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Dieser Band enthält folgende Krimis: Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die verlorenen Beweise Henry Rohmer: Trevellian und die singende Kugel Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die Strahlen Eine rätselhafte Kugel. Ein tödlicher Scharfschütze. Ein Wettlauf gegen die Zeit. FBI-Special Agent Jesse Trevellian steht vor seinem gefährlichsten Fall: In New York wird ein mysteriöses Artefakt gefunden – eine nahtlose Kugel, die auf unerklärliche Weise "singt" und die Grenzen zwischen Erinnerung und Realität verschwimmen lässt. Während Trevellian und sein Team der Herkunft der Kugel nachspüren, geraten sie ins Visier skrupelloser Gegner: Militärs, Geheimdienstler, religiöse Fanatiker und mächtige Strippenzieher kämpfen um die Kontrolle über die gefährliche Technologie. Als ein alter Feind aus Trevellians Vergangenheit zurückkehrt, wird der Fall persönlich – und die Stadt droht im Chaos zu versinken.
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Seitenzahl: 224
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Drei Krimis Spezialband 1152
Copyright
Kommissar Jörgensen und die verlorenen Beweise
Trevellian und die singende Kugel: Thriller
Kommissar Jörgensen und die Strahlen: Hamburg Krimi
Titelseite
Cover
Inhaltsverzeichnis
Buchanfang
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die verlorenen Beweise
Henry Rohmer: Trevellian und die singende Kugel
Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die Strahlen
Eine rätselhafte Kugel. Ein tödlicher Scharfschütze. Ein Wettlauf gegen die Zeit.
FBI-Special Agent Jesse Trevellian steht vor seinem gefährlichsten Fall: In New York wird ein mysteriöses Artefakt gefunden – eine nahtlose Kugel, die auf unerklärliche Weise „singt“ und die Grenzen zwischen Erinnerung und Realität verschwimmen lässt. Während Trevellian und sein Team der Herkunft der Kugel nachspüren, geraten sie ins Visier skrupelloser Gegner: Militärs, Geheimdienstler, religiöse Fanatiker und mächtige Strippenzieher kämpfen um die Kontrolle über die gefährliche Technologie. Als ein alter Feind aus Trevellians Vergangenheit zurückkehrt, wird der Fall persönlich – und die Stadt droht im Chaos zu versinken.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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von ALFRED BEKKER
Mein Name ist Uwe Jörgensen. Kommissar in Hamburg, Abteilung für Kapitaldelikte. Geboren in Hamburg, französische Mutter, norddeutscher Vater, und ein Name, der klingt, als hätte sich jemand bei der Namensgebung nicht entscheiden können. Ich habe mich längst daran gewöhnt. Die Kollegen nennen mich Uwe, die Vorgesetzten Jörgensen, meine Mutter “Üwchen” – aber nur, wenn sie sauer ist.
An diesem Montagmorgen war ich weder Uwe noch Pierre, sondern einfach nur ein Mann mit zu wenig Schlaf und zu viel Kaffee im Blut. Die Nacht war kurz gewesen. Ich hatte mir geschworen, endlich mal wieder vor Mitternacht ins Bett zu gehen, aber dann hatte ich noch an einem Bericht gesessen, der dringend rausmusste. Und wie das so ist: Wenn man sich vornimmt, früh zu schlafen, klingelt garantiert um sechs Uhr das Handy.
So war es auch heute. Ich lag noch im Halbschlaf, als das vertraute Vibrieren auf dem Nachttisch begann. Ich griff nach dem Telefon, blinzelte auf das Display und sah: „Roy Müller“. Mein Partner. Ein Mann, der schon morgens so wach ist, dass ich mich frage, ob er überhaupt schläft.
„Uwe, bist du wach?“, tönte seine Stimme durch den Hörer, als hätte er geahnt, dass ich noch im Halbdunkel lag.
„Jetzt schon. Was gibt’s?“
„Wir haben einen Toten. Altes Kontorhaus an der Speicherstadt. Die Streife hat dich als Erstkontakt verlangt. Und Bock will dich sofort am Tatort sehen.“
Ich stöhnte leise. „Was für ein Toter?“
„Männlich, Anfang vierzig. Sieht nach einem bizarren Fall aus. Ich schick dir die Adresse per SMS. Beeil dich – die Presse ist schon unterwegs.“
Ich warf die Decke zurück, schlüpfte in Jeans und Hemd, schnappte mir meinen Mantel und verließ die Wohnung. Draußen hing der Morgen wie ein grauer Vorhang über Hamburg. Die Elbe war unsichtbar, irgendwo hinter Nebel und Regen. Ich atmete tief durch, spürte das vertraute Ziehen in der Brust, das mich immer dann befiel, wenn ein neuer Fall begann. Es war wie Lampenfieber. Die Mischung aus Vorfreude und Unbehagen. Was würde mich diesmal erwarten?
