich, aber dennoch war er sicher, das Geräusch deutlich zu erkennen. Er bezweifelte jedoch, dass man ihn sehen konnte. Im Gegenteil, es war so dunkel, dass sein Verfolger wahrscheinlich genau wie er in die Senke stürzen würde.

Maric war von dem Gedanken, dass sein Feind genau auf ihn fallen konnte, wenig begeistert, und so versuchte er vorsichtig aufzustehen. Ein scharfer Schmerz schoss durch seine Knie und Arme. Er hatte Schnittwunden im Gesicht und an den Armen, und er war sicher, dass er eine Platzwunde am Kopf davongetragen hatte … aber der Schmerz war nun seltsam gedämpft, als ob es nicht sein Schmerz wäre. Er versuchte sich zu bewegen, langsam und leise. Geschmeidig. Gleichzeitig lauschte er auf weitere Schritte und kaute unruhig auf seiner Unterlippe. Sein Herz raste und übertönte alle anderen Geräusche. Wer immer dort war, konnte seinen Herzschlag bestimmt hören. Wahrscheinlich pirschten sie sich gerade heran, um ihm den Todesstoß zu versetzen, und weideten sich an seiner Panik.

Maric versuchte ganz bewusst zu atmen und schwitzte trotz der Kälte. Dann richtete er sich so weit auf, dass er auf die Füße kam. Sein rechtes Bein verkrampfte sich, und der vom Knie ausgehende Schmerz zuckte wie ein Blitz durch das ganze Bein. Diese Wunde spürte er viel deutlicher als die anderen. Erschrocken zog er die Luft durch seine zusammengebissenen Zähne und hätte beinahe laut aufgeschrien.

Sofort presste er die Lippen zusammen, schloss die Augen und verfluchte sich für seine Dummheit. Geduckt lauschte er in die Dunkelheit hinein. Schritte waren keine mehr zu hören. Jemand anders, der sich weiter hinten zwischen den Bäumen befand, rief etwas in Marics Richtung. Er konnte nicht verstehen, was der Mann sagte, aber es hörte sich wie eine Frage an: Ob sie etwas gefunden hatten. Es kam keine Antwort. Der Verursacher der Schritte hatte Maric wahrscheinlich gehört und wollte seine Position nicht durch eine Antwort verraten.

Mit äußerster Vorsicht krabbelte Maric seitlich an der Senke hinauf. Er spähte in die dunklen Schatten und versuchte einen menschlichen Umriss auszumachen. Er vermutete, dass sein Verfolger dasselbe tat und sie in der Dunkelheit Katz und Maus spielten. Derjenige, der den anderen zuerst entdeckte, würde gewinnen. Zu spät wurde Maric klar, dass er selbst dann, wenn er den Mann ausfindig machte, nahezu wehrlos war. Er war unbewaffnet. An seiner Hüfte baumelte eine leere Scheide, denn sein Messer hatte er zwei Stunden zuvor Hyram geliehen, damit dieser ein Seil zerschneiden konnte. Hyram war ein Vertrauter seiner Mutter, einer ihrer Generäle, den Maric schon seit seiner Kindheit kannte. Nun lag er wahrscheinlich tot an der Seite seiner Königin, während ihr Blut in der kalten Nachtluft trocknete. Maric schimpfte sich einen Narren und versuchte, das Bild aus seinen Gedanken zu verdrängen.

In diesem Moment bemerkte er ein Aufblitzen in den Schatten. Er kniff die Augen zusammen und konnte mit Mühe ein Schwert erkennen, dessen polierte Klinge das schwache Mondlicht reflektierte. In der Vielzahl der dunklen Schatten und Büsche gelang es ihm zwar immer noch nicht, den Träger der Waffe zu sehen, aber es war beruhigend zu wissen, wo sein Gegner sich befand.

Den Blick fest auf diesen Punkt gerichtet, hob Maric die Hände, krallte sich am oberen Ende der Senke fest und zog sich leise hoch. Der Schmerz in seinen Armen war furchtbar, doch er achtete nicht darauf und behielt das Schwert ununterbrochen im Auge. Als er über den Rand der Senke hinausgeklettert war, bewegte sich das Schwert. Eine dunkle Gestalt trampelte auf ihn zu, hob die Waffe und knurrte bedrohlich.

Ohne weiter nachzudenken, sprang Maric vorwärts und stürmte los. Das Schwert zischte an seinem Ohr vorbei und verfehlte nur knapp seinen Arm. Er rammte seinen Kopf mitten in den Körper des Mannes, um ihm den Atem zu rauben. Unglücklicherweise trug sein Verfolger ein schweres Kettenhemd, und in Marics Kopf explodierte der Schmerz. Genauso gut hätte er einem Baumstumpf einen Kopfstoß verpassen können. Alles drehte sich um ihn. Eigentlich hätte er jetzt unkontrolliert herumtorkeln müssen, doch die Wucht des Aufpralls trieb die beiden weiter vorwärts, und der Angreifer verlor den Halt. Beide schlugen auf dem nassen, unebenen Boden auf, und Marics Verfolger fing den Aufprall auf. Der Arm mit der Waffe schwang zur Seite, und das Schwert flog in die Dunkelheit.

Maric war halb wahnsinnig vor Schmerz und konnte fast nichts sehen, aber es gelang ihm, den Kopf des Mannes mit beiden Händen zu packen. Er spürte einen kräftigen Kiefer mit Bartstoppeln. Der Mann versuchte Maric wegzustoßen, indem er wild mit seiner freien Hand um sich schlug. Als er einen Schrei ausstoßen wollte – wohl um seine Freunde herbeizurufen –, war nur ein erstickter Ruf zu hören. Maric nutzte den Vorteil der Hebelkraft aus, zog den Kopf des Mannes hoch und rammte ihn dann nieder. Der Mann stöhnte, als sein Schädel gegen eine Wurzel schlug.

„Du Bastard!“, stieß Maric wütend hervor. Der Mann wurde immer verzweifelter, und seine Hand suchte Marics Gesicht, um ihn zu kratzen oder sonst wie zu verletzen. Er presste sie hart gegen Marics Nase, und ein Finger bohrte sich in sein rechtes Auge. Maric drehte sein Gesicht zur Seite und drückte den Kopf des Mannes fest gegen die Wurzel. Der Mann grunzte und versuchte, Maric abzuschütteln, aber das schwere Kettenhemd behinderte ihn. Er zappelte und drückte die freie Hand weiter gegen Marics Gesicht, doch konnte er sich trotz aller Anstrengungen nicht befreien.

Das Hämmern in Marics Kopf war eine Qual, und er hatte seinen Hals so lang wie möglich gestreckt, um sein Gesicht aus der Reichweite seines Gegners zu bringen. Maric musste den Kopf des Mannes loslassen, wenn er die Hand in seinem Gesicht loswerden wollte. Sofort versuchte der Bärtige, ihn zu treten. Für einen kurzen Moment verlor Maric das Gleichgewicht, und der Mann schlug ihm eine Faust mitten ins Gesicht. Maric war benommen und sah Sterne. Er kämpfte gegen die Ohnmacht an, streckte seine Hände nach unten und ergriff so viel von dem langen Haar des Mannes, wie er nur konnte. Dann zog er die Arme ruckartig nach oben. Diesmal brüllte der Mann laut auf, weil sein Kopf in einem äußerst schmerzhaften Winkel nach oben gerissen wurde. Maric schrie ebenfalls, jedoch vor Anstrengung, als er den Kopf des Fremden ein drittes Mal auf die Wurzel schmetterte. Diesmal noch härter.

