Du bist der Mann meiner Träume - Caroline Winter - E-Book

Du bist der Mann meiner Träume E-Book

Caroline Winter

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Es war eisig kalt draußen, selbst für einen Tag im Oktober. Am Morgen hatte der gepflegte Rasen des Schlossparks unter einer glitzernden Decke von Raureif gelegen, und nun blies der Ostwind erbarmungslos um die Mauern von Schloss Hohenstein. Schnee lag in der Luft. Nicht gerade das ideale Wetter für eine Verlobung, dachte Livia von Amelungen und wandte ihren Blick mit einem tiefen Seufzer vom Fenster ab. Dann schritt sie zu dem großen Toilettentisch, der in ihrem Gästezimmer stand, und betrachtete sich eine Weile. Sie sah schön aus, unbestritten. Ihr knielanges hellbeiges Kaschmirkleid in Melange-Optik mit dem offen getragenen leichten Kaschmirmantel umschmeichelte sanft ihre schlanke Figur. Dazu trug sie die Perlenkette, die sie von ihrer Großmutter, einer polnischen Prinzessin, geerbt hatte und die so lang war, dass Livia sie dreimal um den Hals schlingen konnte und ihr die einzelnen Reihen immer noch bis zu den schmalen Hüften reichten. Ein Erbteil dieser Lieblingsoma, die vor einigen Jahren diese Erde verlassen hatte, waren auch ihre blonden Locken, die Livia normalerweise weit über die Schultern fielen – heute waren sie zu einem Chignon im Nacken zusammengebunden –, sowie ihre ausdrucksstarken braunen Augen. Allerdings fehlte ihnen jetzt der übliche Glanz. »Was ist nur mit dir los?«, schimpfte Livia mit ihrem Spiegelbild. »Sieht so etwa eine glückliche Braut aus?« Bleich wie eine Marmorstatue im Mondlicht, dachte die Prinzessin voller Sorge. Müsste ich nicht vor lauter Liebe glühen und strahlen wie die Sonne am Himmel? War sie nicht über Prinz Hendrik von Plutos Heiratsantrag überglücklich gewesen? Hatte sie nicht auf seine Frage, ob sie ihn heiraten wolle, ohne eine Sekunde nachzudenken, ein sanftes Ja gehaucht? Hendrik hatte ihr daraufhin den eleganten Brillantring über die Finger gestreift, den sie nun seit drei Wochen stolz an ihrer linken Hand trug. Wann sich ihr Denken und Fühlen verändert hatte, wusste Livia nicht zu sagen, und auch nicht, was diese innere Wandlung ausgelöst hatte. War es vielleicht jene Bemerkung ihres zukünftigen Schwiegervaters, Fürst Friedrich, gewesen, dass Hendrik und Livia eine »solide Ehe«

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Fürstenkrone – 206 –

Du bist der Mann meiner Träume

... doch Prinzessin Livia ist mit einem anderen verlobt!

Caroline Winter

Es war eisig kalt draußen, selbst für einen Tag im Oktober. Am Morgen hatte der gepflegte Rasen des Schlossparks unter einer glitzernden Decke von Raureif gelegen, und nun blies der Ostwind erbarmungslos um die Mauern von Schloss Hohenstein. Schnee lag in der Luft.

Nicht gerade das ideale Wetter für eine Verlobung, dachte Livia von Amelungen und wandte ihren Blick mit einem tiefen Seufzer vom Fenster ab. Dann schritt sie zu dem großen Toilettentisch, der in ihrem Gästezimmer stand, und betrachtete sich eine Weile. Sie sah schön aus, unbestritten. Ihr knielanges hellbeiges Kaschmirkleid in Melange-Optik mit dem offen getragenen leichten Kaschmirmantel umschmeichelte sanft ihre schlanke Figur. Dazu trug sie die Perlenkette, die sie von ihrer Großmutter, einer polnischen Prinzessin, geerbt hatte und die so lang war, dass Livia sie dreimal um den Hals schlingen konnte und ihr die einzelnen Reihen immer noch bis zu den schmalen Hüften reichten.

Ein Erbteil dieser Lieblingsoma, die vor einigen Jahren diese Erde verlassen hatte, waren auch ihre blonden Locken, die Livia normalerweise weit über die Schultern fielen – heute waren sie zu einem Chignon im Nacken zusammengebunden –, sowie ihre ausdrucksstarken braunen Augen. Allerdings fehlte ihnen jetzt der übliche Glanz.

