Dubai - Sydney - Singapur und so weiter - Hans-Ulrich Lüdemann - E-Book

Dubai - Sydney - Singapur und so weiter E-Book

Hans-Ulrich Lüdemann

4,8

Beschreibung

Diese vierte und letzte der Happy-Rolliday-Reisen des seit 1977 nach einem Armee-Unfall hochgradig querschnittsgelähmten Autors, der sich trotzdem die Welt ansehen will, beginnt mit einem Irrtum – bei deren Planung: Die angenehme Atmosphäre in Rheinsberg war schuld, dass wir trotz alledem übers Reisen parlierten und irgendwie einigten wir uns endgültig auf Florida zum Jahresende 2002, um dann darüber hinaus eine Reise nach Sydney in Erwägung zu ziehen. Ich war fix dabei, einen Termin anzuberaumen: Sommer sollte sein - in den südlichen Breiten unserer Erdkugel erstreckt er sich von Oktober bis März. Und hier unterlief mir nun jene kolossale Fehlrechnung: In meiner Erinnerung hatten die Wetterstrategen für Olympia 2000 in Sydney unseren Winter ausgesucht wegen der stabilen Witterung. Von wegen! Die Olympischen Spiele fanden statt im australischen Frühjahr, also die Zeit ab September bis Oktober. Wer sollte sie diesmal begleiten? Für den Flug nach Australien einigte man sich auf Lutz - ein Mauer-Jahrgang und Cousin von Lüdemanns Frau Dörte. Und erneut liefen die obligatorischen Reisevorbereitungen für eine physically handicapped person an. Zu den akribischen Vorbereitungen der inzwischen geübten Weltreisenden gehörte es auch, sich schriftlich für die Zielorte eventuell nützliche Angaben zusammenstellen und alle wichtigen Papiere eines jeden zu kopieren. Und dann ging es einen Tag nach dem Valentinstag wieder via Tegel in die weite Ferne, um zunächst nach Dubai zu gelangen. Von dort aus führte die Reise über einen Zwischenstopp in Singapur nach Australien, wo sie in Sydney eine Traumlandung erleben: Sonnenaufgänge werden in der Regel in den Bergen und an der See ausführlich beschrieben. Aber wir erlebten an Bord unseres Fliegers, wie die feuerrote Scheibe linkerhand wie aus dem Nichts emporstieg. Mit dem Tagesanfang hörte auch das Unwetter auf. Waren die Geister der Aborigines es zufrieden, dass sie uns mit ihren Blitzen und dem vielen Regen einen gehörigen Schrecken eingejagt hatten? Der Rest des Fluges verging schnell. Im Gegensatz zu Dubai war es taghell, als der Airbus über Sydney einschwebte. Ich sah breite Wasserläufe, die die Hauptstadt von New South Wales wie Meeresarme durchzogen. Eigentlich kein Grund zur Verwunderung, liegt die Millionenmetropole doch am Stillen Ozean. Die EMIRATES landete problemlos. Die Olympischen Sommerspiele hat Lüdemann dann doch noch erlebt – allerdings wie mehr als 3,5 Milliarden Menschen am Fernsehbildschirm.

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Impressum

Hans-Ulrich Luedemann

Dubai – Sydney – Singapur und so weiter

Happy Rolliday IV

ISBN 978-3-86394-880-1 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 2005 im BS-Verlag Rostock.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2012 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

DER TOURI

Ein Mensch beschloss, Tourist zu werden - zog jährlich in die Welt hinaus, zu schaun, wie schön die Welt auf Erden und kam begeistert stets nach Haus. Daheim dann schöpft er aus dem Vollen für alle, die ihn hören wollen: Ich sah den Eiffelturm am Ganges, den Fudschijama überm Nil. Ein Wunder wars, doch mir gelang es: Ich war im Petersdom in Kiel. Ich stand am Nordkap, kurz vor Rom, und filmte Kängurus im Eis, In Oslo stand mein Kölner Dom und in der Arktis wurd mir heiß. Ich war, was keinem sonst gelang, beim Weißen - Kreml - Haus - Empfang! - Der Höhepunkt jedoch war unbestritten, als ich mit meiner angetrauten Lisa den Turm bestieg auf der Akropolis zu Pisa und dann entschwand, wie einst im Walbauch Jonas im Schlund der U-Bahn unterm Amazonas ...

1997 Jorg Schröder

Jorg Schröder, geb. 1936, Prof. für Slawistik, verfasste Lyrik. Bekannt sind seine Sportgedichte. TOURI ist abgedruckt im Im Gepäck die Greifenfeder - Reisegeschichten, verlag buch.macher

Zum Reisen gehört Geduld,

Mut, guter Humor, Vergessenheit aller häuslichen Sorgen und dass man sich durch kleine widrige Zufälle, Schwierigkeiten, böses Wetter, schlechte Kost und dergleichen nicht niederschlagen lasse.

FREIHERR VON KNIGGE

(lebte von 1752 bis 1796. Sein Name bleibt überliefert durch das Benimmbuch Der Knigge. Verdankte es Goethe, dass er 1777 am Weimaraner Hofe eine Anstellung als Kammerherr erhielt. Wenig bekannt ist seine Reformation des Illuminatenordens - ein 1776 gegründeter Geheimbund. Das Licht der wahren Vernunft sollte die Ziele der Aufklärung vorantreiben. Goethe und Herder waren Mitglieder. Straff organisierter Verein mit Tarnnamen und verdeckten Treffs. Später zum Ausspionieren familiärer Verhältnisse der mehr als 2 500 Mitglieder missbraucht. Der bayerische Kurfürst Karl Theodor verbot den Orden 1785, weil dessen Mitglieder im Verdacht standen, in seiner Kanzlei außenpolitisch wichtige Papiere entwendet zu haben. Es wurde damals kolportiert, dass sie etwas mit dem Ausbruch der Französischen Revolution zu tun gehabt haben sollen.)

Auf seine Art ist der Lyriker Jorg Schröder mit der bedrückenden Vision vom reisewütigen Zeitgenossen auch eine Art Knigge. Ein Mahner des guten Benehmens für Touristen der Neuzeit. Ich hoffe, dass ich mit meinen bisherigen drei Reise-Essays nicht dem Bilde eines so genannten Touri - wie ich meine, ein negativ besetztes Wort - entspreche. Doch nun zum Original, dessen Zitat als Wort zum Tage gewählt worden ist: Was Adolph Franz Friedrich Freiherr von Knigge 1788 in seiner zweibändigen Gesellschaftslehre Über den Umgang mit Menschen unabsichtlich vergessen hatte, das ist der Irrtum. Ihm war es wohl nicht in den Sinn gekommen, dass einer seine Reise auch irrtümlich planen kann. Quasi den Termin verwechselt. Ich vermag mich noch gut an den Ausgangspunkt erinnern: Mein 25-jähriges Überleben nach einem schweren Unfall hatten wir eigentlich frohgemut an Floridas Gestaden begehen wollen, aber wegen des Attentats am 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center verschoben wir diese Reise um ein Jahr, da niemand voraussagen konnte, mit welchen Zwangsmaßnahmen die U.S.A. darauf reagieren würden. So kam es, dass meine Frau und ich am 22. Januar 2002 im vortrefflichen Rheinsberger Donnersmarck-Hotel den Entschluss fassten, nach mehreren Fahrten in die U.S.A. (San Francisco and so on ist 2003 im Verlag Ulmer Manuskripte erschienen und als E-Book bei EDITION digital) und nach Südafrika (KAPSTADT und so weiter ist 2004 im Verlag Ulmer Manuskripte erschienen und als E-Book bei EDITION digital) die weiteste Tour - sprich Australien - zu wagen. Nicht, dass wir fast 60-Jährigen etwa Schisshasen wären, aber wenn der Ehemann als Tetraplegiker (Tetraplegiker sind ab den Halswirbeln gelähmt - Paraplegiker ab den Brustwirbeln) seit 25 Jahren in den Rollstuhl gezwungen lebt, dann gestaltet sich ein derartiges Unternehmen trotz aller Erfahrungen doch etwas anders als üblich.

Apropos Donnersmarck-Hotel. Das lobenswerte, weil barrierefreie Haus für Behinderte war gerade eröffnet worden. Nichtsdestoweniger wollte ich das erste Mal nach meinem unverschuldeten Verkehrsunfall einige Schwimmversuche wagen. In der Werbung hatte ich die kleine Schwimmhalle gesehen, vor allem jenen Mini-Kran, der mich aus dem Rollstuhl heben und ins Wasser absenken konnte. Es klappte leider nicht - das Schwimmbecken wurde während unseres kurzen Aufenthaltes technisch überholt. Soll heißen - es befand sich kein Wasser in der gesamten Anlage. Kulanterweise trug das Hotelmanagement unserer Enttäuschung Rechnung, indem ein Preisnachlass gewährt wurde. Für Interessenten - egal wie vielköpfig die Gastfamilie anreist - mindestens einer muss dabei sein, dessen Behinderungsgrad von Amts wegen auf über 50 Prozent anerkannt ist. Also Rheinsberg gegen die sonnenüberfluteten Strände am Golf von Mexiko - uns nicht sehr wohlgesonnene Menschen (wir kennen aber zurzeit keinen!) würden einen dämlichen Spruch parat haben: Die Lüdemann’s wollten wie Tiger abspringen und sind als Bettvorleger gelandet ...

Aber zurück zum Irrtum. Die angenehme Atmosphäre in Rheinsberg war schuld, dass wir trotz alledem übers Reisen parlierten und irgendwie einigten wir uns endgültig auf Florida zum Jahresende 2002, um dann darüber hinaus eine Reise nach Sydney in Erwägung zu ziehen. Ich war fix dabei, einen Termin anzuberaumen: Sommer sollte sein - in den südlichen Breiten unserer Erdkugel erstreckt er sich von Oktober bis März. Und hier unterlief mir nun jene kolossale Fehlrechnung: In meiner Erinnerung hatten die Wetterstrategen für Olympia 2000 in Sydney unseren Winter ausgesucht wegen der stabilen Witterung. Von wegen! Die Olympischen Spiele fanden statt im australischen Frühjahr, also die Zeit ab September bis Oktober. Und keiner war da, der mir widersprach beziehungsweise ich erläuterte auch nicht weiter, warum ich ausgerechnet einen Termin vom 15. Februar bis zum 6. März angesetzt hatte. Groten Schiet, sagt der Fischkopp. Zu dieser auserwählten Bevölkerungsgruppe darf sich zählen, wer beispielsweise wie ich im vorpommerschen Greifswald oder ähnlich dichtbei der Küste geboren wurde.