„Du hast sie umgebracht!“, schrie Maric. Wieder zog er den Kopf an den Haaren hoch und rammte ihn erneut nieder. „Du Bastard hast sie umgebracht!“ Und noch einmal donnerte er den Kopf auf die Wurzel.

Und noch einmal.

Tränen standen in seinen Augen, und seine Stimme brach: „Sie war deine Königin, und du hast sie umgebracht!“ Er schmetterte den Kopf noch härter auf die Wurzel. Diesmal wehrte sich der Mann nicht mehr. Ein widerlicher Geruch nach blutigem Fleisch stieg Maric in die Nase. Seine Hände waren blutüberströmt. Es war jedoch nicht sein Blut, sondern das seines Verfolgers. Beinahe unfreiwillig ließ er sich von dem Körper des Mannes gleiten und kroch rückwärts. Seine blutigen Hände rutschten auf den kalten nassen Blättern ab, und erneut schoss der Schmerz durch seine Beine. Er rechnete damit, dass der Mann wieder aufstehen und auf ihn zurennen würde, doch nichts geschah. Die Leiche lag im Schatten, ein undeutlicher Umriss, der seltsam verdreht auf einigen Baumwurzeln lag. Maric konnte kaum die große Eiche hinter ihm erkennen.

Ihm war speiübel, er hatte Bauchkrämpfe und zitterte am ganzen Körper. Geistesabwesend hob er die Hand zum Mund, um den bitteren Gallegeschmack niederzukämpfen, und schmierte sich dabei frisches Blut ins Gesicht. An seiner Hand klebten blutige Hautfetzen und Haare. Er krümmte sich zusammen und erbrach das wenige, das er am Mittag zu sich genommen hatte, auf den schlammigen Waldboden. Die Verzweiflung drohte ihn zu übermannen.

Du bist der König, rief er sich in Erinnerung.

Marics Mutter, Königin Moira, war ein Fels in der Brandung gewesen, und sie konnte ganze Armeen kampferprobter Männer zum Sieg führen. Mit jeder Faser ihres Körpers war sie die Tochter seines Großvaters gewesen, das sagte jeder. Ihretwegen hatten sich einige der einflussreichsten Adligen in Ferelden erhoben und dafür gekämpft, dass sie den Platz auf dem Thron einnehmen konnte. Und das, weil sie davon überzeugt waren, dass sie dorthin gehörte.

Und nun gibt es sie nicht mehr, und du bist König, wiederholte er zu sich selbst. Es klang genauso unwirklich wie zuvor.

In der Ferne wurden die Geräusche seiner Verfolger wieder lauter. Es war möglich, dass den Verrätern Marics Kampf mit dem Bärtigen nicht entgangen war. Er musste weg. Er musste einfach weiterrennen und sich in Sicherheit bringen. Doch er konnte seine Beine nicht dazu veranlassen, sich zu bewegen. Er saß in dem dunklen Wald und hielt seine blutigen Hände vor sich, als ob er nicht wüsste, wohin damit.

Maric hörte die Stimme seiner Mutter wieder, als sie das letzte Mal aus dem Kampf zurückgekehrt war. Sie hatte ihre Rüstung noch an, war blut- und schweißüberströmt und grinste. Er wurde von seinem Ausbilder zu ihr gezerrt, weil er sich mit einem gewöhnlichen Jungen geprügelt hatte. Schlimmer noch, als sie Arl Rendorn fragte, ob Maric den Kampf wenigstens gewonnen hatte, musste er rot vor Scham gestehen, dass er vernichtend geschlagen worden war. Arl hatte daraufhin verächtlich durch die Nase geschnaubt und sie gefragt, was für eine Art König Maric denn einmal abgeben würde.

Darauf lachte seine Mutter fröhlich, ein Gelächter, das allen Ernst in Luft auflösen konnte. Sie hatte Marics Kinn in ihre Hand genommen, ihm in die Augen geschaut und ihn mit einem sanften Lächeln aufgefordert, nicht auf Arl zu hören. Du bist mein Sonnenschein, und ich glaube an dich.

Seine Trauer ließ ihn lachen und weinen. Seine Mutter hatte an ihn geglaubt, und doch hatte er sich in weniger als einer halben Stunde im Wald verlaufen. Wenn es ihm irgendwie gelingen sollte, seine Verfolger abzuschütteln, einen Weg aus dem Wald heraus zu finden und sich ein Pferd zu beschaffen, musste er immer noch die Armee seiner Mutter finden. Er war so sehr daran gewöhnt, dass man ihn herumführte und ihm sagte, wohin er zu gehen hatte, dass er dem Weg hierher keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er hatte getan, wie ihm geheißen. Jetzt konnte er nicht einmal seinen Aufenthaltsort bestimmen.

Und so geht er hin, der letzte wahre König Fereldens, dachte er belustigt und wütend zugleich. Er wollte ein guter König sein, aber konnte anscheinend nicht einmal seinen Hintern von einem Loch im Boden unterscheiden.

Irres Gekicher drohte seine Tränen abzulösen, aber Maric unterdrückte beides. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um an die Vergangenheit zu denken oder zu trauern. Er hatte gerade einen Menschen mit bloßen Händen getötet, und in seiner Nähe befanden sich noch weitere Feinde. Er musste weg. Rasselnd atmete er einmal tief ein und schloss die Augen. Irgendwo tief in seinem Inneren befand sich ein stahlharter Kern. Er konzentrierte sich darauf, nahm den bitteren Beigeschmack wahr und verbannte den Aufruhr aus seinem Inneren. Er musste die Ruhe bewahren, und sei es nur für einen Moment.

Als er die Augen wieder öffnete, war er bereit.

Maric schaute sich ruhig nach dem Schwert um, das sein Verfolger verloren hatte. Alles um ihn herum bewegte sich plötzlich sehr langsam, alles schien unwirklich. Es waren zu viele Büsche, zu viele Abhänge und zu viele Baumstümpfe, hinter denen das Schwert verborgen sein konnte. Er fand es nicht. Plötzlich hörte er die Stimme eines anderen Mannes, diesmal recht nah. Er hatte keine Zeit mehr.

Maric stand auf unsicheren Beinen und versuchte auszumachen, wo die Stimme herkam. Sobald er ihren Ursprungsort herausgefunden hatte, lief er in die entgegengesetzte Richtung. Zunächst humpelte er stark. Seine Beine waren voller Blutergüsse und seine Muskeln verkrampft. Möglicherweise hatte er sich auch einige Knochen gebrochen, aber er ignorierte den Schmerz. Mühsam griff er nach tief hängenden Ästen und zog sich immer weiter in die Dunkelheit.

Sie würden für ihre Taten bezahlen. Und wenn es das Einzige war, das er als König vollbrachte.

„Irgendwas geht da vor“, murmelte Loghain und runzelte die Stirn.

Er stand am Rande des Waldes und wischte sich geistesabwesend den Schlamm von der Lederhose. Nicht, dass diese Anstrengung etwas gebracht hätte – seine Kleidung war so abgerissen und schmutzig, wie man es bei einem Wilderer erwartete. Die Orlesianer hatten weniger freundliche Bezeichnungen für ihn und seinesgleichen: Kriminelle, Diebe, und wenn es ganz schlimm wurde, auch Banditen.