»Was ist nur mit dir los?«, schimpfte Livia mit ihrem Spiegelbild. »Sieht so etwa eine glückliche Braut aus?«

Bleich wie eine Marmorstatue im Mondlicht, dachte die Prinzessin voller Sorge. Müsste ich nicht vor lauter Liebe glühen und strahlen wie die Sonne am Himmel?

War sie nicht über Prinz Hendrik von Plutos Heiratsantrag überglücklich gewesen? Hatte sie nicht auf seine Frage, ob sie ihn heiraten wolle, ohne eine Sekunde nachzudenken, ein sanftes Ja gehaucht? Hendrik hatte ihr daraufhin den eleganten Brillantring über die Finger gestreift, den sie nun seit drei Wochen stolz an ihrer linken Hand trug.

Wann sich ihr Denken und Fühlen verändert hatte, wusste Livia nicht zu sagen, und auch nicht, was diese innere Wandlung ausgelöst hatte. War es vielleicht jene Bemerkung ihres zukünftigen Schwiegervaters, Fürst Friedrich, gewesen, dass Hendrik und Livia eine »solide Ehe« führen würden?

Solide! Was für ein seltsames Wort! Livia hatte es noch am selben Abend im Wörterbuch nachgeschlagen und erfahren, dass ihre Ehe mit Hendrik auf alle Fälle »dauerhaft« sein würde. Nun, daran gab es nichts auszusetzen, denn für immer und ewig, das wünschte sich doch jede Braut am sehnlichsten.

»Anständig«, das nächste Wort in der Reihe der Erklärungen, bereitete ihr ein wenig Bauchschmerzen. »Anständig« würde ihre Ehe bestimmt werden, denn der 33-jährige Prinz Hendrik, zwölf Jahre älter als Livia, hatte ihre verzweifelte Situation und ihre Einsamkeit nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern nicht eine Sekunde lang ausgenutzt und sie nie in irgendeiner Weise bedrängt. Er hatte ihr sogar versprochen, bis zur Hochzeit mit allem zu warten, und Livia, die in Liebesdingen gänzlich unerfahren war, hatte sich einverstanden erklärt. Insgeheim sehnte sie sich jedoch nach heftigem Herzklopfen, nach Schmetterlingen im Bauch und tiefer Leidenschaft, und sie wünschte sich manchmal, Prinz Hendrik wäre nicht ganz der Gentleman, der er war, sondern mehr ihr Geliebter. Doch er war nun einmal »anständig«.

»Maßvoll« war dann der letzte Begriff, den Livia noch las, bevor sie das Wörterbuch zuklappte und unwirsch ins Regal zurückgestellt hatte.

»Man könnte fast den Eindruck bekommen, mein Leben an Hendriks Seite wird schrecklich langweilig werden«, seufzte sie ihrem Spiegelbild zu, doch dann rief sie sich selbst zur Ordnung. Was für dumme Hirngespinste waren das! Hendrik würde sie glücklich machen. Alle waren davon überzeugt.

Livia von Amelungen warf sich einen letzten vorwurfsvollen Blick zu, versteckte hastig eine wilde Haarsträhne hinter ihrem linken Ohr, nahm ihre beigefarbene Handtasche vom Sessel, klemmte sie unter ihren linken Arm und verließ mit eiligen Schritten das Ankleidezimmer.

Die Verlobungsfeier fand in der Orangerie von Schloss Hohenstein statt. Früher hatten in dem halbrunden Gebäude mit den hohen bis auf den Boden reichenden Fenstern die Zitrus- und Orangenbäume überwintert, aber vor einigen Jahrzehnten hatte der Großvater des jetzigen Fürsten die lichtdurchfluteten Räume umbauen lassen. Seitdem wurden sie für Gemäldeausstellungen und Bankette genutzt, und nur noch ein paar kleinere Orangen- und Zitronenbäume, die als Farbtupfer dienten, zeugten von der einstigen Funktion des Gebäudes.

Als Prinzessin Livia am Arm ihres Verlobten den festlich geschmückten Saal betrat, ging ein Raunen durch die Gruppe der Gäste. Das Glück eines jungen Paares zu sehen, das sich liebte und gewillt war, den Weg des Lebens gemeinsam zu beschreiten, war für alle ein aufregendes Erlebnis. Prinz Hendrik, hochgewachsen, elegant im dunklen Anzug, strahlte glücklich in die Runde und schaute immer wieder voller Stolz zu der zauberhaften jungen Frau an seiner Seite. Prinzessin Livia, die sich von seiner Stimmung anstecken ließ, drückte fest seine Hand und ging aufrecht neben ihm.

