DSA 105: Die letzte Kaiserin - Daniel Jödemann - E-Book

DSA 105: Die letzte Kaiserin E-Book

Daniel Jödemann

0,0

Beschreibung

Vor 1000 Jahren herrscht die 'Schöne Kaiserin' und brillante Erzmagierin Hela-Horas über das Bosparanische Reich, das fast ganz Aventurien umspannt. Hela-Horas hat dem Reich Frieden und Wohlstand gebracht, doch unter der Oberfläche brodelt es: Nachdem die Bosparaner das Volk der Tulamiden bezwungen hatten, wurden die Tulamiden lange Zeit grausam unterdrückt. Der tulamidische Abenteurer Raul al'Ahjan findet derweil in der Stadt Gareth neue Freunde und ein neues Zuhause. Doch die alte Feindschaft zwischen Bosparan und Gareth ist nicht vergessen und als Gareth Gefahr droht, scheint der Untergang unvermeidlich. Wird Raul es schaffen, seine neue Heimat zu verteidigen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 516

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Biografie

Daniel Jödemannwurde 1978 in Bielefeld geboren und lebt heute in Wuppertal.

Mit der Welt des Schwarzen Auges kam er erstmals Anfang der 90er Jahre in Berührung. Nach mehreren erfolgreichen Teilnahmen an Abenteuerwettbewerben begann er 2004 schließlich auch offiziell fürDas Schwarze Augezu schreiben und war seitdem an vielen Publikationen als Autor beteiligt (unter anderem an den RegionalspielhilfenAngroschs Kinder,Aus Licht und Traum,Am Großen FlussundHerz des Reiches, sowie den Abenteuern und AnthologienKar Domadrosch,Skaldensänge,Invasion der Verdammten,Die letzte Wacht,Mächte des SchicksalsundSphärenklänge). Zwei Bände (die AnthologieEhrenhändelund die RegionalspielhilfeLand des schwarzen Bären) hat er auch als Redakteur betreut.

Neben seiner Tätigkeit als Autor ist Daniel Jödemann auch als Illustrator tätig und hat für zahlreiche Publikationen (vor allem für die RollenspieleDas Schwarze AugeundCthulhu) Stadtpläne und Karten angefertigt.

Die letzte Kaiserinist sein zweiter Roman, der erste erschien 2007 unter dem TitelIn den Nebeln Havenas.

Weitere Informationen unter www.daniel-joedemann.de

Titel

Daniel Jödemann

Die letzte Kaiserin

Die zwei Kaiser – Band 1

Ein Roman in der Welt von Das Schwarze Auge©

Originalausgabe

Impressum

Ulisses Spiele Band 11037PDF

Titelbild: Arndt Drechsler Aventurienkarte:Daniel Jödemann

Lektorat: Florian Don-Schauen Buchgestaltung: Ralf Berszuck E-Book-Gestaltung: Michael Mingers

Copyright ©2012 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DEREsind eingetragene Marken. Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt.

Mit Dank an

Frank Bartels, Peter Diehn, Florian Don-Schauen, Nina Jödemann, Uli Lindner, Tom Ritzinger, Thomas Römer, Marcus Tebeck, Anton Weste und Tyll Zybura sowie vor allem Mark Wachholz für seine ebenso unverzichtbare wie gnadenlos ehrliche Kritik

»Wenn ihr den wahren Charakter eines Menschen erfahren wollt, stattet ihn mit unendlicher Machtfülle aus.«

—Khadan Firdayon, 2258 Horas

Vor 1.500 Jahren betraten Siedler aus dem fernen Güldenland erstmals aventurischen Boden. Unter der Führung des mythischen ersten HerrschersHorasschufen sie ein Reich, das von der HauptstadtBosparanaus beherrscht wurde.

Von der Westküste Aventuriens aus breiteten sich die Bosparaner allmählich über den Kontinent aus. Ihre Legionen, die unter dem Zeichen des goldenen Adlers marschierten, überrannten im Namen der bosparanischen Kaiser jeden Widerstand. Mit sich brachten sie den Glauben an dieZwölfgötter, während alle anderen Götter verboten wurden.

Im Jahre 1433 nach Horas’ Erscheinen bestiegMurak-Horasden goldenen Adlerthron und begann einen Jahrzehnte währenden Feldzug, um sein Reich weiter auszudehnen. Schließlich führte der Kaiser seine Legionen gegen das einzige andere Großreich, das sich den Bosparanern noch hatte widersetzen können: dasDiamantene Sultanatder Tulamiden, das bereits eintausend Jahre überdauert hatte.

Nun schreiben wir das Jahr 1475 Horas. Fern von Bosparan hat Murak-Horas seine Legionen in die Entscheidungsschlacht am Fluss Gadang, unweit der Stadt Fasar geführt. Doch die größte Prüfung sollte dem scheinbar unbezwingbaren Bosparanischen Reich noch bevorstehen …

Prolog: Der Stern von Elem

Salim schaute auf die schwere Kette herab, die sich zwischen seinen Handgelenken spannte und mit der er schon bald einen leibhaftigen Kaiser töten würde. Die Kette verband die beiden massiven, mit schweren Bolzen verschlossenen Handgelenkfesseln. Das Metall fühlte sich warm auf seiner Haut an, und die feinen Kettenglieder rasselten leise bei jeder noch so geringen Bewegung. Die Ringe und Ketten waren mit Goldüberzogen und glänzend poliert – was war das nur für ein seltsames Land, in dem sogar die Fesseln der Gefangenen aus edlem Metall geformt wurden?

Doch sie würden ihren Zweck erfüllen. Die Kette war gerade lang genug, dass man sie um den Hals eines Menschen schlingen konnte – so würde es seinem Opfer unmöglich sein, sie abzustreifen. Er musste nur noch den richtigen Moment abwarten, sein Angriff musste überraschend kommen. Salim konnte sich schneller bewegen, als man es ihm zutraute. Sein Opfer würde zudem erwarten, dass die Last seiner Ketten seine Beweglichkeit einschränkte, doch er würde ihn mit seiner Kraft, Schnelligkeit und Gewandtheit überraschen. Wer ihn erstmals sah, mit seinem breiten Kreuz und den muskelbepackten Armen, der hielt ihn leicht für langsam und träge. Darauf würde er heute bauen, und dann würden ihm diese Arme gute Dienste leisten – die Arme, mit denen er als Fünfzehnjähriger einen jungen Bullen niedergerungen hatte. Sein Vater war so stolz auf seinen jüngsten Sohn gewesen, er hatte ihn fortanThonagerufen: ›Stier‹.

Es schmerzte ihn, an seinen Vater zu denken. Oder an seine älteren Brüder. Nicht, weil diese in der Schlacht den Tod gefunden und sich nun zu seinem Gott gesellt hatten, sondern weil er die Schmach ertragen musste, als Einziger überlebt zu haben und – schlimmer noch – in Gefangenschaft geraten zu sein. Doch nun sollte er eine Gelegenheit bekommen, diese entsetzliche Schande wieder zu tilgen. Danach würde er zu seinen Brüdern in das Nachleben gehen, sie würden ihn dort begrüßen und stolz auf seine Tat sein.

Er hatte lange auf diesen Moment warten müssen, war viele Tage und Wochen lang in einem Karren unterwegs gewesen und in ein weit entferntes Land gebracht worden. Dabei war er nicht alleine gewesen, sein Schicksal wurde von anderen überlebenden Söhnen besiegter Stammesfürsten geteilt, die meisten noch jünger als Salim mit seinen siebzehn Sommern. Sie alle standen nun hinter ihm und blickten ängstlich zu ihm auf, hofften auf Führung, auf einen Hinweis, wie sie sich zu verhalten hatten, vielleicht sogar auf einige aufmunternde Worte. Doch Salim schwieg. Er scherte sich nicht um diese Feiglinge, die wie alte Weiber um Gnade gewinselt hatten, bis er ihr Wimmern nicht mehr hatte ertragen können und sich die Ohren hatte zuhalten müssen. Im Gegensatz zu ihnen hatte er sich gewehrt, und das immer wieder: gegen seine Gefangennahme, gegen die Soldaten des Feindes und seinen Abtransport, und am meisten, als er zu der Überzeugung gekommen war, man würde ihn versklaven – er, der Sohn des großen Stammesführers Hailif al‘Ahmad, der unzählige schnelle Pferde, starke Kamele und stolze Krieger besaß, er würde niemals ein Sklave sein!

Erst als er erkannt hatte, wohin man ihn bringen würde, war Salim ruhiger geworden. Er witterte plötzlich doch noch eine Gelegenheit, einen wahrlich guten Tod zu sterben und seinem Gott ein Geschenk mitzubringen, ein würdiges Geschenk: das Leben eines leibhaftigen Sultans, eines ›Kaisers‹, wie seine Feinde ihren Herrscher nannten. Die Güldenländer behaupteten gar, jener Kaiser, der den NamenHorastrug, würde direkt von ihren Göttern abstammen. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, würde seine Tat nur umso glorreicher sein, die Stämme der Tulamiden würden noch lange Zeit, nachdem sie den Feind wieder aus ihren Ländern vertrieben hatten, Geschichten von ihm erzählen: von Salim al‘Thona, dem Krieger, der den Kaiser Horas, den mächtigen Herrscher der Bosparaner, in seinem eigenen Palast getötet hatte, als dieser ihn bereits besiegt und geschlagen glaubte.