Der Verkehr war zäh, wie immer um diese Zeit. Ich ließ das Radio laufen, hörte die Nachrichten, aber mein Kopf war schon beim Tatort. Altes Kontorhaus, Speicherstadt – das war nicht gerade die Gegend, in der man Tote erwartete. Touristen, ja. Kaffee, Teppiche, Schokolade. Aber kein Mord.
Ich parkte den Dienst-Porsche in einer Seitenstraße, zog mir die Kapuze über und hastete durch den Nieselregen zum Eingang des Kontorhauses. Zwei Streifenwagen standen vor dem Gebäude, Blaulicht zuckte über das nasse Kopfsteinpflaster. Ein Absperrband flatterte im Wind. Die Speicherstadt war morgens um sieben gespenstisch leer, nur ein paar Möwen kreischten irgendwo zwischen den alten Backsteinmauern.
Roy wartete schon am Eingang. Er trug wie immer seinen dunkelblauen Blouson, darunter ein Hemd, das so gebügelt war, als hätte er es nachts unter das Kopfkissen gelegt. Sein Gesicht war frisch rasiert, die Haare akkurat gescheitelt. Ich fragte mich, wie er das schaffte.
„Morgen, Uwe“, sagte er und reichte mir einen Kaffeebecher. „Schwarz, ohne Zucker. So wie du’s magst.“
„Du bist ein Schatz“, murmelte ich und nahm einen Schluck. Der Kaffee war heiß, stark und bitter – genau das, was ich jetzt brauchte.
„Was haben wir?“, fragte ich.
Roy zuckte mit den Schultern. „Mann, Anfang vierzig, wie gesagt. Gefunden von einer Putzfrau. Die Kollegen von der Streife haben das Gebäude durchsucht, aber niemanden sonst gefunden. Die Spurensicherung ist schon oben. Und Bock ist auch da.“
Ich nickte. „Na dann, auf ins Vergnügen.“
Wir gingen durch das Foyer, vorbei an einem antiken Fahrstuhl, der aussah, als hätte er seit den zwanziger Jahren keinen TÜV mehr gesehen. Die Treppe knarrte unter unseren Schritten. Im dritten Stock war der Tatort. Ein Büro, dessen Tür weit offen stand. Die Luft roch nach kaltem Zigarettenrauch, Kaffee und etwas, das ich erst nicht einordnen konnte – ein süßlicher, metallischer Geruch, der immer da ist, wenn Blut im Spiel ist.
Die Spurensicherung war schon bei der Arbeit. Blaue Overalls, Latexhandschuhe, Kameras. Kriminaldirektor Jonathan Bock stand am Fenster, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Blick auf die Fleete der Speicherstadt gerichtet. Er war ein großer, schlanker Mann mit grauem Haar und einem Gesicht, das aus Granit gemeißelt schien. Wenn Bock am Tatort war, wusste man, dass es ernst wurde.
„Jörgensen, Möller“, sagte er, ohne sich umzudrehen. „Schön, dass Sie es einrichten konnten.“
„Immer zu Diensten, Herr Direktor“, erwiderte ich.
Bock drehte sich um. Seine Augen waren hellblau, durchdringend. „Sehen Sie sich das an.“
In der Mitte des Raumes lag der Tote. Ein Mann, elegant gekleidet, grauer Anzug, weißes Hemd, teure Lederschuhe. Die Krawatte war verrutscht, das Gesicht verzerrt. Er lag auf dem Rücken, die Arme seltsam ausgebreitet, als hätte er sich ergeben wollen. Auf der Brust prangte ein dunkler Fleck – Blut, das sich langsam in den Stoff fraß.
Ich kniete mich neben die Leiche. „Wer ist er?“
„Noch keine offizielle Identifikation“, sagte Roy. „Aber im Portemonnaie steckt ein Ausweis. Dr. Henrik Voss, Geschäftsführer der Hanseatic Maritime Logistics GmbH. Die Firma sitzt hier im Haus.“
Ich betrachtete das Gesicht des Toten. Er war vielleicht Mitte vierzig, gepflegt, mit einem Dreitagebart, der wohl teuer gestutzt worden war. Die Hände waren makellos, keine Schwielen, keine Narben. Ein Mann, der sein Geld mit Akten verdiente, nicht mit Arbeit.
„Todesursache?“, fragte ich.
