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Reisen sind für die meisten von uns etwas Besonderes und wenn eine Reise dazu noch zu einem unvergesslichen Erlebnis wird, etwas ganz Besonderes. Dieses Buch erzählt von einem Abenteuer, dass man selbst erleben muss und nie vergisst, denn es gibt wohl nur wenige Orte auf der Welt an denen Schönheit und Vergänglichkeit so eng miteinander verwoben sind, wie auf Kuba.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Frühling 2019
Tag 1
Tag 2
Tag 3
Tag 4
Tag 5
Tag 6
Tag 7
Tag 8
Tag 9
Tag 10
Tag 11
Tag 12
Tag 13
Tag 14
Tag 15
Tag 16
Tag 17
Tag 18
Tag 19
Tag 20
Tag 21
Es ist das Jahr 1 vor Corona. Das wissen wir zu dieser Zeit natürlich noch nicht. Wir können ohne Maske einkaufen gehen und in Europa ist es friedlich.
So gerne meine Frau und ich zuhause sind, so gerne sind wir auch auf Reisen. Meistens sind wir mit unserem Wohnmobil unterwegs, aber wir haben auch Ziele, für die wir das Flugzeug nehmen müssen. Oftmals hieß es früher: „Das machen wir, wenn wir in Rente sind“ und nun ist es soweit.
Eines der Länder auf unserer Liste mit Traumzielen ist Kuba. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich über Kuba nicht viel mehr weiß, als dass Fidel Castro dort ein strenges sozialistisches System aufgebaut hat, viele bunte Oldtimer auf den Straßen fahren und die Landschaft sehr schön sein soll.
Nach Fidel Castros Tod gab es immer wieder Berichte über den Wandel Kubas mit vorsichtiger Annäherung an den Westen und den drohenden Verlust der Ursprünglichkeit. Deshalb wollten wir die Reise nun nicht mehr lange aufschieben. Seit Monaten beschäftigt mich also die Frage nach der besten Reisezeit und Veranstaltern, die uns ein passendes Programm anbieten können.
Zwei Wochen Strandhotel mit Saufen und Sonnenbaden kommen für uns nicht in Frage. Eben so wenig eine Tour im Reisebus, der mit 50 Leuten in 14 Tagen über die Insel hetzt. Wir wollen schließlich etwas über Land und Leute erfahren und die wunderbare Natur genießen. Also eine individuelle Reise im Mietwagen?
Wir trauen uns nicht, denn wir haben schon so eine Ahnung, dass uns dort eine völlig andere Welt erwartet, als wir sie gewohnt sind und richten uns auf ein spannendes Abenteuer ein.
Wir entscheiden uns für eine Kleingruppenreise, die uns mit deutschsprachiger Reiseleitung in drei Wochen einmal um die ganze Insel führt und eine ausgewogene Mischung aus Kultur und Natur verspricht. Unsere Erwartungen sind hoch und wir sind sehr gespannt auf das fremde Land mit seiner kolonialen Geschichte.
Holguin
Voller Vorfreude sitzen wir im Flugzeug, gemeinsam mit einem Freundespaar, das wir ebenfalls von Kuba begeistern konnten.
Fünfzehn Stunden und 8500 km später landen wir in Holguin, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Osten Kubas. Hier lernen wir unsere Mitreisenden und unseren Reiseleiter Alexander kennen. Außer uns Vieren steigen nur noch drei andere Teilnehmer in den Kleinbus, der uns nach Gibara in unser erstes Übernachtungshotel bringen soll.
Alexander stellt sich in sehr gutem Deutsch als echter Kubaner vor. Er erzählt uns, dass er sich die Sprache selbst beigebracht hat, als er vor ein paar Jahren erstmals eine deutsche Reisegruppe begleiten sollte. Wir wundern uns über seinen deutschen Namen und erfahren, dass Kuba mit dem sozialistischen Teil Deutschlands sehr enge Verbindungen pflegte und viele Kubaner ihren Kindern deutsche Namen gaben.