Niemals würde er sich beugen, er würde sich auf den Kaiser stürzen, sobald man ihm befahl, sich vor ihm auf den Boden zu werfen. Wenn er dann die goldene Kette um seinen Hals geschlungen hatte, würde es schon zu spät sein. Er war zäh, dafür hatte sein Vater gesorgt, und er würde viele Hiebe aushalten können, während er die Kette langsam zusammenziehen würde. Sie würde den dürren Hals des Kaisers zusammendrücken, seine Augen würden langsam hervorquellen, er würde röcheln, nach Luft ringen und blau anlaufen, womöglich krampfhaft zucken. Die Wachen des Kaisers würden versuchen, Salim fortzuzerren, sie würden mit ihren Schwertern auf ihn einschlagen, doch er würde die Schmerzen mit Freuden ertragen, lachen und ihnen sein eigenes Blut entgegenspucken. Schließlich würde der Körper des Kaisers erschlaffen, Salim würde noch ein letztes Mal den Namen seines Gottes hervorstoßen und dann würde auch er sterben – aber dann würde es schon vollbracht sein. Er sah noch einmal auf die schweren Ketten hinab. Es erschien ihm passend, einen Kaiser mit einer goldenen Kette zu erwürgen.

Salims Blut rauschte bereits vor Vorfreude wild und heiß durch seinen Körper. Es war ein gutes Gefühl, ein Gefühl, das ihn auch im Kampf erfüllte. Er fühlte sich Ras’Ragh in solchen Momenten immer am nächsten. Doch nun musste er gelassen bleiben, er musste den Eindruck erwecken, bezwungen und gebrochen zu sein, damit der Kaiser der Güldenländer sich ihm nähern würde. Er holte tief Luft. Der scharfe Gestank von Dung und Kamelhaar stieg ihm in die Nase, sicherlich nicht die Gerüche, die dieser Horas in seinem Palast gewohnt war. Er hörte das unruhige Scharren der Tiere, die man mit ihm aus seiner Heimat hierher geschafft hatte, und das leise Flüstern der anderen Gefangenen. Wie auch Salim trugen sie alle seidene Kaftane, weite Pluderhosen und Westen aus feinstem Damast. Salim und die anderen waren nach ihrer Ankunft von den Sklaven des Kaisers gebadet, frisiert und neu eingekleidet worden. Er hatte sich gedemütigt gefühlt und kam sich geckenhaft vor, hatte sich aber beherrscht und an den Moment seiner Rache gedacht. Die anderen Fürstensöhne hatten diese erniedrigende Prozedur ebenfalls über sich ergehen lassen, als sie gesehen hatten, dass Salim keine Anstalten machte, sich zu wehren. Die feinen, bunten Stoffe fühlten sich kühl und angenehm auf der Haut an, er spürte sie kaum. Doch solche Gewänder trugen nur Frauen, Männer wurden durch derartige Stoffe nur verweichlicht und nachlässig.

Noch immer stand Salim auf spiegelndem Marmorboden inmitten einer hohen Halle, die von schlanken Säulen getragen wurde. Durch die vielen hohen Fenster fiel Licht herein und erhellte jeden Winkel des weiten Saals. Die Säulen waren mit glasierten blauen Kacheln und kunstvollen Intarsien aus Gold verziert, die so stark im Sonnenlicht glänzten, dass er geblendet den Blick abwenden musste. Dazwischen standen hohe Bäume mit rötlichbrauner Rinde und großen, gezackten Blättern, die der Tulamide noch nie gesehen hatte. Wie sollte überhaupt jemand auf den Gedanken kommen, Bäume in einem festen Gebäude zu pflanzen? Aber die Sitten in Bosparan, der Hauptstadt der Güldenländer, mochten anders sein als in seiner Heimat.

Aufgeregte Rufe gellten plötzlich durch die Halle. Ein kleines Mädchen mit wehendem blonden Haar eilte auf die Wartenden zu. Sie trug eine einfache weiße Tunika und mochte vielleicht drei Götterläufe alt sein. Vor den Versammelten blieb sie stehen und schaute mit großen Augen zu den fremdartigen Tieren auf. Sofort traten zwei Soldaten dazwischen, auch wenn weder Salim noch einer der anderen Fürstensöhne Anstalten gemacht hatte, sich dem Mädchen zu nähern. Er musterte die Kleine von oben herab, diese schaute ihn mit ihren braunen Augen und ohne Scheu ruhig an.

In diesem Moment eilten mit langen Schritten ein Mann und eine Frau in aufwendigen Gewändern herbei, offenbar die Eltern des Mädchens.

»Was tust du denn nur, Liebes?«, tadelte die Mutter, ihr Blick huschte dabei immer wieder zu Salim und den anderen Tulamiden. »Ich habe gesagt, dass du in unserer Nähe bleiben sollst.«

Sie nahm das blonde Mädchen an die Hand und führte sie von den Wartenden fort. Nach ein paar Schritten wandte die Kleine noch einmal den Kopf und lächelte Salim ohne Scheu zu. Er ertappte sich dabei, wie er das Lächeln erwiderte, besann sich aber gleich wieder – er konnte es sich nicht leisten, abgelenkt zu werden.

Noch einmal richtete er den Blick nach oben. Weitüber ihm spannte sich eine Decke, deren Anblick ihm und den anderen Gefangenen zunächst einen Schrecken eingejagt hatte, da sie nicht bemerkt hatten, dass es sich lediglich um ein lebensechtes Gemälde handelte. Die Decke war blau bemalt, und zwischen weißen Wolken und strahlendem goldenen Licht schauten zwölf mächtige Wesen auf die Wartenden herab. Er sah einen Mann mit grimmigem Gesicht, aus dessen Händen Sonnenstrahlen herabfuhren, eine junge Frau in einem farbenfrohen Kleid, einen Mann mit Rabenkopf ... Am meisten beeindruckt hatte ihn jedoch eine kriegerische Frauengestalt: Sie trug eine goldene Rüstung, in der einen Hand ein Schwert, in der anderen einen Blitz, ihr Blick war zugleich zornig und stolz. Salim vermutete, dass diese Wesenheiten die Götter Bosparans waren, doch sein erster Eindruck war gewesen, dass sie leibhaftig auf den Palast des güldenländischen Kaisers herabschauten.

Allein in dieser gewaltigen Halle unter den Götterbildern hätte sein ganzer Stamm Platz gefunden, mitsamt aller seiner Kamele und Pferde, Frauen und Kinder, Sklaven und Zelte. Der Kaiser von Bosparan musste so vermögend sein wie der Diamantene Sultan der Tulamiden in Khunchom, vielleicht sogar noch reicher. Doch Salim war fest entschlossen, sich weder vom Reichtum noch von den imposanten Götterbildern, der Pracht des Palasts oder der Größe ihrer Stadt beeinflussen zu lassen.

Sein Blick wanderte wieder zu den Soldaten. Sie standen so reglos wie die hohen Statuen, die das Tor vor ihnen flankierten, doch ließen sie die Gefangenen nicht aus den Augen. Die Kämpfer trugen alle identische Rüstungen und Waffen: einen schwarzen Brustpanzer über ebenso schwarzem Kettengeflecht, dazu Helm, Rundschild und Speer. Auf ihren Panzern war in Rot eine seltsame Kreatur abgebildet, ein Löwe mit dem Gesicht eines Mannes und dem Schwanz eines Skorpions. Salim hatte noch nie zuvor ein solches Wesen gesehen, dieses Tier war sicherlich allein hier im Land der Güldenländer heimisch.

Er hatte diese Krieger in Schwarz in der Schlacht erlebt, und obgleich in ihren Reihen sogar Frauen kämpften, hatte er inzwischen Respekt vor ihnen. Salim und seine Brüder hatten gelacht und sich über die Gegner lustig gemacht, als sie erstmals erfahren hatten, dass in deren Armeen Weiber an der Seite der Männer kämpften. Denn wie schwach mussten die Männer Bosparans wohl sein, dass sie ihren Frauen gestatteten, in den Krieg zu ziehen?

Es widerstrebte ihm, eine Frau zu töten. Es erschien ihm barbarisch, doch gegenüber seinen Brüdern hatte er keine Schwäche gezeigt – natürlich würde er jeden töten, der sich ihm entgegenstellte! In der Schlacht hatte es dann aber zu seiner Erleichterung keinen Unterschied gemacht, die Soldaten sahen mit ihren Helmen und hinter den hohen Schilden ohnehin alle gleich aus. Er wusste aber inzwischen, dass sie unerschrockene und gnadenlose Kämpfer waren, und er musste gut Acht geben und durfte nicht ihr Misstrauen erregen, wenn sein Vorhaben gelingen sollte.

In diesem Moment eilte ein heftig atmender Mann auf die Wartenden zu. Salim beherrschte sich, um seine Abscheu nicht offen zu zeigen: Der Mann war fett, so fett, dass sein Hals aufgebläht war wie der einer Kröte. Glänzender Schweiß stand auf seinem kahlen Schädel und rann ihm in die kleinen Schweinsäuglein. Er trug die langen, seidenen Gewänder eines Weibes, der bunte Stoff spannte sich über seinen gewölbten Bauch, und er fuchtelte mit einem langen, verzierten Stab umher, der sich zum Kampf sicherlich nicht eignete. Ein blumiger Geruch umgab ihn, der Salim sofort in die Nase kroch – der Krötenmann hatte sich wie ein Weib mit Duftwasser eingerieben.