Bock deutete auf die Brust. „Stichwunde. Einmal, mitten ins Herz. Die Gerichtsmedizin ist unterwegs, aber ich tippe auf ein langes, schmales Messer. Vielleicht ein Brieföffner oder ein Dolch.“
„Tatwaffe gefunden?“
Roy schüttelte den Kopf. „Bisher nicht. Die Spurensicherung sucht noch.“
Ich stand auf und ließ den Blick durch das Büro schweifen. Es war groß, fast schon luxuriös. Ein massiver Schreibtisch aus dunklem Holz, ein Ledersessel, Regale voller Aktenordner. An den Wänden hingen gerahmte Seekarten und Schwarzweißfotos von Containerschiffen. Auf dem Schreibtisch stand ein Laptop, daneben eine Tasse mit kaltem Kaffee. Ein Aschenbecher, randvoll mit Zigarettenstummeln. Ich zählte sieben, acht, neun – jemand hatte eine lange Nacht gehabt.
„Wer hat ihn gefunden?“, fragte ich.
„Putzfrau“, sagte Roy. „Sie ist unten bei den Kollegen. Ziemlich durch den Wind.“
Ich nickte. „Ich spreche mit ihr. Roy, sieh dir den Schreibtisch an. Vielleicht hat unser Toter noch etwas geschrieben, bevor er gestorben ist.“
Ich verließ das Büro, ging die Treppe hinunter und fand die Putzfrau im Foyer. Sie saß auf einer Bank, ein Glas Wasser in der Hand, die Augen rot vom Weinen. Neben ihr stand ein junger Streifenpolizist, der versuchte, sie zu beruhigen.
Ich setzte mich zu ihr. „Mein Name ist Jörgensen. Ich bin von der Kriminalpolizei. Sie sind Frau…?“
„Marta Kowalska“, flüsterte sie. Ihr Deutsch war akzentfrei, aber ihre Hände zitterten.
„Frau Kowalska, ich weiß, das ist schwer. Aber können Sie mir erzählen, was passiert ist?“
Sie schluckte. „Ich komme jeden Morgen um sechs. Ich habe den Schlüssel für das Büro. Heute… heute war die Tür nicht abgeschlossen. Das ist ungewöhnlich. Ich habe gerufen, aber niemand hat geantwortet. Dann habe ich… ihn gesehen. Auf dem Boden. So viel Blut…“
Sie begann zu weinen. Ich reichte ihr ein Taschentuch.
„Haben Sie jemanden im Haus gesehen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, niemanden. Es ist immer leer um diese Zeit.“
„Haben Sie Geräusche gehört? Stimmen?“
„Nein. Alles war still.“
Ich nickte. „Danke, Frau Kowalska. Sie haben alles richtig gemacht.“
Ich ließ sie in Ruhe, ging zurück in den dritten Stock. Roy stand am Schreibtisch, hielt einen Zettel in der Hand.
„Was hast du?“, fragte ich.
Er reichte mir den Zettel. Es war ein handgeschriebener Brief, hastig verfasst, mit Tinte verschmiert. Die Handschrift war eilig, krakelig.
„Wenn ihr das lest, ist es vielleicht schon zu spät. Ich habe Fehler gemacht. Große Fehler. Aber ich konnte nicht anders. Sie haben mir keine Wahl gelassen. Es tut mir leid.“
Kein Name, keine Unterschrift. Nur diese paar Zeilen, die mehr Fragen aufwarfen als Antworten gaben.
„Selbstmord?“, fragte Roy.
Ich schüttelte den Kopf. „Nicht mit einem Messer ins Herz. Das macht niemand freiwillig.“
Bock trat zu uns. „Was meinen Sie, Jörgensen?“
„Das hier ist kein gewöhnlicher Mord. Der Mann hatte Angst. Vor wem, wissen wir noch nicht. Aber er wusste, dass etwas passieren würde.“
„Motiv?“, fragte Bock.
Ich zuckte mit den Schultern. „Geschäftlich, privat, Erpressung, Rache… alles möglich. Wir müssen sein Umfeld durchleuchten.“
Bock nickte. „Tun Sie das. Ich will Ergebnisse, und zwar schnell. Die Presse wird sich auf den Fall stürzen, und ich will nicht, dass wir wieder als Schlafmützen dastehen.“
Er wandte sich ab und verließ das Büro. Roy und ich blieben zurück. Die Spurensicherung hatte inzwischen den Raum vermessen, Fotos gemacht, Proben genommen.
Ich trat ans Fenster und blickte hinaus. Die Fleete der Speicherstadt lagen da wie schwarze Bänder, durchzogen von Nebel und Regen. Ein Frachter schob sich langsam durch das Wasser, sein Horn dröhnte dumpf durch die Stille.
