Drehbuch  -  Die Psycho-Paten - Julie Nezami-Tavi - E-Book

Drehbuch - Die Psycho-Paten E-Book

Julie Nezami-Tavi

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Beschreibung

Ort des Geschehens: Wien. Eine Metropole der Kultur, der feinen Künste und der erlesenen Genüsse, aber in diesem Kriminalfall, das Zentrum des psychischen Schreckens. Der Krimi »Psycho-Paten« behandelt die Frage, ob selbsternannte Paten der Psyche mitunter möglicherweise die eigentlichen Psychopathen sind. Da der oberste Ermittler mit italienischen Wurzeln behaftet ist, kommt das eigentümliche Wiener Milieu hier ebenso zum Ausdruck wie ein Seitenblick auf die nahverwandte Gelassenheit des italienischen Flairs. Eine ehemalige Sonderermittlerin aus Baden hat vor 20 Jahren freiwillig ihren Beruf an den Nagel gehängt hat, weil es ihr damals nicht gelungen war, einen Nervenspitalleiter, entgegen ihres besseren Wissens um dessen Schuld, des mehrfachen Mordes zu überführen. Nun, 20 Jahre später, wird genau jener Spitalleiter, der damals seinen Sitz von Baden nach Wien verlegt hatte, da er seine Reputation, zumindest regional, angekratzt sah, ermordet. Und die Ex-Sonderermittlerin, die ausgerechnet zur Tatzeit zu Besuch in Wien ist, offensichtlich um ihren einstigen Widersacher (ob seines vermeintlichen Fortschrittsbeitrags auf dem Gebiet medizinischer Nervenheilkunst) zu konfrontieren, avanciert zur Hauptverdächtigen und gerät unweigerlich in die verbale Schusslinie der Polizei. Themen, wie Psychologie, Therapie, Psychopharmaka, Zwischenmenschlichkeit, Glaubensfragen mit all ihren Stärken und ihren Zweifeln, dazu vielschichtige Charaktere von geheimnisvoll introvertiert über enervierend stoisch bis hin zu ungebändigtem Temperament, sind in eine intelligente Kriminalhandlung eingearbeitet, die mit ebenso viel Spannung, Kurzweile wie Brisanz aufwartet. Für jedermann verständlich, wird hierbei die philosophische Schwere des Seins mit der fatalen Leichtigkeit des Scheins in einer stimmigen Symbiose vereint.

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhaltsverzeichnis

Innen. Haus - Abend

Aussen. Grundstück - Abend

Innen. Badezimmer - Abend

Innen. Erdgeschoss - Abend

Innen. Küche - Abend

Innen. Polizeigebäude - Tag

Innen. Kantine - Mittag

Innen. Polizeigebäude - Mittag

Innen. Kirche - Nachmittag

Innen. Kaffeehaus - Nachmittag

Innen. Küche - Abend

Innen. Polizeigebäude - Vormittag

Innen. Hotel - Mittag

Aussen. Strasse - Mittag

Innen. Pharmakonzern - Mittag

Innen. Polizeigebäude - Nachmittag

Innen. Kirche - Nachmittag

Aussen/Innen. Nervenspital - Vormittag

Aussen/Innen. Auto - Vormittag

Innen. Hotel - Mittag

Innen. Küche - Abend

Innen. Polizeigebäude - Vormittag

Ort des Geschehens: Wien

Über die Autorin

1INNEN. HAUS - ABEND

Ältere Haushälterin [Rosemarie Kiesel] steht in der Küche und bereitet Abendessen zu. Plötzlich flackern die Lichter, erlöschen und auch sonstige elektrische Geräte, wie Radio usw., gehen abrupt aus. Währenddessen dumpfer Knall. Dunkelheit. Haushälterin sucht tastend nach Streichhölzern und Kerzen. Kurze Zeit später hört man aus der Entfernung Glasscherben brechen. Haushälterin hält kurz inne, ruft dann heftig atmend und laut, während sie weiter sucht.

KIESEL

(laut) Kristian! Kristian!

(zu sich) Großer Gott, wo sind sie denn nur?