»Hört, hört!«, wandte er atemlos das Wort an die Gefangenen. »Mein Name ist Salvus von Naclada, Haushofmeister Seiner Kaiserlichen Majestät Murak-Horas, Herrscher des Bosparanischen Reichs, euer Gebieter!«

Salim beherrschte die Sprache der Güldenländer, denn sein Vater hatte Wert darauf gelegt, dass seine Söhne den Feind verstanden, den sie bekämpften. Doch nun wünschte er sich, er würde nicht begreifen, was diese widerliche Kröte von sich gab, dann hätte er dessen hastigen Redeschwall einfach ignorieren können.

»Ihr werdet absoluten Gehorsam zeigen und nur sprechen, wenn sich Ihre Hoheit an euch wendet, versteht ihr das? Ihr werdet euch zu Boden werfen, verstanden? Ansonsten helfen die Prätorianer nach!« Er deutete ungelenk mit dem Stab auf die grimmigen Soldaten in den schwarzen Rüstungen.

»Nichts, aber auch gar nichts wird den Ablauf stören, dass ihr das versteht!« Seine Stimme überschlug sich fast und wurde dabei hoch und spitz wie die einer Frau. »Gar nichts!«

Er schwitzte noch mehr, und Salim runzelte unwillkürlich die Stirn. Keiner seiner Mitgefangenen hatte seit ihrer Ankunft irgendwelche Anstalten gemacht, sich zu wehren, zu sehr waren sie von der gewaltigen Hauptstadt der Güldenländer eingeschüchtert. Selbst Salim hatte der Anblick der Paläste, Tempel und Türme so fasziniert, dass er sogar seinen Stolz vergessen und mit offenem Mund umhergestiert hatte. Warum also sollte der Krötenmann so überaus unruhig sein? Warum bestand er so nachdrücklich darauf, dass sie die bevorstehende Zeremonie nicht störten?

»Auf, auf!«, befahl Salvus und fuchtelte ein weiteres Mal mit seinem Stecken.

Das hohe Tor vor ihnen öffnete sich nun langsam. Auf ein Signal des Krötengesichtigen hin begannen die Musikanten zu spielen, der Haushofmeister stolzierte vorneweg, zwei Dutzend barfüßige Tänzerinnen in dünnen Schleiergewändern folgten mit grazilen Bewegungen. Auch Salim setzte sich erhobenen Hauptes in Bewegung.

»Du noch nicht, Sandmade!« Eine gedrungene Soldatin in Schwarz, eine Prätorianerin, versperrte Salim mit ihrem Speer den Weg. »Ich bin keine …«, begann er, hielt sich dann aber zurück. Dennoch warf er ihr einen finsteren Blick zu– keiner Frau stand es zu, so mit ihm zu reden. Wäre ihm nicht daran gelegen, kein Aufsehen zu erregen, würde er diesem Weib eine Lektion erteilen. Er war ein Mann, ein Fürstensohn, dem man Respekt zu zollen hatte … Stattdessen konzentrierte er sich auf das schwere, beruhigende Gefühl der Ketten an seinen Armen.

Die Musikanten und Tänzerinnen zogen in den Thronsaal ein. Ihnen folgte eine Heerschar Sklaven, die Dutzende schwerer Truhen voller blinkendem Geschmeide, goldenen Pokalen, Bechern und Tellern sowie blitzenden Edelsteinen schleppten. Mit dem Inhalt nur einer dieser Truhen hätte man in seiner Heimat ein ganzes Emirat kaufen können. Einige trugen auch kostbare, zusammengerollte Teppiche, andere ganze Tuchballen aus Damast und Seide. Sogar Kisten mit Pergamenten und Schriftrollen, die sicherlich gar keinen Wert hatten, befanden sich unter den Beutestücken. Was Salim erzürnte, waren die in goldene Ketten gelegten Götterbilder, die als nächstes in den Saal getragen wurden: Statuen tulamidischer Stadt- und Stammesgottheiten, gestohlen von den Güldenländern. Salim sah eine Statue Mha’Qashas, der Göttin der Gemeinschaft, und ein Abbild Shîlbrirs, des pferdeköpfigen Windherren. Er erkannte auch die Gottheit seines Stammes, die kalbsgroße Statue eines roten Stiers mit drohend gesenkten Hörnern und einem beeindruckenden Gemächt: Ras’Ragh war der Herr des Kampfes, der Männlichkeit und der Fruchtbarkeit, ein stolzer und mächtiger Gott – ganz im Gegensatz zu den Wesen, die von den Güldenländer angebetet wurden. Seinen Gott so gedemütigt zu sehen, in einer lächerlichen Prozession aus Tänzerinnen und Musikanten, ließ kalte Wut in ihm aufsteigen. Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass die Stämme der Tulamiden, wenn sie eines Tages Bosparan überrannt und niedergebrannt hatten, ihre Götter wieder in die Heimat holen würden.

Nun wurden die Tiere in den Saal getrieben: träge vor sich hin stierende Kamele und edle Pferde mit glänzendem Fell, wild fauchende Geparden, die an ihren Ketten zerrten, unruhig umherschauende Strauße und aufgeregt schreiende Paradiesvögel und Pfaue. Aus dem Saal ertönte währenddessen immer wieder dumpf die hohe Stimme des fetten Haushofmeisters. Salim konnte nicht genau verstehen, was er von sich gab, und war dankbar dafür.

Dann, endlich, gab man ihm und den anderen Fürstensöhnen einen Wink. Salim atmete noch einmal tief durch: Sein Moment war gekommen, der Moment seines Todes, der Moment seiner Unsterblichkeit.

Salim führte die lange Prozession der Gefangenen an, vorbei an den unruhigen Tieren und immer noch aufspielenden Musikanten. Das traurige Spiel der Kablasflöten und das monotone Dröhnen der Dabla-Trommeln ließen Erinnerungen an seine Heimat in ihm aufsteigen, an die Lagerfeuer seines Stammes, die die sternklaren Nächte in der Steppe erhellten, an Kämpfe mit seinen älteren Brüdern, während sein Vater ihnen lachend zusah, an die Sklavinnen seines Stammes – glutäugige Töchter anderer Herrscher, die sein Vater bezwungen hatte – und daran, mit einem schnellen Pferd unter sich über die Steppen des Szintotals zu galoppieren.

Doch er verdrängte die Erinnerungen rasch wieder, er musste sich jetzt zusammennehmen, um sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Sein Blick war nach vorne gerichtet, er spürte die schwere Kette und wog ihr Gewicht, noch hielt er aber die Arme gesenkt. Nur noch wenige Schritte …

Der Thronsaal des Kaisers war noch gewaltiger als die Halle, in der sie gewartet hatten, und schien von Riesen erbaut worden zu sein. Durch hohe Fenster zu beiden Seiten fiel warmes, goldenes Licht, die Decke wölbte sich über ihm empor, als wolle sie in den Himmel entfliehen. Große, doppelt mannshohe Statuen aus glänzend weißem Marmor erhoben sich zwischen den Fenstern und schauten hoheitsvoll auf die Anwesenden herab. Dies waren womöglich weitere Götter der Güldenländer, oder aber ihre Sultane und Fürsten von einst. Der weite Saal hatte sich gefüllt, die schwarzen Soldaten hatten aber eine breite Gasse für Salim und die anderen Gefangenen freigehalten.

Vor ihm, fast schon am Ende des Saals, spielte sich zum monotonen Klang der Musik ein wildes Schauspiel ab. Mehrere Zauberer in farbenfrohen Gewändern, ebenfalls aus dem Land der Ersten Sonne verschleppt wie Salim, ließen in der Luft über ihren Köpfen flirrende Bilder von Reiterkolonnen und waffenstarrende Formationen von Soldaten entstehen, die in einer atemberaubend farbenfrohen Schlacht gegeneinander stritten. Nichts davon erinnerte auch nur im Entferntesten an das, was er auf dem Schlachtfeld am Gadang gesehen und erlebt hatte, nicht an das Blut, das den Boden tränkte, nicht an die Schreie der Verwundeten und Sterbenden.

Leider verstellten ihm die magischen Bilder aber auch den Blick auf das Ende des Saals und damit den Thron, wo sein nichtsahnendes Opfer auf ihn wartete.

»… und so trug Seine Kaiserliche Majestät Murak-Horas, der von den Göttern geliebte Herrscher und Feldherr, nach langem, hartem Ringen im Travia des Jahres 1475 nach Horas’ Erscheinen den Sieg davon, und das Blut der Unterlegenen färbte die schäumenden Wasser des Flusses Gadang rot«, verkündete der krötengesichtige Salvus in diesem Moment mit lauter Stimme. Auch wenn Salim noch einige Schritte von dem Haushofmeister trennten, konnte er genau sehen, dass dessen Kahlschädel vor Schweiß glänzte. Immer wieder wischte er sich die Hände an seinem Gewand ab.

Langsam verblassten die Rösser und Soldaten. Dahinter, am Ende des Saals, führten marmorne Stufen zu einem goldenen Thron hinauf, über dem ein gewaltiger Adler aus strahlendem Gold schwebte. Er strebte dem Himmel entgegen, sein Blick war streng, und er musterte Salim von oben herab mit kalter Verachtung. Doch vor dem Thron …

Salim hielt den Atem an, während er gemäßigten Schrittes weiterging. Vor ihm wieherten einige unruhige Pferde, als einige Sklaven versuchten, sie zur Seite zu führen. Hatte er wirklich eine schlanke Gestalt in Weiß gesehen, die vor dem Thron stand und auf das Schauspiel im Saal heruntersah… eineFrau?