„Was meinst du, Roy?“, fragte ich leise.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, unser Toter war in etwas verwickelt, das größer ist als wir denken. Schau dir das Büro an. Das ist kein armer Schlucker. Und der Brief… wer schreibt so etwas, wenn er nicht weiß, dass ihm jemand nach dem Leben trachtet?“
Ich nickte. „Wir brauchen mehr Informationen. Familie, Kollegen, Feinde. Und wir müssen wissen, was die Hanseatic Maritime Logistics wirklich macht. Vielleicht ist das hier nur die Spitze des Eisbergs.“
Roy grinste schief. „Du und deine Eisberge. Immer auf der Suche nach dem großen Ganzen.“
Ich lächelte. „Besser als sich mit Kleinkram aufzuhalten.“
Wir verließen das Büro, gingen hinaus in den Flur. Die Kollegen von der Spurensicherung packten ihre Sachen zusammen. Ich warf einen letzten Blick auf den Toten. Dr. Henrik Voss. Ein Mann, der zu viel wusste – oder zu wenig gesagt hatte.
Draußen hatte der Regen nachgelassen. Die Sonne kämpfte sich durch die Wolken, warf fahle Strahlen auf die Backsteinfassaden der Speicherstadt. Ich atmete tief durch.
Ein neuer Fall. Ein neuer Toter. Und wie immer das Gefühl, dass nichts so war, wie es schien.
Ich wusste, dass die nächsten Tage hart werden würden. Aber ich wusste auch, dass ich nicht ruhen würde, bis ich die Wahrheit kannte.
Denn das war mein Job. Und ich war verdammt gut darin.
Ich hatte schon viele Tote gesehen. Zu viele, wenn ich ehrlich bin. Aber die Art, wie Dr. Henrik Voss da lag, ließ mich nicht los. Es war nicht nur der Tod, es war das Drumherum. Die Art, wie jemand in seinem Büro ermordet wird, morgens, während draußen die Speicherstadt langsam erwacht. Die Art, wie ein Brief auf dem Schreibtisch liegt, der mehr verschweigt als verrät. Und die Art, wie Kriminaldirektor Bock uns ansieht, als hätten wir schon jetzt versagt, bevor wir überhaupt angefangen haben.
Roy und ich standen im Nieselregen vor dem Kontorhaus, die Spurensicherung war abgezogen, die Pressemeute hatte sich auf den Weg gemacht, um irgendwo einen Kaffee zu trinken und auf neue Informationen zu warten. Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach acht. Der Tag hatte gerade erst begonnen, und schon war ich müde.
„Was meinst du, Uwe?“ Roy balancierte seinen Kaffeebecher auf dem Geländer und sah mich an. „Das sieht nicht nach einem klassischen Raubmord aus.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Dafür ist alles zu sauber. Keine durchwühlten Schubladen, keine zerfetzten Akten. Wer auch immer das war, der wollte nur eines: Voss tot sehen.“
Roy nickte. „Und der Brief?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Könnte ein Abschiedsbrief sein. Oder eine Warnung. Vielleicht hat Voss gewusst, dass jemand hinter ihm her ist. Vielleicht hat er sogar gehofft, dass wir daraus schlau werden.“
Roy grinste schief. „Dann kennt er uns schlecht.“
Ich musste lächeln. „Oder zu gut.“
Wir gingen zurück ins Gebäude, diesmal in den zweiten Stock. Die Hanseatic Maritime Logistics GmbH hatte hier ihre Büroräume. Die Tür war verschlossen, aber der Hausmeister, ein kleiner, drahtiger Mann mit Glatze und Nickelbrille, öffnete sie uns bereitwillig.
„Ich hab den Chef schon seit gestern Abend nicht mehr gesehen“, sagte er, während er uns durch den Flur führte. „War immer der Letzte im Haus, der Herr Voss. Hat oft bis spät gearbeitet.“
„Ist Ihnen in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“, fragte ich.
Der Hausmeister schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht. Manchmal kamen spät noch Besucher, aber das ist bei so einer Firma ja normal, oder?“
„Besucher?“, hakte Roy nach. „Können Sie sich an jemanden erinnern?“
Der Hausmeister überlegte. „Einmal war da ein Mann, groß, dunkelhaarig, mit einem auffälligen Mantel. Hat nicht viel gesagt, aber er hat Herrn Voss ziemlich laut beschimpft. Ich hab’s nur durch die Tür gehört.“
„Wann war das?“
„Vor etwa einer Woche. Vielleicht Dienstag oder Mittwoch. Ich kann’s nicht genau sagen.“
Ich notierte es mir. „Könnten Sie den Mann wiedererkennen?“
„Vielleicht. Wenn ich ein Foto sehe.“
Wir bedankten uns und ließen ihn zurück. Im Büro der Hanseatic Maritime Logistics roch es nach Papier, Kaffee und etwas, das ich nicht einordnen konnte – vielleicht das Parfüm einer der Angestellten. Es war noch leer, nur eine junge Frau saß an einem Schreibtisch und starrte auf ihren Bildschirm, als wäre er ein Fenster in eine andere Welt.