Mein Irrtum zog leider weitere Kreise, weil wir auf unseren Reisen, außer 1993 nach San Francisco, stets jemanden aus der Familie eingeladen hatten. Als einzige Gegenleistung wurde erwartet, uns unterwegs Schutz und Trutz angedeihen zu lassen. So klappte es mit dem zweitältesten Sohn Jan auf Zypern und 1997 in Kanada beziehungsweise auf der Autotour durch die Neuenglandstaaten Vermont, New Hampshire und Maine zum Freund und Kollegen Otto Emersleben. Der jüngste Sohn begleitete uns 2001 nach Südafrika und seine FrauFreundin Kerstin war 2002 in Fort Myers, Florida, eine großartige Stütze. Jetzt also Sydney (internationale Airport-Legende SYD) in down under mit Stopover in Dubai (internationale Airport-Legende DXB) und Singapur (internationale Airport-Legende SIN). Und wir einigten uns in Rheinsberg auf Lutz - ein Mauer-Jahrgang und Cousin meiner Frau. Wir waren mit ihm und seinen Eltern etwa zwei Dutzend Male an Dänemarks Gestaden im Urlaub gewesen - er zeigte stets viel Verständnis für unsere besondere Situation. Möglicherweise würde ihn eine derartige Fernreise wieder etwas stabilisieren. Der Junge hatte nämlich zu dieser Zeit eine Menge am Hacken mit Arbeitslosigkeit, gesundheitlichen Problemen und verschiedenen Freundinnen. Nicht dass jemand das vorletzte Wort falsch interpretiert: Keine der Damen war verstorben - es gab manchmal Probleme mit ihnen.

Diplomatisch erkundigtenwir uns zuerst bei den Eltern. Onkel Horst und Tante Margot hatten gegen unseren Plan nichts einzuwenden, so dass wir eine passende Gelegenheit wahrnahmen, um ihm unser Angebot zu unterbreiten. Ich denke, meine Erinnerung trügt mich nicht: Lutz geriet kurzzeitig etwas aus dem Häuschen - der 41-Jährige herzte uns, dass es so eine Art hatte. Unser Hinweis auf den Linksverkehr in Australien beeindruckte ihn kaum - so reagiert eben die reifere Jugend auf Probleme, die beispielsweise für mein Weib welche sind. Alle notwendigen Abreden wurden getroffen. Arbeitsamt, Umschulung und Praktikum seien keine Hindernisse, hieß es. Und so löste ich den Torpedo aus, soll heißen, das immer aufs Neue bewährte Altglienicker reisebüro dietrich ging für uns in die Spur: Flugkarten und Hotels in Dubai (Schreibweise auch Dubayy) und Singapur, die ich ausgesucht hatte, mussten gebucht werden. Seit San Francisco wissen wir, dass bei der betreffenden Airline und den Flughäfen für mich eine Anmeldung vorliegen musste. Gemeinsam mit Wolfgang Dietrich fertigten wir das entsprechende Formular für eine physically handicapped person aus, das meine jeweilige Ankunft signalisierte und den Grad der Hilfeleistung vom Airport festschrieb. Da ging es um Höhe, Breite und Gewicht meines Rollstuhls. Eine Unterkunft in Sydney wollte ich per Internet selbst suchen. Mir lag nichts an einer weltläufigen supermodernen Touristenburg - ich mochte eher ganz nah dran sein an den Sydneysider (so bezeichnen sich die Einwohner der australischen Metropole). Die Lösung dafür lautete für uns Bed & Breakfast. Dass beide Arten der Übernachtung sich auch im Preis gewaltig unterschieden, das soll nicht unerwähnt bleiben ...

Heute weiß ich nicht mehr genau, wann mir die Erleuchtung kam, dass die 27. Olympischen Sommerspiele in Sydney vom Freitag, dem 7. September bis zum 1. Oktober stattfanden! Und zugleich fiel mir ein, dass wir ab dem 16. September 2000 im Urlaub auf der dänischen Fasanen-Insel Langeland gewesen waren und etliche Wettbewerbe auf der Mattscheibe verfolgt hatten. Die australischen Wetterfrösche unterlagen keinem Irrtum - das Sonnenwetter war wie die Stimmung der 4 Millionen Einwohner Sydney’s samt ihrer weltweit angereisten Gäste bombig! Lufttemperatur um die 34 Grad Celsius; außer einem Sturm über dem Penrith-See, der die Austragung aller Kanu-Wettbewerbe kurzzeitig gefährdete, gab es kein nennenswertes Malheur. Umso mehr hatte ich uns und die mit uns verbandelten Institutionen in eine arge Kalamität manövriert. Jetzt noch etwas zu ändern, hieße, Lutzens beziehungsweise die Termine seiner Umschulung vom Arbeitsamt durcheinander zu bringen und dem reisebüro dietrich wegen der Tickets und australischen Touristen-Visa etliche Probleme aufzubürden. Es gab für mich nur die Alternative: meinen Denkfehler zu kaschieren. Also das Beste draus zu machen. Wie hieß es doch u. a. bei Knigge: Zum Reisen gehört Geduld, Mut, guter Humor. Oder anders gesagt: Augen zu und durch. Durchhalten war ohnehin angesagt. Schließlich würden zwischen dem Aufenthalt in Florida und unserer Tour zu den Aussies nicht einmal vier Monate liegen!

Und nun ist es soweit. Salopp gesprochen: Wir stehen auf der Matte - die Tour ans andere Ende der Welt kann beginnen. Erst wenn das vierte Unternehmen dieser Art erfolgreich absolviert und ein Reise-Essay DUBAI · SYDNEY · SINGAPUR und so weiter entstanden ist, dann mag es heißen farewell, rolli & co. Also - es war nichts mit Leb wohl, Rolli & Co nach dem dritten Reise-Essay. Zwischen unserer Florida-Reise 2002 und dieser Australien-Reise 2003 - musste ich aber erst mein Manuskript zu unserem Aufenthalt 2001 in Somerset West bei Kapstadt fertigstellen, damit es noch im gleichen Jahr erscheinen konnte. Was es übrigens in der DDR wegen der allumfassenden Zensur und dem permanenten Papiermangel nicht gab, das war die Möglichkeit, mittels Druckkostenzuschuss (Die jeweilige Höhe bewegt sich in einer Grauzone. Nach meiner Recherche beginnt es mit vertretbaren € 155 für ein Taschenbuch, rückzahlbar, wenn der Verlag in zwei Jahren 300 Exemplare verkaufen kann. Die obere Grenze lag einst je nach Umfang und Nebenleistungen in Bereichen von 10.000 DM bis 20.000 DM. Dank des eher dilettantisch agierenden BRD-Finanzministers gab es wohl auch in diesem Metier eine 100-prozentige Inflation, also die bekannte Umstellung DM in EURO. Bekannte Verlagsnamen sind u. a. Frieling, nora oder Fouquet. Angaben ohne Gewähr) ein Buch drucken zu lassen. Geschieht dieses ohne jedwedes Lektorat, dann muss sich ein Autor in seinem Metier schon sehr sicher fühlen. Außerdem gibt es in der Regel bei derartigen Verlagen keine Werbung für sein Buch. Früher konnte der Schriftsteller, wenn er ehrlich zu sich selbst war, seinem Lektor durchaus ein Viertel Anteil am Gelingen des Textes zuschreiben. Ich hatte das Glück, trotz guter Lektorinnen wie Hilga Cwojdrak oder Gisela Gnausch bei meinen bisherigen 23 Büchern mit Auflagen in annähernd einer Million Exemplaren weitgehend ohne jene Unterstützung auszukommen. Bei manchen Kollegen, vornehmlich bei den älteren, gelten heutzutage Veröffentlichungen mit Druckkostenzuschuss als anrüchig. Ob sie ihre Mitbewerber vor unlauteren Verlagen schützen wollen - soviel Nächstenliebe in diesem knallharten Metier vermag ich nicht zu glauben. An anderer Stelle etwas mehr darüber. In der DDR gab es im Grunde genommen nur eine ideologische Zensur - in der BRD gibt es eine ebenso gnadenlose des Marktes.

Ab dem Frühjahr 2002 lief bei uns in punkto Reisen alles zweigleisig: Mit der deutschen Besitzerin Gabi Linning schlossen wir einen Vertrag ab für die Nutzung ihrer Villa Twin Palms in Fort Myers, Florida; die Flugtickets und den Automietvertrag bei Alamo besorgte das Reisebüro Dietrich. Letzteres oblag ihm auch für Dubai und Sydney. Wie bereits erwähnt - die von mir aus den entsprechenden Reisebüro-Katalogen benannten Hotels wurden ebenfalls von Wolfgang Dietrich gebucht. Als das in Papier und Tüten war, überraschte Lutz uns mit der Bitte, ob er seine neue Freundin mitnehmen dürfe. Befiel ihn nun Fracksausen wegen der eigenen Courage, uns alten Zausels bis ans andere Ende der Welt zu begleiten? Wir hatten nichts gegen das laut Foto ansehnliche Fräulein. Oder war es bereits deren Nachfolgerin? Kurzum - wir redeten nicht über die zusätzlich anfallenden Kosten, wohl aber darüber, dass die Zimmer in Dubai als auch in Singapur bereits mit einer Aufbettung ausgereizt waren. An dieser Stelle greife ich etwas vor: Trotz eines mit Liebe ausgesuchten knuddligen Koalas (australisches Beuteltier) plus niedlichem Nachwuchs aus naturfarbenem Plüsch brach auch diese Beziehung kurz nach unserer Rückkehr auseinander. Und wieder einmal sollte sich meine Lebensregel bei Misshelligkeiten auch für Lutzens Zukunft bewahrheiten: Wer weiß, wozu das gut ist - heute hat Lutz eine patente Frau und einen gesunden Stammhalter; als Ur-ur-ur-Nachkömmling von Hugenotten hört dieser auf den viel versprechenden Namen Jean Pierre. Oder auch nicht, wie sich später – möglicherweise - herausstellen wird. Nach dem Motto: Der Junge hört gut, aber er gehorcht nicht ...