Salims Gedanken rangen in seinem Kopf miteinander. Das war nicht der bosparanische Kaiser Horas, von dem sein Vater so verächtlich gesprochen hatte. Oder hatte sein Vater sich geirrt, war Murak-Horas eine Frau? Aber ein Weib konnte unmöglich eine Herrscherin und Feldherrin sein, selbst bei den Güldenländern nicht … Oder etwa doch? Er spürte, dass seine Hände zitterten. Sollte er seinen Plan doch noch ausführen? Sollte er eine Frau– diese Frau – töten?

Er jetzt bemerkte er, dass die Stufen vor dem goldenen Thron nicht leer waren: Männer und Frauen in seidenen Gewändern, der Hofstaat des Horas offenbar, betrachteten von dort das Schauspiel zu ihren Füßen. Nahebei standen der Mann und die Frau, die Salim zuvor gesehen hatte. Die Frau trug ihre Tochter nun auf den Armen, diese streckte begierig die kleinen Hände nach den seltsamen Tieren im Saal aus und verfolgte verzückt das bunte Treiben. Als ihr Blick auf ihn fiel, hob sie die Hand und winkte, wurde jedoch sofort von ihrer Mutter zurechtgewiesen. Doch auch keiner dieser Höflinge war der Kaiser Murak-Horas, den zu töten er sich geschworen hatte.

»Und hier: die erstgeborenen Söhne der mächtigsten Fürsten der Tulamiden«, ertönte die Stimme des Haushofmeisters laut im Saal. »Sie alle wurden Seiner Kaiserlichen Majestät Murak-Horas nach der glorreichen Schlacht von den Unterlegenen ausgeliefert, als Zeichen der Unterwerfung und um als Geiseln an den Kaiserhof nach Bosparan entsandt zu werden, als Geschenk an Ihre Kaiserliche Hoheit, an seine geliebte Tochter!« Er verneigte sich in Richtung des goldenen Throns.

DieTochterdes Horas! Sie war seine Tochter! Doch wo war der Kaiser? Etwa noch in Salims Heimat, um den Feldzug gegen sein Volk fortzusetzen? Führte Murak-Horas seine Truppen etwa schon gegen Khunchom, während Salim hier war, viele Tagesreisen entfernt?

Plötzlich war seine letzte Gelegenheit dahin, sich vor seinem Vater und seinen Brüdern zu beweisen, er würde in Schande als Sklave leben und sterben, ohne jemals eine große Tat vollbracht, ohne einen mächtigen Gegner getötet zu haben.

Doch was würde der Kaiser sagen, wenn seine Tochter durch Salims Hand, die Hand eines vermeintlich bezwungenen Feindes, sterben würde? Dies schien ihm angemessen: das Leben einer Prinzessin für das seines Vaters und seiner Brüder, das seines ganzen Stammes. Salim wog noch einmal die Kette zwischen seinen Händen. Es würde noch einfacher sein, mit ihr eine schwache Frau zu töten als einen Mann. Doch konnte er das wirklich, konnte er eine hilflose Frau töten?

Ein besonders unruhiger schwarzer Hengst, der vor ihm auf dem glatten Marmorboden auszugleiten drohte, wurde in diesem Moment endlich beiseite gezerrt und dann …

Salim erstarrte. Seine Augen weiteten sich.

Hoch erhobenen Hauptes stieg sie zu ihm herab, ein langes weißes Kleid umfloss ihre schlanke Gestalt, goldene Ketten und Reife glänzte an ihrem schlanken Hals und an ihren Armen. Ihre makellose Haut war fast ebenso hell wie der Marmor des Saals, viel heller als die Haut der Frauen seiner Heimat. Sie erschien ihm wie eine zum Leben erwachte Statue, die von einem wahren Meister der Bildhauerei in jahrzehntelanger Arbeit geschaffen worden sein musste, ein Bildhauer, der jede Rundung behutsam herausgearbeitet und liebevoll poliert hatte.

Salims Augen wussten plötzlich nicht mehr, wo sie als Erstes hinschauen sollten: zu den hohen Wangenknochen, den großen blaugrauen Augen, der stolzen, spitz zulaufenden Nase … Doch all dies wurde vollkommen überstrahlt von ihrem Haar: Haar, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Es erschien ihm wie flüssiges Gold, glänzend und leuchtend. Hoch aufgesteckt, glich es einem aufwendigen Kunstwerk und fing das goldene Sonnenlicht ein, filigranes Geschmeide und funkelnde Diamanten glänzten darin.

»Kniet nieder«, drang wie aus weiter Ferne eine hohe Stimme zu ihm durch. Salims Hände zitterten, die filigranen Ketten rasselten leise. Nur zwei oder drei Schritte trennten ihn von der Tochter des Horas. Was sollte er tun?

Ein heftiger Schlag gegen seine Beine ließ Salim in die Knie gehen.

»Kniet vor Ihrer Kaiserlichen Hoheit, Kronprinzessin Hela von Bosparan!«, zischte Salvus, und seine schrille Stimme überschlug sich. Dabei fuchtelte er ungelenk mit seinem Stab.

Die Prinzessin sah auf ihn herab. »Wie lautet dein Name?« Ihre Stimme war so klar und perlend wie ein Gebirgsbach. Salim schaute auf die Ketten zwischen seinen Händen. Ein weiterer derber Schlag in den Rücken warf ihn beinahe zu Boden.

»Salim al’Thona«, presste er hervor und schaute auf.

Die Prinzessin starrte ihn lange mit ihren großen blauen Augen an und blinzelte dabei nicht ein einziges Mal. Salims Nackenhaare richteten sich auf, er war unfähig, sich abzuwenden oder den Kopf zu senken. Bannte sie ihn etwa allein mit ihren Blicken? Las sie seine Gedanken, wusste sie bereits, was er plante?

Dann zogen sich die Winkel ihres vollen, geschwungen Munds nur eine Spur weiter nach oben. »Die Geiseln haben Unsere Erlaubnis, in Unseren Legionen zu dienen, so sie dies wünschen«, erklärte die Prinzessin.

Noch immer stand sie ganz nah vor ihm. Wenn er schnell wäre, schneller als die Prätorianer hinter ihm …

»Eure Kaiserliche Hoheit«, ergriff da der Haushofmeister das Wort. »Euer horaskaiserlicher Vater … er übersendet Euch ein weiteres Geschenk.« Diesmal war ganz deutlich zu hören, dass der Haushofmeister an dem Moment der langwierigen Zeremonie angekommen war, den er von Anfang an gefürchtet hatte und den er nicht länger würde hinauszögern können. Der Schweiß rann ihm in Bächen vom Gesicht, und er brachte die Worte nur noch stammelnd hervor.

»Sprecht, Salvus«, erklang die perlende Stimme der Prinzessin wieder im Saal, »was überbringt Ihr Uns von Unserem geliebten Vater?«

Mit einer tiefen Verbeugung trat Salvus vor und streckte die zitternden Wurstfinger aus. Er hielt der Prinzessin ein kleines Kissen aus blauem Samt entgegen, auf dem ein großer roter Edelstein im Sonnenlicht glitzerte und funkelte. Das Gesicht der Prinzessin hellte sich auf. »Ein Rubin«, entfuhr es ihr. »Ein Geschenk meines Vaters?« Sie nahm den vielfach geschliffenen Edelstein von seinem Kissen und barg ihn behutsam wie ein rohes Ei in den Händen.

»Ganz recht, Eure Kaiserliche Hoheit.« Salvus’ Stimme bebte. »Euer Vater nahm ihn aus den Händen des Sultans der Tulamiden, welcher feigen Selbstmord auf seinem Thron im fernen Khunchom verübt hatte. Die Tulamiden nennen dieses Kleinod den›Stern von Elem‹.«

»Stern von Elem«, wiederholte die Prinzessin leise und hielt den Stein gegen das Licht. Roter Lichtschein wanderte über ihre weiße Haut. Verzückt lachte sie auf, ihr Lachen klang wie das eines kleinen Mädchens.

Die Anwesenden hatten sich nun alle der Prinzessin zugewandt, der Hofstaat hinter ihr beobachtete ebenfalls fasziniert den Rubin, der im Licht glitzerte. Das blonde Mädchen, das eben noch so begeistert den Einzug der Tiere verfolgt hatte, starrte mit großen Augen den Edelstein an. Langsam hob Salim die Fesseln.

»Und Unser Vater?«, erkundigte die Prinzessin sich plötzlich und wandte sich wieder Salvus zu. Ihre Stimme wurde nun drängender. »Wann kehrt Unser Vater endlich zurück nach Bosparan? Sein glorreicher Kriegszug hat viele Jahre gedauert, doch nun sind die Tulamiden unterworfen, Khunchom ist von unseren Legionen besetzt. Ganz Aventurien wird jetzt vom goldenen Adlerthron aus beherrscht. Sicher wollen die Bürger von Bosparan ihren geliebten Kaiser feiern, der für sie all diese Länder und Reiche eroberte.«

Salim erstarrte, als die Worte der Prinzessin in seinen Gedanken widerhallten: die Tulamiden unterworfen, ihre Hauptstadt besetzt, der Sultan durch eigene Hand aus dem Leben geschieden? Dies konnte nicht sein, das Diamantene Sultanat war ewig, es bestand bereits seit tausend Jahren und würde niemals untergehen! Die Stämme der Tulamiden waren stark und ihre Krieger unbezwingbar!