Fürst Friedrich und Fürstin Christiane von Pluto, die Schwiegereltern in spe, Christiane, in einem eleganten violettblauen Kleid, das ihre große schlanke Figur unterstrich und das Blau ihrer lebhaften Augen besonders hervorhob, umarmte ihre zukünftige Schwiegertochter fest und flüsterte ihr aufmunternde Worte ins Ohr. Dann wurde das junge Paar von den Gästen umringt, die fast ausschließlich zur Familie von Pluto gehörten, denn für die wenigen Verwandten von Livia, die am anderen Ende der Welt lebten, wäre die Anreise zu aufwendig gewesen.

Einer der wichtigsten Menschen im Leben der Prinzessin war jedoch anwesend: Ihre Cousine Amelie von Werreshoven, die sie freundschaftlich drückte und deren sechsjährige Tochter Franziska sich in einem Traum von Pink auf sie stürzte und so fest umklammerte, dass Livia glaubte, ersticken zu müssen.

»Mensch, Franzi, gib mir ein wenig Luft zum Atmen und lass dich erst einmal anschauen«, keuchte die Prinzessin leise und löste sich sanft aus der Umarmung.

»Schau, Livi, Mama hat mir gestern Abend noch eine rosa Schleife auf den Rücken genäht. Ist die nicht toll!« Franzi drehte sich geschickt zur Seite.

»Deine Schleife ist wunderschön, und du siehst wirklich sehr süß aus in deinem Kleid. Wirst du es auch auf meiner Hochzeit tragen?«

»Ach, ich muss doch als Blumenmädchen wie alle anderen gekleidet sein«, seufzte die Kleine.

»Das hatte ich ganz vergessen. Aber sag, was hältst du davon, wenn wir gemeinsam das Kleid für die Blumenmädchen aussuchen?«

»Das ist eine tolle Idee!« Franziska fiel Livia begeistert um den Hals.

»Du musst versprechen, deine Fantasie zu zügeln!«, dämpfte Amelie von Werreshoven den Enthusiasmus ihrer Tochter. »Kein Glitter und Flimmer, das sage ich dir jetzt schon.«

»Ach, Mama, sei kein Spielverderber. Nur weil du Livias Hochzeitsplanerin bist, musst du nicht alles mitbestimmen. Die Kleider für die Blumenmädchen machen wir ganz allein, nicht wahr?« Franziska schaute Livia so flehend an, dass die Prinzessin lachen musste.

»Wir werden die Kleider so gestalten, dass beide Damen von Werreshoven zufrieden sein werden. Allerdings muss ich als Braut darauf bestehen, dass sie auch mir gefallen«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln und drückte Franziska einen Kuss auf die Wange. »Keine Sorge, wir werden etwas ganz Besonderes für dich finden, das verspreche ich dir!«

»Ich nehme dich beim Wort, Livi«, sagte die kleine Prinzessin von Werreshoven mit gespielt ernster Miene und stibitzte sich ganz nebenbei eins der köstlichen Canapés, die die Diener in Livree den Gästen auf großen Silberplatten reichten.

»Möchten Sie auch eins, Prinz Hendrik?« Franziska hielt Hendrik von Pluto, der sich zu ihnen gesellt hatte, ein mit Lachs und Ricottakäse gefülltes Blätterteigkörbchen entgegen.

»Nein, danke, Franzi. Aber zur Feier des Tages und weil wir bald miteinander eine Familie sein werden, können wir uns doch duzen. Was meinst du?«

»Gilt das auch für meine Mutter?«, fragte Franziska, ohne nachzudenken.

»Natürlich«, lachte Hendrik von Pluto. Dann wandte er sich galant Amelie von Werreshoven zu, nahm ihre Hand und küsste sie. »Wenn Sie es mir erlauben, Frau von Werreshoven?«

»Es wäre mir eine Freude«, sagte Amelie, heftig errötend, und hoffte, der Prinz würde es nicht bemerken. Ihr war es peinlich, dass sie sich in seiner Nähe wie ein verliebtes Schulmädchen verhielt und schalt sich, dass sie ihre Gefühle besser in den Griff bekommen müsse, denn schließlich war Livia ihre beste Freundin, und sie, Amelie, wollte auf keinen Fall deren Glück zerstören. Prinz Hendrik war nicht für sie bestimmt, das hatte sie akzeptiert. Sie musste nur noch lernen, es auch zu fühlen …

»Darf ich für einen Augenblick meine Verlobte entführen?«, riss Hendrik von Pluto sie aus ihren Gedanken.