Loghain war es herzlich egal, wie sie ihn nannten, da sie seine Familie von ihrem Land vertrieben hatten. Die Orlesianer waren der Meinung, dass niemand außer ihren aufgeblasenen, angepinselten Adligen Land besitzen sollte, und so war es nicht weiter überraschend, dass sie den Freien Fereldens nicht gerade mit Wohlwollen begegneten. Der orlesianische Herrscher hatte sich eine „Tributsteuer“ ausgedacht, und wenn die Freien sie nicht bezahlen konnten, wurde ihr Land beschlagnahmt. Loghains Vater hatte es im ersten Jahr noch geschafft, das Geld für die Begleichung dieser Steuer zusammenzukratzen, und so wurde sie kurzerhand erhöht. Im nächsten Jahr weigerte sein Vater sich zu zahlen. Als die Soldaten kamen, verkündeten sie, dass nicht nur die Besitzrechte an der Farm verwirkt waren, sondern dass sein Vater auch wegen Steuerhinterziehung zu verhaften sei. Loghains Familie leistete erbitterten Widerstand, und so lebten sie jetzt in der Wildnis Fereldens. Sie hatten sich mit anderen verzweifelten Seelen zusammengetan, und sie schlugen sich gemeinsam mehr schlecht als recht durchs Leben.

Loghain interessierte es zwar nicht im Geringsten, was die Orlesianer von ihm hielten, aber er war sehr darauf bedacht, einer Verhaftung zu entgehen. Der Burgvogt von Lothering stammte ebenfalls aus Ferelden und hatte seine Bande bisher toleriert. Solange sie keine Reisenden angriffen und nur kleinere Diebstähle begingen, machte er nur halbherzige Versuche, sie aufzuspüren. Loghain wusste jedoch, dass der Mann bald gezwungen sein würde, ernsthaft nach ihnen zu suchen, aber er hoffte, dass der Burgvogt genug Anstand besaß, sie rechtzeitig zu warnen.

Sie würden woanders hingehen, wie sie es schon so oft getan hatten. Schließlich gab es genug Wälder und Hügel in Ferelden, um eine ganze Armee zu verstecken – auch die Rebellenkönigin wusste das. Aber was, wenn der Burgvogt sie nicht gewarnt hatte? Dieser Gedanke beunruhigte Loghain, und deshalb starrte er aufmerksam in den Wald. Manchmal konnte man eben nicht so handeln, wie man wollte. Ein kalter Wind wehte über das Feld, und er zitterte. Es war spät, und der Mond schien von dem wolkenlosen Nachthimmel herab. Loghain wischte sich die schwarzen Locken, die ebenso schmutzig waren wie seine Hände, aus dem Gesicht und zog seine Kapuze über. Der Frühling war eine Fortsetzung des Winters gewesen, der sich weigerte nachzulassen. Die kalten Nächte, die Loghain und seine Bande in den behelfsmäßigen Zelten verbracht hatten, waren alles andere als gemütlich gewesen, aber diese Unterbringung war anderen Quartieren immer noch vorzuziehen.

Dannon, ein Klotz von einem Kerl mit einer wenig vertrauenerweckenden Ausstrahlung, ging hinter ihm. Loghain vermutete, dass Dannon aus der Stadt kam und dort Taschendiebstähle verübt und Reisende ausgeraubt hatte. Wahrscheinlich war er jetzt hier, weil er dabei nicht sonderlich erfolgreich gewesen war. Doch Loghain durfte ihn nicht verurteilen. Alle gaben ihr Bestes, und Dannon leistete auch seinen Beitrag. Das bedeutete aber nicht, dass Loghain sich in seiner Nähe wohlfühlen musste.

„Was sagst du da? Du hast etwas gesehen?“ Dannon kratzte sich ausgiebig den Nasenrücken und rückte die drei Kaninchen zurecht, die er sich über die Schulter geworfen hatte. Sie hatten sie heute Abend auf den Feldern eines orlesianischen Sympathisanten erlegt. Das Jagen im Dunkeln war nicht einfach, besonders dann nicht, wenn man mehr Zeit damit verbrachte, darauf zu achten, nicht erwischt zu werden, als zu jagen. Doch diesmal war ihnen das Glück hold gewesen.

„Ich sagte, dass irgendetwas vor sich geht“, wiederholte Loghain gereizt. Er drehte sich um und starrte Dannon an, der sofort einen Schritt zurückwich. Loghain hatte diese besondere Wirkung auf Menschen. Man hatte ihm schon früher gesagt, dass seine blauen Augen ihm eine kalte, eindringliche Ausstrahlung verliehen, die auf Menschen zuweilen abschreckend wirkte. Doch war ihm das nur recht. Die meisten Menschen im Lager fanden, dass er noch sehr jung war, ganz besonders Dannon, und er war froh, dass der Mann nicht auf die Idee kam, ihm Befehle geben zu wollen. „Willst du mir sagen, dass du nichts bemerkt hast?“

Dannon zuckte mit den Schultern. „Es gibt einige Spuren. Ich glaube, da sind ein paar Soldaten.“

„Und du dachtest nicht, dass das wichtig sein könnte?“

„Ach!“ Er rollte mit den Augen. „Karolyn unten im Dorf hat uns doch schon gesagt, dass dort Soldaten sein würden, oder nicht? Sie sagte, dass sie heute Morgen gesehen hat, wie Bann Ceorlic mit einigen seiner Gefolgsleute durch die nördlichen Felder marschierte.“

Loghain runzelte bei dem Namen die Stirn. „Ceorlic ist ein Speichellecker, der alles tut, um in der Gunst des orlesianischen Thronräubers zu bleiben. Jeder weiß das.“

„Na ja, also Karolyn sagte, dass er außerhalb der Sichtweite des Dorfes herumgelaufen ist und nicht mal an der Taverne angehalten hat. Als ob er nicht wollte, dass man ihn sieht.“

Dannon zeigte auf die Kaninchen, die er trug. „Sieh mal, was immer er im Schilde führt, es hat nichts mit uns zu tun. Niemand hat uns jagen sehen. Es ist alles in Ordnung. Wir sollten weitergehen.“ Er lächelte ein freundlich-nervöses Lächeln, das beruhigend wirken sollte. Dannon hatte ganz offensichtlich Angst vor ihm, was Loghain nur recht war.

Er warf noch einen Blick zurück auf den Wald, und seine Hand strich über sein Schwert. Dannons Blick folgte der Bewegung, und er zog eine Grimasse. Dannon konnte zwar recht gut mit einem Messer umgehen, aber mit allem, was größer war, stellte er sich ausgesprochen ungeschickt an. „Och, nun komm schon. Mach keinen Ärger“, nörgelte er.

„Ich bin nicht daran interessiert, Ärger zu machen“, sagte Loghain. „Mir geht es darum, ihn zu vermeiden.“ Er schritt zielstrebig auf den Waldrand zu und überquerte einen kleinen Hügelkamm, der bergab führte. „Man muss uns nicht jagen sehen, um zu wissen, dass wir hier sind. Du weißt genauso gut wie ich, dass wir schon länger hier sind, als gut für uns ist.“

„Das ist nicht deine Entscheidung“, entgegnete Dannon, aber er folgte ihm widerwillig. Loghains Vater war derjenige, der die Entscheidungen traf, und selbst Dannon wusste, dass Loghain und sein Vater selten unterschiedlicher Meinung waren. So soll es auch sein, dachte Loghain. Sein Vater hatte keinen Dummkopf großgezogen.

Sie betraten den dunklen Wald und blieben kurz stehen, damit ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Dannon wurde wegen des tückischen Untergrundes immer nervöser, aber er war klug genug zu schweigen. Allmählich begann Loghain zu glauben, dass Dannon doch recht hatte.