»Eure Kaiserliche Hoheit …«, krächzte Salvus und hatte seinen Kopf nun so tief gesenkt, dass sein Gesicht beinahe in seinem fetten Bauch verschwand.

»Sprich, Salvus«, forderte die Prinzessin, und nun schwang erstmals und kaum hörbar eine Spur von Ungeduld in ihrer Stimme mit. »Was ist mit dem Horas?«

»Der Horas ist nicht mehr«, wimmerte der Haushofmeister, kaum noch hörbar. Dennoch blickten einige der nahebei stehenden Höflinge erschrocken auf.

Das Gesicht der Prinzessin erstarrte. »Er ist nicht mehr?Wie kann er tot sein? Er hat die Schlacht überstanden! Ich habe von ihm eine Botschaft erhalten, gleich nach seinem Sieg!«

»Ich erbitte Eure Vergebung«, winselte Salvus, jede Förmlichkeit vergessend. Er blickte die Prinzessin wieder direkt an und versuchte dabei verzweifelt, den kalten Schweiß wegzublinzeln, der ihm in die Augen rann. Salim sah mehr als nur Angst in seinem Blick. Er kannte diesen Ausdruck gut, er hatte ihn in den Augen besiegter Feinde gesehen, die sein Vater in das Lager des Stammes gebracht hatte, um sie seinen Söhnen und Frauen vorzuführen – er stand einem Mann gegenüber, der mit seinem Leben abgeschlossen hatte.

Die Prinzessin trat noch einen Schritt vor, sie stand nun so dicht vor dem fetten Haushofmeister, dass allein Salvus sie hören konnte – und Salim, der noch immer neben ihm kniete und von den Umstehenden offenbar vergessen worden war.

Ihre Stimme war so sanft und glatt wie Seide, nun war aber auch jede Wärme aus ihr gewichen: »Sprich, du Narr, oder du findest deinen Kopf auf den Zinnen der Zitadelle wieder.«

»Verzeiht, verzeiht«, wimmerte der Haushofmeister, er war nun kreidebleich, »es war eine Schlachtwunde, ein Speer des Feindes traf den Horas. Der Kaiser starb Wochen später.«

»Wieist er gestorben?«, raunte die Prinzessin. Ihre Augen waren fest auf Salvus gerichtet. »Sprich die Wahrheit, du Wurm!«

Salim wusste nicht, ob ihr Befehl genügte oder ob sie den Haushofmeister mit einem Zauber belegt hatte, doch nun sprach Salvus, und die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus.

»Die Heiler, die Priester, die Hofmagier, sie taten alles, was in ihrer Macht stand, doch vermochten sie ihn nicht mehr zu retten. Die Wunde ließ sich nicht schließen und blutete fortwährend. Seine Majestät siechte dahin. Er starb …«

»Wie starb er? Ging es schnell, musste er leiden?«

»Er starb, er …« Salvus rang mit sich. »Seine Majestät starb einen langsamen und qualvollen Tod, so sagte man mir.«

Salims Herz schlug schneller. Den bosparanischen Kaiser hatte seine gerechte Strafe bereits ereilt! Doch dies würde seine Tochter nicht retten können …

Die Prinzessin wandte sich ab, ihr Blick ging ins Leere.

»Natürlich werden die Heiler umgehend hingerichtet, Hoheit«, ergänzte Salvus rasch. »Und dies bedeutet natürlich, dass Ihr nun die Horas seid. Ihr gebietet nun über alles, Eure Hoheit, über das ganze Reich.«

»Ein Speer des Feindes«, raunte die Prinzessin und ignorierte Salvus’ letzte Worte. Sie wandte sich etwas ab, senkte den Blick und starrte den rot funkelnden Rubin in ihrer Hand an. In ihren Augen lag nun blankes Entsetzen, ganz so, als hätte der Zeremonienmeister ihr nicht dieses Schmuckstück, sondern das noch blutende Herz ihres Vaters auf dem Kissen präsentiert. »Eine Speerwunde …«

Salim kam es so vor, als würde der ganze Saal den Atem anhalten, selbst die wilden Tiere waren verstummt und warteten ängstlich darauf, was geschehen würde. Nun war der Augenblick gekommen, auf den er gewartet hatte, niemand beachtete ihn. Er vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass die Aufmerksamkeit der Prätorianer hinter ihm ebenfalls abgelenkt war. Behutsam wickelte er das eine Ende der Kette um seine Hand.

»Mörder«, presste die Prinzessin hervor, und nun lag so viel Hass in ihrer Stimme, dass es Salim kalt den Rücken herunterlief. »Feige Mörder.«

Sie sah ihn nicht einmal an, ein entschlossener Sprung und er würde bei ihr sein.

»So ist es, Eure Kaiserliche Hoheit«, begann Salvus, jetzt wieder mit etwas mehr Selbstbewusstsein. Er deutete mit seinen Wurstfingern auf Salim. »Feige Mörder sind sie allesamt, und sie haben Euren Zorn wahrlich verdient …«

Die Prinzessin wirbelte herum, Salim schrak zurück: Ihr eben noch so makelloses Gesicht war voller Hass, ihre Augen sprühten Funken. Sie riss die Hand empor und presste sie dem Krötengesichtigen gegen die Stirn, dabei stieß sie Worte in einer Sprache hervor, die Salim nicht verstand. Doch die kruden blasphemischen Laute hätten niemals mit ihrer perlenden Stimme gesprochen werden dürfen.

Ein eisiger Windzug fuhr über Salim hinweg, er erschauderte. Der Rubin funkelte auf. Der Haushofmeister kreischte, seine schrille Stimme hallte durch den ganzen Saal und bohrte sich schmerzhaft in Salims Ohren. Sein Stab fiel polternd zu Boden. Noch immer presste die Prinzessin ihre Handfläche gegen Salvus’ Stirn, doch nun begann sein Leib unkontrolliert zu zittern, als würde eine gewaltige Hand ihn wie eine Puppe schütteln. Er schlug wild mit den Armen um sich. Seine Augäpfel quollen aus dem Schädel hervor und platzten, dann schlugen Flammen aus den leeren Höhlen. Mit einem hässlichen Laut, als würde Stoff zerrissen, brach sein Leib auseinander. Salim wandte sich hastig ab, und doch spritzten heißes Blut und glitschige Eingeweide auf ihn herab.

Neben ihm fiel der Körper des Haushofmeisters zusammen. Flammen stiegen aus seinenÜberresten empor, drückende Hitze legte sich über Salim. Er zwang sich aufzublicken und starrte in eine hoch auflodernde Flammenlohe, wo eben noch der Krötenmann gestanden hatte – was geschah hier nur?

Auf einmal gellten Schreie durch den Saal, als ob die Anwesenden erst jetzt bemerkt hätten, was vor sich ging. Ein Gepard brüllte, ein Pferd stieg wiehernd auf und stieß einen Sklaven nieder, Truhen stürzten um, Gold und Edelsteine verteilten sich klirrend auf dem Marmorboden. Salim versuchte, sich von dem Feuer zu entfernen, und obwohl er beinahe ausrutschte, schaffte er es sogar, wieder zu der Prinzessin zu schauen. Diese stieg die Stufen zum goldenen Thron hinauf und beachtete das Durcheinander in ihrem Rücken nicht mehr, ihr weißes Gewand war mit Blut bespritzt.

Flammen rauschten über Salims Kopf hinweg, die Lohe stürzte sich nun wie rasend auf die Menschen im Saal. Ihr Fauchen klang wie das Brüllen einer wilden, nach Blut gierenden Bestie. Er wusste nicht, wie ihm geschah, rutschte wieder aus. Irgendjemand trat gegen Salim, eine der anderen Geiseln fiel auf ihn, er hörte lautes Wimmern dicht an seinem Ohr.

Eine menschliche Fackel wankte an ihnen vorbei, und Salim erkannte erst, als sie vor ihm zusammenbrach, dass dies eine der Tänzerinnen gewesen war. Ein Soldat wurde von einem auskeilenden Pferd durch den Saal geschleudert. Wer konnte, versuchte den Ausgang zu erreichen, doch ein dichter Pulk an Menschen und Tieren machte das Durchkommen dort unmöglich. Hinter ihnen wütete das aus dem Leib des Haushofmeisters geborene Flammenungetüm. Triumphierend fuhr es unter die schreienden Menschen, schleuderte Tiere und Goldpokale umher. Immer wieder spannten sich brüllende Flammenbögen durch den Saal und setzten in Brand, was auch immer sie trafen. Die Luft im Saal flimmerte, Salim erschien es, als würde er flüssiges Feuer einatmen, Wellen aus Hitze rauschten über ihn hinweg, seine Lungen brannten.

Er stieß den wimmernden Tulamiden von sich und kroch auf die Stufen zu. Dies war die letzte Gelegenheit, Rache zu nehmen, ehe auch er in den lebenden Flammen sterben würde. Er blickte auf und sah die Prinzessin vor dem Thron stehen, ihr weißes Kleid mit roten Spritzern übersät. Ihr Blick ging ins Leere. Irgendwo zersplitterten Fenster. Mit lautem Stöhnen stürzte eine der gewaltigen marmornen Statuen um und begrub Menschen und Tiere unter sich.