Eine Unterkunft in down under zu finden, das erledigte ich mit e-mails. Um es vorweg zu nehmen - die Sache ließ sich schlecht an. Das gleiche wie beispielsweise in Key West, als wir wegen der unüberwindlichen Treppen nicht im gediegenen Authors House unterkommen konnten. Auf unseren in Englisch abgefassten Wunsch nach einer Beherbergung für drei Personen erhielten wir prompt einige e-mails: Lane Cove’s Jacaranda House (pro Tag 125 AUD) (aktueller Tageskurs war grob gerechnet 1,7 Australische Dollar für 1 EURO), Bondi Beach Homestay (pro Tag 130 AUD), Bay Cottage on Iron Cove (pro Tag 120 AUD), Bellevue Terrace (pro Tag 90 AUD), Blue Waters Penthouse-Apartment (pro Tag 185 AUD) und Lane Cove Bed & Breakfast (pro Tag 130 AUD), dessen Inhaber auf den in Deutschland nicht ungewöhnlichen Namen Rosenthal hörte - alle besaßen für mich mehr oder weniger unüberwindbare Aufgänge! Christine und Terry Fitzgerald vom Lane Cove B & B ließen es nicht bei einer Absage bewenden - von ihnen kam der Tipp aufs Carmel’s at Hunters Hill (pro Tag 130 AUD - bei 7 Übernachtungen gab es 10% Rabatt). Ich informierte mich auf deren website http://www.carmels.com.au über weitere Details: Die Homepage war professionell eingerichtet und laut Copyright der Firma webexpress auf dem neuesten Stand. Das erste Bild zeigte ein älteres Paar am Kaffeetisch, das zweite den Ehemann inmitten einer herrlich blühenden Blumenrabatte. Das Ganze hatte etwas Anheimelndes. Es folgten Aufnahmen aus dem Inneren des Hauses wie Speise- und Schlafzimmer. Für uns gab es deren zwei: Queen Room bedeutete, dass sich hier ein breites Ehebett befand - Twin Room war ausgestattet mit zwei gleichen Betten, die durch einen Gang getrennt waren. Bei den Abbildungen fanden sich Aufzählungen, die Accessoires betreffend. Dazu zählten Klimaanlage, Föhn, Fernseher oder ein Extra-Bad.

Die gesamte Einrichtung sah geschmackvoll aus. Es existierte noch eine Seite für die so genannten Aktivitäten mit Hinweisen auf den jeweils zu erbringenden Zeitaufwand. Hinweise auf die langjährige Tradition von Carmel’s Bed & Breakfast fehlten ebenfalls nicht. Dörte und mich beeindruckte die beschriebene Nähe zu einer Fährstation mit dem Hinweis, dass es ein Leichtes sei, direkt beim weltberühmten Opernhaus im Hafen anzukommen. Sydney selbst lag etwa neun Kilometer entfernt, was im Großraum einer Millionenstadt so gut wie keine Entfernung bedeutet. Wir sind mindestens die doppelte Distanz unterwegs, wollen wir das Zentrum Berlins erreichen. Deswegen haben wir aber nicht das Gefühl, j.w.d. zu wohnen, wie der Berliner janz weit draußen umschreibt. Last but not least - in Sydney wartete auf uns ein Mietwagen. Genauer gesagt - wegen des Linksverkehrs war ausschließlich Lutz als Fahrer vergattert worden ...

Schließlich erfuhr ich noch ganz nebenbei, dass Carmel Ascough’s Ehemann Graham sich bereits vor seinem Oh Happy, Happy Days! New Rules of Retirement (etwa Glückliche Tage! Neue Regeln für ein erfülltes Rentnerleben) als Reiseschriftsteller einen Namen gemacht hatte. Quasi ein Kollege. Irgendwie fasste ich Zutrauen. Einmal mehr, als ich las, dass beide von der Touristenvereinigung Bed & Breakfast Council of NSW mit einem Ersten Preis als beste B & B (Sydney’s Best B & B’s & 4 Star AAAT Rating) ausgezeichnet worden waren. Ganz ohne Probleme ging es auch hier nicht ab: Um ins Haus zu gelangen, war eine Stufe zu überwinden. Drei trennten die Schlafräume vom übrigen tiefer liegenden Wohnbereich. Alle Türen besaßen das Standardmaß von achtzig Zentimetern. Ein zarter, aber nichtsdestoweniger ernst gemeinter Hinweis lautete, dass Rauchen allein im Garten erlaubt sei. Die Bedeutung dessen vermag nur ein starker Raucher wie Lutz zu ermessen. Dörtes beinahe rituelle Zigarette nach den Mahlzeiten schmeckte sicherlich auf einer Gartenbank im Sonnenschein ebenso gut. Wenn in diesem Falle von schmecken überhaupt die Rede sein dürfte. Und dem krebserregenden Nikotin dürfte es piepegal sein, ob es im Haus oder im Freien in den Körper gelangte ...

Alles in allem - ohne Risiko bleibt auf solchen Fernreisen nichts - bei der Familie Ascough gab es also kein Vertun und so schickte ich unseren Buchungswunsch per e-mail an [email protected]. Eine positive Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Das ältere Ehepaar wurde bereits aus der Ferne immer sympathischer. Wir übermittelten noch die Nummern unserer Kreditkarten - die künftigen Gastgeber wollten ein übliches Deposit (englisch für Anzahlung, Kaution) für zwei Nächte abbuchen, was sie dann doch unterließen. Möglicherweise hatten sie zu uns Vertrauen gefasst wie wir auch zu ihnen. An der guten Meinung aller hat sich übrigens bis heute nichts geändert. Seit unserem Kennlernen stehen wir in Verbindung, was ja durch die modernen Kommunikationsmittel kein Problem darstellt. So werden auch Fotos im Attachment ausgetauscht ...

Nach diesem wichtigen Vorspiel kümmerten wir uns wieder um das Nächstliegende: Der Florida-Aufenthalt mit Kerstin in Fort Myers am Golf von Mexiko. Die ereignisreichen zwei Wochen habe ich mittlerweile auf 238 Seiten in einem dritten Reise-Essay zusammengefasst. Wenn ich ehrlich bin - die sonnigen Tage in der höchst komfortablen Villa Twin Palms verliefen so ungestört, dass mein Weib und ich überhaupt nicht über die im Februar des nächsten Jahres stattfindende Reise nach Sydney sprachen. Umso intensiver liefen die Vorbereitungen wieder an, als wir gesund und guter Dinge nach Berlin zurückgekehrt waren. Lutz hatte unterdessen seine Umschulung in Sachen Medienarbeit beendet. Ihm wurde erlaubt, mit mir einen Praktikumsvertrag abzuschließen, der vorsah, dass wir gemeinsam Titel für meine noch nicht veröffentlichten Buchmanuskripte entwerfen würden. Zu diesem Zwecke waren laut schriftlich fixiertem Ablaufplan jeweils zwei oder drei Konsultationen in der Woche notwendig. Was bedeutete, dass der Junge sich jedes Mal von seinem Dorfe im Brandenburgischen nach Berlin aufmachen musste. Ich nehme an, dass diese schöpferische Phase nicht nur mir einigen Spaß bereitet hat. Das Ganze war beileibe keine Spielerei. Die Entwürfe für den Jugend-Krimi Inselgewitter, für Zahltag und Die Würde der Ratten, die beiden zur Zeit letzten Stories mit der Privat-Detektivin Mildred Sox, suchen noch samt Manuskript einen Verleger (Inselgewitter erschien 2010 bei Athene Media in Dinslaken, Zahltag erschien 2009 beim BS-Verlag Rostock und 2012 als E-Book bei EDITION digital, Die Würde der Ratten wird 2013 als E-Book fertiggestellt). Aber wie heißt es so richtig: Auch was (sich) lange wehrt, wird gut! Ebenfalls abgesprochen war mit Lutzens Obrigkeit seine Teilnahme an einer Reise nach Australien, um aus eigener Anschauung eine Titel-Grafik für dieses vierte Reise-Essay zu entwerfen.

Vorher gab es noch einiges zu klären: Für Sydney war mittlerweile alles klar - es fehlten jedoch die Absprachen wegen Dubai und Singapur. Das Auto war bei Budget gebucht, ebenso war ein Zimmer für drei Personen im savoy residence dubayy (Suni Marya, P. O. Box 28950) bestellt. Eine Bestätigung vom Reiseveranstalter DERTOUR mit einem Hinweis auf meinen Grad der Behinderung lag am 5. Februar 2003 vor. Das service team vorderer orient (Analog dazu teilte das service team asien china mit, dass in Singapur vom 3.3.2003 bis 6.3.2003 im Hotel novotel apollo ein behindertengerechtes Zimmer reserviert sei) vermerkte zusätzlich, dass die Lifttür 80cm, die Zimmertür 75cm und die Badezimmertür 66cm breit seien. Außerdem würde das savoy einen Rollstuhl mit den Maßen 64x104x88cm trotz meines eigenen vorhalten. Informationen zur Lage des Hotels in der Stadt am Dubai Creek fehlten allerdings. Bekannt war, dass wir erst gegen Mitternacht ankommen würden - da mochte unsereiner doch gerne wissen, wo es nach der Übernahme des Mietwagens vom Airport zum savoy langging? Kein Problem, dachte ich in meiner Arglosigkeit. Wozu gibt es das Internet? DERTOUR versorgte mich außerdem zehn Tage vor dem Abflug mit Telefon- und Faxnummern sowie Adressen für e-mails und Homepage des Hotels.

Eine schriftliche Anfrage wegen der Ortslage auf Englisch zu erstellen, das stellt für mich kein Problem dar. Ich bin der Meinung, es kommt allein auf die richtigen Vokabeln an und nicht auf grammatikalische Finessen. Mein Weib sieht das wegen ihrer jahrelangen Unterweisung im Englischen etwa anders. Aber jeder wie er es mag oder kann. Ein Telefonat traute ich mir nicht zu. Musste ich auch nicht, die beste Lösung war, eine e-mail an [email protected] zu senden. Aber zu früh gefreut: Mr. Depaak Philip, zuständiger Mitarbeiter des Hauses, bestätigte zwar unsere Buchung und übermittelte an Mr. Hans lobenswerterweise auch eine Skizze, aber diese erstreckte sich nur aufs Geviert rund ums savoy! Als hätte ich ihn nach der Gassi-Route für ein mitgeführtes Hündchen gefragt ...