„Guten Morgen“, sagte ich und zeigte meinen Ausweis. „Jörgensen, BKA. Das ist mein Kollege Möller. Wir würden gern ein paar Fragen stellen.“
Die Frau sah auf, blinzelte. Sie war vielleicht Ende zwanzig, mit blassem Gesicht und dunklen Ringen unter den Augen. „Ich… ich bin nur die Assistentin. Anna Rehfeld. Was ist passiert?“
„Dr. Voss ist heute Morgen tot aufgefunden worden“, sagte ich so behutsam, wie es ging. „Wir müssen sein Umfeld befragen. Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?“
Sie schluckte. „Gestern Abend. Ich war die Letzte, die gegangen ist. Es war schon nach sieben. Herr Voss hat gesagt, ich soll ruhig nach Hause gehen, er hätte noch zu tun.“
„War er nervös?“
Sie überlegte. „Ja, vielleicht ein bisschen. Aber das war er in letzter Zeit öfter. Er hat viel telefoniert, war oft gereizt. Ich dachte, es liegt am Stress.“
„Wissen Sie, mit wem er gesprochen hat?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Er hat meistens die Tür geschlossen, wenn er telefoniert hat.“
„Gab es Streit mit jemandem?“
Anna Rehfeld biss sich auf die Lippe. „Vor ein paar Tagen gab es eine Auseinandersetzung mit einem Herrn Schulte. Der ist einer unserer Großkunden. Sie haben sich im Besprechungsraum angeschrien. Ich weiß nicht, worum es ging.“
Roy notierte den Namen. „Haben Sie eine Telefonnummer von Herrn Schulte?“
Sie tippte auf ihrer Tastatur, druckte einen Zettel aus und reichte ihn uns.
„Gab es sonst noch etwas Ungewöhnliches?“
Sie zögerte. „Gestern Nachmittag hat Herr Voss einen Brief bekommen. Per Boten. Ich habe ihn angenommen und ins Büro gebracht. Er hat ihn sofort geöffnet und wurde ganz blass. Dann hat er mich rausgeschickt.“
„Wissen Sie, was in dem Brief stand?“
„Nein. Aber danach war er… anders. Unruhig.“
Ich bedankte mich, ließ meine Karte da und versprach, mich zu melden, falls wir noch Fragen hätten. Draußen im Flur sah ich Roy an.
„Ein Bote. Ein Brief. Und kurz darauf ist Voss tot.“
Roy nickte. „Wir sollten den Boten finden.“
„Und Herrn Schulte.“
Wir fuhren zurück ins Präsidium. Die Sonne kämpfte sich durch die Wolken, aber der Tag blieb grau. Im Büro wartete schon Kriminaldirektor Bock auf uns, die Stirn in Falten gelegt.
„Und?“, fragte er, kaum dass wir die Tür hinter uns geschlossen hatten.
Ich berichtete, was wir wussten: Der Streit mit Schulte, der ominöse Besucher, der Bote am Nachmittag. Bock hörte aufmerksam zu, trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch.
„Ich will, dass Sie den Boten auftreiben. Finden Sie heraus, wer den Brief geschickt hat. Und sprechen Sie mit diesem Schulte. Vielleicht weiß er mehr, als er sagt.“
„Jawohl, Herr Direktor.“
Bock winkte ab. „Sparen Sie sich die Förmlichkeiten, Uwe. Bringen Sie Ergebnisse.“
Wir setzten uns an unsere Schreibtische. Roy telefonierte mit der Personalabteilung der Hanseatic Maritime Logistics, während ich versuchte, den Botenservice ausfindig zu machen. Es dauerte eine halbe Stunde, aber schließlich hatte ich die richtige Firma am Apparat.
„Ja, wir hatten gestern einen Auftrag für das Kontorhaus in der Speicherstadt“, bestätigte die Dame am Telefon. „Der Bote war Herr Kadir Yilmaz. Soll ich Ihnen seine Nummer geben?“
„Bitte.“
Ich rief Kadir Yilmaz an. Er war freundlich, aber nervös, als er hörte, dass ich von der Polizei war.
