Dunkelgrün wie das Meer - Ute Wegmann - E-Book

Dunkelgrün wie das Meer E-Book

Ute Wegmann

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Manchmal läuft alles schief Endlich Ferien mit den Eltern im Schiffhaus am Meer. Aber irgendwie ist diesmal von Anfang an der Wurm drin. Linns Mama und Papa haben Knatsch, weil Papa noch mal zurück in die Stadt muss, und deshalb ist Mama total sauer. Das reicht ja schon, um einem die Urlaubslaune zu verderben. Aber weil das wohl immer noch nicht genug Mist ist, selbst wenn man erst neun Jahre alt ist, hat auch noch Linns Lieblingsurlaubsfreundin Smilla ein fremdes Mädchen mit ans Meer genommen. Was ist los?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 53

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ute Wegmann

Dunkelgrün wie das Meer

Bilder von Birgit Schössow

Deutscher Taschenbuch Verlag

 

 

 

 

Für Heike

Koffer eins. Koffer zwei. Koffer drei.

Luftmatratze, Flossen, Gummiboot.

Bettzeug, Proviant, Bücher und Spiele.

Wie drei Ameisen liefen wir schon seit sieben Uhr vom Haus zum Auto, vom Auto zum Haus, vom Haus zum Auto, hin und her.

Ich war kein bisschen müde. Im Gegenteil, ich wurde von Minute zu Minute wacher, schließlich rückten mit jeder Tasche, die ich ins Auto trug, unsere Ferien näher. Der Platz im Kofferraum reichte nur noch für Luft oder für ganz kleine Flipflops.

 

Seit zehn Minuten saß ich abfahrbereit auf dem Rücksitz. Ferien mit Mama und Papa. Wellenreiten, Beachball spielen, Muscheln und Steine sammeln, Drachen steigen lassen und Vögel in den Dünen beobachten, vor allem jeden Tag und immer mit meiner Freundin Smilla zusammen sein.

Papa telefonierte im Vorgarten. Mama brachte den Müll zur Abfalltonne. Als sie an ihm vorbeiging, neigte sie leicht ihren Kopf und zog die Augenbrauen zusammen.

Wolken tauchten am Sommerhimmel auf.

Papa steckte das Handy in seine Hosentasche. Mama sprach ihn an. Er drehte sich um, ein wenig erschrocken, er hatte sie nicht gesehen, und antwortete. Sie hörte zu, und dann sagte sie etwas.

Ich beobachtete meine Eltern durch die Autoscheibe. Ihre Worte verstand ich nicht, ich sah nur, wie ihre Münder auf- und zuklappten und ihre Arme herumfuchtelten. Mein Vater machte komische Bewegungen. Seine rechte Hand schnellte nach oben, als wolle er eine Fliege verscheuchen. Meine Mutter presste die Lippen aufeinander, schaute ihn lange an und ging weg. Sie sah ziemlich sauer aus.

Ich legte mich auf die Rückbank mit dem Kopf auf mein Kuschelkissen und schloss die Augen.

»Bitte, lieber Gott, mach uns schöne Ferien«, flüsterte ich und drückte meine Hände auf die Brust.

Plötzlich war es kalt im Auto.

Ich wünschte mir loszufahren, in die Sonne, genau so, wie wir es geplant hatten. Als ich mich wieder aufsetzte, waren meine Eltern verschwunden.

»Wie heißt noch gleich dein wahnsinnig wichtiger Kunde?«

Mama fragte viel zu laut, und Papa guckte nicht mal eine Sekunde zu ihr herüber. Er legte sein Handy auf die Ablage.

Ich saß hinter ihm und spürte genau Mamas Zorn und dass er sich langsam wie Nebel im ganzen Auto ausbreitete. Ihre Oberlippe zitterte leicht, als ob noch ein Satz aus ihrem Mund herauswollte, aber stattdessen sah sie aus dem Fenster.

Draußen gab es nichts zu sehen, außer Autobahn und Regenwolken und Sturm und Gewitter und Felder und Weiden, und mein Vater fuhr so schnell, dass man nicht einmal Kühe von Pferden unterscheiden konnte.