Er wollte gerade umkehren, als Dannon stehen blieb. „Hast du das gehört?“, flüsterte er.

Gute Ohren,dachte Loghain. „Ein Tier?“

„Nein.“ Dannon schüttelte verunsichert den Kopf. „Hört sich mehr wie Rufe an.“

Beide verharrten still, und Loghain lauschte aufmerksam. Eine leichte Brise ließ die Blätter über ihren Köpfen rascheln, was eine nicht unerhebliche Ablenkung bedeutete, aber für einen kurzen Moment bemerkte er, was Dannon meinte. Es war nur sehr schwach zu hören, aber irgendwo in der Ferne waren eindeutig Rufe auszumachen. Ganz offensichtlich suchten die Männer etwas. „Das ist eine Fuchsjagd.“

„Häh?“

Loghain widerstand der Versuchung, mit den Augen zu rollen. „Du hattest recht“, sagte er knapp. „Sie sind nicht unseretwegen hier.“

Dannon schien die Nachricht zu erfreuen. Erneut rückte er die Kaninchen auf seiner Schulter zurecht und drehte sich um. „Dann lass uns nicht hier herumstehen. Es ist schon spät.“

Doch Loghain zögerte. „Du hast gesagt, dass Bann Ceorlic hier durchgekommen ist. Wie viele Männer hatte er wohl bei sich?“

„Keine Ahnung. Ich habe sie ja schließlich nicht gesehen.“

„Was genau hat dein Barweib gesagt?“

Der große Mann zuckte mit den Schultern, aber sein Rücken versteifte sich vor verhaltener Wut. Loghain bemerkte mit mäßigem Interesse, dass er offensichtlich einen Nerv getroffen hatte. Ein kleines Techtelmechtel? Nicht, dass es ihn wirklich interessierte, aber es war besser, den großen Kerl nicht unnötig zu provozieren. „Ich weiß nicht“, stieß Dannon zwischen den Zähnen hervor. „Sie hat nichts gesagt. Es klang nicht nach einer großen Truppe.“

Loghain vermutete, dass etwa zwanzig Männer dort draußen waren. Es hätte sicherlich Aufmerksamkeit erregt, wenn Bann Ceorlic noch mehr Männer in die Nähe von Lothering gebracht hätte. Aber was genau ging da vor? Es beunruhigte ihn, dass ein Adliger Fereldens, der für seine offene Unterstützung des orlesianischen Tyrannen verschrien war, in die Sache verwickelt zu sein schien. Was auch immer Ceorlic und seine Männer im Schilde führten, es bedeutete zweifellos nichts Gutes für seine Bande – selbst wenn es sie nicht direkt betraf.

Während Loghain noch da stand und versuchte, Dannons Ungeduld zu ignorieren, gestand er sich ein, dass er wahrscheinlich ohnehin nichts ausrichten konnte. Die politischen Vorgänge in Ferelden gingen ihn nichts an. Sein einziges Ziel war zu überleben, und die Politik betraf ihn nur dann, wenn sie direkten Einfluss auf dieses Vorhaben ausüben konnte. Er seufzte gereizt und starrte in die Schatten, als ob sie eine Antwort auf seine Fragen hätten.

Dannon räusperte sich. „Wenn du das machst, klingst du wie dein Vater.“

„Das war wahrscheinlich das erste Kompliment, das ich von dir gehört habe.“

Dannon schnaubte verächtlich und starrte Loghain an. „Oh, das war keine Absicht.“ Er spuckte auf den Boden zwischen ihren Füßen. „Hör mal. Es geht uns nichts an, genau wie du gesagt hast. Also nichts wie weg hier.“

Loghain mochte es nicht, herausgefordert zu werden. Er hielt Dannons Blick stand und sagte eine ganze Weile nichts. „Wenn du gehen willst“, sagte er, „dann geh.“

Dannon blieb, wo er war, doch Loghain sah, dass seine Augen sich nervös hin und her bewegten. Dannon war verunsichert. Loghain spürte, dass sein Begleiter darüber nachdachte, ob er Gebrauch von seinem Messer machen sollte und ob er es zum Lager zurückschaffte, wenn er es tat. Loghain war in Versuchung, das Ganze auf die Spitze zu treiben. Er wollte sich vor ihm aufbauen und Dannon abschätzend mustern. Vielleicht hatte er ja den Mut, mit dem Messer auf ihn einzustechen und es ein für alle Mal hinter sich zu bringen. Soweit Loghain wusste, war er ein Mörder, der Menschen aufschlitzte, nur um sie schreien zu hören, und vor seiner Vergangenheit geflohen war. Vielleicht war es auch dumm von Loghain, seinem Vorschlag nicht zu folgen.

Doch er bezweifelte das.

Die Stille zwischen ihnen war lang und spannungsgeladen und wurde nur von dem Geräusch des Windes in den Bäumen und den weit entfernten Rufen der Jäger unterbrochen. Loghain kniff seine Augen zusammen und war zufrieden, als Dannon schließlich den Blick von ihm abwendete.

Plötzlich vernahmen sie ein Geräusch in ihrer Nähe.

Dannon zuckte zusammen, und die Tatsache, dass er gerade klein beigegeben hatte, verblasste angesichts der neuen Bedrohung. Es war, als ob diese Konfrontation nicht stattgefunden hätte. Aber Loghain wusste Bescheid.

Etwas kam auf sie zu, schnell und geräuschvoll. Was immer es auch sein mochte, es hastete durch die Büsche und schob in kopfloser Panik die Äste zur Seite. Loghain mutmaßte, dass es der Fuchs war. Natürlich musste er ihnen genau vor die Füße laufen. Falls es den Schöpfer im Himmel wirklich gab, wie die Priesterinnen sagten, hatte er einen äußerst merkwürdigen Sinn für Humor.

Ängstlich wich Dannon einige Schritte zurück, im Gegensatz zu Loghain, der sein Schwert zog und abwartete. Plötzlich erschien ihr vermeintlicher Angreifer, schälte sich aus den Schatten, blieb abrupt stehen und starrte sie aus weit aufgerissenen Augen verängstigt an.

Es handelte sich um einen jungen Mann etwa in Loghains Alter. Sein blondes Haar und die helle Haut waren von Kratzern, Blättern, Schmutz und einer beträchtlichen Menge Blut bedeckt. Sein Hemd war völlig zerfetzt, und er war so voller Schlamm, als ob er den Wald auf dem Bauch kriechend durchquert hätte. Das Blut bedeckte sein Gesicht und seine Hände. Wahrscheinlich handelte es sich nicht nur um sein eigenes Blut. Wer immer dieser Mann auch war, er hatte vermutlich getötet, um sich in Sicherheit zu bringen, und das war für Loghain ein Zeichen dafür, wie verzweifelt der Unbekannte sein musste.

Er kauerte vor ihnen in den Schatten wie ein Tier, das in der Falle saß, erstarrt zwischen Kampf und Flucht. Hinter ihm kamen die Rufe näher. Loghain hob langsam die Hand und zeigte dem Flüchtling deutlich seine Handfläche, um zu signalisieren, dass er ihm nicht böse gesinnt war. Dann schob er das Schwert zurück in die Scheide. Der blonde Mann bewegte sich nicht und kniff nur misstrauisch die Augen zusammen. Seine Aufmerksamkeit wurde wieder von Loghain abgelenkt, als weitere gedämpfte Rufe zwischen den Bäumen erklangen.