„Ja, ich habe gestern einen Brief abgegeben. An Herrn Voss. War ein Expressauftrag. Ich sollte den Umschlag persönlich übergeben.“
„Wer hat den Auftrag erteilt?“
„Das weiß ich nicht. Wir bekommen die Aufträge per App, da steht nur die Adresse und der Name des Empfängers.“
„Haben Sie den Absender gesehen?“
„Nein, der Umschlag war schon da, als ich ins Büro kam. Ein Kollege hat ihn angenommen.“
„Könnten wir den Umschlag sehen?“
„Ich glaube, Herr Voss hat ihn behalten. Ich habe nur die Empfangsbestätigung unterschreiben lassen.“
Ich bedankte mich und legte auf. Roy hatte inzwischen Herrn Schulte erreicht. Er war bereit, uns zu empfangen – in seinem Büro, gleich um die Ecke.
Wir fuhren los, parkten vor einem modernen Glasbau, der so gar nichts mit der alten Speicherstadt zu tun hatte. Schulte war ein Mann Mitte fünfzig, groß, kräftig, mit einem festen Händedruck und einem Blick, der einen durchbohrte.
„Was kann ich für Sie tun, meine Herren?“
Ich zeigte meinen Ausweis. „Jörgensen, BKA. Es geht um Dr. Henrik Voss.“
Schulte runzelte die Stirn. „Was ist mit ihm?“
„Er ist tot. Ermordet.“
Schulte blinzelte. „Das… das tut mir leid. Wir hatten geschäftlich miteinander zu tun, aber…“
„Uns wurde berichtet, dass es kürzlich einen Streit zwischen Ihnen und Herrn Voss gab.“
Schulte lehnte sich zurück. „Streit? Nun ja, wir hatten Differenzen. Es ging um eine Lieferung, die nicht rechtzeitig ankam. Das ist in unserem Geschäft Alltag. Ich habe Voss ein paar deutliche Worte gesagt, aber das war’s auch schon.“
„Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?“
„Vor drei Tagen. Wir haben uns im Kontorhaus getroffen, um die Sache zu klären.“
„Gab es Drohungen?“
Schulte schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin ein Geschäftsmann, kein Gangster. Ich habe Voss gesagt, dass ich den Vertrag kündige, wenn er nicht liefert. Das war alles.“
Roy schaltete sich ein. „Kennen Sie jemanden, der Voss schaden wollte?“
Schulte überlegte. „Nicht direkt. Aber in letzter Zeit war er nervös. Er hat sich oft umgesehen, als würde er verfolgt. Vielleicht hatte er Schulden. Oder Ärger mit anderen Kunden.“
Ich notierte mir alles, bedankte mich und wir verabschiedeten uns. Draußen auf dem Parkplatz sah ich Roy an.
„Was meinst du?“
Roy zuckte mit den Schultern. „Schulte ist ein harter Hund, aber kein Mörder. Der weiß mehr, als er sagt, aber ich glaube nicht, dass er Voss umgebracht hat.“
„Wir brauchen mehr. Die Finanzen von Voss, seine privaten Kontakte. Und wir müssen rausfinden, was in dem Brief stand.“
Zurück im Präsidium wartete eine Nachricht von der Gerichtsmedizin auf uns. Ich griff zum Telefon.
„Jörgensen.“
„Hier ist Dr. Claus. Ich habe die Obduktion von Dr. Voss abgeschlossen. Todesursache: Stich ins Herz, wie vermutet. Die Wunde ist sauber, keine Abwehrspuren. Der Täter hat ihn überrascht.“
„Was ist mit dem Brieföffner?“
„Das passt. Die Wunde ist schmal, etwa zehn Zentimeter tief. Ich habe Spuren von Silber auf der Kleidung gefunden – könnte von einem metallenen Brieföffner stammen.“
„Fingerabdrücke?“
„Nur die von Voss. Der Täter hat Handschuhe getragen.“
Ich bedankte mich. Roy kam mit einem Stapel Akten zu mir.
„Voss hatte in den letzten Monaten hohe Geldbewegungen auf seinem Privatkonto. Immer wieder größere Summen, die an eine Firma namens Baltic Trade Solutions gingen. Sitz: Riga, Lettland.“
„Geldwäsche?“
Roy nickte. „Sieht so aus. Die Firma existiert offiziell, aber es gibt keine echten Geschäfte. Nur Geld, das hin und her geschoben wird.“
Ich runzelte die Stirn. „Vielleicht hat Voss sich mit den Falschen eingelassen.“
Roy grinste. „Wäre nicht der Erste.“
Ich seufzte. „Wir brauchen mehr. Wer steckt hinter Baltic Trade Solutions? Wer hat den Brief geschickt? Und wer hatte gestern Zugang zum Kontorhaus?“
Wir arbeiteten bis zum späten Nachmittag. Ich telefonierte mit der lettischen Polizei, Roy durchforstete die Unterlagen von Hanseatic Maritime Logistics. Immer wieder tauchte der Name eines gewissen Andris Kalnins auf – ein lettischer Geschäftsmann, der in Riga als „Problemlöser“ bekannt war.