Gemach, liebe Schlaumeier: Zoomen war bei jener Abbildung ausgeschlossen. Ein Blick in die Websites http:www.savoy-dubai.com half da auch nicht weiter. Mr. Philip musste mich für einen besonders begriffsstutzigen oder sturen German gehalten haben. Das Spielchen begann von vorn: Ich kreiste unser Problem ein, indem ich meine Frage mit den Angaben des Managers abglich. Er hatte ein unweit befindliches Hotel ramada genannt, das ich auch wegen seiner Größe und Bedeutung für den Tourismus im Emirat Dubai auf der Karte eingezeichnet fand. Ein zweiter Hinweis erwähnte das bur jurman center, ebenfalls in der Nähe gelegen. Mit Hilfe eines Stadtplanes lokalisierte ich beide Angaben und fand zumindest die Straßennamen, die das savoy umschlossen. Ich vermute, dass spätestens jetzt die Weitgereisten ihre Nase rümpfen: Warum zum Teufel macht der sich so einen Kopf wegen der popeligen Adresse? Spätestens am International Airport Dubai war Zeit genug, sich alles erklären zu lassen. Von wegen, kann ich da nur sagen. Aber davon später. Meine fast manisch anmutenden Bemühungen, nach Möglichkeit alles und jedes abzusichern, hatten einen gänzlich anderen Hintergrund. Gebranntes Kind scheut das Feuer, sagt der Volksmund. Zu Recht. Wieso das mit dieser Weltreise zusammenhängt? Dazu klaut Lüdemann aus seinem zweiten Reise-Essay Kapstadt und so weiter bei Lüdemann:

Im Oktober 1997 waren wir mit dem Sohn Jan in Toronto und hatten eine ganztägige Tour nordwärts ins Land der Huronen hinter uns. Ohne Dämmerung war es plötzlich dunkel geworden. Auf dem Autobahnring verpassten wir eine letzte Abfahrt in die kanadische Metropole und verirrten uns immer weiter weg Richtung Osten. Anfangs nahm ich die Sache noch gelassen, weil ich auf den über fünfhundert Meter hohen CN Tower als Richtpunkt setzte. Awers Schiet an’t Been, wie der Fischkopp sagen tut. Es gab keine Orientierung dergleichen. Mittlerweile ging es gegen zweiundzwanzig Uhr und der Spruch für jeden Reisenden lautet: Sieh zu, dass du in der Fremde immer vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Hotel bist. Ich muss hinzufügen, dass wir zu allem Übel auch noch keine ordentliche Stadtkarte an Bord hatten. Ein Faltblatt vom hilton zeigte mehr oder weniger den Großraum Toronto. Eine Straße, die unseres Erachtens in die Stadt führen musste, brach hinter einer Kreuzung weg. Auf dem Stadtplan war später zu sehen, dass jene Straße etwa zweihundert Meter weiter in die City fortführt. An einer Tankstelle lungerten zwei Typen herum, die zu fragen ich nicht unbedingt für opportun fand. Wussten wir denn, wohin uns diese beiden Galgenvögel weisen würden? In einer solchen Situation ist die Fantasie eines Schriftstellers nicht immer von Nutzen. Da gab es in meinem Kopfe genügend Stories von ausgeplünderten Reisenden, falls es nur dabei geblieben war. Kurzum – gegen Mitternacht kehrten wir endlich, geschafft an Körper und Geist, ins Hotel zurück. Man sollte meinen, dass es Menschen gegenüber anderen Lebewesen auszeichnet, dass sie Fehler nicht wiederholen. Aber als wir über Buffalo zum Kollegen Otto Emersleben nach Brunswick, Maine, die Neu-England-Staaten durchquerten, da versäumten wir es, rechtzeitig ein sicheres Obdach anzusteuern. Mir war partout an einem kleinen Nest namens Woodstock gelegen – nicht zu verwechseln mit dem legendären Woodstock-Rock-Festival, das 1969 bei Bethel, New York, mit 32 Bands, Jimmi Hendrix, Joe Cocker und Janis Joplin vor 400.000 Zuhörern stattfand - nahebei hatte nämlich der Dramatiker Carl Zuckmayer (u. a. Hauptmann von Köpenick mit Heinz Rühmann oder Des Teufels General mit Curd Jürgens) während seiner Emigration aus Nazi-Deutschland eine Farm betrieben. Im Ort gab es zwar etliche Hotels und Pensionen, aber überall prangte draußen das Schild no vacanzy. Es war indian summer und außerdem Jagdzeit auf Elche. So waren wir unversehens wieder auf der Landstraße. Als im Scheinwerferlicht unseres großräumigen pontiac van gegen dreiundzwanzig Uhr ein Schild zum Bed & Breakfast in den Wald wies, da ließen wir es links liegen. Wussten wir, was uns dort erwartete? Zwei Herbergen für Handelsreisende taugten nicht für uns: Die erste hatte nur noch Betten unterm Dach frei, unerreichbar für mich. Die zweite empfing uns mit einem betrunkenen Vermieter, dessen trüber Blick allzu aufdringlich meine Frau anstarrte. Jan deutete an, dass er im ärgsten Falle die Nacht durchfahren würde. Zuzutrauen war es ihm. Bald darauf entdeckte ich am Straßenrand ein Zeichen mit weißem H auf blauem Grund. Ich glaubte mich erinnern zu können, dass ein neues internationales Piktogramm für Hotels entwickelt worden sei. Irrtum - wir trafen auf ein weiträumiges Hospital für Querschnittgelähmte. Obwohl Leute im erleuchteten Aufenthaltsraum saßen, öffnete niemand auf Jans Läuten die Tür. Schließlich bequemte sich jemand zur Wechselsprechanlage. Er könne uns nicht helfen, tönte es aus dem Lautsprecher, aber in Lebanon sei ein Stadthotel. Hoffnungsfroh fuhren wir weiter. Den Spott der Mitreisenden wegen meines neuen Hinweisschildes musste ich hinnehmen. Dabei waren wir doch gar nicht so falsch gewesen: Hospital für Querschnittgelähmte. Leider hatten wir in Lebanon kein Glück. Aber ein Hinweis der Rezeption half uns weiter. Schließlich kamen wir in der Stadt Concord im Holiday Inn unter. So gut wie K .o. lag ich kurz nach Mitternacht im Bett. Carl Zuckmayer war für mich kein Thema mehr. Leider. Noch im Einschlafen gelobte ich für immer und ewig, kein drittes Mal einen Verstoß gegen wichtige Reiseregeln zuzulassen ...

Soweit diese mit einem eigenen Zitat verbundene Schleichwerbung für den Verlag, bei dem mein Reise-Essay erschienen ist. Es liest sich möglicherweise alles so, als seien jene nächtlichen Malaisen locker vom Hocker weggesteckt und berichtet worden. Ich versichere auch mit dem Abstand von Jahren - vor Ort war dem ganz und gar nicht so! Vielleicht wird mein Horror bei solcherlei ungeklärten Verhältnissen nun etwas verständlicher. Gedanken an mögliche Pannen geschweige denn Katastrophen auf der Reise führen bei mir allerdings nicht zur Handlungsunfähigkeit oder gar zum Verzicht. Wieder komme ich mit einem allseits bekannten Spruch: Gefahr erkannt - Gefahr gebannt! In der Umsetzung bedeutete dies, dass ich für unsere Verwandten und unmittelbaren Nachbarn eine Liste erstellte, wie wir unterwegs einerseits mit ihnen und jene kreuz und quer andererseits Kontakt mit uns aufnehmen konnten. Ein Lob der Technik, speziell dem Mobile Phone - unglaublich, aber das deutsche Wort dafür lautet Handy! Und anders als in den U.S.A. funktionierte unser Mobilfunk-System sowohl in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Australien und in Singapur gleichermaßen. Mehr noch - wir konnten sogar als Provider vodafone einloggen. Vorausgesetzt - sein ortsansässiger Partner uaeetisalat versucht nicht, uns das Fell über die Ohren zu ziehen. Manche Mitbewerber in Australien locken beispielsweise zusätzlich mit dem kostenlosen Versenden einer unbegrenzten Zahl von e-mails in alle Gegenden der Welt. Nichtsdestoweniger ließ ich mir per Internet die jeweiligen Anbieter in unseren Reisezielen ausdrucken, um vor missliebigen Überraschungen gefeit zu sein. Zu den Angaben gehörte auch eine Landesskizze, in die die jeweils vor Ort günstigen Provider eingezeichnet waren. In den Emiraten gab es kaum weiße Flecken. Die nationalen Verbindungen kosteten pro Minuten je nach Tageszeit zwischen 15 Cent oder 10 Cent; für die Minute nach Deutschland wurden zwischen etwa 100 Cent oder 70 Cent berechnet ...

Schließlich waren alle für unser Heil wichtigen Personen datenmäßig miteinander vernetzt. Stufe zwei bedeutete, dass ich schriftlich für die Zielorte eventuell nützliche Angaben zusammenstellte. Es begann mit Daten zur Fluggesellschaft emirates in Deutschland und in den betreffenden Ländern, die in einem Notfall möglicherweise dringend benötigt wurden. Es folgten die Zugangsnummern für unsere T-Card, bei der im Gastland nur ein Telefonapparat vorhanden sein muss, um überall hin anrufen zu können. Gesetzt den Fall, es befindet sich ein Guthaben auf der Telefonkarte. Ganz wichtig bei diesem System ist der jeweils rund um die Uhr erreichbare und vor allem Deutsch sprechende operator. Notrufe, Botschafts- beziehungsweise Konsulatsadressen, Angaben zu den gebuchten Unterkünften, die Telefonleitzahlen für weltweite Verbindungen, Anschriften und Rufnummern zu Krankenhäusern, Feuerwehren und freischaffenden Dolmetschern fanden sich auch auf dem individuellen Wissensspeicher aus Papier.

Ich betone das Speichermedium besonders, weil meine ansonsten vortreffliche casio-datenbank aus irgendwelchen Gründen aussteigen könnte. Dann würden wir froh sein, wenn es noch eine andere Möglichkeit gibt, auf Reise-Daten zugreifen zu können. (ähnlich misstrauisch scheinen diejenigen Zeitungsleute zu sein, die trotz modernster Aufnahmetechnik noch immer dem schnöden Kugelschreiber samt Schreibblock den Vorrang geben). Ebenso vermerkte ich auf dem Blatt die Farbe und das Aussehen der jeweils landesüblichen Banknoten. Zusätzlich berücksichtigte ich die Öffnungszeiten der Geldinstitute und Kaufhäuser. Mein Merkzettel für den Notfall wurde schließlich aufs Kleinste gefaltet und jeder hatte dafür Sorge zu tragen, seinen - wo auch immer - ständig bei sich zu führen. Eine weitere Vorsorge darf ich nicht vergessen: Unsere Mitgliedschaft im ADAC-Plus, die weltweit Hilfe vor Ort und falls notwendig - einen Heimholungs-Service gewährleistet. Einer meiner Nachbarn war vor Zeiten zum Urlaub in den Norden Europas gereist; etwas in Eile hatte er sich jenen Aufnahmeantrag für die Rückkehr zurechtgelegt - auf der Hinreise gab es einen schwerwiegenden Unfall mit Totalschaden am Auto. Zwar wäre dieser auch mit ADAC-Plus geschehen - aber dann hätte dessen allumfassende Hilfeleistung vor Ort eingesetzt ...