»Natürlich dürfen Sie, ich meine, darfst du! Franzi und ich wollten uns sowieso die Bilder in der Orangerie etwas näher anschauen, nicht wahr?«, stammelte Amelie und zog die überraschte Franziska am Arm in Richtung eines riesigen Wandgemäldes mit dem Titel »Schaf im Wind«. Livia und Hendrik schauten Mutter und Tochter amüsiert nach.

»Deine Cousine hat das Herz auf dem rechten Fleck«, sagte der Prinz und legte seine Hand auf Livias Schulter. »Ich mag sie sehr gern.«

»Sie ist meine beste Freundin, der ich in allem vertrauen kann. Es war lieb von dir, ihr das Du anzubieten.«

»Nach einem Jahr war das längst überfällig«, sagte Hendrik. »Doch jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns zu unseren Plätzen an der Tafel begeben. Vater wird unruhig, weil er endlich seine Rede loswerden will. Du weißt, wie sehr ihn das Sprechen vor vielen Menschen immer nervös macht.«

»Aber dein Bruder ist noch nicht gekommen. Können wir ohne ihn denn anfangen?«, wandte Prinzessin Livia ein.

»Ich habe soeben eine Nachricht von David erhalten. Die Maschine aus Los Angeles ist pünktlich angekommen, aber er steckt mit unserem Chauffeur im Verkehr fest. Am Flughafen hat es bereits angefangen zu stürmen und zu schneien, die Straßen sind verstopft. Es kann noch eine Weile dauern, bis er hier ist.«

»Schade, dass er den offiziellen Teil der Verlobung nun nicht mitbekommen wird.«

»Das wird David nur recht sein, denn Förmlichkeit und Zeremoniell liegen ihm nicht so sehr.«

»Ist er denn wirklich so schlimm, wie dein Vater immer andeutet?«

»Am besten, du bildest dir deine eigene Meinung. Ich jedenfalls liebe meinen Bruder, auch wenn es nicht immer leicht mit ihm ist«, sagte Prinz Hendrik. »Aber nun lass uns zu meinem Vater gehen und ihn von seiner schweren Aufgabe erlösen.«

Fürst Friedrichs Rede fiel an diesem Sonntagmittag außergewöhnlich emotional aus, was für Livia eine große Überraschung war, denn bisher hatte sie ihren zukünftigen Schwiegervater lediglich als einen reservierten und beherrschten Mann kennengelernt. Prinz Hendrik hatte ihr erzählt, dass Friedrich von Pluto, bevor er das Erbe seines Vaters angetreten hatte, ein erfolgreicher Anwalt gewesen war. Seit dreißig Jahren aber verwaltete er nun Schloss Hohenstein mit den weiten Ländereien und allen Liegenschaften, die seit Jahrhunderten im Besitz der Familie waren, mit Umsicht und Sorgfalt. Fürst Friedrich liebte Hohenstein und wusste um die immense Verantwortung, die er für alle Menschen trug, die in seinen Diensten standen. Er war streng, aber gerecht, und wurde wegen seiner Geradlinigkeit und seiner großen Hilfsbereitschaft von allen, die mit ihm zu tun hatten, sehr geschätzt.

Seine größte Freude jedoch war, dass eines Tages sein ältester Sohn das Erbe übernehmen und in seinem Sinne weiterführen würde, und er war sich sicher, dass Prinz Hendrik Schloss Hohenstein niemals durch Leichtsinn und Habsucht in den Ruin treiben würde, wie es die Söhne einiger seiner Freunde durch dubiose Geschäfte bereits getan hatten. Nein, auf Hendrik konnte er sich absolut verlassen. Er war vernünftig, traditionsbewusst und fürsorglich. Mit ihm und seiner jungen Frau würde Hohenstein gedeihen.

»Aber lasst mich jetzt schließen, bevor ich noch gefühlsduselig werde.« Fürst Friedrich erhob das Glas. »Hendrik und Livia, ich wünsche euch beiden alles Gute für die gemeinsame Zukunft. Stoßen wir auf das junge Paar an!«

Es folgten zwei weitere kurze Ansprachen, eine hielt Hendriks Großvater mütterlicherseits, Fürst Roland von Seesen, ein rüstiger, gut aussehender und sympathischer alter Herr, und eine Hendrik selbst. Dann endlich begann das Mittagessen. Die Fürstin hatte gemeinsam mit Köchin Marie ein den winterlichen Temperaturen angepasstes, reichhaltiges Menü serviert, dann als Hauptgericht Hirschfilet mit Preiselbeersoße, und zum Dessert wurden dunkle Schokoküchlein mit Vanilleeis und heißen Kirschen gereicht.