„Machen wir, dass wir hier wegkommen!“, zischte Dannon hinter ihm. „Er wird sie direkt zu uns führen!“

„Warte“, flüsterte Loghain und ließ den Flüchtling nicht aus den Augen. Dannon wurde wütend, und Loghain sah aus dem Augenwinkel, dass er das Messer jetzt in der Hand hielt. Loghain streckte seine Hände aus, um beide zu beruhigen, und drehte sich zu dem blutüberströmten Mann in den Schatten um. „Wer ist hinter dir her?“, fragte er langsam.

Der Fremde leckte sich über die Lippen, und Loghain sah in seinen Augen, dass er nachdachte. „Orlesianische Hunde“, antwortete er monoton und bewegte sich noch immer nicht.

Loghain warf einen Blick auf Dannon. Der große Mann zog eine Grimasse, aber Loghain war bewusst, dass der junge Mann ihm nicht leidtat. Dannon war sich selbst der Nächste, doch schließlich gab er mit einem unwilligen Grunzen nach.

„Gute Antwort.“ Loghain trat einen Schritt zurück und drehte sich halb um, als ob er gehen wollte. „Komm mit uns.“

Dannon fluchte verdrossen und hielt seinen Blick zu Boden gesenkt, während er sein Messer wieder einsteckte und davonstapfte. Loghain tat so, als ob er ihm folgte, beobachtete jedoch den Fremden, ob er sich ihnen anschloss. Eine Zeit lang war der blonde Mann sichtlich hin- und hergerissen. Dann sprang er ohne weiteres Zögern aus seiner Hocke auf und rannte ihnen nach.

Die drei gingen schweigend den Weg zurück, den Loghain und Dannon gekommen waren. Der blonde Mann ging hinten, und Dannon hielt sich weit vorne, als ob er kurz davor wäre, sie abhängen zu wollen. Aus der Haltung seiner Schultern war abzulesen, dass er ärgerlich und aufgebracht war. Doch Loghain war das vollkommen gleichgültig.

Sie kamen rasch voran, und bald darauf blieben die Rufe der Verfolger des jungen Mannes zurück. Der Fremde schien erleichtert und wirkte noch entspannter, als sie sich dem Waldrand näherten und man das Mondlicht immer deutlicher sehen konnte. Jetzt, da er ihn genauer betrachten konnte, war Loghain doch ein wenig verwundert. Die Kleidung des Mannes war zwar zerrissen und schmutzig, aber sie war offensichtlich von guter Qualität, wenn nicht sogar der neuesten Mode entsprechend. Besonders die Stiefel schienen robust und aus feinstem Leder gefertigt zu sein. So etwas sah Loghain sonst nur hin und wieder bei den Templern. Ihr Begleiter war offensichtlich kein armer Mann. Jetzt zitterte er allerdings und zuckte bei jedem Geräusch zusammen. Solche Hetzjagden waren offenbar etwas Neues für ihn.

„Dannon, warte“, rief Loghain und blieb stehen. Dannon hielt nur widerwillig an. Loghain wandte sich an den blonden Mann, der nun erneut misstrauisch zurückwich. Er blickte von einem zum anderen, als ob er sich fragte, welcher der beiden als Erster auf ihn losgehen würde. „Ich fürchte, wir können nicht weitergehen“, gab Loghain widerwillig zu.

„Dem Schöpfer sei Dank!“, murmelte Dannon leise.

Der Blonde dachte einen Moment lang nach und sah sich dann um, als ob er seine Position bestimmen wollte. Das Feld außerhalb des Waldes war von ihrem Standort aus deutlich zu erkennen. „Ich finde von hier alleine weiter.“

Loghain konnte den Akzent des jungen Mannes nicht ganz einordnen, aber er sprach ganz so, als ob er gebildet sei. Vielleicht ein Kaufmannssohn? „Tatsächlich?“ Er zeigte auf die zerrissene Kleidung Marics und bemerkte, dass dieser nicht einmal einen Umhang trug. „Du siehst eher so aus, als ob du erfrierst, bevor du die Stadt erreichst.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Falls du überhaupt dort hinwillst.“

„Warum waren sie hinter dir her?“, wollte Dannon wissen und schob sich neben Loghain.

Der blonde Mann hielt inne, sein Blick schweifte zwischen Loghain und Dannon hin und her, als ob er nicht wusste, wem er zuerst antworten sollte. Dann schaute er auf seine Hände und betrachtete im Mondlicht die dunklen Blutflecken, als ob er sie zum ersten Mal sähe. Er fühlte sich offensichtlich abgestoßen, obwohl er versuchte, seine Gefühle zu verbergen. „Ich glaube, ich habe einen von ihnen umgebracht“, flüsterte er.

Dannon pfiff anerkennend. „Die geben scheinbar nicht so einfach auf.“

Loghain runzelte die Stirn. „Das waren also Bann Ceorlics Männer?“

„Einige“, stimmte der blonde Mann zögernd zu. „Sie haben … einen Freund von mir umgebracht.“ Der Schmerz, der sich auf seinem Gesicht widerspiegelte, bewies, dass zumindest die letzte Aussage der Wahrheit entsprach. Der blonde Mann schloss die Augen, zitterte erneut und versuchte vergebens, sich das Blut von der Wange zu wischen. Loghain warf Dannon einen kurzen Blick zu, und der große Mann zuckte zur Antwort nur mit den Schultern. Was auch immer sich zugetragen haben mochte, Loghain bezweifelte, dass sie es erfahren würden. Und vielleicht war das auch gar nicht nötig. Dieser Fremde war nicht der erste von Orlesianern Verfolgte, der ihnen über den Weg lief. Und Loghain hätte an seiner Stelle auch niemandem über den Weg getraut. Hinter der ganzen Geschichte steckte bestimmt mehr, aber Loghains Bauchgefühl sagte ihm, dass es sich nicht um einen Hinterhalt handelte. Und sein Bauch täuschte sich selten.

„Pass auf“, sagte er mit einem Seufzer. „Wir wissen nicht genau, wer dich da hinten im Wald gejagt hat. Du sagst, es seien Orlesianer, und ich glaube dir.“ Der Blonde sah so aus, als ob er widersprechen wollte, aber Loghain hielt eine Hand hoch. „Wer immer sie sind, es schienen mehrere zu sein. Sie werden bald mitbekommen, dass du nicht mehr im Wald bist. Und der erste Ort, an dem sie nach dir suchen werden, ist Lothering. Kannst du noch woanders hin?“

Der blonde Mann senkte den Kopf und schaute düster drein. „Nein, ich … denke nicht. Jedenfalls fällt mir kein Ort ein, der einfach zu erreichen wäre.“ Dann schob er den Unterkiefer vor und sah zu Loghain auf. „Aber ich werde schon zurechtkommen.“ Einen Moment lang glaubte Loghain wirklich, dass der Fremde es versuchen wollte. Es würde ihm zwar nicht gelingen, aber er wollte es versuchen. Ob das ein Zeichen von Sturheit oder Torheit war oder etwas völlig anderes, konnte er nicht beurteilen.

„Wir haben ein Lager“, sagte Loghain. „Es liegt gut versteckt.“

„Ihr beide … Ihr hättet mir nicht helfen müssen, das weiß ich. Ich bin euch dankbar.“ Er zögerte. „Das ist nicht nötig.“

„Wenn wir auch sonst nichts für dich tun können, so bin ich doch sicher, dass wir wenigstens einen alten Umhang für dich auftreiben werden. Dich ein wenig säubern, damit du weniger … verdächtig aussiehst.“ Er zuckte mit den Schultern. „Oder aber du gehst deiner Wege. Es ist allein deine Entscheidung.“

Der Bursche wand sich und zitterte erneut, als eine kalte Brise vom Feld herüberwehte. Einen Augenblick lang dachte Loghain sogar, dass er verloren aussah, gefangen in seinem freien Fall aus dem Leben, das er früher einmal geführt hatte. Das Schicksal gab einem zuweilen ausgerechnet dann die schlechtesten Karten, wenn man es am wenigsten erwartete; Loghain wusste das nur zu gut. Er erkannte die entsprechenden Anzeichen, auch wenn sein Mitleid nicht grenzenlos war. Dies war alles, was er dem Mann anbieten konnte.