Findet Streichhölzer und Kerzen in der Küchenschublade. Mit zittrigen Händen zündet sie eine Kerze an und verlässt die Küche im Kerzenlicht. Draußen in der Diele kommt eine weitere Person zögerlich angetastet, eine junge Frau [Fatime], die offensichtlich auch in Diensten des Haushalts steht und ebenso verschreckt dreinblickt.

FATIME

Was war das?

KIESEL

Ich weiß es nicht!

FATIME

Es ist zum Fürchten! Alle Lichter sind ausgegangen.

KIESEL

Ein Stromausfall. Im ganzen Haus.

Sicher nichts, worüber wir uns beunruhigen müssen.

FATIME

Ich finde es gespenstig!

KIESEL

Unsinn. Red kein dummes Zeug!

Aus dem hinteren Dielenbereich kommt ihnen ein Mann [Kristian Böhme (ca.40 J.)], Typ wortkarg und übellaunig, entgegen. In der Hand hält er eine leuchtende Taschenlampe.

KIESEL

Was war denn los, was ist passiert?

BÖHME

Ich weiß es doch auch nicht!

Böhme geht in den Keller zum Sicherungskasten und schaltet die Sicherungen ein. Lampen gehen wieder an. Er kommt zurück. Beide Frauen stehen hilflos beieinander. Die Ältere versucht, als beruhigende Kraft zu wirken.

KIESEL

Sicher nur ein Kurzschluss. Kein

Grund zur Panik.

FATIME

Aber Madame, haben Sie den Krach

nicht gehört? Und der gnädige Herr,

der müsste doch schon längst

heruntergekommen sein.

KIESEL

Die Katze wird was runter geworfen

haben.

FATIME

Die Katze habe ich vorhin zur Tür hinausgelassen, die kann es nicht gewesen sein. Nein, ich glaube es ist jemand Fremdes im Haus. Was ist, wenn er kommt und uns umbringt. Madame, ich habe Angst!

KIESEL

Sei ruhig! Professor Grofke steckt sicher so tief in seiner Arbeit drin, dass er von alledem überhaupt nichts mitgekriegt hat. … Du weißt doch, wie konzentriert er sein kann. Nicht einmal ein Erdbeben bringt ihn da aus seiner Ruhe.

BÖHME

Und dass es stockfinster geworden ist, soll er auch nicht gemerkt haben?

Böhme entschließt sich, Treppe nach oben zu gehen, während die Frauen ihm voll Anspannung hinterherschauen.

BÖHME

Ach, macht kein Theater. Ich sehe nach, was los ist.

KIESEL

Jetzt hat der Spuk gleich ein Ende. Alles ist in Ordnung!

Kiesel hält ihre Hände beruhigend auf Fatimes Schultern, während beide ängstlich nach oben blicken. Kurz darauf taucht Böhme, fahl im Gesicht, wieder am oberen Treppenabsatz auf.

BÖHME

Wir müssen die Polizei rufen.

Beide Frauen starr vor Schreck. Keiner gelingt es, zu antworten. Böhme geht raschen Schrittes selbst zum Telefon, wählt und spricht.

BÖHME

Ich habe einen Unfall zu melden. – Kristian Böhme. Wilhelminengasse 1 bis 7. Es geht um Professor Grofke, Leiter des Grofke-Nervenspitals. – Er ist tot.

GRUNDSTÜCK:

2AUSSEN. GRUNDSTÜCK - ABEND

Sehr großes, leicht abgestuftes Grundstück. Oberhalb, großes geräumiges Mehrfamilienhaus, das Wohnhaus, mit weitreichendem Blick auf Spital, das sich auf der unteren Grundstücksebene befindet.