Vorsorge Nummer drei: Alle wichtigen Papiere eines jeden wurden kopiert. Das fing mit den Pässen an, umfasste Buchungsbelege für die Hotels, alle Flugtickets und endete beim Internationalen Führerschein. Für mich fertigte ich extra eine Foto-Collage: Im oberen Teil stand ein gleich lautender Text in Deutsch und Englisch. Hierin beschrieb unsere Hausärztin, Frau Dr. Starost, den hohen Grad meiner Behinderung und sie bat jedermann in einer Gefahrensituation um geeignete Hilfeleistung für ihren Patienten Hans-Ulrich Lüdemann. Nicht nur im Deutschen muss ein Dienststempel mit Unterschrift drauf sein, damit alles seine Ordnung hat. Unter der Übersetzung ins Englische montierte ich das weltweit akzeptierte Piktogramm - blauer Fond mit weißem Rollstuhl - eine Schöpfung der Dänin Susanne Koeford aus dem Jahre 1969.

Eine Meldung Anfang Dezember 2001 hätte mich stutzig machen müssen. Es war die Rede von Australiens größtem Eukalyptusbaum, den ein Großfeuer auf der Insel Tasmanien hingerafft hatte. Dieser Riese mit seinem 20 m Durchmesser besaß immerhin eine stattliche Höhe von 79 m. Einheimische nannten den 350 Jahre alten Methusalem unter den Eukalypten (Gattung der Familie Myrtengewächse: Eukalypten wachsen bis zu vier Meter im Jahr, was dieser Baum in etwa beweist) im Tal der Giganten voller Ehrfurcht El Grande (Im Vergleich zu den kalifornischen Semper sequoias (Mammutbäume) mit einem Alter von etwa 2000 Jahren und über 100m Höhe wohl eher ein Zwerg in der Landschaft). Diese traurige Nachricht trat jetzt immer mehr in den Hintergrund. Alle Medien informierten zusehends umfangreicher über die vielen Brandherde, die sich um Sydney ausbreiteten. Die Fluggesellschaft australia by air bot Touristen wegen der unberechenbar aufflammenden Feuersbrünste nur noch einen Tag Aufenthalt im Outback von NSW (Kurzform für New South Wales. Hauptstadt ist Sydney) an. Während 40.000 Australier sich in Ceduna nordwestlich der Millionenstadt Adelaide dem himmlischen Vergnügen einer totalen Sonnenfinsternis hingaben, kämpften ihre Landsleute am Pazifik gegen einen immer lebensbedrohlicher werdenden Feuerring. Betroffen war vor allem der Norden - Hunters Hill lag im Norden Sydney’s! Es hieß, dass über dem Hafen bereits eine übel riechende gelbliche Dunstglocke stand, gespeist aus mehr als 70 Brandherden der weiteren und nahen Umgebung. Zwei Menschenleben gab es bislang zu beklagen, 30 Häuser in der betroffenen Region lagen in Schutt und Asche und 800 Einwohner im gefährdeten Teil von New South Wales waren obdachlos geworden.

Als nicht minder furchtbar erwies sich die Bestätigung des Verdachts auf Brandstiftung. Letzteres war anfangs nur eine Vermutung von Bob Carr, Regierungschef in New South Wales, gewesen. Vorerst wurde einer der Täter angeklagt - sein Schadenskonto belief sich auf drei abgebrannte Häuser und Tausende Hektar versengtes Land. Bei Brandstiftung gab und gibt es in Australien wegen der existentiellen Gefährdung für Leben und Eigentum kein Pardon. Wäre der Feuerteufel vor seiner Inhaftierung jenen 3 500 Feuerwehrleuten in die Hände gefallen - niemand hätte für die körperliche Unversehrtheit dieses Kriminellen garantieren wollen.

Beunruhigt wegen der Auswirkungen einer solch extremen Dürre - in den verflossenen sechs Monaten hatte Sydney so wenig Regen gehabt wie seit 144 Jahren nicht - schickten wir nach den Weihnachtsfeiertagen eine e-mail an das Ehepaar Ascough in Hunters Hill. Womöglich mussten wir unsere Weltreise absagen? Sydney einmal sehen und sterben - diese oder ähnliche sattsam bekannte Redensarten verbunden mit Paris, New York oder was weiß ich - hatte ich noch nie ernst genommen. Von unseren Gasteltern kam allerdings Entwarnung. Ihre Antwort verriet Gelassenheit, die sich aus jahrzehntelanger Erfahrung speiste. Bis Mitte Februar hatte sich das Wetter radikal geändert - wir würden sehen! Mrs. und Mr. Ascough’s Worte in Gottes Ohr, meinte ich als strenggläubiger Atheist. Aber die noch verbleibende Zeit bis zu unserer Abreise gab den älteren Herrschaften Recht. Die Feuer konzentrierten sich plötzlich auf Australiens Hauptstadt. Canberra, diese künstliche, quasi auf einer Schafsweide geschaffene Verwaltungsmetropole, umgeben von Eukalypten, bot sich als ideales Opfer für großflächige Buschbrände an. Auf dem Mount Stromlo zerstörten die Flammen das seit 1924 existierende und weltweit bedeutsame Weltraum-Observatorium great melbourne telescope nebst etlichen Laboratorien, in denen ein Spektograph für das gemini (gemini bedeutet im Lateinischen Zwilling - die NASA bezeichnete also nicht von ungefähr ihre zehn Unternehmungen von März 1965 bis November 1966 als Gemini-Missionen: In den Weltraumkapseln fanden nur zwei Astronauten nebeneinander sitzend Platz. zwilling heißt ein Sternbild des Tierkreises - Castor und Pollux werden die zwei hellsten Sterne genannt. Die Kultur im alten Ägypten symbolisierte dieses Sternbild mit einem Ziegenpaar; bei den Arabern fand ein Pfauenpaar Verwendung und die Griechen nannten das Zwillingspärchen Kastor und Polydeukes) observatorium auf Hawaii oder eine riesige Linse, gedacht fürs gemeni observatorium in Chile, entstanden. Wertvolle Forschungsmittel gingen verloren, deren Herstellungskosten nur in Millionen-Dollar-Beträgen ausgedrückt werden können. Es gab in der Geschichte dieser Stadt kein vergleichbares Vorher - schließlich musste das Territorium der Bundeshauptstadt Canberra (ACT lautet analog zum U. S. amerikanischen Regierungsbezirk Washington D. C. die Kurzform von australian capital territory) zum Katastrophengebiet erklärt werden.

Unsere geplante Tour südwärts auf der mit viel Lob bedachten Great Ocean Road mussten wir also streichen. Es tat mir besonders leid, weil die Beschäftigung mit Canberra einen interessanten Abstecher hatte erwarten lassen. Nein, an ihren Ruf als Porno-Metropole Australiens mit einem 25 Millionen Dollar Jahresumsatz war dabei nicht gedacht worden, wohl aber an die sichtbare Historie. Canberra entstand, wie andere Hauptstädte in der Welt auch, als eine Art Verlegenheitslösung. Ebenso hatten sich in Florida die Städte Sankt Augustine und das westlich gelegene Pensacola den Sitz der Regierung streitig gemacht. Lösung: Zwei honorige Männer wurden 1824 per pedes auf die 1.280 km lange Strecke zwischen beiden Konkurrentinnen losgeschickt - wo John Lee Williams und Dr. William Simmons nach einem beschwerlichen Marsch aufeinander trafen, da wurde Florida’s heutige Hauptstadt Tallahassee gegründet! Rio de Janeiro und die vom Brasilianer Oscar Niemeyer (2005 plant der 97-Jährige ein Stadtbad in Potsdam) 1957 auf dem Reißbrett entworfene Hauptstadt Brasilia standen sich von Anfang an als missliebige Schwestern gegenüber. Aber ehe die leichtlebige Karnevalsmetropole am Januarfluss einer ewig rackernden Wirtschaftslokomotive Sao Paulo den Vorrang hätte einräumen müssen ...

Seit Australien in Bundesstaaten gegliedert war, gab es Streit um eine gemeinsame Hauptstadt. Übrig blieben letztlich das Wohlhabenheit ausstrahlende beschauliche Melbourne und das als Sündenbabel verteufelte Sydney. Alter ging bei der Lösung dieses Problems nicht vor Schönheit. Schließlich kam 1908 ein Kompromiss zustande - eine menschenleere Wüstenei, mitunter als Schafweide nutzbar, lag etwa in der Mitte der beiden feindlich gesinnten Metropolen. Baubeginn war 1913 nach einer internationalen Ausschreibung, die der U.S. amerikanische Architekt Walter Burley Griffin gewann. Es wird erzählt, dass Namen wie Eucalyptus oder Thirstyville oder gar Gonebroken (bedeutet soviel wie Pleite gegangen) belegen, wie sehr die meisten Aussies ihre neue Hauptstadt aus der Retorte ablehnten. Erstaunlich und vor allem positiv war, dass man sich schließlich auf den Namen Canberra einigte. Ausgerechnet ein Wort aus der Sprache der unterdrückten Aborigines (lateinisch für Ureinwohner) wurde verwendet, welches sinnigerweise einen Versammlungsort bezeichnet!