Dannon schnaubte. „Beim Atem des Schöpfers, Mann! Sieh dich doch mal an! Was willst du denn sonst tun?“

Loghain betrachtete den großen Mann fragend. „Du hast deine Meinung aber schnell geändert.“

„Pah! Du bist doch derjenige, der ihn mitgezerrt hat. Wenn er schon mal da ist, kann er auch mitkommen.“ Er drehte sich auf dem Absatz um und stapfte davon. „Wenn ich dadurch schneller wieder an ein warmes Feuer komme, bin ich auf jeden Fall dafür.“

Der junge Mann starrte beschämt auf den Boden und fühlte sich sichtlich unbehaglich. „Ich … ich habe nichts Wertvolles.“ Und dann fügte er hinzu: „Um euch zu bezahlen, meine ich.“

Um es zu stehlen,meinte er in Wahrheit. Aber es fiel schwer, beleidigt zu sein, zumal Loghain und Dannon ja wirklich Diebe waren. „Es sieht nicht so aus, oder?“

Der blonde Mann konnte nicht mehr viel sagen. Er nickte langsam.

Loghain machte eine Kopfbewegung in Richtung Dannon, der bereits einigen Vorsprung hatte. „Wir sehen besser zu, dass wir ihn einholen, bevor er noch irgendwo in ein Loch fällt.“ Er machte einen Schritt nach vorn und streckte seine Hand aus. „Du kannst mich Loghain nennen.“

Der blonde Mann zögerte kurz, bevor er Loghains Hand ergriff und sie schüttelte. „Hyram.“

Das war natürlich eine Lüge. Loghain fragte sich einen Moment lang, ob er das, was er gerade tat, bereuen würde. Sein Bauch hatte ihn noch nie getrogen, aber für alles gab es ein erstes Mal. Wie auch immer, die Würfel waren gefallen. Er nickte Hyram zu, drehte sich um, und die beiden machten sich gemeinsam auf den Weg.

2

Als Maric erwachte, war er sicher, dass er sich wieder im Rebellencamp befand. Er hatte wohl nur schlechten Eintopf gegessen und war das Opfer eines furchtbaren Albtraums geworden. Seine Mutter würde jeden Moment ins Zimmer kommen und ihn einen Langschläfer schelten. Aber trotz der Erleichterung, die er zu fühlen meinte, wusste er, dass das nicht stimmte. Er lag unter einer abgenutzten und modrig riechenden Decke, und das kleine Zimmer, in dem er sich befand, war ihm fremd. Die Schnitte und Blutergüsse, die er sich in der Nacht zuvor zugezogen hatte, machten sich bemerkbar. Nach und nach fiel ihm alles wieder ein.

Loghain war während ihres Marsches mehrmals der Überzeugung gewesen, dass sie verfolgt wurden. Dannon regte sich jedes Mal gewaltig auf, wenn Loghain darauf bestand, ausgedehnte Umwege zu machen. Maric fand diese Vorsicht keineswegs übertrieben, doch als sie endlich die Gebirgsausläufer erreichten, wollten seine Beine ihn kaum noch tragen. Zwei Stunden lang hatten sie sich durch die Dunkelheit gequält, waren bis auf die Knochen durchgefroren und hatten kaum ein Wort gewechselt. An ihre Ankunft im Lager konnte er sich nur noch vage erinnern und daran, dass er sich über die vielen schmutzigen Zelte, die zwischen den Felsen und Büschen verstreut waren, gewundert hatte. Er hatte eine Handvoll Gesetzloser erwartet, aber hier schien eine ganze Dorfgemeinschaft zu leben. Verschwommen erinnerte er sich daran, dass ihn misstrauische Augen und geflüsterte Anschuldigungen begrüßt hatten. Zu dem Zeitpunkt war es ihm jedoch bereits egal, ob sie ihn einsperrten oder ihn zum Abendessen kochten. Der Schlaf, den er so dringend brauchte, hatte ihn eingeholt und übermannt.

Ein leises, platschendes Geräusch holte Maric in die Gegenwart zurück. Er machte den Fehler, seine Augen zu öffnen. Prompt blendete ihn helles Sonnenlicht, das durch ein kleines Fenster fiel, und er zuckte zusammen. Alles war verschwommen, und in seinem Kopf pochte und hämmerte es unangenehm. Er blinzelte, bis seine Augen etwas erkennen konnten, aber es gab nicht viel zu sehen. Undeutlich erinnerte er sich daran, dass im Lager ein festes Gebäude stand; eine kleine Blockhütte, die höchstens einen Raum hatte, und er nahm an, dass er sich darin befand. Es gab nur wenige Möbelstücke: das wackelige Bett, in dem er lag, und einen kleinen Tisch. Einige Stapel schmutziger Lumpen lagen in einer Ecke. Als einzige Zierde hing eine Holzschnitzerei über seinem Kopf: ein Kreuz in einem Kreis. Ein heiliges Symbol.

Maric bewegte seine Schultern und versuchte, den Schmerz zu ertragen. Zu seiner Überraschung bemerkte er, dass er kaum mehr als seine Bundhose trug.

„Habe ich dich geweckt?“, fragte eine Stimme neben seinem Bett. Er drehte den Kopf, und ihm wurde klar, dass eine Frau die ganze Zeit neben ihm gekniet hatte und einen Lumpen in einer mit Wasser gefüllten Schüssel eingeweicht hatte. „Es tut mir leid. Ich versuche, so leise zu sein, wie es geht.“ Sie klang mütterlich und freundlich und trug die rote Amtstracht der Chantry-Priester. Er hatte nicht viele Gelegenheiten gehabt, ein ordentliches Andachtshaus zu betreten, da die Chantry vor langer Zeit schon dem Thronräuber unterstellt worden waren, aber seine Mutter hatte darauf bestanden, dass er auch in diesen Dingen unterwiesen wurde. Er glaubte an den Schöpfer und ehrte das Opfer, das dieser mit Andraste, seinem ersten Eheweib und Prophetin, gebracht hatte, wie jeder andere Fereldaner auch. Maric erkannte eine Priesterin, wenn er sie sah. Was machte sie hier in diesem Lager der Gesetzlosen?

„Euer … Hochwürden?“ Seine Stimme war ein heiseres Krächzen, und er hustete, was das Hämmern in seinem Kopf verstärkte. Er stöhnte laut auf und legte seinen Kopf wieder auf das Kissen. Ihm wurde schlecht, und der Raum um ihn herum drehte sich.