Der Vater des kleinen Mädchens stolperte auf die Prinzessin zu, er rang mit den Händen: »Hoheit, bitte, gebietet dem Einhalt …«

Gierige Flammen ergriffen ihn fauchend und übertönten seinen Schmerzensschrei, dann rutschte er mit verdrehten Gliedern wieder die Stufen hinunter, sein Gewand war geschwärzt und qualmte, Blut stürzte über seine Lippen, sein Leib zuckte krampfhaft, obwohl er schon tot sein musste. Der Gestank von verbranntem Fleisch drang Salim in die Nase. Die Prinzessin wandte nicht einmal den Kopf.

Er hatte die Seite des Podests erreicht, nur einige Stufen weiter oben kauerte die Mutter des blonden Mädchens und versuchte, ihr Kind mit dem eigenen Körper vor den tobenden Flammen zu schützen. Plötzlich riss sie die Arme empor, einen tonlosen Schrei auf den Lippen, ihr Haar und ihr Kleid gingen schlagartig in Flammen auf, als wäre sie eine Strohpuppe. Ohne nachzudenken streckte Salim seine immer noch aneinandergeketteten Arme aus, packte das Mädchen und zog es an sich, fort von der Mutter, ehe diese über ihrer Tochter zusammenbrechen konnte. Flammen jagten ihm entgegen. Salim schrie auf, als das Feuer ihn traf. Rasch wandte er sich ab und schützte das Mädchen mit seinem Körper. Hitze brandeteüber ihn hinweg.

Die Kleine sah ihn mit großen braunen Augen an, und Salim fiel auf, dass sie weder weinte noch schrie, noch schien sie Angst vor ihm zu haben. Sie blickte ihn stumm an, dann deutete sie auf einen der schweren blauen Wandbehänge neben dem goldenen Thron.

Viele Menschen standen in Flammen, während das Feuer­ungetüm offenbar vollkommen ziellos unter ihnen wütete und überall qualmende Leichen zurückließ. Dazwischen tobten rasende Tiere, an den Türen schlugen Soldaten auf Sklaven und Gefangene ein, und alle verkeilten sich ineinander in dem Versuch, hinauszugelangen. Der gewaltige goldene Adler, der mit ausgebreiteten Schwingenüber dem Thron hing, blickte ungerührt und hoch erhobenen Hauptes auf die Menschen herab und kümmerte sich nicht um die Verletzten und Sterbenden. Die Prinzessin schien ebenfalls nicht mehr zu beachten, was im Saal vor sich ging. Wahrscheinlich würde sie es nicht einmal bemerken, wenn Salim nun auf sie zustürzen würde, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Oder würde sie ihm dasselbe antun wie dem fetten Haushofmeister?

Das Mädchen in seinen Armen sah zu ihm auf. »Dort!« Sie deutete erneut zu dem Wandbehang. Er starrte sie an, dann wanderte sein Blick noch einmal zu der Prinzessin. Sie war nur wenige Schritte entfernt. Er konnte das Mädchen jedoch in Sicherheit bringen und dann wieder zurückkehren.

Salim eilte geduckt zu dem schwelenden Wandbehang hinüber, riss ihn herunter und entdeckte dahinter eine versteckte, niedrige Tür. Hastig drückte er sie mit der Schulter auf, das Mädchen in seinen starken Armen. Die Prinzessin mit Namen Hela stand vor dem Thron, noch immer unbewegt, während die tobenden Flammen ein flackerndes, unwirkliches Licht auf sie warfen. Ihre Haare erstrahlten, als bestünden sie aus rotgoldenem Feuer. Die Prinzessin starrte aber lediglich auf den düsterrot funkelnden Rubin in ihrer Hand.

Salim riss sich von dem Anblick los, als das kleine Mädchen in seinen Armen an seiner Weste zupfte, duckte sich durch den Türrahmen und ließ die Todesschreie der Menschen, das Brüllen der Tiere und das Dröhnen der Flammen hinter sich. Eine tosende Lohe rollte heran, Salim warf sich hastig gegen die Steintür. Gierige Finger aus Feuer griffen zwischen Tür und Rahmen hindurch und zerrten an Salims Weste und Haar. Schmerz raste durch seinen Körper, doch das Brüllen der Flammen übertönte seinen Schrei. Mit letzter Kraft schlug er die Tür zu. Schlagartig wurde es still um ihn.

Er taumelte einige Schritte in den düsteren, fensterlosen Gang hinein, musste sich aber immer wieder an der Wand abstützen. Irgendwann setzte er das Mädchen ab und sank an der Wand zu Boden. Sein Gewand war mit Blut besudelt und angesengt, der Gestank nach verbranntem Fleisch erfüllte den niedrigen Gang. Sein Herz raste, ein fernes Summen erfüllt seinen Kopf. Seine linke Gesichtshälfte schmerzte und brannte. Er hob die Hand und zuckte zusammen, als er seine Wange berührte. Blut klebte an seinen Fingern. Das Mädchen sah ihn an, ihre Miene war unbewegt, das blonde Haar zerzaust. Er starrte sie lange an.

»Wie ist dein Name?« Die Frage kam Salim plötzlich in den Sinn, sie erschien ihm so gut wie jede andere.

»Vallusa«, erwiderte sie leise und ohne den Blick ihrer großen Augen von ihm abzuwenden. Ihr Blick war starr. Ob sie wohl verstanden hatte, was gerade mit ihren Eltern geschehen war?

»Was ist mit den anderen?«, fragte sie leise.

»Es gibt keine anderen mehr«, murmelte er.

»Was ist mit Mutter, und Vater?«

Salim schüttelte kraftlos den Kopf, Vallusa senkte den Blick. »Wir sind nun wohl beide allein«, murmelte er.

Diese Gewissheit schlug über ihn herein wie die lodernden Flammen im Thronsaal: Sein Volk war bezwungen, die zaubermächtige Prinzessin mit dem goldenen Haar herrschte nun über alles, selbst das Land, das einst seinem Stamm gehört hatte. Sein Vater und seine Brüder waren umsonst gestorben, ihr Opfer hatte die Tulamiden nicht retten können– und sein Tod würde das Geschehene auch nicht mehr rückgängig machen.

Vallusa hockte sich neben ihn auf den kalten Steinboden und nahm seine Hand in ihre eigenen kleinen Hände. Salim starrte auf die goldenen Ketten zwischen seinen Armen. Die Fesseln waren immer noch makellos und glänzten stumpf. Blut tropfte von seiner Wange herab.

Dann schwanden ihm die Sinne.

Der einsame Legionär

Zwei Dinge hatten Raul beschäftigt, seit er es sich in der Schankstube der Wegherberge bequem gemacht hatte: dass der Wein der Garetier nahezu ungenießbar war, die garetischen Frauen dagegen sehr reizvoll sein konnten. Zu der erstgenanntenÜberzeugung war er mit dem ersten Schluck aus dem hölzernen Becher gekommen, zu der zweiten, als die Schankmagd zum zweiten Mal an seinen Tisch getreten war und sich erkundigt hatte, ob er denn noch einen Wunsch habe. Sie hatte dabei sichtlich Wert darauf gelegt, dass ihm sowohl ihr fest geschnürtes Mieder als auch ihr einladender Augenaufschlag nicht entgingen. Doch dann hatte ein weiterer Reisender die Stube betreten und Raul den schalen Wein und die reizende Schankmagd vergessen lassen.

Raul war lange Zeit durch Schnee und Kälte marschiert. Als dann die einsame Wegherberge am Straßenrand auftauchte, erschien dies dem Tulamiden wie ein Zeichen der Götter, und er nahm bereitwillig ihre Einladung an. Die kleine Schankstube war leer, aber gemütlich und warm. Im Kamin prasselte ein munteres Feuer, und der Wirt freute sich sichtlich über den unerwarteten Gast. Nun saß Raul an einem Tisch nahe beim Feuer, von dem Kaminsims schaute eine Büste der Kaiserin auf ihn herab,über deren ebenmäßige Gesichtszüge immer wieder roter Feuerschein tanzte. Draußen heulte der Wind um das Haus und rüttelte an den Fensterläden.

Doch dann hatte jener andere Reisende die Schankstube betreten. Er zögerte, als er Raul erblickte, und ließ sich dann etwas entfernt nieder, auch wenn ihm die Tische am Feuer sicherlich einladender erscheinen mussten.

Raul konnte es ihm nicht verdenken: Der Mann war ein Legionär, ein Soldat Bosparans, und es war gerade einmal dreizehn Götterläufe her, dass die Bosparaner sein Volk bezwungen hatten. Er erinnerte sich nur zu gut an diese Zeit, auch wenn er jene Nacht vor zwölf Jahren, die sein Leben verändert hatte und die ihn bis zum heutigen Tage in seinen Alpträumen verfolgte, am liebsten vergessen würde.

Der Legionär legte seinen Brustpanzer mit dem Adler darauf nicht ab. Schon dieser verriet seine Profession, der goldene Adler Bosparans war unverwechselbar. Der blaue Mantel, der nun neben ihm über einer Stuhllehne lag, war aus guter Wolle gewoben, nicht von der Art, wie ihn hochrangige Offiziere trugen, aber auch nicht so schlicht wie der eines einfachen Soldaten. Auch der Panzer war von besserer Machart, jedoch nicht so prunkvoll wie die Rüstungen der Centurionen oder Tribune. Raul vermutete, dass der Mann ein Unteroffizier war, vielleicht im Range eines Optio oder Decurio. Doch selbst wenn er in zerrissenen Lumpen vor ihm sitzen würde, hätte Raul an seiner Haltung erkannt, dass er die Ausbildung der Legion durchlaufen hatte. Er war diszipliniert und gewohnt, stramm zu stehen und dabei einen möglichst tadellosen Eindruck zu machen.