3INNEN. BADEZIMMER - ABEND

Tracelli und Thalmayer am Tatort. Leiche und Bildschirmmonitor mit elektrischem Kabel in drei Viertel voller Wanne. Wasserpfützen am Boden. Kabel ist bereits aus der Steckdose gezogen. Wasser ist mit blutroter Farbe gefärbt. Ein umgekippter Eimer, der rote Farbe enthielt. Übliche Badezimmerutensilien, zum Teil umgeworfen oder runter gefallen. Eine Seife, in der 2 Holzkreuze stecken. Ein umgefallenes Longdrink-Glas auf an Wanne montiertem Beistelltisch. Ein größeres aus Holz geschnitztes Kreuz klebt mit in der Schnelle abgerissenem Klebeband an der Wand. Dazwischen prangen mit blutroter Farbe Wortfetzen an der Wand, die man nur mit Mühe entziffern kann:

„[unleserlich] … Teufel … [unleserlich] … Leib … [unleserlich] … und führ … [unleserlich] … Versuch … [unleserlich] … Böse“

Man muss annehmen, dass es der mutmaßliche Täter eilig hatte. Das Klebeband pappt völlig unorthodox über Kreuz und Wand. Polizeifotograf und Spurensicherung sind am Werk. Thalmayer schaut gerade auf herabgefallenen Monitor.

THALMAYER

Da hat jemand ganze Arbeit geleistet. Das kann net leicht gewesen sein, das Teil in die Wanne zu schmeißen.

Tracelli deutet auf eigens für den Monitor eingebaute Vorrichtung und nickt.

TRACELLI

Hm. Da musst du richtig mit einem Schraubenzieher dran. Der Bildschirm war mit stabilen Schrauben befestigt, der stand da nicht einfach nur drauf und ist dann ins Wasser hinein kippt.

Thalmayer zustimmende Kopfbewegung und gleichzeitig ungläubiges Schütteln, ob des bizarren Anblicks.

TRACELLI

Das Kabel ist nicht mehr in der Steckdose. Der Täter muss es noch rausgezogen haben. Wir haben es hier mit einem fürsorglichen Mörder zu tun. - Wieso hat man überhaupt so ein elektrisches Teil im Badezimmer? Weiß doch jedes Kind, dass Geräte, die am Strom hängen, im Badezimmer nichts zu suchen haben.

THALMAYER

Muss man heute nicht einen FI Schalter haben? Dann kann so was doch gar nicht mehr passieren.

BEAMTER (SPURENSICHERUNG)

MUSS nicht. Wäre aber besser gewesen, er hätte ihn gehabt. Ist ein altes Haus. Aus den frühen 70ern. Es besteht dringende Empfehlung solche Häuser mit dem FI Schalter nachzurüsten. Besonders, wenn in Nasszellen mit elektrischen Geräten gearbeitet wird. Aber viele Hausbesitzer sind da einfach zu sorglos und lassen es schleifen. Na ja, was dabei raus kommen kann, sieht man ja hier.

Tracelli betrachtet sich das ganze intensiv und aus nächster Nähe.

TRACELLI

Eh klar. - Ansonsten war er aber doch recht sorgfältig. Das ist eine richtig ausgeknobelte Vorrichtung, vollkommen systematisch anmontiert. Alle Gefahrzonen isoliert.

Eigentlich völlig unriskant! Das Strom führende Kabel hinten durch, so dass es eben kein Risiko birgt. - Na, des ist kein leichtsinnig elektrisches Kabel im Bad. Da hat sich jemand richtig zu schaffen gemacht, um das Ding unter Netzspannung überhaupt ins Wasser hinein werfen zu können.

THALMAYER

Das hieße aber auch, der Doktor nimmt ein Bad und schaut sich das seelenruhig an. Wie sein Mörder mit dem Schraubenzieher hantiert, um diese schlaue Vorrichtung aufzukriegen. Vielleicht hat er ihm eh noch Tipps geben können, wie er des am gescheitesten anstellt?! Und wie er ihn damit am cleversten entsorgt?!

TRACELLI

Ja, des schaut schon komisch aus.

Pathologe [Csermak] betritt das Badezimmer, Kaffeebecher in der Hand.

TRACELLI

Servus! Hast an Kaffee mitbracht?

CSERMAK

Na, den hab ich eh schon trunken.

TRACELLI

Und, was habn ma?

CSERMAK

So auf den ersten Blick würd ich sagen, der Mann ist gegrillt worden.

TRACELLI

Csermak, bitte, ja?! - Schau bitte nach, ob er vorher irgendwas geschluckt hat, was darauf hindeutet, dass er unter Einfluss von Medikamenten stand, als er sein Bad nahm.

CSERMAK

Da wär ich net drauf kommen, aber wenn du es sagst.