Die Frau kicherte bedauernd. „Oje, nein. Zu viel der Ehre.“ Maric konnte sie jetzt besser sehen. Vom Alter gezeichnet, hatte sie ein würdevolles Äußeres. Ihre einstmals wohl blonden Locken waren grau geworden, und ihre müden Augen waren von tiefen Falten umgeben. Es war jedoch deutlich zu sehen, dass sie einmal eine Schönheit gewesen war. Zu dem Gewand trug sie ein goldenes Medaillon. Dieses war mit einem Bild von Andrastes Kreuz und dem Kranz aus heiligem Feuer verziert. Sie bemerkte seinen Blick und lächelte. „Meine Tage in der Gemeinschaft der Chantry sind schon lange vorbei, fürchte ich.“

Sie wrang das fleckige Tuch aus und wischte ihm über das Gesicht. Die Feuchtigkeit war kühl und erfrischend, und Maric schloss die Augen, während sie sich um ihn kümmerte. Als sie fertig war, berührte er ihre Hand. „Wie lange bin ich …?“

Sie hielt inne und musterte ihn mit ihren müden grauen Augen. Er sah Mitleid, aber auch Misstrauen darin. „Fast den ganzen Tag“, antwortete sie schließlich. Dann lächelte sie beruhigend und strich ihm das Haar aus der Stirn. „Mach dir keine Sorgen, Junge. Was immer du auch getan hast, du bist hier sicher.“

„Und wo genau ist ‚hier‘?“

„Hat Loghain dir das nicht gesagt?“ Sie seufzte und tauchte das Tuch wieder ins Wasser. Eine große rote Wolke breitete sich darin aus. „Nein, natürlich nicht, warum auch? Nur ein Drache wäre in der Lage, mehr als zwei Sätze aus dem Jungen herauszuholen. Er kommt ganz nach seinem Vater.“ Der belustigte Blick, den sie ihm zuwarf, schien als Erklärung ausreichen zu müssen.

„Dies sind die Southron Hills, direkt außerhalb der Wilds … Aber das hast du dir wahrscheinlich schon gedacht.“ Vorsichtig wischte sie über seinen Hinterkopf, und sofort durchzuckte ihn wieder ein scharfer stechender Schmerz. Er nahm an, dass dort der Ursprung seiner hämmernden Kopfschmerzen zu suchen war, und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie schwer seine Verletzungen wohl waren. „Dieser Ort hat keinen Namen. Wir haben uns hier für eine Weile niedergelassen, das ist alles. Im Laufe der Zeit haben die Menschen in diesem Lager sich zusammengerauft, weil es notwendig war. Sie versuchen einfach nur zu überleben.“

„Kommt mir bekannt vor“, murmelte Maric. Trotzdem fragte er sich, inwieweit sich sein Leben wirklich mit dem ihren vergleichen ließ. Selbst auf der Flucht hatten er und seine Mutter immer angemessene Unterkünfte gehabt, egal, wo sie sich versteckten. Entlegene Schlösser, Klöster, die in den Bergen versteckt lagen …

Es hatte immer einen Adligen gegeben, der bereit war, sie aufzunehmen, oder jemanden, der ihnen bereitwillig ein großes Zelt während ihres Marsches zur Verfügung gestellt hatte. Er hatte sich immer bitter über die Einschränkungen beklagt, die er ertragen musste, über die Langeweile und die fehlende Freiheit. Aber verglichen mit dem Elend, das er hier bei seiner Ankunft gesehen hatte, würden diese Leute ihn sicherlich als privilegiert bezeichnen. Wahrscheinlich war er das auch.

„Wir folgen Gareth. Er beschützt uns, und wir scheinen von Jahr zu Jahr mehr zu werden. Es gibt wohl immer mehr verzweifelte Seelen, die nicht wissen, wohin sie sich sonst wenden sollen.“ Sie betupfte wieder seinen Kopf und runzelte besorgt die Stirn. „Das ist Loghains Vater, falls du ihn noch nicht kennengelernt hast.“

„Habe ich nicht.“

„Das wirst du aber.“

Sie wrang das Tuch erneut aus, diesmal wirbelte etwas Dunkles und Unbestimmbares im Wasser. Maric fragte sich, ob sein Kopf so schmutzig war, wie er sich anfühlte. „Ich bin Schwester Ailis.“

„Hyram.“

„Ja, das sagte man mir.“ Die Schwester zeigte mit dem Kopf auf seine Hände. „Die solltest du dir waschen.“

Maric betrachtete seine Hände und sah, dass sie noch immer völlig verschmutzt waren. Bis zu den Ellbogen war er bedeckt mit getrocknetem Blut und Dreck. Er nahm das nasse Tuch kommentarlos entgegen.

„Da ist viel Blut an deinen Händen“, betonte sie.

„Das ist nicht meins. Das meiste jedenfalls nicht.“

Ihr Blick blieb unverändert nachdenklich. „Und was denkst du darüber?“

Er hielt seinen Blick auf seine Hände gerichtet und wischte sie langsam ab. Ihm war klar, was ihre Frage bedeutete. Sein erster Gedanke im Wald hatte der Geheimhaltung seiner Identität gegolten, und das war wahrscheinlich auch richtig so. Schließlich hatte Schwester Ailis es selbst gesagt: Diese Leute waren verzweifelt. Maric hatte keine Ahnung, wie viel der Thronräuber für ihn zahlen würde, aber es war mit Sicherheit mehr, als diese Leute jemals besessen hatten. Man musste nicht arm sein, um zu wissen, dass die Aussicht auf Reichtum jeden käuflich machen konnte. Er fragte sich, wie viele Goldmünzen nötig gewesen waren, damit jemand seiner Mutter ein Schwert in den Bauch stieß.

„Er hat mich angegriffen, und ich habe mich verteidigt.“ Seine Stimme kam ihm hohl und gekünstelt vor. „Sie haben meine Mutter umgebracht.“

Es war noch immer unwirklich, auch wenn er es laut aussprach.

Die Schwester beobachtete ihn noch einen Moment lang scharf. „Schöpfer, behüte sie“, stimmte sie dann, etwas milder gestimmt, an.

Maric zögerte. „Schöpfer, behüte sie“, wiederholte er, und die Trauer ließ seine Stimme heiser klingen. Schwester Ailis legte verständnisvoll ihre Hände auf die seinen. Etwas abrupter, als es seine Absicht gewesen war, zog er seine Hände fort, aber sie sagte nichts. Er starrte seine halb gesäuberten Hände lange und unbehaglich an. Sie nahm ihm das blutgetränkte Tuch ab und wusch es erneut aus.

Maric unternahm einen lahmen Versuch, das Thema zu wechseln. „Wenn du eine Priesterin bist, was machst du dann hier?“

…Die Schwester lächelte und nickte, als ob sie diese Frage schon öfter gehört hatte. „Als der Schöpfer in Seine Welt zurückkehrte, erwählte Er sich eine Braut, die Seine Prophetin sein sollte. Er hätte sie im großen Imperium, das reich war und viele mächtige Magier besaß, suchen können. Er hätte sie in den zivilisierten Ländern des Westens suchen können oder in den Städten entlang der Nordküste. Er suchte sie jedoch unter den Barbaren am äußersten Rande von Thedas.“

„Und so fiel das Auge des Schöpfers auf Andraste“, stimmte Maric prompt an, „diejenige, die aus der Mitte der Ausgestoßenen kam und zu Seiner Braut erkoren wurde. Von ihren Lippen ertönte der Choral des Lichts, und unter ihrer Herrschaft bevölkerten die Legionen der Gerechtigkeit die Welt.“

„Ein gebildeter Mann?“ Die Schwester schien beeindruckt, doch Maric verfluchte seinen Hang zur Angeberei. Sie schloss die Hand um das heilige goldene Symbol, das sie um den Hals trug, und betrachtete es wie einen alten Freund. „Die Menschen vergessen, dass Ferelden früher nicht als die Heimat der Prophetin des Schöpfers galt. Damals wurde es von der zivilisierten Welt verschmäht.“ Sie lächelte sanft, und ihre Augen glitzerten. „Manchmal findet man die wichtigsten Dinge dort, wo man sie am wenigsten vermutet.“