Leider hat sich für die Kubaner nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Wiedervereinigung Deutschlands 1989 vieles zum Schlechteren verändert. Der Handel mit den sozialistischen Bruderländern kam fast zum Erliegen. Neben Produkten des täglichen Bedarfs kamen nun auch keine Ersatzteile für landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren mehr ins Land und es bestätigt sich gleich auf der ersten Fahrt, dass wir in einer anderen Welt gelandet sind.
Auf den Feldern arbeiten die Bauern mit Ochsen- oder Pferdegespannen und auch im öffentlichen Nahverkehr kommen meist Pferdewagen zum Einsatz. Autos, die bei uns schon längst die Zulassung verloren hätten, bewegen sich auf den Straßen in einem gelassenen Durcheinander mit vielen Motorrädern, Fuhrwerken, Radfahrern und Fußgängern. Wir sind schon jetzt froh, hier nicht selbst fahren zu müssen. In dem kleinen, bequemen und klimatisierten Bus fühlen wir uns in all dem Trubel wie in einer Kapsel aus einer anderen Zeit. Alex und die Reisegefährten sind nett und wir fühlen uns von Anfang an gut betreut. Das Abenteuer hat begonnen.
Obwohl inzwischen schon nach 10 Uhr abends, begrüßen uns unsere Gastgeber im Hotel Arsenita in Gibara sehr herzlich mit einem köstlichen Abendessen. Todmüde nach der langen Anreise genießen wir ihre Gastfreundschaft und fallen danach in einen erholsamen Schlaf. Morgen werden wir unsere Rundreise beginnen.
Gibara
Nach einem schönen Frühstück mit Brötchen, Wurst, Käse, bunten Früchten, frisch gepresstem Saft und Kaffee wartet unser Tourbus am Morgen schon vor dem Hotel. Doch bevor wir einsteigen, gehen wir erst noch eine Runde zu Fuß durch unseren kolonialen Übernachtungsort.
„Meine lieben Freunde: Elefantenohren!“ So beginnt Alexander seine Erklärungen, wenn er unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken möchte. „Ich bin euer Reiseleiter Alex. Ich liebe mein Land und ich erkläre euch alles über Kuba.
Kuba hat 11 Millionen Einwohner. 1817 gilt als das Gründungsjahr von Gibara. Zu der Zeit wurde hier eine Festung gebaut. In der Kolonialzeit hatte Gibaras Hafen eine wichtige Rolle für den Zuckerexport. Die Stadt entwickele sich zu einer wohlhabenden Metropole. Auch heute könnt ihr noch zahlreiche Spuren dieser Glanzzeit entdecken.“
Auf den Straßen herrscht reges Treiben. Vieles kommt uns vertraut und gleichzeitig fremd vor. Die Menschen kleiden sich wie wir, telefonieren mit ihrem Handy wie wir und arrangieren sich andererseits mit dem, was ihnen aus einer längst vergangenen Zeit geblieben ist. Das Motto scheint zu sein: Jammer nicht, sondern mach etwas aus dem, was du hast.
Durch ein geöffnetes Fenster schauen wir in eine große Werkstatt, in der Männer und Frauen an langen Tischen sitzen und Zigarren wickeln. Der Chef der Manufaktur begrüßt Alex wie einen Freund und wir bekommen eine Zigarre geschenkt.
Vorbei an kleinen verblichenen Häusern, von üppigem tropischen Grün umsäumt, wandern wir hinauf zum Aussichtspunkt mit dem weiten Blick über die Stadt und die Bucht, in der schon Kolumbus mit seinen Schiffen ankerte und hier als erster Europäer den Gebrauch von Tabak kennenlernte.
An vielen Stellen erkennen wir an den bröckelnden Fassaden tatsächlich noch den alten Glanz, den Gibara als Handelsmetropole einmal ausstrahlte.