Quasi seit ihrer Gründung 1913 gibt Canberra sich alle Mühe, das negative Image als Hauptstadt im Busch abzustreifen. Aber vergeblich. Staatsgäste reisen lieber nach Melbourne, Sydney, Adelaide oder Perth. Selbst der Premierminister schneidet die über 300 000 Einwohner - er hält sich lieber sechs Monate vom Jahr in seinem Amtssitz in Sydney auf! Neben der Wichtigkeit für Staatsbeamte besaß Canberra einen Namen wegen seiner Holzindustrie. Und somit schließt sich der Kreis: Diesen wertvollen Rohstoff gibt es für Jahrzehnte nicht mehr. Eine im höchsten Maße bittere Erkenntnis nach den letzten verheerenden Bränden - zumindest die jüngste Katastrophe ist eher hausgemacht! Alle Umstände erinnern mich irgendwie an die grünen in deutschen Landen: Jener Walter Burly Griffin und seine Stadtarchitekten realisierten alles mit überbordendem Drang nach einer möglichst vielfältigen Flora und Fauna. Breite Alleen, weitläufige Parkanlagen waren für sie ein absolutes Muss. gartenstadt canberra hieß das erklärte Ziel. So wuchs mit den Jahren in der einstmals baumlosen Landschaft eine Vegetation heran, die entwicklungsgeschichtlich hier gar nicht hingehörte. Wenn ich der Presse Glauben schenken darf, dann hat die Kommune bis in die Sechziger Jahre jedem neu gegründeten Hausstand kostenlos zehn Bäume und vierzig Büsche zugeteilt, um das Anwesen zu verschönern. Alles in allem geradezu eine Herausforderung an das in Jahrzehnten vergewaltigte Territorium, irgendwann den Normalzustand wieder herzustellen. Es klingt makaber - Mutter Natur ist dieses mit den Bränden zum Jahreswechsel 2002/2003 vollständig gelungen ...

Für uns wurde es zeitlich ab Mitte Januar immer enger. Aufmüpfige Reden über vergangene Reisen machten die Runde. Eine beliebte Story war der Zwischenfall mit Vadder Wilhelms Schweizer Offiziersmesser vor unserem Abflug nach Florida. Das unscheinbare rote Ding, ein Erbstück von Doris Vater, erregte Missfallen in den Augen des Gesetzes. Mein Weib wurde vom Zoll weggeschickt - niemand auf dem Flughafen Berlin-Tegel wollte sich mit diesem Anstoß erregenden Teil belasten. Dörte reagierte schnell und pfiffig: sie deponierte jene mörderische Waffe in der Damentoilette auf einer Zwischenwand. Sohn Jens holte die große Tochter aus der Wohnung in Pankow - dank Beatrice war die Sache einige Stunden später ausgestanden. Ich komme auf diesen Zwischenfall, weil Lutz wegen seiner gesundheitlichen Malaise ein Spritzbesteck bei sich trug. Da es wie das hochwertige Zubehör eines Drogensüchtigen aussah, wurde er fast jedes Mal mit Fragen behelligt. Um dem zu begegnen, trug er ein amtlich ausgestelltes Attest über die wahrhafte Verwendung von Kanülen und Spritzen.

Das Wichtigste für einen Reisenden ist der Weggenosse.

In Gesellschaft eines guten und verständigen Weggefährten lassen sich selbst Kälte und Hunger leichter ertragen.

LESKOW Der versiegelte Engel

Würden wir Nikolai Leskow (1831-1895. Ein in Russland weit gereister gebildeter Autor, den Maxim Gorki auf Augenhöhe mit Tolstoi, Turgenjew und Gontscharow stellte. Nach Leskows Novelle Eine Lady Macbeth aus Mzensk schuf in den Dreißigern keine Geringerer als Dimitri Schostakowitsch eine noch heute gültige Opernfassung) nicht beipflichten, dann hätten wir auf unsere Reise verzichtet müssen. Wir nahmen jene Worte als ein gutes Zeichen. Die Sterne standen für uns günstig: Der Valentinstag zum Gedenken an alle Liebenden fand am gestrigen Freitag statt. Obgleich Lutzens Heimatdorf näher am Flughafen als bei Altglienicke liegt, konnte ich alle überzeugen, dass es wegen nicht vorhersehbarer Pannen oder Staus sicherer war, wenn er bereits bei uns übernachten würde. Also brachten seine Eltern ihn am Freitagnachmittag vor der Abreise. Heute war Samstag - unsere Tour bis ans andere Ende der Welt begann gegen 9:00 ab Berlin-Tegel via München. Jens war mit seinem Kombi nach Altglienicke gekommen und hatte den mondeo gegen unseren großräumigen vito l getauscht. Trotz angesagter Demonstrationen in Berlin wegen des drohenden kriegerischen Einfalls der U.S.A. im Irak kamen wir pünktlich auf dem flughafen otto lilienthal (Namensverleihung am 7. Juni 1988; internationale Legende TXL)an. Es war wohl noch zu früh am Tage für die aus ganz Deutschland herbeigeeilten Kriegsgegner. Dem jüngsten Sohn liegen keine großen Worte - er kehrte ohne große Abschiedszeremonie nach Altglienicke retour. Plötzlich standen wir in der Abfertigungsschlange - jetzt gab es für unser Dreigestirn kein Zurück mehr.

Da sich auf dem Röntgenschirm beim Durchlauf der Koffer meiner Frau etwas nebulöse Konfigurationen zeigten, war sie auch dieses Mal sozusagen Mode bei den wachsamen Zöllnern. Doris wurde ausgerufen und ihre Erklärung wirkte wie eine kleine Unterweisung im Dienst nach dem allseits bekannten Motto learning by doing: Was wie Verbindungskabel für einen Sprengstoffzünder oder wie raffiniert in Schläuche verpacktes Rauschgift aussah, entpuppte sich vor den gestrengen Augen einiger Männern und Frauen in Uniform als so genannte Einmal-Katheter samt Auffangbeutel.

„Ach je!“, lautete der impulsive Kommentar zur Ursache jener Bildstörung im Kontrollraum.

Nach dieser Schau in Sachen Hilfsmittel für einen Behinderten waren wir schließlich mit allen Überprüfungen durch. Jetzt hieß es, sich in Geduld fassen und darauf hoffen, dass die avisierten Helfer vom Deutschen Roten Kreuz rechtzeitig auftauchen würden, damit wir als Erste an Bord gelangten. So ist es - falls der behinderte Fluggast korrekt angemeldet wurde - international üblich: Hinein vor allen anderen Passagieren und heraus als Bummelletzter. Infolge dieses leider nicht immer eingehaltenen Reglements störe ich kaum den normalen Ablauf vor dem Start und nach der Landung ...

Obwohl ich mich bemühte, äußerlich ruhig zu erscheinen - im Bauch verspürte ich ein leichtes Kribbeln. Auf den Tag genau waren vier Monate vergangen, als wir an gleicher Stelle auf den Abflug nach Frankfurt am Main warteten, um einen Urlaub in Florida zu verleben. Heute würde der Flieger uns erst nach München bringen. Dort war der Umstieg in einen Airbus der international renommierten emirates vorgesehen. Von 14:45 bis 23.35 dauerte der Flug EK 052 nach Dubai. Und Dörte rechnete wie so oft die günstigste Variante wegen des Katheterisierens aus. Würden wir an Bord ohne auskommen, wenn meine Blase letztmalig vor dem Weiterflug ab München entleert wurde? Die Devise hieß für mich, unterwegs nur soviel wie nötig zu trinken. Das Hantieren mit einem Katheter im voll besetzten Flieger war nicht nur wegen der engen Sitzreihen problematisch - es gab tatsächlich immer wieder Zeitgenossen, deren Hals gar nicht lang genug gestreckt werden konnte, um möglicherweise eine obszöne Handlung auszumachen ...

Irgendetwas schien heute im Transitraum anders zu sein als beim letzten Mal. Als ich mich suchend umsah, kam mir plötzlich die Erleuchtung: Nirgendwo lagen wie sonst üblich die gängigen Tageszeitungen aus, kein Teeautomat stand für durstige Kehlen bereit, von der Möglichkeit, einen weißen Plastbecher mit heißem Kaffee zu füllen, ganz zu schweigen! Dieser kostenlose Service für die Passagiere - perdu, Madame beziehungsweise Monsieur! Das handfeste Duo vom DRK versöhnte mich etwas mit dem reduzierten Service. Obwohl draußen die Sonne schien, hatte das Bodenpersonal alle Hände voll zu tun gehabt, die Außenanlagen unseres Fliegers zu enteisen. Jetzt übernahmen die beiden Männer das Kommando über mich und den Rollstuhl. Obwohl noch genügend Zeit war, ging es zügig im so genannten Finger zum Einstieg. Doris und Lutz bemühten sich, an unseren Fersen zu bleiben. Am Ende des Ganges wurden wir von einer professionell lächelnden, aber nichtsdestoweniger ansehnlichen Stewardess begrüßt. Der Bordrollstuhl - von mir Stullenbrett auf Rädern genannt - stand schon bereit. Mit einem kräftigen Ruck wurde ich umgesetzt und auf das superschmale Teil geschnallt. Der Helfer hinter mir kippte das Ganze an und - ab ging die Luzie!

„Gott befohlen!“, brummelte ich in meinen Bart.

Es klingt womöglich für einen gottlosen Menschen etwas lächerlich - aber beim Ausladen in München würde ich diesen abergläubischen Ritus mit ‚Gott sei Dank!’ beschließen. In meiner Erinnerung hatten und haben beide Beschwörungsformeln auf allen Flugreisen Bestand. Ob das an der Höhe im Himmel liegt - ich weiß es nicht zu sagen. Irgendetwas muss aber dran sein, weil ich derartige Anwandlungen beispielsweise niemals im Leben bei Dampfer- oder Autofahrten verspürte. Die Beschwörung eines höheren Wesens wurde übrigens in München auf eine besondere Probe gestellt. Nein, mit den Männern vom malteser (Malteserorden ging aus den Maltesern, ältester um 1099 in Jerusalem gegründeter geistlicher Ritterorden, hervor. Aufgaben waren die Krankenpflege und der Waffendienst; ab 1530 auf Malta. 1540 spaltete sich in Brandenburg eine protestantische Richtung ab, die sich auch heute noch als Johanniter (ebenfalls Unfallhilfe) bezeichnen. Der katholische Zweig nennt sich seit 1530 Malteserorden mit Sitz im Vatikan. Malteser-Kleidung ist ein schwarzer Umhang mit dem achtspitzigen weißen Malteserkreuz. Der Orden unterhält heute diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene in der ganzen Welt. Seit 1994 besitzt er Beobachterstatus bei der UN. UNO-Vertretungen in New York, Genf, Wien, Paris und Rom durch Ständige Vertretungen) hilfsdienst klappte es beim Ausladen und Einladen ähnlich gut wie in Berlin. 2001 auf dem Trip nach Kapstadt hatten wir zwar andere Erfahrungen gemacht, als wir über eine Stunde im Flieger saßen, ohne dass jemand vom Hilfsdienst kam. Die Crews hatten schon gewechselt und eine Putzkolonne wieselte um uns herum, weil die Maschine für einen Einsatz in die Karibik bereitgestellt werden sollte. Dörte, Jens und ich hockten da wie bestellt und nicht abgeholt. Wir fürchteten bereits, unseren Anschluss nach Kapstadt zu verpassen. Schließlich gab es nur diesen einen um die Mittagszeit. Mein Weib musste erst laut werden - im Übrigen lief auch der neuen Besatzung die Zeit davon - dann klappte plötzlich alles wie am Schnürchen. Als ich mich nach unserer Rückkehr per Fax beim malteser hilfsdienst beschwerte, kam postwendend ein Anruf vom Chef. Quintessenz: Das Problem sei vom Flugkapitän verursacht worden. Bereits beim Anflug muss er jeden von der Norm abweichenden Passagier dem Tower zur Weitermeldung an jenen Hilfsdienst durchgeben. Also hatte ich die Falschen angezählt. Im Nachhinein war ich pfiffiger. Heute führten wir eine Kopie vom Fax mit uns, auf dem das reisebüro dietrich folgende Bitten weitergeleitet hatte: 1. Umsteigehilfe von Sitz zu Sitz leisten; 2. Ersatzrollstuhl am Flughafen stellen; 3. gegebenenfalls medizinische Betreuung organisieren ...