Csermak macht sich an die Arbeit.

TRACELLI

Für was hatte der überhaupt so viele Beobachtungsmonitore? Fast in jedem Zimmer steht einer.

THALMAYER

Big Brother is watching you. Das war eben ein vorsichtiger Mann!

TRACELLI

Offenbar net vorsichtig genug.

THALMAYER

Zumindest können wir Selbstmord ausschließen. Der schaut anders aus.

Beide schauen sich sinnierend weiter um. Thalmayer mit Blick auf die Wanddekoration.

THALMAYER

Ist auf jeden Fall eine heiße Angelegenheit, so aus dem Leben zu scheiden. - Sein Mörder hat scheints eine Mordswut auf ihn gehabt.

TRACELLI

Relikte! Rache oder Ritual? Was wiss‘ma vom Opfer?

THALMAYER

Im Grunde genommen eh net viel. Das ist so einer, den a jeder kennt und doch kennt ihn keiner wirklich. Renommierter Spitalleiter. In der Gesellschaft hoch angesehen. Hatte Freunde in hohen Ämtern. Soweit seine Angestellten es wissen konnten, war er gesund, gut drauf, hatte weder Liebeskummer noch finanzielle Sorgen. Nichts Auffälliges. Lebte eher zurückgezogen. Ein klassisches Motiv lässt sich ad hoc so einfach net finden.

CSERMAK

Des Haus hier hat er wohl erst vor 15 Jahren übernommen.

Mit dieser Auskunft geht Csermak raus. Leiche wird weggeschafft. Tracelli guckt auf das Wandgeschmiere

TRACELLI

Und was um alles in der Welt hat das zu bedeuten?

Thalmayer überlegt nur kurz.

THALMAYER

Ich würd meinen, da hat einer in großer Eile ‚Und führe uns net in Versuchung‘ hinschreiben wollen.

TRACELLI

Hmm.

THALMAYER

Hat nicht viel Wert auf eine ordentliche Handschrift gelegt. Aber des ist eindeutig ein Teil vom Gebet. Vielleicht wollt er seine Absolution erbitten. Gleich im Anschluss, nachdem er gesündigt hat.

Beide schauen sich weiter um.

THALMAYER

Auf jeden Fall ein geistig Verwirrter! Anders kannst doch nicht ein solches Chaos anrichten.

TRACELLI

Warum sollte ein kranker Geist dem Professor nach dem Leben trachten? Er hat doch versucht, zu helfen, oder? - Und dann mit einer solchen Wut?! - Außerdem hat er den Strom ja schon fast wieder rational zu Hilfe genommen.

THALMAYER

Ja, grad eben deswegen. Der psychisch Erkrankte versucht oft, gerade dem zu schaden, der ihm hilft.

TRACELLI

Woher willst denn du das wissen? Stand des in irgendeinem Frauenmagazin in deinem Frisörsalon?

THALMAYER

Jetzt überleg a Mal! Der Mann hat sein Leben lang mit Geistessstörung zu tun gehabt. Vielleicht ist einer seiner Patienten narrisch worden und komplett ausgetickt.

TRACELLI

Nein! Des ist zu einfach! Da steckt was anders dahinter. Außerdem, überleg a mal selber: seine Patienten sind unter ärztlicher Obhut, 24 Stunden am Tag. Wahrscheinlich eh eingesperrt. Die können hier net so einfach rein- und rausspazieren. Die Lage, in der mir den Toten gefunden haben, spricht auch nicht dafür, dass er Zeit hatte, sich zur Wehr zu setzen. - Na, mental labil schaut anders aus. Des war der Täter sicher net. Schau a mal da genau hin, da steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick sehen kann. Irgendwie sieht das aus wie ein Racheakt. Regelrecht – na ja, wie eine Hinrichtung halt. Und zwar vorbereitet. Von langer Hand vorbereitet.