Gegen sechs Uhr rief Bock uns zu sich.
„Was gibt’s?“, fragte er.
Ich berichtete von den Geldbewegungen, dem Brief, dem lettischen Kontakt. Bock hörte zu, dann lehnte er sich zurück.
„Das klingt nach mehr als nur einem Mord aus Leidenschaft. Das ist organisiert. Vielleicht ein Auftragsmord.“
„Wir brauchen Beweise“, sagte ich.
Bock nickte. „Und Sie brauchen Schlaf. Gehen Sie nach Hause, Jörgensen. Morgen ist auch noch ein Tag.“
Ich verließ das Präsidium, fuhr nach Hause, aber an Schlaf war nicht zu denken. Ich lag im Dunkeln, starrte an die Decke und dachte an Voss, an den Brief, an das Blut auf dem Teppich. Draußen rauschte der Regen gegen die Scheiben.
Ich wusste, dass dieser Fall mich nicht loslassen würde. Nicht, bis ich wusste, wer Dr. Henrik Voss getötet hatte – und warum.
Am nächsten Morgen war der Himmel über Hamburg wieder grau wie ein alter Filzstift. Ich hatte kaum geschlafen. Die Gedanken an Voss, den Brief und diese ominöse Firma in Riga ließen mich nicht los. Als ich das Haus verließ, war es noch nicht einmal sieben. Ich ließ mir beim Bäcker einen doppelten Espresso geben und fuhr ins Präsidium. Der Tag würde lang werden, das spürte ich schon jetzt.
Das Büro war noch leer, als ich ankam. Roy war immer pünktlich, aber heute war ich ihm zuvorgekommen. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, ließ den Espresso langsam wirken und starrte auf die Notizen vom Vortag. Die Namen verschwammen vor meinen Augen: Voss, Schulte, Anna Rehfeld, Kadir Yilmaz, Andris Kalnins. Und immer wieder dieser Name: Baltic Trade Solutions.
Ich öffnete meinen Laptop und begann, nach allem zu suchen, was ich über Kalnins finden konnte. Die lettische Polizei hatte gestern Abend noch eine Mail geschickt. Kalnins war in Riga kein Unbekannter: mehrfach wegen Betrugs, Geldwäsche und Erpressung angeklagt, aber nie verurteilt. Ein Mann, der sich selten die Hände schmutzig machte, aber überall seine Finger drin hatte. Ein Netzwerker, ein Strippenzieher, ein Schattenmann.
Roy kam kurz nach halb acht herein, mit zerzausten Haaren und einem Becher Kaffee, der nach Tankstelle roch. „Morgen, Uwe. Du bist ja früh dran.“
„Konntest du schlafen?“
Er schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Ich hatte die ganze Nacht das Gefühl, dass wir irgendwas übersehen haben.“
„Geht mir genauso.“ Ich erzählte ihm von den Infos über Kalnins.
Roy pfiff leise durch die Zähne. „Wenn der wirklich dahintersteckt, dann haben wir ein Problem. So einer lässt sich nicht einfach verhaften.“
„Noch nicht. Aber vielleicht finden wir ja einen Ansatz. Ich will wissen, wie Voss an den geraten ist.“
Roy setzte sich, schlug einen Aktenordner auf. „Ich hab gestern noch mit Anna Rehfeld telefoniert. Sie hat mir erzählt, dass Voss in letzter Zeit oft nach Riga geflogen ist. Immer nur für einen Tag, manchmal auch übers Wochenende.“
„Hat sie gesagt, warum?“
„Offiziell waren es Geschäftsreisen. Aber sie hat den Verdacht, dass es um mehr ging. Voss war nervös, hat sich oft in seinem Büro eingeschlossen. Und neulich hat sie einen Anruf aufgeschnappt – Voss hat auf Englisch mit jemandem gestritten. Es ging um Geld, um eine Lieferung, die nicht angekommen ist.“
Ich notierte mir das. „Wir müssen wissen, was Baltic Trade Solutions wirklich macht. Und was Voss mit denen zu tun hatte.“
Roy nickte. „Ich hab gestern noch einen alten Kontakt beim Zoll angerufen. Er will heute vorbeikommen. Vielleicht weiß er mehr über die Firma.“
Ich lehnte mich zurück. „Und der Brief?“
Roy schüttelte den Kopf. „Nichts Neues. Die Spurensicherung hat den Umschlag nicht gefunden. Entweder hat ihn der Täter mitgenommen, oder Voss hat ihn irgendwo versteckt.“
Ich seufzte. „Wir sollten uns Voss’ Wohnung ansehen. Vielleicht hat er den Brief mitgenommen.“
Roy grinste. „Endlich mal wieder eine klassische Hausdurchsuchung. Ich hab schon fast vergessen, wie das geht.“
Wir beantragten einen richterlichen Beschluss und fuhren los. Voss’ Wohnung lag in Winterhude, in einem modernen Neubau mit Blick auf den Stadtpark. Die Nachbarn waren freundlich, aber neugierig. Eine ältere Dame mit Dackel öffnete uns die Tür, als wir klingelten.