Der Legionär war etwa in Rauls Alter, Mitte bis Ende zwanzig, und sehr kräftig gebaut, mit breitem Kreuz, wachen blauen Augen und nach Art der Soldaten kurzgeschnittenem braunen Haar, das eckige Kinn glattgeschabt. Er war hochgewachsen und würde ihn aufrecht stehend sicherlich um Haupteslänge überragen. Die feuchten Haare lagen platt an seinem Kopf an, Zeugnis davon, dass er seinen Helm auf der Reise nicht abgenommen hatte. Er war unberitten, neben ihm am Tisch lehnte ein schwerer Rucksack, das Marschgepäck der Legionäre, keine Satteltaschen, wie ein Reiter sie mit sich führen würde. Seine rechte Seite war Raul zugewandt, dort trug er auch sein Schwert. Diese Waffe war das Einzige, was ihn von einem Legionär unterschied. In der Legion wurden Kurzschwerter mit kurzen Parierstangen verwendet, Angriffe wurden vornehmlich mit dem Schild abgewehrt. Der Legionär trug allerdings ein Langschwert an der Seite, wie es in den Nordprovinzen verbreitet war und das wertvoller schien, als es selbst für Offiziere üblich war. Raul erkannte Löwinnen auf der Scheide, die heiligen Tiere der Göttin Rondra. Die breiten Parierstangen waren ebenfalls silbernen Löwinnen nachempfunden, der Griff mit rotem Leder umwickelt und mit Smaragden geschmückt. Er vermutete, dass der Mann nicht aus dem Lieblichen Feld stammte, dem Kernland des Bosparanischen Reichs, sondern aus dem Norden, aus dieser Gegend. Das Schwert erschien ihm wie ein wertvolles Erbstück, wahrscheinlich entstammte der Reisende einem Rittergeschlecht.

Es entging Raul nicht, dass der Legionär ihm von Anfang an seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Er saß zwar gelassen an seinem Tisch, ließ dabei jedoch immer wieder den Blick durch den Raum wandern, als wäre er gelangweilt oder in Gedanken. Er achtete genau darauf, sich nicht übermäßig verdächtig zu machen, während er Raul abschätzte und auf Zeichen von Aggression hin musterte.

Raul konnte dies durchaus nachvollziehen. Der Legionär war allein unterwegs und hatte sicherlich Bedenken, dass er ihm gefährlich werden konnte. Auf andere Vertreter seines Volkes würde dies vielleicht sogar zutreffen, Raul suchte aber keinen Streit. Andererseits hatte er auch nicht vor, den Fremden auf einen Krug Wein einzuladen, und das, obwohl er Gesellschaft schätzte und nicht gerne allein trank. Raul beschloss, gelassen zu bleiben und dem Soldaten keinen Grund zum Misstrauen zu geben. Er würde nun seinen Wein austrinken und dann die Herberge wieder verlassen.

In diesem Moment sprang die Tür zur Schankstube auf. Ein eiskalter Windzug fuhr herein, brachte sowohl wirbelnde Schneeflocken als auch eine Gruppe Reisende mit sich. Es handelte sich um drei verwegene Burschen und eine stämmige Frau, die sich schniefend den Schnee von den Schultern klopften und sofort lautstark nach heißem Bier und Brot verlangten. Als sie die breiten Hüte abnahmen, kamen vom eisigen Wind gerötete Gesichter zum Vorschein. Unter den schweren ledernen Reisemänteln tauchten Oberarme so dick wie Schiffstaue und an ihren Gürteln kurze Schwerter auf. Die vier stutzten, als sie den Legionär bemerkten, und warfen einander vielsagende Blicke zu. Dann ließen sie sich an einem Tisch in einer Ecke der Stube nieder. Die erste Runde Bier kippten sie hinunter, als handele es sich um Wasser, weitere Runden wurden schnell nachbestellt. Dabei schielten sie gelegentlich verstohlen zum Nachbartisch hinüber, an dem der Legionär saß.

Raul bemerkte, wie sie leise miteinander tuschelten. Er verpasste es auch nicht, wenn einer der Burschen instinktiv die Hand an den Schwertgriff legte, während er sich umsah, so wie die Hand eines Händlers, der auf dem Basar einkaufen geht, unwillkürlich zu seinem Geldbeutel wandert, wenn ihm eine zerlumpte Gestalt entgegenkommt. Bisweilen scharrte einer der Gesellen mit den Füßen, schließlich machte die Frau aus der Gruppe sogar schon Anstalten aufzustehen, besann sich dann aber wieder und bestellte stattdessen unwirsch eine weitere Runde.

Und noch immer bemerkte der Mann, der wohl bald Bekanntschaft mit den Fäusten und Klingen der Handwerker machen würde, gar nicht, was ihm bevorstand. Er erweckte durchaus den Eindruck, dass er sich zu verteidigen verstand, doch seine Gegner waren ihm vier zu eins überlegen und wussten das Überraschungsmoment auf ihrer Seite.

Raul hatte sich immer noch nicht entschieden, ob er in die bevorstehende Auseinandersetzung eingreifen sollte oder nicht, aber er wollte vorbereitet sein. Er behielt seine lässige Haltung bei, eine Hand auf den grob gezimmerten Tisch neben sich gelegt, die andere auf dem Oberschenkel, den Griff seines treuen Krummsäbels in Reichweite. Nun drehte er sich aber unter dem Vorwand, sich an dem munter prasselnden Kaminfeuer zu wärmen, langsam vom Tisch weg, sodass der offene Raum vor ihm lag. Nur wenige Schritte trennten ihn damit von den inzwischen reichlich angetrunkenen reisenden Handwerkern.

Der Legionär, dessen ausgeschlagene Zähne spätestens dann zwischen den Pfützen und Bierlachen auf den fleckigen Holzdielen landen würden, wenn die vier am Ecktisch ihre derzeitige Runde beendet hatten, spannte sich unwillkürlich an, als Raul sich bewegte. Die Handwerker, deren Übermut und Gereiztheit mit jedem neuen Bier wuchsen, beachtete er leider immer noch nicht. Behutsam legte der Legionär nun die linke Hand auf seinem sorgsam zusammengerollten Mantel. Raul vermutete, dass er ihm den Mantel entgegenschleudern, dabei seine Klinge ziehen und ihm diese in den Bauch rammen würde. Der Stoß würde am wahrscheinlichsten direkt von unten kommen, sodass er unter Rauls abgenutzten Spiegelpanzer gehen würde. Kurzum: Es war absolut unmöglich, den Legionär zu überraschen, sollte Raul beschließen, ihn anzugreifen.

Raul wünschte sich, dass die Götter ihn nicht in eine solche Situation gebracht hätten. Er würde es vorziehen, sich nicht einzumischen und die Gesellen gewähren zu lassen. Es gab schließlich keinen Grund, ausgerechnet einem Legionär beizustehen, und die meisten Tulamiden würden ihm sicher umgehend zustimmen. Doch irgendetwas an dem Mann ließ ihn nicht teilnahmslos bleiben: Es kam ihm fast so vor, als wären Rüstung und Uniform eine Verkleidung und spiegelten nicht seine wahre Natur wider.

O Feqz, alter Freund,dachte Raul bei sich, und seine Hand tastete unwillkürlich zu der Fuchspfote, die er mit seinen anderen Amuletten und Talismanen um den Hals trug,wenn dies eine deiner Prüfungen ist, so gib mir doch zumindest einen Hinweis, wie ich nach deinem Wunsche zu handeln habe. Willst du herausfinden, ob ich verzeihen und vergeben kann? Ob ich noch immer diesen alten Groll hege?

Kurz wanderte sein Blick zu der Schankmagd, die gerade jetzt herzhaft gähnte und deren Busen sich dabei ganz reizend hob und senkte.

Die Herrin Rahja schickt mir sehr viel eindeutigere Signale,fuhr er fort und bemühte sich, seinen Gedanken einen möglichst mitleidigen Ton zu geben, der das Herz des listigen Gottes erweichen würde.Warum also nicht auch du?

Gerne stellte er sich in diesen Momenten vor, wie hoch oben in Alveran ein schelmischer Gott leise lachte, als wolle er sagen, dass er es ihm so einfach nun auch wieder nicht machen werde.

Nun gut, wenn du ein weiteres Mal darauf bestehst, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe …

In diesem Moment erhoben sich die vier Gesellen hinter dem Legionär, scharrend wurden Stühle zurückgeschoben und halbvolle Becher auf den Tisch geknallt, sodass das Bier auf die Tischplatte spritzte. Der Legionär musste seineÜberraschung, seine Augenbrauen, die sich um eine halbe Fingerbreite gehoben hatten, bemerkt haben, denn er spannte sich unwillkürlich an. Hinter ihm zog bereits der erste der Burschen langsam sein Schwert.

Der Legionär hatte nicht erwartet, dass Raul sich so schnell bewegen würde, dennoch reagierte er mit beneidenswerter Geschwindigkeit, als Raul nach vorne sprang. Raul duckte sich gewandt wie ein Panther unter dem schweren blauen Mantel hindurch, der ihm entgegengeflogen kam, wich mit einer Drehung, immer noch geduckt, dem kräftigen Schwertstoß des Legionärs aus, der von unten kam und mühelos unter seinen Panzer gedrungen wäre, riss noch in derselben Bewegung seinen Krummsäbel aus der Scheide und zog diesen mit einem raschen, kraftvollen Hieb durch.