THALMAYER

Das sieht doch nicht aus wie vorbereitet. Guck dir das Geschmiere doch a Mal an. Planlos hingeschmiert. Da hat‘s einer doch total eilig gehabt! Die Worte hat er net a‘mal zu Ende schreiben können. Vielleicht ist er gestört worden und kam nimmer dazu, seinen Spruch zu beenden. Auf jeden Fall sieht das (zeigt mit der flachen Hand auf die Wand) überhaupt nicht so aus, als wenn da einer wohl überlegt ans Werk gegangen ist. Des schaut doch in keiner Weise durchdacht aus!

Sie kickt in der Erregung mit dem Fuß leicht an den Eimer.

TRACELLI

Hmm.

Beide schauen sich außerhalb des Badezimmers um. Tracelli deutet auf Anrufbeantworter.

TRACELLI

Darf man da schon ran?

BEAMTER (SPURENSICHERUNG)

Ja! Ist alles schon erledigt.

Tracelli drückt AB Taste.

ANRUFBEANTWORTER

Sie haben keine neuen Nachrichten.

Tracelli zieht Kabel aus der Steckdose und drückt dem Beamten den AB in die Hand.

TRACELLI

Mitnehmen und reinhören, was da vorher drauf war.

4INNEN. ERDGESCHOSS - ABEND

Tracelli und Thalmayer gehen ins Wohnzimmer.

THALMAYER

Wie ist der Täter entkommen?

TRACELLI

Und wie ist er oder sie überhaupt ins Haus rein kommen?

Beide gehen zu einer Terrassentür, bei der seitlich vom Türhebel die Scheibe eingeschlagen ist.

TRACELLI

Zugang ins Haus hat er sich wohl über die Terrasse verschafft.

THALMAYER

Das Mädel hat aber ausgesagt, sie hätte es erst NACH dem Stromausfall klirren gehört. Sie ist sich sicher, dass es da schon finster im Zimmer war, als sie einen lauten Schlag gehört hat, wie wenn eine Scheibe gebrochen wär.

TRACELLI

Aber nur um wegzulaufen, hätt er sich das ganze eh sparen können. Da gibt’s einfachere Wege. Hier ist jemand EIN-, aber doch nicht ausbrochen. Damit verliert er ja doch nur wertvolle Zeit – die Scheiben war ihm wurscht.

Beide blicken über Terrasse. An der gegenüberliegenden Terrassenseite mündet ein Weg, der zum Spital führt.

THALMAYER

Also doch ein Patient.

TRACELLI

Schon möglich. Aber irgendwie glaub ich net dran.

Thalmayer tritt auf Terrasse raus.

THALMAYER

Fußabdrücke kannste hier auch vergessen. Sauber abgetretener Natursteinboden. Da waren fleißige Trampler drauf unterwegs. Net den Hauch von einer Spur, die uns weiterbringen tat.

Der Beamte (Spurensicherung) ist dazu gestoßen.

BEAMTER (SPURENSICHERUNG)

Weiter vorn, hinter den Büschen, haben wir am Zaun einen Durchschlupf entdeckt. Da hat einer mit der Drahtzange gearbeitet. Das Loch ist so groß, dass ein Elefant locker hindurch kommt. Da hat sich einer den Weg frei geschnitten. An der Seiten kommt man nämlich zur Straße raus.

Tracelli und Thalmayer sehen sich die Stelle an. Großes, rechteckiges Loch, mit ebenmäßig geraden Linien durchtrennter Drahtzaun.

TRACELLI

Maßarbeit. Da versteht jemand sein Handwerk.

THALMAYER

Aber des passt doch net ins Bild. Während der Täter oben gewütet hat, als wenn der Teufel hinter ihm her war, ist das Loch hier ganz sorgfältig rausgeschnitten. Guck dir mal die graden Linien an. Kerzengrad! Da hat sich einer richtig viel Mühe gemacht. Von Eile kann hier überhaupt keine Rede sein. Das ist doch alles total widersprüchlich. Wennst dir irgendwo unerlaubten Zutritt verschaffen magst, da schneidest doch nicht so ein Kunstwerk. Hurtig rein, hurtig raus. Das ist alles, worauf’s ankommt, oder net?! Da gibst dir doch net eine solche Mühe.

Tracelli und Thalmayer gehen zum Haus zurück. Sie betreten Wohnzimmer. Hier sitzen die beiden Haushälterinnen am Tisch. Die Ältere hält fassungslos ihr Gesicht in den Händen begraben, die Jüngere guckt aufgeschreckt. Böhme steht am Fenster.