Bevor die malteser sich von uns verabschiedeten, hieß es, wir sollten die Maschine verlassen, weil vor dem Abflug noch ein Sicherheits-Check notwendig war. Also wieder vom Sitzplatz hinüber zum Stullenbrett auf Rädern und raus auf den Flugsteig. Da für die Durchsicht mehr als eine halbe Stunde veranschlagt worden war, wurden die malteser erst einmal woanders tätig. Ich saß derweilen da wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein. Vor dem Zeitlimit hieß es, dass alle wieder einsteigen dürften. Unsere Hilfskräfte halfen aber gerade irgendwo auf dem riesigen Areal vom Franz-Josef-Strauss-Airport. Alle wartenden Passagiere begaben sich erneut auf ihre Plätze. Jetzt sah die Crew Probleme auf sich zukommen: Der Flugplan war einzuhalten und der Mann im Rollstuhl noch immer draußen. Dringlich forderten sie über den Tower die malteser an. Beide Männer kamen auch - unter unverhohlener Neugierde aller übrigen wurde ich auf den Platz -D- in der Reihe 18 transportiert. Jetzt war Lutz nicht zur Stelle, da er sich irgendwo die Beine vertrat. Endlich befand sich alles dort, wo es vor einem solchen Flug zu sein hatte. Wir wurden jetzt offiziell an Bord der emirates begrüßt. Pilot und Co-Pilot waren Landsleute. Zwei Stewardessen sprachen deutsch. Wie sich später herausstellen sollte: eine stammte aus Rumänien und die andere war Deutsch-Araberin.

Nachdem die stets etwas lächerlich anzusehenden Notfall-Vorführung mit Schwimmweste und Atemmaske vorbei war, zog an Bord etwas Ruhe ein. An anderer Stelle hatte ich bereits erklärt, warum ich im Flugzeug ohne Diskussion mit der Crew in den Genuss eines Fensterplatzes komme: Im Havarie-Fall würde ich, am Gang sitzend, aufgrund meiner Unbeweglichkeit die beiden Fluggäste links von mir bei ihrem Versuch, einen Notausstieg zu erreichen, lebensbedrohlich behindern. Das klingt makaber - aber es ist objektiv einzusehen. Nachdem der Start also hinter uns lag und das Flugzeug Kurs auf die Alpen nahm, kam langsam aber stetig in mir ein Verdruss auf. Stein des Anstoßes war zum einen der kostenpflichtige Service an Bord der deutschen british airways auf dem Flug nach München. Ob Juice, Kaffee, Tee oder eine Zeitung - von belegten Broten ganz zu schweigen, alles wurde zum stattlichen Über-Preis angeboten. Mittlerweile werden sich die Kunden wohl daran gewöhnt haben - für mich war es der erste Flug mit Abkassieren. Einmal ist immer das erste Mal, sagt der Philosoph ...

Zum anderen konnte ich mich nur langsam mit einem folgenschweren Fehlschluss abfinden: Bei allen Absprachen mit den Reisebüro hatte Wolfgang Dietrich die Extraklasse von emirates hervorgehoben - gewürdigt durch internationale Auszeichnungen wie Beste Airline. Dementsprechend hochgeschraubt waren meine Erwartungen. Als die malteser mich am Cockpit vorbei ins Innere schoben, sah ich sofort die bequemen Sitze. Ich frohlockte zu früh - mein Weg in die nächste Abteilung belehrte mich eines Besseren: Die economy class bei emirates war um keinen Deut komfortabler als die Holzklasse der Luftfahrtgesellschaften, mit denen ich bisher unterwegs gewesen war! Bei der engen Distanz zur Rückenlehne meines Vordermannes interessierte es mich kaum, dass dort ein Mini-Bildschirm eingelassen war, auf dem man während des Fluges einige Programme abrufen konnte.

Etwas versöhnlicher stimmte mich eine Kamera außenbords, die als Video genau den Bildausschnitt lieferte, der dem Flugkapitän im Cockpit während des Starts beziehungsweise der Landung zur Verfügung stand. Als wir in der Luft waren und in Richtung Österreich, Ungarn und Griechenland abdrehten, da interessierten mich die technischen Parameter unseres Fluges, von einem zusätzlichen Monitor angezeigt. Unterlegt war das ganze mit einer Landkarte, deren Ausschnitt von Zeit zu Zeit, je nach Reise-Fortschritt, aktualisiert wurde. Ich erinnere mich, dass unsere Fluggeschwindigkeit mehrmals über 1.000 km/h betrug. Der Gedanke an Rückenwind lag nahe. Als wir die Türkei überflogen, kehrten die beunruhigenden Gedanken an die Situation im Irak zurück. Krieg oder nicht Krieg, das war die Frage. Und wie wir Bush JR einschätzten, besaß dieser einen unstillbaren Drang, das Erbe seines Vaters anzutreten. Soll heißen, den ersten Irak-Krieg Desert Storm von 1991 mit allen Mitteln fortzuführen, Propaganda-Lügen á la Überfall auf den Sender Gleiwitz vor dem II. Weltkrieg inbegriffen. Die Araber haben für dieses verbrecherische Tun eine umfassende Weisheit: Dem stehlenden zum stehlen / dem hehlenden zum hehlen / dem fehlenden zum fehlen / dem befehlenden zum befehlen / dem quälenden zum quälen / dem wählenden zum wählen / wird nie und nimmer es an gründen fehlen ...

Ich atmete auf, als unsere Route nach Süden über Syrien in Richtung Saudi Arabien abschwenkte. Die Insel Bahrain und die Halbinsel Katar im Persischen Golf waren letzte Zielpunkte- dann würde unser Airbus über Dubai zur Landung ansetzen. In Gedanken versunken, starrte ich auf den Monitor mit den Flugdaten. Meine Blicke schienen die Mattscheibe zu durchdringen. Was hatte ich alles über das Emirat von der Größe Bayerns gelesen, welche interessanten TV-Reportagen zur Stadt Dubai gesehen? Was würde sich als wichtig oder typisch erweisen? Zu meinen interessanten Unterlagen für diese Reise gehörte zweifellos ein Zeitungsartikel über den Ex-Wirtschaftsminister des Landes Brandenburg, Wolfgang Fürniß (neues deutschland (16./17. November 2002): Michael Müller Alle kennen Fürniß). Die Hintergründe der Story über den Möchtegern-Scheich Fürniß muten an wie eine moderne Posse aus dem Tollhaus. Orte der Handlung sind das Land Brandenburg und die Vereinigten Arabischen Emirate, allen voran das Emirat Dubai des regierenden Scheich (SCHEICH: engl. Sheikh oder der Alte. Im Beduinen-Stamm der gewählte Anführer, der zugleich als höchster Richter fungierte. Anfangs stellten sich die Söhne zur Wahl, später erbte der jeweilige Kronprinz diesen Fürstentitel. Heute tragen alle Chefs der 7 Emirate diesen Titel, er steht auch den Söhnen und Enkeln zu. EMIR: Seit den islamischen Kriegen im 7. Jahrhundert der militärische Heerführer. Im Falle eines Sieges wurde er Statthalter. Später entsprach der Titel dem Rang eines Gouverneurs. Neben den VAE existieren die Emirate Bahrain, Quatar und Kuwait. Ein Emir war nur dem Kalifen verantwortlich. KALIF: In der arabischen Hemisphäre der wählbare ranghöchste Herrscher für alle Moslems. Er versteht sich als Nachfolger des Propheten Mohammed. Die inflationäre Sucht, sich Kalif zu nennen, untergrub seine Bedeutung. Das verbotene Kalifat Köln war auf Konfrontation aus gegenüber anderen Religionen. SULTAN: Wortbedeutung ist Herrscher. Übt neben geistliche auch weltliche Macht aus. Sultanate Oman, Brunei) Mohammed bin Rashid Al Maktoum. Der zum Himmel schreiende preußische Dilettantismus wäre zum Lachen, wenn Fürniß nicht ein Großteil Schuld tragen würde, dass weit über 100 Millionen EURO in den Sand gesetzt wurden. Wie hatten am 7. Februar 2001 die Trompeten weit über die Grenzen Brandenburgs hinaus den Erfolgsmarsch von einer Chip-Fabrik bei Frankfurt an der Oder geblasen! (radio berlin-brandenburg: der fall der chip-fabrikein kapitel aufbau ost;Reportage von Sascha Adamek (30 min)) Das Projekt sollte 1,3 Milliarden EURO kosten, aufzubringen vom Emirat Dubai mit 250 Millionen, dem weltmarktführenden Chiphersteller Intel mit 40 Millionen, dem Land mit 38 Millionen, der EU mit 300 Millionen und einem Bankenkonsortium ABN Amro mit rund 650 Millionen. Zahlen, die unsereiner sich gar nicht vorstellen kann. Verlockend fürs ostdeutsche Renommee ist, dass der Super-Chip aus dem institut für physikalische halbleitertechnik (iph) in Frankfurt an der Oder kommt. Damit die Produktion im Frühjahr 2003 anlaufen kann, wird die Betreibergesellschaft communicant gegründet. Vom Fachlichen her garantieren der deutschstämmige Texaner Klaus Weimer und der Wissenschaftler Prof. Abbas Ourmazd für den Erfolg. Dritter im Bunde ist eben der unsägliche Herr Wirtschaftminister Fürniß von der CDU. Unbeirrt vom Negativgutachten des U.S. amerikanischen Marktforschungsunternehmens gartner und ohne Prüfung der angeblich bereits vorhandenen weltweiten Absatzzahlen entfaltet jener seinen Aktionismus. Dazu gehören u. a. Reisen in die Vereinigten Arabischen Emirate. Aber die Emiratis sind gewiefte Verhandlungspartner. Sie wollen eine identische Fabrik mit dem Know How aus Frankfurt in der Wüste bauen. Statt im kalifornischen silicon valley soll im arabischen silicon oasis zudem ein institut für physikalische halbleitertechnik einheimischer Prägung das Projekt komplettieren. Bei den Eingeweihten gilt es als ein offenes Geheimnis, dass jener Super-Chip noch nicht produktionsreif ist - alles heiße Luft analog zu Erich Honeckers unrühmlichem politischen Gedöns über den angeblich das Weltniveau bestimmenden Mega-Chip vom vvb mikroelektronik ...