Als Raul die Bewegung beendet hatte, sank vor ihm der vorderste der Gesellen auf die Knie, polternd fiel sein Schwert neben ihm zu Boden. Zu Rauls Erleichterung erkannte der Legionär nun aber, wer hier auf wessen Seite stand. Er wirbelte herum und schlug kraftvoll zu, Stahl prallte auf Stahl, dann landete ein zweiter Angreifer auf dem Boden, sein Schwert rutschte über die Holzdielen davon.

Die beiden verbliebenen Angreifer erstarrten mitten in der Bewegung, ihre Gesichter, eben noch entschlossen, waren nun vor Verblüffung grotesk verzerrt. Das Kreischen der Schankmagd gellte durch den Raum. Der Legionär stand nun Seite an Seite mit Raul.

»Bitte, Effendi«, forderte Raul ihn höflich und mit ruhiger Stimme auf, als die Schankmagd gerade einmal Luft holen musste, »diese Herren und die Dame haben etwas mit Euch auszutragen, wie mir scheint. Ihr solltet die weiteren Schritte klären.«

Der Angesprochene nickte sofort, doch erst danach verstand er, was Raul gemeint hatte.

»Mein Name ist Baduar vom Eberstamm«, begann er schließlich, zunächst hastig, dann gefasster, »Optio der LegionCuslicum, II. Regiment, IV. Kohorte. Solltet ihr ein Problem mit mir haben, so können wir dies ehrenhaft unter den Augen Rondras entscheiden. Ich bin bereit, mich einem Jeden von euch im Duell zu stellen, nach der Göttin gefälligen Regeln. Ihr mögt selbst entscheiden, ob euch der Zweikampf zum ersten oder zum zweiten Blute recht ist, je nachdem, wie groß der Zwist ist, den ihr mit mir zu haben glaubt. Die Wahl der Waffen liegt bei mir, da ich der Angegriffene bin. Mir scheint aber, dass die Auswahl ohnehin begrenzt ist, sodass wir beim Schwert bleiben sollten. Dies biete ich euch an, unter den Augen der Göttin Rondra und des Heiligen Leomar.«

Raul nickte anerkennend, die Gegner immer noch fest ins Auge gefasst. »Gute Rede«, lobte er. »Vielleicht etwas zu lang.«

Baduar stutzte und warf Raul einen Seitenblick zu. »Meint Ihr wirklich? Was hättet Ihr anders gemacht?«

Erüberlegte kurz. »Nun, zunächst einmal …«

Das leise Grunzen des Burschen, dem Raul einen Streich beigebracht hatte, erinnerte die beiden wieder an das, was hier derzeit vorging. Der Kerl starrte auf seine Brust hinab, über die sich ein sauberer Schnitt zog, aus dem nun ein feiner Blutstrom rieselte. Die drei anderen schauten Raul und Baduar – den kleinen Tulamiden und den hünenhaften Legionär – an, als hätten sie es mit entlaufenen Wahnsinnigen zu tun.

***

Lächelnd stellte Raul seinen Becher zurück auf den Tisch und wischte sich mit dem Handrücken den Bart ab. Baduars Lachen klang heiser und erinnerte ihn irgendwie an ein krankes Maultier. Der Legionär wischte sich die Tränen aus den Augen, gab dem Wirt einen Wink und deutete auf den leeren Weinkrug.

Raul kümmerte es nicht mehr, wie schal der Wein war. Er hatte inzwischen festgestellt, dass er genießbar wurde, wenn man erst einmal einige Becher davon zu sich genommen hatte. Zudem half es, in Gesellschaft zu trinken.

Baduar rang nach Atem. »Und als Ihr dann sagtet ›Bitte, Efferdis‹…«

»Effendis«, korrigierte Raul ihn lächelnd.

»Ef-fen-dis«, wiederholte Baduar langsam. »Also, als Ihr sagtet ›Bitte, Effendis, das ist doch kein Grund zu gehen! Seht doch nur dies garstige Wetter …‹, da hatte ich alle Mühe, mich zu beherrschen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte mir denken können, dass ein Soldat mit dem Adler Bosparans auf der Brust in der Garether Gegend nicht immer gerne gesehen wird. Wenn er zudem noch ganz alleine unterwegs ist, kann er sich sogar zur Zielscheibe machen. Ich hätte den Panzer wohl besser ablegen und etwas mehr Acht geben sollen.«

»Ihr habt ganz ausgezeichnet Acht gegeben«, erwiderte Raul lächelnd,»nur leider auf den falschen Mann. Zu unser beider Glück wird in der Legion wohl auf Reaktionsschnelle weniger Wert gelegt als auf das Schwingen großer Reden. Ansonsten hättet Ihr mich aufgeschnitten wie einen Fisch und Euch dann noch zu allem Überfluss ganz alleine mit diesen Gesellen auseinandersetzen müssen.«

Baduar prustete einen feinen Sprühregen billigen Weins über den Tisch. Die Schankmagd stellte einen neuen, vollen Krug zwischen den beiden Männern ab.

»Sagt mir nur eines, Raul.« Baduar hatte sich wieder gefasst und musterte ihn über den Tisch hinweg. »Wo habt Ihr gelernt, Euch so zu bewegen?«

Raul zuckte mit den Schultern. »Mein vorausschauender Vater legte stets großen Wert darauf, dass seine Söhne mit dem Szimitar – dem Säbel– umzugehen verstehen. In meiner Zeit als Söldner vermochte ich meine Künste dann noch zu verfeinern.«

Baduar nickte langsam. »Woher stammt Ihr? Aus den Tulamidenlanden?«, erkundigte er sich, und Raul entging dabei nicht der vorsichtige Unterton in der Stimme.

»Ganz recht. Ich wurde in einem weit entfernten Ort geboren und bin lange Zeit gewandert, bis ich dieses gastfreundliche Haus erreicht hatte. Aber Ihr müsstet sowohl die schroffen Gipfel des Raschtulswalls, in dem der Riese Adawadt haust, erklimmen und wieder hinabsteigen, als auch durch die Reisfelder Mhanadistans waten, ehe Ihr diesen Ort erreichen würdet.«

»Und doch sprecht Ihr unserer Sprache wie ein Einheimischer.«

Das war eine Frage, die er nicht unbedingt direkt beantworten wollte.

»Jedes Kind der Tulamidenlande könnte Eure überaus simple Mundart in drei mal drei Tagen lernen und dann als Güldenländer durchgehen«, erklärte Raul und grinste. Nun war es aber an ihm, das Wasser auszuloten. »Wart Ihr mit der Legion im Land der Ersten Sonne?«

»Einmal, und für nur wenige Monde«, erklärte Baduar schnell. »Ich stamme aus einer adligen Familie. Die Eberstamms haben einen guten Namen, aber nicht gut genug, als dass meine Eltern mit dem Namen alleine all ihre Söhne und Töchter ernähren konnten. Es ist üblich, sich der Legion zu verpflichten, wenn man von Stand ist. Man lernt zu kämpfen und verdient gutes Silber.« Das Letzte klang wie eine Entschuldigung.

Raul deutete auf Baduars Marschgepäck. »Habt Ihr im Schneetreiben etwa den Anschluss an Eure Legion verloren, Eure IV. Kohorte?«

»Nein, ich habe meinen Abschied genommen«, versicherte Baduar rasch, »es zieht mich zurück in die Heimat. Es wird aber wohl noch eine Weile dauern, bis ich mir abgewöhnt habe, mich ordungsgemäß vorzustellen.«

Raul griff nach dem Weinkrug und schenkte dem Legionär nach: »Wenn Ihr nun aus Bosparan kommt, führt Euch der Weg doch sicher nach Norden. Dort wird es noch kälter sein als hier.«

Baduar nickte. »Ich bin auf dem Weg nach Gareth. Habt Ihr von der Stadt gehört?«

Raul zuckte mit den Schultern.»Den Namen habe ich wohl schon einmal vernommen. Lohnt sich ein Besuch?«

»Vor allem gibt es in der Garether Garde ein gutes Auskommen für Männer und Frauen, die mit dem Schwert umgehen können. Man nennt die Stadt auch das ›Goldene Gareth‹, die Stadt ist durch den Handel sehr reich geworden.« Baduar nahm noch einen Schluck Wein. »Aber nun Ihr: Wohin zieht es Euch?«

Raul zuckte mit den Schultern. »Wohin auch immer mich der Weg führt, wo ein scharfer Szimitar und ein starker Schwertarm gebraucht werden.«

»Wenn Ihr es auf Sold abgesehen habt, dann schließt Euch doch mir an. Die Garde zahlt gut, und keine Stadt ist so prächtig und lebhaft wie Gareth. Mit Ausnahme des hunderttürmigen Bosparan, natürlich.«

Raul musste zugeben, dass die Aussicht, ausgerechnet mit einem Legionär durch die Lande zu ziehen, nicht gerade verlockend war. Andererseits spürte er, dass Baduar es ehrlich mit ihm meinte und dass seine Aufrichtigkeit nicht gespielt war. »Warum nicht?«, meinte er schließlich. »Gareth klingt so gut wie alles andere und der Winter steht bevor. Ein warmes Bett und regelmäßiger Sold sind sicherlich besser als ein Strohsack in einer Wegherberge und ein leerer Magen. Für ein paar Monde werde ich es dort sicher aushalten.«

Baduar grinste. »Dann ist es beschlossen! Gareth!« Er stieß mit dem Tulamiden an. »Sagt, ist Raul Euer einziger Name?«