„Sie sind von der Polizei, nicht wahr? Ich hab’s schon im Radio gehört. Der Herr Voss war ein netter Mann, immer höflich. Aber in letzter Zeit… da war er anders. Verschlossener. Ich hab ihn manchmal nachts auf dem Balkon gesehen, wie er geraucht hat. Und einmal hat er sich mit einem Mann gestritten, unten auf der Straße. Laut war das, sehr laut.“
„Können Sie den Mann beschreiben?“, fragte ich.
Sie überlegte. „Groß, schlank, dunkle Haare. Trug einen Mantel, so einen teuren, wie ihn die Geschäftsleute tragen. Ich hab ihn nie vorher gesehen.“
Ich bedankte mich und versprach, sie auf dem Laufenden zu halten. Dann schlossen wir Voss’ Wohnung auf. Alles war ordentlich, fast penibel aufgeräumt. Die Möbel waren teuer, aber geschmackvoll. Keine Spur von Chaos, keine Anzeichen von Gewalt.
Wir durchsuchten zuerst das Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch lag ein Stapel Zeitungen, daneben ein Aschenbecher mit zwei Zigarettenstummeln. Ich roch daran – eine andere Marke als die, die Voss im Büro geraucht hatte. Vielleicht Besuch?
Im Schlafzimmer war das Bett gemacht, die Schränke ordentlich. Im Nachttisch fanden wir ein Notizbuch, aber es war leer. Im Arbeitszimmer schließlich wurden wir fündig: In einer Schublade lag ein dicker Umschlag, verschlossen mit einem roten Siegel.
Ich zog Latexhandschuhe an, öffnete den Umschlag vorsichtig. Darin lag ein einzelnes Blatt Papier, maschinengeschrieben, auf Englisch:
„Mr. Voss,Sie haben Ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. Dies ist Ihre letzte Warnung.Sie wissen, was auf dem Spiel steht.Wir erwarten Ihre Kooperation.A.“
Ich reichte das Blatt an Roy weiter. Er las es und pfiff leise. „Das klingt nicht nach einer freundlichen Erinnerung.“
„‚A.‘ – das könnte für Andris stehen.“
Roy nickte. „Oder für einen seiner Leute. Aber der Ton ist eindeutig. Das ist eine Drohung.“
Ich sah mir den Umschlag an. Keine Fingerabdrücke, kein Absender. Aber das Siegel war ungewöhnlich: Ein stilisiertes Schiffsrad, eingeprägt in rotes Wachs.
„Das ist kein Zufall“, murmelte ich. „Das ist eine Botschaft. Voss sollte wissen, von wem der Brief kommt.“
Roy fotografierte das Siegel. „Ich schick das an die Kollegen in Riga. Vielleicht kennen die das.“
Wir durchsuchten den Rest der Wohnung, fanden aber nichts weiter. Keine weiteren Briefe, keine Hinweise auf Verstecke. Im Laptop fanden wir mehrere Mails an eine Adresse in Riga, aber sie waren verschlüsselt. Ich kopierte sie auf einen USB-Stick, um sie später von der IT auswerten zu lassen.
Zurück im Präsidium wartete schon unser Kontakt vom Zoll: Jens Lembke, ein bulliger Mann mit grauem Bart und Händen wie Bratpfannen. Er begrüßte uns mit einem festen Händedruck.
„Ihr habt nach Baltic Trade Solutions gefragt“, sagte er, ohne Umschweife. „Die sind uns schon länger ein Dorn im Auge. Offiziell machen die Import-Export zwischen Riga, Hamburg und Rotterdam. Aber in den letzten Monaten sind mehrere Container verschwunden. Immer mit teurem Elektronikschrott deklariert – aber der Kram taucht nie auf. Stattdessen finden wir ab und zu Drogen oder gefälschte Markenware in anderen Containern, die auf denselben Namen laufen.“
„Gibt es Beweise, dass Voss darin verwickelt war?“, fragte ich.
Lembke zuckte die Schultern. „Noch nicht. Aber sein Name taucht auf mehreren Frachtpapieren als Ansprechpartner auf. Und die Hanseatic Maritime Logistics hat in den letzten Monaten auffällig oft mit Baltic Trade Solutions zusammengearbeitet.“
Roy lehnte sich vor. „Was ist mit Kalnins?“