»Fahr bitte nicht so schnell!«

Diesen Satz sagte Mama leiser, aber er hatte die Schärfe von einem sehr guten Brotmesser. In ihrer Stimme lag wenig Geduld und keine Liebe. Es klang bedrohlicher, als wenn sie sich über mich ärgerte, weil ich vergessen hatte, mein Fahrrad abzuschließen oder den Müll runterzubringen.

Ich setzte mich auf meine Hände, damit meine Zähne nicht auf den Fingernägeln herumhacken konnten. Papa schwieg und gab Gas. Er fuhr kein bisschen langsamer. Die Scheibenwischer schrappten von rechts nach links und von links nach rechts.

Hinter meiner Stirn schrappte auch etwas. Ich wusste nicht, was. Ein blöder Gedanke womöglich. Er sollte verschwinden. Meine Stirn war kalt wie Eis. Mamas eisige Nebelwut hatte mich eingehüllt. Die gemütliche Rückbank fühlte sich an wie ein Fach im Kühlschrank.

Normalerweise mochte ich das gern, wenn wir so eng im Auto zusammensaßen. Das passierte selten. Lange Strecken hatte ich am liebsten. Mama sang dann Lieder, Papa trommelte die Melodie aufs Lenkrad, und nach spätestens zwei Stunden hielten wir an und picknickten mit belegten Broten und Obst. Heute würde das anders. Meine Stirn sagte mir das, sie piekste von der nebligen Kälte. Der Korb mit den leckeren Esssachen stand neben mir. Süßigkeiten gehörten zu Ausflügen wie Sonne zu Sommer. Ich entdeckte die Schokolade, die Mama für mich gekauft hatte. Vollmilchnuss mit Karamellstückchen. Ich sah die Butterbrote, die in Kornblumenservietten gewickelt waren.

Die Temperatur sank, auf meine Stirn legte sich Frost. Die Scheibenwischer verdoppelten ihr Tempo. Am Himmel tobten Blitze, und ich ahnte, dass gleich ein dritter Satz aus Mama herausschießen würde.

»Ringo! Fahr nicht s-o s-c-h-n-e-l-l und nicht s-o n-a-h auf, sonst kannst du gleich in Aachen rausfahren und mich am Bahnhof absetzen. Ich verbringe meinen Urlaub lieber zu Hause als auf dem Friedhof.«

Ich vergaß zu atmen. Bevor meine Ohren alle schrecklichen Wörter an mein Hirn und mein Herz weitergeleitet hatten, flippte mein Vater aus.

»Es reicht, Carola! Reiß dich mal zusammen. Was ist daran dramatisch, dass ich den Urlaub für zwei Tage unterbrechen muss? Es ist ein wichtiges Projekt!«

»Projekt! Projekt! Projekt!« Meine Mutter machte eine Pause, um Luft zu holen. »Wichtig! Wichtig! Wichtig! Ich kann es nicht mehr hören!«

Zuerst schrie sie, dann alle beide.

Wieder Pause. Komische Stille.

Ich spürte alle zehn Finger an der Rückseite meiner Oberschenkel.

»Kennst du eigentlich noch den Namen deiner Tochter?«

Atmen, dachte ich, aber ich hielt erneut die Luft an. Alle diese Wörter schlugen mit einer Lautstärke auf mich ein und rissen mein Herz entzwei.

Meine Brust platzte fast. Ich hatte Angst, dass mein Herzblut gleich unter meinem allerliebsten T-Shirt hindurch auf meine neue Hose tropfen würde. Wann hatte Papa mich zuletzt bei meinem Namen gerufen? Ich erinnerte mich nicht. Meistens nannte er mich Liebi, Li oder Knöpfchen. Linn sagten sie beide doch nur, wenn etwas falsch war.

Meine Hände hatten sich befreit und hielten meine Ohren zu. Ich wollte die Wörter nach Hause und Friedhof nicht hören. Ich wollte weder Mamas böses Zischen noch Papas barsche Antworten hören.

Ich wollte picknicken. Ich wollte endlich in Holland ankommen, in unserem Schiffhaus, das Mama gemietet hatte wie in den letzten Sommern und wo ich in einem Zimmer mit Etagenbett schlief. Ich wollte, dass meine Eltern sich wieder liebten, wie heute Morgen um sieben, als wir anfingen, den Wagen zu packen.