Das großmäulige Versprechen, durch die Chip-Fabrik vor den Toren Frankfurts über 1 300 Arbeitsplätze in einer Region mit einer Arbeitslosigkeit von 20 Prozent zu schaffen, wirkt wie ein Fetisch. Diese Aussicht benebelt anscheinend die Sinne der Politiker - niemand ist da, der kritisch die Angaben von Prof. Ourmazd prüft, neben dem Geldgeber Dubai Airport Free Zone habe man in London, Singapur, Tokio, San Francisco etc. innerhalb von 6 Monaten mit 65 Investoren gesprochen und 35 internationale Partner geworben. Dem Konto des Möchtegern-Scheichs Ali ibn Fürniß werden erst 1 Million EURO gutgeschrieben; als im September 2002 noch 500.000 EURO folgen, muss gegen den Minister laut Geldwäsche-Gesetz ermittelt werden. Die inoffizielle Version lautet, das Ganze sei ein privater uneigennütziger Kredit des Scheichs von Sharja an den liebenswerten deutschen Privatier Wolfgang Fürniß. Wenn alles korrekt und ohne Hintergrundvermutungen war, warum überweist der Herr Minister die halbe Million zurück nach Dubai? Zwei Monate später stellt er sein Amt zur Verfügung. Höchst fragwürdig in einem Rechtsstaat auch, dass ein Innenminister Jörg Schönbohm seinen Parteifreund über die Geldwäsche-Anzeige informierte, bevor die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufnehmen konnte. Unter welcher Rubrik soll ein rechtschaffener Wähler so etwas abhaken: Blödheit oder Hoffahrt bei den ranghöchsten Volksvertretern im Land Brandenburg? In diesem Zusammenhang sei an ein Wort von Willy Brandt erinnert: Es gibt Politiker, die akzeptabel sind, und es gibt Strolche, wie es sie anderswo auch gibt in unserer Gesellschaft, und es gibt Leute, die dazwischen anzusiedeln sind.

Soweit der erste Akt des authentischen Trauerspiels Operation Chipfabrik. Sollten wir auf dem Wege über Land der dubai silicon oasis ansichtig werden, ist genug Zeit, über den höchst traurigen zweiten und letzten Akt eines Wirtschafts-Krimis zu sinnieren. Soviel vorneweg: Welchen Anteil hat die Bundesregierung Deutschland an jener Katastrophe für Frankfurt an der Oder? Spielte das Scheichtum Dubai immer mit offenen Karten? Schließlich ging es um ein Milliarden-Projekt. Auch mir ist das Sprichwort bekannt: Bei Geld hört die Freundschaft auf. In diesem Zusammenhang darf wohl die Frage erlaubt sein, was ist dran an dem, dass die Vereinigten Arabischen Emirate so gut wie keine Kriminalität (Wer als Einheimischer nicht von edler Herkunft ist, sucht einen Job in der Verwaltung mit 1000 Dollar steuerfreiem Anfangsgehalt oder bei der Polizei. 15 000 Uniformierte sorgen rund um die Uhr in Dubai für Ordnung und Sicherheit. Eine supermoderne Zentrale steuert die Funkwagen: Kfz mit gelber Nummer sind ohne Einsatzbefehl; grün bedeutet unterwegs zum Einsatzort; blau heißt am Ereignisort tätig. Auf 100 000 Einwohner kommen pro Jahr 1,5 Morde, wobei Ausländer bislang nicht betroffen waren. Über Mitarbeiter und Tätigkeit einer Geheimpolizei gibt es keine Angaben) kennen? Für einen Rollstuhlfahrer, der einem gewalttätigen Angriff nur wenig Widerstand bieten kann, ist diese Tatsache wichtig. Als wir uns wegen der Reise nach Florida für einen Zielpunkt entscheiden mussten, da hatte ich bewusst die Westküste gewählt. Laut Statistik gab es am Golf von Mexiko bedeutend weniger Verbrechen als an der Atlantikküste mit dem Moloch Miami. Ein Vergleich mit der semitischen Sonnengottheit stimmt insofern, dass die Millionenstadt weltweit bekannt ist für eine über zwölf Monate anhaltende tägliche Präsenz von Klärchen; aber anders als im Alten Testament opfert Big Orange täglich nicht nur Kinder der Organisierten Kriminalität. Was Dhahi Khaifan Tamin sagt, Kommandant der Dubai Police, kommt auch manchen deutschen Ohren sehr zupass: Jeder ist beschäftigt. Jeder hier hat Arbeit. Ohne einen Arbeitsplatz kommt nach Dubai ja keiner rein. Wir haben also keine Arbeitslosen hier. Ich denke, das ist auch die Ursache, warum unsere Kriminalitätsrate so klein ist ...

Jetzt stand für uns also Dubai auf der Tagesordnung, von dem es heißt, hier können Frauen auch allein oder mit Kind unbehelligt Urlaub machen. Dubai gehört seit 1971 mit sechs anderen autonomen Scheichtümern zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, kurz V.A.E. oder U.A.E. (United Arab Emirates) genannt: Abu Dhabi als Hauptstadt, Ajman, Fujeira, Ras al-Khaima, Sharjah und Umm al-Kaiwain. Auf 83 600 qkm leben 1,7 Millionen Einwohner. Das bedeutet eine Dichte von etwa 25 Menschen pro Quadratkilometer. (zum Vergleich: Deutschland mit geschätzten 233 Einwohnern) Davon sind 87,1 % Araber, 9,1 % Pakistani und Inder, 1,7 % Perser und jeweils 0,8 % Afrikaner und Belutschen (Menschen aus Belutschistan im Südosten Irans). Gesprochen wird Arabisch als Amtssprache, Persisch und Englisch als Relikt der Schutzmacht Großbritannien beziehungsweise als Grundlage für die Verständigung im florierenden internationalen Tourismus. Deutschland gehört mit Japan, Korea Großbritannien und den U.S.A. zu den sechs wichtigsten Importstaaten. Exportiert wird hauptsächlich nach Japan, Südkorea, Oman, Singapur und in den Iran. Die erstaunlich schwache Währung heißt Dirham (in der Regel ist der EUR etwa 3,7 Mal soviel wert wie ein Dirham; Abkürzung DH), er teilt sich auf in 100 Fils. Wie so oft in der übrigen Welt, ist der Dollar trotz seiner zyklischen Schwindsucht die pekuniäre Bezugsgröße. Umso besser aber für den deutschen Touristen, der mit seinem EURO beim Shopping gut lachen hat. In der Reiseliteratur steht übrigens auch neben vielerlei Zahlenakrobatik, dass es seit und je zwischen Abu Dhabi (etwa 605 000 Einwohner) und Dubai (etwa 700 000 Einwohner) unüberbrückbare Rivalitäten gibt, die wegen jener Föderation unterm Teppich gehalten werden. 1830 spaltete Scheich Maktoum bin Butti das heutige Dubai vom südwestlich gelegenen Emirat Abu Dhabi ab. Letzteres verfügt heute über 90 Prozent aller Erdölvorkommen; dagegen hält Dubai, auch Venedig der Golfregion oder Las Vegas des Orients (ohne Zocker-Paläste, da der Koran das Wetten gegen Geld verbietet. Aus diesem Grunde verschenkt die Scheich-Familie anlässlich der Kamel- oder Pferderennen an die Untertanen Wettscheine. Die Gewinne können beträchtlich sein) genannt, das Heft fest in der Hand, wenn es um den Tourismus und die internationale Wirtschaft geht. Als besonders pfiffig reagierten die Clan-Chefs der sieben Scheichtümer hinsichtlich einer seit 1971 gemeinsamen Nationalhymne - um jedem Streit über die Wichtigkeit und Einzigartigkeit jener fürstlichen Familien aus dem Wege zu gehen, existiert diese ohne Text! Probleme gab es wohl auch nicht wegen der Nationalflagge (aus Baedeker dubai vereinigte emirate, 1. Auflage 2005/Seite 34). Zum Fahnenstock links wird sie begrenzt durch einen senkrechten roten Balken; eine typisch arabische Farbe. Nach rechts verlaufen analog zur deutschen Fahne die waagerechten Streifen von oben nach unten in Grün, Weiß und Schwarz. Die erste Fahne des Islam soll grün gewesen sein wie der Turban des Propheten Mohammed. In den Flaggen der Scheichtümer dominiert seit jeher das Weiß, während Schwarz ab 1916 in den Fahnen Panarabiens (ein Versuch der supranationalen Einheit vom Maghreb (arab. Westen; Marokko, Algerien, Tunesien) bis zum Maschrek (arab. Osten; Arabischen Halbinsel), beginnend mit dem ägyptischen Führer Gamal Abd el-Nasser, die arabischen Staaten im Kampf gegen den Kolonialismus zu einigen. Selbsternannte Führung je nach weltpolitischer Wetterlage durch Muammar al-Gaddhafi oder die syrische Baath-Partei. Der einzig wirkliche panarabische Schulterschluss gelingt in den vier Nahost-Kriegen gegen Israel) zu finden ist als Übernahme aus den Nationalflaggen seiner Mitgliedsstaaten.