Zu der Zeit, in der wir auf Kuba sind, gibt es zwei gültige Währungen. Der kubanische Peso (CUP) ist kaum etwas Wert. Der kompatible Peso (CUC) ist an den Dollar gekoppelt. Wir sollen mit CUC bezahlen und können im Hotel einige Euroscheine umtauschen. Mit CUP bezahlen nur Kubaner.
Alex erzählt, dass alle ihr Gehalt vom Staat bekommen. Jeder erhält 300 CUP im Monat, egal in welchem Beruf. Das entspricht etwa 35 Euro. Einzige Ausnahme sind Polizisten, sie bekommen 500 CUP.
„Steuern bezahlen wir nicht, Schule und Gesundheitsversorgung sind kostenlos, aber ich kann von meinem Gehalt nicht einmal ein paar Schuhe bezahlen. Niemand kann davon leben. Also müssen wir organisieren.
Jeder auf Kuba hat einen Nebenjob: Lehrer unterrichten privat, Ärzte fahren Taxi, Handwerker arbeiten bei den Nachbarn und Maurer organisieren Material von staatlichen Baustellen. Die Bauern müssen 90% ihrer Ernte an den Staat abgeben. Dafür bekommen sie den Einheitslohn. Den Rest dürfen sie für sich nutzen.
Das Leben ist nicht so einfach. Vamos!“
Gerade den Alten fällt es oft schwer unter diesen Umständen zurecht zu kommen. Wobei die Bedingungen auf dem Land besser zu sein scheinen, als in den großen Städten, wie wir in Havanna noch eindrucksvoll erfahren werden.
„Und was macht ein Reiseleiter nebenbei?“, fragen wir. „Nun, es ist kein Geheimnis, dass Reiseleiter Trinkgeld bekommen“, erklärt Alex mit einem Augenzwinkern. Wir merken jedoch schnell, dass es noch mehr Möglichkeiten für Reiseleiter gibt, etwas zu organisieren. Doch wir gönnen es ihm, denn er kümmert sich rührend um unser Wohlergehen und wir haben nie das Gefühl, von ihm übervorteilt zu werden.
An einigen Häusern entdecken wir Schilder mit merkwürdigen blauen oder roten Zeichen.
„Meine lieben Freunde: Elefantenohren!
Wohnungen vermieten ist verboten. Aber seit 2011 sind Privatunterkünfte erlaubt. Blauer Anker an der Tür bedeutet Zimmer für Touristen zwischen 35 und 75 CUC je Nacht. Roter Anker bedeutet, Zimmer kostet 5 CUC für 3 Stunden. Aber nicht, was ihr jetzt denkt!
Wir leben meistens mit der ganzen Familie zusammen in zwei Zimmern. Ich habe Frau und kleine Tochter, aber bei mir zu Hause sind wir sieben Personen. Privatsphäre ist nicht möglich. Den blauen Anker kann sich kein Kubaner leisten. Deshalb rote Anker – sind ständig ausgebucht.
Das Leben ist nicht so einfach. Vamos!“
Nach dem Rundgang durch Gibara fahren wir auf einer Fünf-Sterne-Straße zur Rancho El Guayabo. Alex meint, diese Straße sei sehr gut ausgebaut und wir würden auch noch Ein-Sterne-Straßen kennen lernen. Uns erscheint die Fahrbahn jedoch eher wie ein breiter asphaltierter Feldweg, der sich durch die Landschaft schlängelt. Aber uns fällt auch auf, dass alles sehr sauber ist und nirgendwo Müll herumliegt.
Die Ranch befindet sich in den Bergen inmitten eines Urwaldes voller Baumfarne und farbenfroher Orchideen. Eine Gruppe von Häusern aus massiven Stämmen liegt verstreut zwischen den Bäumen an einem Hang. Die Dächer sind mit grauen Wellblechplatten gedeckt.
Hier beginnt die erste Wanderung unserer Reise. Ein Spaziergang wird das sicher nicht. An dem steilen Abhang windet sich ein schmaler Pfad über das Wurzelgeflecht fremdartiger Pflanzen zu einem Wasserfall. Gut, dass wir unsere festen Wanderschuhe angezogen haben.