„Aber diese Menschen sind doch …?“

„Kriminelle? Diebe? Mörder?“ Sie zuckte die Schultern. „Ich bin hier, um sie zu führen und ihnen in ihrem Kampf beizustehen, so gut ich es vermag. Das Urteil über ihre Taten wird der Schöpfer sprechen und niemand anders.“

„Die Magister waren diejenigen, die nach ihrem Kreuzzug das Urteil über Andraste sprachen. Sie haben sie wegen des Ärgers, den sie verursacht hatte, am Kreuz verbrannt, weißt du.“

Ihr Kichern klang amüsiert. „Ja, das habe ich schon mal irgendwo gehört.“

Sie wurden unterbrochen, als Loghain die Hütte betrat. Er war sauberer, als Maric ihn in Erinnerung hatte, und trug jetzt eine Rüstung aus genietetem Leder. Sie sah schwer aus, und der Bogen, den er über der Schulter trug, wirkte ob seiner Größe und Qualität einschüchternd. Für einen Wilderer hat er eine ungewöhnlich gute Ausrüstung, dachte Maric. Loghain bemerkte wohl den prüfenden Blick und schaute ihn scharf an. Im Gegensatz zu Schwester Ailis war das Misstrauen in seinen Augen deutlich zu erkennen. Plötzlich wurde Maric verlegen und zog die Decke hoch, um seine Blöße zu bedecken.

„Ah, er scheint wohl doch nicht den ganzen Tag verschlafen zu wollen“, kommentierte Loghain trocken, ohne seinen Blick von Maric abzuwenden.

„Es geht ihm besser“, stellte die Schwester fest. „Seine Verletzungen sind beträchtlich. Es war richtig, ihn herzubringen, Loghain.“

Er schaute zu ihr hinüber. „Das werden wir noch sehen. Hat er dir etwas erzählt?“

Maric hob die Hand. „Ähm … Ich bin hier –“

Belustigt hob Schwester Ailis eine Augenbraue und sah Loghain an. „Richtig. Warum sprichst du nicht mit ihm?“

„Das habe ich vor.“ Dann, an Maric gewandt: „Mein Vater will dich sehen.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte wieder hinaus ins Sonnenlicht.

Die Schwester zeigte auf einige Kleidungsstücke, die in einer Ecke des Raums neben dem kleinen Tisch lagen. „Deine Stiefel sind unter dem Tisch. Ich fürchte, ich musste alles andere verbrennen. Wir haben nichts Besonderes, aber ich bin sicher, dass du etwas Passendes finden wirst.“ Sie drehte sich um und wollte ebenfalls den Raum verlassen.

„Schwester Ailis“, rief Maric. Sie blieb an der Tür stehen und sah ihn an. Plötzlich fehlten ihm die Worte.

„Ich würde Gareth nicht warten lassen“, sagte sie nur. Dann war sie fort.

Maric ging hinaus ins Lager. Im hellen Nachmittagslicht sah es fast so aus wie ein gewöhnliches Dorf. Man klopfte Kleidung auf Steinen im nahe gelegenen Fluss, Kaninchenfleisch wurde über verschiedenen Feuern geräuchert, Gruppen schwatzender Frauen reparierten Zelte, und kleine Kinder flitzten überall herum. Möglicherweise waren sie etwas dünner und schmutziger, als er es gewohnt war, aber dieser Ort unterschied sich nicht wirklich von den anderen in Ferelden. Die Orlesianer waren eben nicht die gütigsten Herrscher. Überall lag Abfall herum, was bedeutete, dass sie schon einige Monate hier lebten. Auf jeden Fall lange genug, um die Hütte zu bauen, die er gerade verlassen hatte. Einige finster aussehende Kerle, die in ärmliche Lumpen gekleidet waren, bemerkten Maric und starrten ihn kalt und berechnend an. Loghains gute Lederrüstung schien hier die Ausnahme zu sein.

Er sah sich um und bemerkte Loghain, der nicht weit entfernt stand und mit einem großen Mann sprach. Maric nahm an, dass es sich um Loghains Vater handelte. Auch er trug eine mit Nieten besetzte Lederrüstung und hatte denselben strengen Blick und dieselben schwarzen Haare wie Loghain. Allerdings hatte er deutlich weniger Haare und war grau an den Schläfen. Selbst wenn er, wie fast alle anderen Menschen hier, Lumpen getragen hätte, wäre zweifelsfrei zu erkennen gewesen, wer hier das Sagen hatte. Maric war mit dieser Art Männer mehr als vertraut: sie führten die Armee seiner Mutter an und strahlten ihr ganzes Leben lang mit jeder Faser ihres Körpers Disziplin und Macht aus. Seltsam, dass er so einen Mann hier fand.

Endlich bemerkte Loghain Maric, der mitten in dem geschäftigen Treiben stand, und nickte in seine Richtung, um seinen Vater auf ihn aufmerksam zu machen. Das Misstrauen in seinem Blick ließ nicht eine Sekunde nach, und Maric fragte sich, was er getan hatte, um eine solche Feindseligkeit zu verdienen.

Das liegt daran, dass du ihn angelogen hast und es noch immer tust, rief er sich ins Gedächtnis, und weil du ein unfähiger Dummkopf bist.

Die beiden Männer kamen auf ihn zu. Maric wartete auf sie und wand sich innerlich, da ihm nicht entging, wie er gemustert wurde. In diesem Moment war er so weit davon entfernt, König zu sein, wie es nur irgend möglich war, und ihm war kalt, er hatte Schmerzen und fühlte sich ausgesprochen unbehaglich. Er ertappte sich bei dem Wunsch, seine Mutter möge herbeireiten und ihn retten. Die Rebellenkönigin würde prächtig in ihrer goldenen Rüstung aussehen, ihr blondes Haar und der purpurrote Umhang würden im Wind flattern. Es war schon immer leicht zu verstehen gewesen, warum die Leute sie liebten. Diese armen Wichte wären sofort vor ihr auf die Knie gefallen, einschließlich Loghain und seinem Vater. Aber sie würde ihn nie wieder retten können, und auch seine sehnlichsten und fantasievollsten Wünsche würden daran nichts ändern. Maric biss die Zähne zusammen und wich den beiden eisig blauen Augenpaaren, die ihn ansahen, nicht aus.

„Hyram.“ Gareth streckte freundlich seine Hand zur Begrüßung aus. Maric schüttelte sie, und ihm wurde sofort klar, wie stark dieser Mann war. Gareth war nicht mehr jung, doch Maric war sicher, dass Loghains Vater ihn mühelos besiegen und wie ein kleines Kind herumwerfen konnte.

„Äh, ja“, brachte er heraus. „Hallo. Du musst Gareth sein.“

„Der bin ich.“ Gareth kratzte sich am Kinn und starrte auf Maric hinunter, als ob dieser etwas Außergewöhnliches sei. Loghain stand einen Schritt hinter seinem Vater und schaute bemüht neutral drein. „Mein Sohn sagte mir, dass du in der Nähe von Lothering in Schwierigkeiten geraten bist. Du wurdest von Bann Ceorlics Männern verfolgt.“

„Da waren auch noch einige andere, aber ja, das stimmt.“

Er nickte langsam. „Wie viele waren es genau?“

„Ich weiß es nicht. Es waren viele.“

„Alle im Wald? Bann Ceorlic stammt nicht von hier. Weißt du, warum sie dort waren?“