TRACELLI

(zu Böhme)

Würden Sie sich bitte auch an den Tisch setzen?!

Böhme folgt schulterzuckend.

TRACELLI

Sie sind hier der …?

BÖHME

Fahrer, Hausmeister, Gärtner, was Sie wollen. Oder was eben grad gebraucht wird.

THALMAYER

Also der Mann für alle Fälle.

TRACELLI

Nochmals, in aller Ruhe. Ist irgendjemandem von Ihnen in letzter Zeit eine Veränderung aufgefallen? Sei es im Hinblick auf das Verhalten vom Professor oder war etwas Ungewöhnliches in seiner häuslichen Umgebung? War irgendetwas anders als sonst?

Die Befragten blicken ihn ungewiss an.

TRACELLI

Ja, hat ihn irgendetwas beunruhigt? Eine Nachricht? Ein Besuch? Oder sonst irgendetwas?

Wieder keine Reaktion.

THALMAYER

Haben Sie irgendwelche Streitereien vernommen?

Tracelli blickt von einem zum nächsten.

BÖHME

Nein, nichts! Er war wie immer!

Kiesel schüttelt fassungslos den Kopf.

KIESEL

Nee. Nee. Da war nichts. Professor Grofke ist … – (stockt) war sehr zurückhaltend in seiner Art. Er hat uns, also seinen Hausangestellten gegenüber, nie spüren lassen, wenn ihm etwas Sorge bereitete. Vom Spitalbetrieb haben wir ja sowieso so gut wie nichts mitgekriegt.

Fatime schüttelt nur stumm verneinend den Kopf.

KIESEL

(verzweifelt)

Er war so ein feiner Mensch. Er hat uns immer mit großem Respekt behandelt, ist nie laut geworden, war immer freundlich und gut zu jedermann. Es hat ihn auch nichts aus der Ruhe bringen können.

Bei diesen Worten blickt Fatime abrupt auf.

FATIME

Doch! Neulich. Der Besuch von der Dame. Die mit dem Zeitschriftenstapel unterm Arm.

THALMAYER

Zeitschriften?

FATIME

Ja, sie hatte ganz viele dabei. Das war irgendwie richtig auffällig.

TRACELLI

Und was geschah? Wollt sie den Professor mit dem Papierhäuferl erschlagen?

FATIME

Nein. Aber sie und der werte Herr, sie sahen beide richtig wütig aus, als sie im Arbeitszimmer des Herrn Professor verschwanden.

THALMAYER

Und was war mit den Zeitschriften? Hat sie die wieder mitgenommen?

FATIME

Ich glaub, sie hat sie ins Arbeitszimmer des Herrn Professor mit hinein genommen. Und sie hatte sie ganz sicher noch bei sich, als sie kurze Zeit später wieder rauskamen. Aber bevor sie das Haus verließ, hat sie die Zeitungen ziemlich unhöflich auf den Tisch in der Diele geworfen. Irgendwie zornig hingeschmissen. Das hat ihn, glaub ich, schon aufgeregt. – Als sie gegangen war, schien er in schlechter Stimmung. Irgendwie düster, das kannte man von ihm gar nicht.

TRACELLI

Wer war denn die Dame? Hat sie ihren Namen genannt?

Kiesel reagiert verhalten zögerlich, während sie Fatime erzieherischen Blick zuwirft.

KIESEL

Ich erinnere mich gar nicht. Wann soll denn das gewesen sein? Nein, Professor Grofke war sehr in sich gekehrt. Schlechte Stimmung hätte man ihm nie angemerkt. Und er hätte ein persönliches Ärgernis niemals an uns ausgelassen.

FATIME

Er hat es ja nicht an uns ausgelassen, aber er war … – anders als sonst! Und irgendwie wirkte er sogar …, ja, irgendwie verängstigt.

KIESEL

Verängstigt?! (lacht fast ein wenig hysterisch auf) Das Kind bildet sich das ein. Sie hat eine lebhafte Fantasie und die scheint nun mit ihr durchzugehen. Nein, da war nichts! Es gab keinen Grund für