Als auch der letzte Gast zufrieden den Silberlöffel auf seinem cremefarbenen Dessertteller abgelegt hatte, öffnete sich plötzlich eine der Flügeltüren, und ein junger Mann mit erhitztem Gesicht betrat mit forschen Schritten den Saal.

»David, endlich bist du da!« Prinz Hendrik eilte seinem Bruder erfreut entgegen.

»Entschuldige meine Verspätung, aber es war kaum ein Durchkommen. Der Schneesturm nimmt orkanartige Ausmaße an und wird bald auch Schloss Hohenstein erreichen.«

»Ja, das haben wir gehört. Butler Colin hat bereits alles Nötige veranlasst. Unsere Gäste übernachten sowieso auf dem Schloss, es ist alles unter Kontrolle«, erklärte Prinz Hendrik. »Aber jetzt lass dich erst einmal umarmen. Wir haben uns lange nicht gesehen.« Und im Schein des großen Kronleuchters und unter den Augen aller Anwesenden begrüßten sich die beiden Brüder herzlich.

Prinzessin Livia beobachtete sie aufmerksam und war gerührt zu sehen, wie sehr sie sich mochten. Gleichzeitig faszinierte es sie, das Prinz David, 25 Jahre alt, offensichtlich ganz anders aussah als sein um acht Jahre älterer Bruder. Er war ein wenig kleiner als Hendrik und wirkte selbst im klassischen schwarzen Anzug sportlich, lebendig und jugendlich. Seine wilden, lockigen dunkelbraunen Haare fielen ihm bis auf den Kragen seines weißen Hemdes und tief in die Stirn seines von der kalifornischen Sonne gebräunten Gesichts. Sein strahlendes Aussehen, seine ganze Haltung hatten etwas Unbändiges, Leidenschaftliches.

Und plötzlich, völlig unvorbereitet, überkam die Prinzessin der Wunsch, sie trüge statt ihrer edlen Kaschmirkombination, die Amelie mit ihr ausgewählt hatte, ein langes, weit schwingendes buntes Blumenkleid, in dem sie barfuß über die Schlosswiesen lief, die Kälte nicht spürend, und sie stellte sich vor, wie sie sich im Kreis um sich selbst drehte, wieder und wieder, bis sie schließlich erschöpft in die Arme von Prinz … Nein! Stopp! Unsinn!, riss sich Livia erschrocken aus ihrem Tagtraum heraus. Um sich abzulenken, ließ sie ihren Blick im Raum umherschweifen, der allerdings wieder wie magisch angezogen an David von Pluto hängen blieb.

»Du bist so schön wie eh und je, Mutter«, hörte sie ihn sagen, als er Fürstin Christiane zärtlich auf beide Wangen küsste.

»Und du bist immer noch derselbe Charmeur! Ich hoffe, du wirst dieses Mal etwas länger auf Schloss Hohenstein bleiben.« Fürstin Christiane strich ihrem Sohn lächelnd eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie liebte ihn aus tiefstem Herzen, es war unübersehbar.

»Mal schauen, wie es sich einrichten lässt«, wich Prinz David ihrem Wunsch lächelnd aus. Dann trat er auf seinen Vater zu, seine Miene nun ernster, sein Rücken gerader. Respektvoll reichte er Fürst Friedrich die Hand.

»Guten Abend, Vater. Colin hat mir von deiner Jahrhundertrede erzählt, die ich leider verpasst habe.«

»Sag nicht, dass es dir leidtut, David. Der Schneesturm war angekündigt, es gibt frühere Flieger aus Los Angeles, aber was predige ich. Du würdest selbst zu deiner eigenen Verlobung noch zu spät kommen.«

»Kommt ganz auf die Verlobte an«, entgegnete David leichthin, woraufhin Fürst Friedrich nur missbilligend schnaubte.

»Ach, apropos«, lenkte Hendrik schlichtend ein. »David, ich möchte dir gerne Livia von Amelungen vorstellen. Livia, das ist mein Bruder David von Pluto, von dem ich dir schon viel erzählt habe.«

»Hoffentlich nicht zu viel, denn sonst habe ich keine Chance mehr auf Wohlgefallen«, sagte David und wandte sich der Prinzessin zu, die ihm zurückhaltend die Hand reichte.

»Freut mich, Sie kennenzu…«, begann David, doch als er in Livias Gesicht sah, stockte er einen Moment und verbesserte sich sofort: »Ich meine, ›dich‹ kennenzulernen, liebe Schwägerin. Du siehst so jung aus, ich denke, wir können uns das Sie sparen.«